Tiefbetrübend und wahnsinnig berührend
Die Frau im Musée d'OrsayDer Klappentext von David Foenkinos' Roman erzählt vom Kunstprofessor Antoine, der in Paris eine Anstellung im Musée de Orsay annimmt und - so lässt der Klappentext zumindest hoffen - eine Liebe findet. ...
Der Klappentext von David Foenkinos' Roman erzählt vom Kunstprofessor Antoine, der in Paris eine Anstellung im Musée de Orsay annimmt und - so lässt der Klappentext zumindest hoffen - eine Liebe findet. Doch diese paar Worte reichen nicht annähernd aus, um zusammenzufassen worum es geht. Denn im Mittelpunkt von Foenkinos Roman steht nicht (nur) Antoine, sondern auch eine junge Frau namens Camille. Ihre berührende Geschichte erzählt dieser Roman nämlich eigentlich.
Der Roman ist in vier Abschnitte unterteilt, die Zeitsprünge und gelegentlich auch Perspektivenwechsel kennzeichnen. Im ersten Abschnitt lernen wir Antoine kennen. Er nimmt gerade eine Stelle in Paris als Saalaufsicht im Musée de Orsay an - eine Stelle, die eigentlich weit unter dem liegt, was er für gewöhnlich beruflich macht: nämlich als Professor in Lyon dozieren. Aber wieso nur dieser berufliche und ortliche Wechsel?
In diesen Abschnitt - und damit in den Roman - hineinzufinden, fiel mir nicht so leicht. Antoine hat eine sehr verschlossene, ja schon eigenartige, Art. Er spricht kaum und auch als aufmerksamen Leser werden einem hier keine tieferen Einblicke gewährt. Erst im zweiten Abschnitt des Romans bekommt Antoines Charakter eine Farbe.
Wen wir ebenfalls bereits im ersten Abschnitt kennen lernen ist Mathilde - die vermeintliche Frau im Musée de Orsay. Sie ist Personalchefin dort und zwischen ihr und Antoine deutet sich rasch eine Verbindung an.
Die Liebesgeschichte, die der Klappentext andeutet, habe ich entweder völlig fehl interpretiert, oder aber sie bleibt für mich sehr blass und nebensächlich. Als Leser sollte man sich nur bewusst sein, dass das hier kein Liebesroman ist.
Die Inhalte der folgenden drei Abschnitte schildere ich hier bewusst nicht weiter, um diesem wunderschönen Roman nicht vorweg zu greifen, denn es ist eine besondere Geschichte, die nun ab dem zweiten Abschnitt folgt. Wer sich zum Lesen dieses Romans entscheidet, entscheidet sich auch dafür über Leid zu lesen, über Trauer und Grausamkeit, aber auch über die Schönheit eines wundervoll ausgefeilten Charakters. Foenkinos ist es gelungen, intensive Gefühle und Empfindungen, seelischen Schmerz und Kummer in Worte zu fassen, die einem unglaublich nahe gehen. War ich im ersten Abschnitt vom Schreibstil noch etwas überrumpelt, hat er sich im dritten Abschnitt als nahezu großartig entpuppt.
Ich möchte diesen berührenden Roman wirklich jedem ans Herzen legen, muss aber dennoch leider ein Sternchen abziehen, da mir der Einstieg in die Geschichte nicht ganz so leicht fiel und die plötzliche Nähe zwischen Antoine und Mathilde sehr blass blieb. Höhepunkt des Romans sind ganz klar der dritte und vierte Romanteil.