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Veröffentlicht am 23.03.2022

2. Fall des Donnerstagsmordclubs

Der Mann, der zweimal starb (Die Mordclub-Serie 2)
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Mit seiner international gefeierten Buchreihe 'Die Mordclub-Serie' hat Richard Osman auf Bookstagram solche Wellen geschlagen, dass ich natürlich die Ohren gespitzt habe – eine neue Cosy-Crime-Reihe? Das ...

Mit seiner international gefeierten Buchreihe 'Die Mordclub-Serie' hat Richard Osman auf Bookstagram solche Wellen geschlagen, dass ich natürlich die Ohren gespitzt habe – eine neue Cosy-Crime-Reihe? Das wollte ich mir mal näher anschauen. Als Fan von Krimis, die eher mit charmanten Amateurdetektiven und einem idyllisch-ländlichen Setting als mit blutrünstigen Schauplätzen punkten, war ich vollends begeistert von der Idee, einem rüstigen Seniorenquartett beim Lösen von Kriminalfällen über die Schulter zu gucken. Da der zweite Band des Donnerstagsmordclubs gerade erschienen war (List Hardcover/Ullstein, Januar 2022), nutzte ich diesen als Reiheneinstieg und hatte keinerlei inhaltliche Verständnisschwierigkeiten, auch wenn es durchaus hin und wieder Anspielungen auf die Entwicklungen im ersten Band gibt.

Was die Handlung betrifft, verweise ich auf den akkuraten Klappentext, in welchem die wichtigsten Infos gekonnt eingestreut und ein paar relevante Details clever ausgelassen worden sind, um die Story entsprechend anzuteasern – Chapeau!

Der Schreibstil war zunächst sehr ungewohnt für mich – ich lese selten Geschichten, die im Präsens und aus der Sicht einer allwissenden Erzählstimme geschrieben sind, wobei es im vorliegenden Werk interessanterweise Ausnahmen gibt, so wird Joyce' Perspektive in der Ich-Form wiedergegeben. Anfangs war ich mir nicht sicher, ob es mir gelingen würde, mich mit diesem Stil anzufreunden, er wirkte eine Spur zu neutral, zu entrückt auf mich, allerdings sind die schrullig-exzentrischen, größtenteils liebenswerten Charaktere so einnehmend beschrieben worden, dass ich ruck, zuck in den spannend-unterhaltsamen Roman vertieft war, der immer wieder überraschende Wendungen für mich bereithielt. Nicht nur Elizabeth, Joyce, Ibrahim – der in dieser Episode ziemlich viel verkraften muss – und Ron brachten mich mit ihrem trockenen Humor und ihrer naiv-unverzagten, leicht realitätsentrückten Lebenseinstellung zum Schmunzeln, sondern auch die Polizistin Donna und ihr Vorgesetzter Chris (der neuerdings in einer Beziehung mit Donnas Mutter Patrice ist und seitdem ungesunden Snacks abgeschworen hat). Die gängigen Altersklischees (wie Probleme mit der modernen Technik) hat der Autor mit einem Augenzwinkern in die Handlung eingebettet.

Volle Punktzahl gibt es für die gemütliche Atmosphäre – die verschlafene, von wunderschöner Natur umgebene Seniorenresidenz Coopers Chase in der Grafschaft Kent wirkte so heimelig auf mich, dass ich Elizabeth, Douglas und Poppy auf ihrem konspirativen Spaziergang am liebsten begleitet hätte.

Fazit: Kluger, britischer Humor, ein skurriler Kriminalfall und ein Grüppchen scharfsinniger Senioren – definitiv eine gelungene Mischung. Bis auf die Tatsache, dass ich generell kein Fan von dem Konzept der Rache/Selbstjustiz in Büchern bin, habe ich mich wunderbar amüsiert.

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Veröffentlicht am 12.03.2022

Fesselnd, berührend, authentisch und ziemlich harter Tobak

Im Land der wilden Pfoten
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"Es war eine verrückte Zeit gewesen, ein Abenteuer, wie sie es sich nie erträumt hatte. Sie war an ihre Grenzen gegangen, an sich gewachsen, hatte Freundschaften geschlossen und sich in ein Land und in ...

"Es war eine verrückte Zeit gewesen, ein Abenteuer, wie sie es sich nie erträumt hatte. Sie war an ihre Grenzen gegangen, an sich gewachsen, hatte Freundschaften geschlossen und sich in ein Land und in einen Mann verliebt."

Hinter dem putzigen Cover verbirgt sich eine überaus ernste Thematik. In diesem mitreißend geschriebenen (Liebes-)Roman stehen ausnahmsweise mal nicht die romantischen Beziehungen, Freundschaften oder die innige Bindung zwischen Geschwistern an erster Stelle, sondern die Liebe zu Tieren.

"Australiens Buschfeuer im Dezember 2019 und Januar 2020 haben unsagbare Zerstörung verursacht, […] Menschen an den Rand ihrer Vorstellungskraft gebracht. Viele starben, Häuser und Heimaten wurden zerstört, eine halbe Milliarde Tiere fiel den Flammen zum Opfer, darunter allein achttausend Koalas." Zwar hatte ich in den Nachrichten damals von den verheerenden Feuern gehört, doch so richtig bewusst wurde mir das furchtbare Ausmaß des Black Summers erst mit dieser Lektüre.

Um nach der Trennung von ihrem Freund Alexander auf andere Gedanken zu kommen, gönnt Mieke sich einen dreimonatigen Urlaub in Down Under und gerät prompt in Lebensgefahr. Der Feuerwehrmann Rob wird zu ihrem Lebensretter und Freund. Er ermutigt sie, sich einer Tierschutzorganisation anzuschließen und bald schon ist Mieke fasziniert von diesem attraktiven Mann, der so selbstlos und gerne hilft, wo er nur kann. Sie ahnt nicht, dass hinter der Ruhe, die er ausstrahlt, und hinter seinem vermeintlich unerschütterlichen Selbstbewusstsein eine traurige Wahrheit steckt: Seit einem tragischen Erlebnis hat er mit Panikattacken zu kämpfen, was in seinem toughen Job alles andere als hilfreich ist. Und dann ist da noch Jodie, die mit ihrer unverblümten, schnoddrig-sympathischen Art zu meiner Lieblingsfigur des gesamten Romans wurde. So oft trifft sie mit ihren Aussagen den Nagel auf den Kopf. Die meisten Menschen "»[…] sind damit beschäftigt, sich selbst zu bedauern, nur um sich dann in das nächste Unglück zu stürzen. Tiere hingegen geraten unverschuldet in Notlagen.«"

Der angenehm flüssige Schreibstil ist gleichermaßen rasant und actionreich wie emotional und direkt, ich hatte alles bildlich vor Augen und fieberte während der zahlreichen Rettungsaktionen entsetzt mit den Figuren mit. Einige Szenen, insbesondere jene, in denen verletzten Tieren nicht mehr geholfen werden konnte oder die von großem Schmerz handelten, haben mir enorm zugesetzt. Wenn ich nur an den Koala denke, der in Miekes Armen gestorben ist, oder an die Beerdigung des kleinen Kängurus, zieht sich in mir alles zusammen und ich könnte direkt losweinen. Umso größeren Respekt habe ich vor allen Menschen, die sich dem Schutz der Wildtiere trotz aller Gefahren so engagiert verschrieben haben; ich kann mir gut vorstellen, dass diese Aufgabe bei vielen Helfern und Helferinnen tiefe Narben auf der Seele hinterlässt. "Sie hatte so viel Leid gesehen, Schmerz und Qual. Sie war manchmal rechtzeitig gekommen und oft zu spät. Hatte alles gegeben, aber nicht immer gewonnen. Das Feuer war überall […]".

Die aus Deutschland stammende Autorin und studierte Naturschutzbiologin Lea Lobrecht ist selbst ehrenamtliche Wildtierretterin in ihrer Wahlheimat Australien und man spürt in jeder Zeile, wie sehr ihr die Tiere am Herzen liegen.

Fazit: Ein überaus berührendes, aufrüttelndes Werk, das zum Nachdenken anregt und das ich allen (nicht zu zart besaiteten) Tierfreunden und Australien-Fans empfehle.

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Veröffentlicht am 08.03.2022

Wunderschönes Setting

Golden Hill Touches
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Im Auftakt ihrer bei MIRA Taschenbuch erschienenen Golden-Hill-Trilogie entführt uns Nicole Böhm in die romantisch-raue Natur des U.S. Bundesstaates Montana, wo für die Hauptprotagonisten Parker und Clay ...

Im Auftakt ihrer bei MIRA Taschenbuch erschienenen Golden-Hill-Trilogie entführt uns Nicole Böhm in die romantisch-raue Natur des U.S. Bundesstaates Montana, wo für die Hauptprotagonisten Parker und Clay Gegenwart und Vergangenheit aufeinanderprallen. Ich hatte schon viel Positives über den Schreibstil der Autorin gehört und kann diesen Eindruck nun aus eigener Erfahrung bestätigen, insbesondere im Hinblick auf die intensiv ausgearbeiteten Figuren sowie das atemberaubend schöne Setting, welches mich direkt zu Beginn für die Geschichte eingenommen hatte.

Ich liebe es, wenn Tiere ein tragendes Element der Handlung sind, zudem haben Pferde mich schon immer enorm fasziniert. Folglich kam ich an diesem Buch, in welchem es um den Wiederaufbau einer Familienranch - inklusive Pferdetherapiestätte – geht, nicht vorbei.

Elf lange Jahre sind vergangen, seitdem Parker die Ranch seiner Großeltern in Boulder Creek verlassen hat. Wider Erwarten hatte er einst genau an jenem Ort sein Herz verloren, wohin er eigentlich zur Strafe geschickt worden war – der verwöhnte Sohn aus reichem Hause hatte sich in Denver, Colorado einen Fehltritt nach dem anderen geleistet und seine Eltern waren der Meinung gewesen, etwas Abstand täte ihnen allen gut. Nie hätte Parker damit gerechnet, dass ihm ausgerechnet diese Natur, die ihm zunächst wie eine trostlose Einöde und der Inbegriff von Langeweile vorgekommen war, eines Tages Trost spenden würde und dass er seine gesamten Ersparnisse aufbrauchen, sich sogar haushoch verschulden würde, um das von seinen Großeltern verkaufte Land zurückzugewinnen. Vorläufig scheint sein Plan aufzugehen, aber die Einwohner des gemütlich-verschlafenen Städtchens sind nicht bereit, ihm das rebellische Verhalten seiner wilden Teenagerjahre zu verzeihen. Hier, wo der wilde Westen noch lebendig ist und ein Handschlag als ein schriftlicher Vertrag gilt, muss Parker sich ihr Vertrauen erst wieder verdienen. Und auch Clay, deren Welt damals nach Parkers überstürzter Abreise zusammengebrochen war, ist nicht gerade begeistert, dass er nun zurückgekehrt ist – und bleiben möchte.

So wundervoll das Setting Boulder Creek von der Autorin gezeichnet worden ist, ich habe mich dort lange Zeit ebenso unbehaglich gefühlt wir Parker. Man spürt die allgemeine Abneigung, die ihm von allen Seiten entgegenschlägt und teilweise tat er mir richtig leid. Umso empörter war ich, als er obendrein mit offensichtlichen Sabotageakten zu kämpfen hatte. Auch in Clay konnte ich mich prima hineinversetzen, wobei Parkers Perspektive für mich unterm Strich angenehmer zu lesen war bzw. er durchgehend mein Lieblingscharakter des Romans geblieben ist. Die innige Beziehung zwischen ihm und seiner Schwester Sadie gefiel mir ausgesprochen gut und ich freue mich schon sehr auf ihre eigene Geschichte!

Zwar gab es spannungstechnisch ein paar Passagen, in denen ich mir etwas mehr Action bzw. ereignisreichere Szenen gewünscht hätte, doch dafür konnten mich die Pferdeszenen ausgleichend verzaubern.

Fazit: Ein stimmungsvoller, gut durchdachter Liebesroman, der Pferdeliebhaber ebenso überzeugen wird wie Naturfreunde, USA-Fans und Leser:innen, die einen ruhigen Handlungsverlauf schätzen. Band 2 und 3 stehen bereits auf meiner Wunschliste!

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Veröffentlicht am 07.03.2022

Very British

Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbar
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Judith Potts ist eine 77-jährige, schrullig-sympathische, exzentrische Seniorin mit einem messerscharfen Verstand, die für ihr Leben gerne puzzelt, beruflich Kreuzworträtsel für Zeitungen anfertigt, immer ...

Judith Potts ist eine 77-jährige, schrullig-sympathische, exzentrische Seniorin mit einem messerscharfen Verstand, die für ihr Leben gerne puzzelt, beruflich Kreuzworträtsel für Zeitungen anfertigt, immer ein Döschen Fruchtbonbons in der Tasche parat hat und sich jeden Abend - gerne nach einem Nacktbad in der Themse - ein Schlückchen Whisky gönnt. In Marlow ist die Witwe mit ihrer unverblümten, schnörkellos-frechen Art bekannt wie ein bunter Hund, wohnt sie doch in dem wunderschönen alten Herrenhaus, dessen beeindruckende Fassade zum Glück nicht darauf schließen lässt, wie unaufgeräumt und verstaubt es drinnen aussieht. Judith kümmert sich nicht groß um Ordnung, gemütlich muss es sein. In vielen von Judiths Eigenarten habe ich mich wiedererkannt, sei es ihr Schimpfen über Tauben oder ihre Wertschätzung von Kindern, ihr Optimismus, ihr Gerechtigkeitssinn oder ihre Neugier. Sie ist sehr facettenreich ausgearbeitet worden und hat die klassischen Ecken und Kanten, die man sich von Romanfiguren immer wünscht, damit sie glaubwürdig erscheinen. Selbiges gilt für ihre neuen Bekanntschaften, die Hundesitterin Suzie, die nie ein Blatt vor den Mund nimmt, und die ordnungsliebende, perfektionistische Pfarrersfrau und Anwärterin auf den Titel 'Hausfrau des Jahres': Becks Starling – "also eigentlich Becky Starling, also eigentlich Rebecca". Dass diese drei so gänzlich unterschiedlichen Damen plötzlich zueinander gefunden und sich angefreundet haben, liegt daran, dass Judiths beschauliches Leben und die von ihr geschätzte Ruhe empfindlich gestört worden sind, denn "Stefan Dunwoody, ihr Freund und Nachbar, war erschossen worden" – und die Polizei tritt auf der Stelle. Detective Sergeant Tanika Malik, die neben Becks aufgrund ihrer unterschwelligen Liebenswürdigkeit und nahbaren Art zu meinen Lieblingsfiguren des Werks zählt, staunt nicht schlecht über die eigenmächtigen Ermittlungen des sonderbaren Trios. Und als es zu einem zweiten Mord kommt, wird es immer gefährlicher im malerischen Marlow.

Die Gesamtkonstellation der Figuren gefiel mir hervorragend, obwohl ich mich nicht für alle weiblichen Hauptfiguren 100%ig erwärmen konnte. Sowohl Judiths als auch Suzies zum Teil dreistes Verhalten und ihre oftmals (grundlos) trotzige Wortwahl empfand ich als einen Tick zu respektlos. Mag sein, dass man sich im Alter sagt, man müsse auf gewisse gesellschaftliche Gepflogenheiten keine Rücksicht mehr nehmen, doch ein wenig mehr Taktgefühl hätte ich schön gefunden. Von den Hintergründen der Mordfälle war ich sehr überrascht, auf diese clevere Lösung wäre ich nie gekommen. Der Weg dorthin hatte vor allem im letzten Drittel ein paar Längen, die der Geschichte leider etwas an Spannung und Tempo geraubt haben.

Das wundervolle Setting war eines der Highlights für mich, ich würde sofort nach Marlow ziehen! Die Beschreibungen dieses reizenden Städtchens haben es mir total angetan. "An einem Ende der High Street befanden sich eine elegante georgianische Hängebrücke und eine alte Kirche am Flussufer, am anderen stand ein prunkvoller Obelisk, und dazwischen säumten historische Gebäude aus mehreren Jahrhunderten die Straße. Über der High Street waren auf ganzer Länge rot-blaue Wimpel angebracht, die alles zu einem ästhetischen Ganzen, zu einer kleinstadttypischen Postkartenidylle zusammenfügten".

Fazit: Herrlich charmantes Setting, größtenteils sympathische Figuren und ein interessanter Plot, wenn auch mit kleinen Längen. Ich freue mich auf den 2. Band der Reihe und spreche eine Leseempfehlung für alle Fans von Cosy-Crime-Storys aus.

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Veröffentlicht am 27.02.2022

Für meinen Geschmack einen Tick zu deprimierend

Heart Story
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Für mich war der finale Band der "KISS, LOVE & HEART"-Trilogie (KYSS / Rowohlt Taschenbuch, Januar 2022) gleichzeitig auch das erste Buch aus der Feder von Bestsellerautorin Helen Hoang. Über ihre außergewöhnliche, ...

Für mich war der finale Band der "KISS, LOVE & HEART"-Trilogie (KYSS / Rowohlt Taschenbuch, Januar 2022) gleichzeitig auch das erste Buch aus der Feder von Bestsellerautorin Helen Hoang. Über ihre außergewöhnliche, auf Figuren mit Autismus fokussierte Buchreihe hatte ich bereits viel Positives gehört.

Das traumhaft schöne, in zarten Farben gehaltene und mit Blumen verzierte Cover sowie der Klappentext hatten mich auf eine romantische Love Story hoffen lassen. Mein großes Glück war, dass ich vorab zufällig auf eine Triggerwarnung des Verlags gestoßen war, die es mir ermöglichte, meine Erwartungshaltung noch rechtzeitig dementsprechend anzupassen und mit einer gänzlich anderen Einstellung an das Werk heranzugehen; andernfalls wäre ich sicher enttäuscht gewesen, denn tatsächlich war die Geschichte um Anna und Quan, aus deren Sicht abwechselnd in der Ich-Form erzählt wird, ziemlich harter Tobak.

Auf das Thema Autismus war ich selbstverständlich vorbereitet gewesen, Autistisches Burnout sowie Pflege und Tod eines nahen Familienangehörigen hätten mich allerdings kalt erwischt, deshalb war ich sehr dankbar für die Triggerwarnung.

Ich würde das Werk als modernen erotischen Tragikroman beschreiben. Explizite Szenen sind ebenso zahlreich vorhanden wie Momente, in denen mir das Herz blutete. Neben Depressionen, Scham, Komplexen, Panikattacken und Selbstmordgedanken war es vor allem die hochgradig toxische Beziehung zwischen der weiblichen Hauptfigur und ihrer 15 Jahre älteren Schwester (sowie teilweise ihrer Mutter), die mir wahrscheinlich meine ersten grauen Haare beschert hat, so sehr habe ich mich aufgeregt über Priscillas unverfrorene Respektlosigkeit, ihre Boshaftigkeit und den Mangel an Empathie, insbesondere im Hinblick auf Annas Diagnose. Geschwisterliebe: Fehlanzeige! Stattdessen gab es wüste Beschimpfungen, Gaslighting und emotionale Erpressung vom Feinsten.

Selten habe ich mich so schwergetan mit einer Rezension, da ich unbedingt die richtigen Worte finden möchte, um diesen besonderen Roman fair und nachvollziehbar zu bewerten. Ich muss zugeben, hätte ich die Triggerwarnung früher entdeckt, hätte ich das Werk nicht unbedingt lesen wollen. Inhaltlich war es absolut nicht mein Fall - zu düster, zu deprimierend für meinen Geschmack. Es müssen nicht ausschließlich rosarote, fluffige Wölkchen an meinem Lesehimmel sein, doch eben auch keine permanenten Gewitterwolken, die schwer und grau über mir hängen.

Unabhängig vom Inhalt haben mir die intensive Figurenzeichnung und der direkte, von Sarkasmus, trockenem Humor und viel Feingefühl geprägte Schreibstil sehr gut gefallen. Alles wirkt so greifbar und echt! Ich hatte noch nie zuvor etwas über Masking gelesen und fand die Darstellung der inneren Zerrissenheit Annas grandios – sie will, aber sie kann nicht. Sie weiß, sie sollte, aber der Widerstand in ihr ist zu groß.

Die in meinen Augen wichtigste Message des Romans ist Self-Love. Es ist okay, anders zu sein. Man darf NEIN sagen im Leben zu Dingen, die man nicht tun möchte und zu Menschen, die einen schlecht behandeln. – "Wenn ich nicht für mich eintrete, macht es auch sonst niemand."

Im berührenden Nachwort der Autorin wird deutlich, dass dieses Werk kein x-beliebiges Projekt für sie darstellt, sondern dass sie mit dem Schreibprozess ihre ganz persönlichen Erfahrungen verarbeitet hat. Vor dem Mut, diese privaten Emotionen mit der Welt zu teilen, habe ich größten Respekt.

Fazit: Rundum authentisch, enorm aufwühlend, inspirierend und sexy. Ein sehr spezielles Buch, das ich allen interessierten Lesern und Leserinnen mit ausdrücklichem Verweis auf die Triggerwarnung empfehle.

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