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Veröffentlicht am 15.09.2016

Im The Cliffs steht die Zeit still

Frühstück mit den Borgias
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Der wichtige Informatik-Kongress in Amsterdam muss ohne den Bostoner Professor Ariel Panek stattfinden, denn dichter Nebel lässt seinen Flug schon in Suffolk enden. Seine heimliche Geliebte Zeva wartet ...

Der wichtige Informatik-Kongress in Amsterdam muss ohne den Bostoner Professor Ariel Panek stattfinden, denn dichter Nebel lässt seinen Flug schon in Suffolk enden. Seine heimliche Geliebte Zeva wartet unterdessen bereits voller Unruhe in Amsterdam auf eine Nachricht von ihm. Doch so sehr Ariel sich auch bemüht, aus dem düsteren Küstenhotel eine Außenverbindung herzustellen, sein Handy bleibt netzlos.

DBC Pierre hat einen fast schon gefährlich fesselnden Schreibstil, der einen direkt in die skurrile und einsame Welt des Hotels The Cliffs an der englischen Küste entführt. Der Autor spielt mit dem Leser, verschleiert, experimentiert und erschreckt. Manche Szenen waren so verwirrend absurd, dass ich überlegte, das Buch zur Seite zu legen, doch die Neugier auf Auflösung war größer. Großartige Charaktere werden so deutlich gezeichnet, dass man sich selbst mit deren Neurosen konfrontiert sieht. Man kann sich diesem Spuk nicht entziehen.

Der junge Professor Ariel scheint seinen Aufenthalt in Amsterdam minutiös geplant zu haben. Dank allgegenwärtiger technischer Möglichkeiten bleibt die Verbindung seiner Geliebten Zeva zu ihm auch über die Kontinente hinweg bestehen. Fahrpläne, Ankunftszeiten, Treffen, alles ist abgesprochen. Doch dann reißt die Verbindung ab und er verzweifelt an seiner Handlungsunfähigkeit.

"Und draußen war es grau und totenstill. Er blickte in den Nebel und sah nur ein Universum, das aus Partikeln bestand; und in dieser Nacht waren sie zur Bewegungslosigkeit gefroren."

Gleiches wiederfährt Zeva, die förmlich an ihr Handy gefesselt, auf eine Nachricht von Ariel wartet:

"Zeva hielt das Handy wie ein Gebetsbuch in ihren kleinen behandschuhten Händen. Es schien, als habe es noch nie zuvor geklingelt. Trotz der fehlenden Nachrichten warf es einen Lichtschimmer auf ihr Gesicht, und allein das war ein so wohltuendes Versprechen, dass sie ihren Blick nicht von dem Display lösen konnte. "

Man bekommt einen Spiegel unserer digitalen Zeit vorgehalten. Immer online und erreichbar. Was passiert, wenn man sich nur noch mit der direkten Umgebung auseinandersetzen kann.

Für Ariel bedeutet das, sich mit der im Hotel logierenden Familie, der Borgias, zu arrangieren. Ihr Verhalten und ihr exzentrisches Auftreten sind so unvorhersehbar, dass man ständig überrascht oder schockiert wird. Für Ariel ist es eine Achterbahnfahrt zwischen Wirklichkeit und Fiktion mit ungewissem Ausgang.

Dieser Roman stiftet Verwirrung, überrascht mit einem absolut unerwartetem Ende und zeigt, wie hilflos wir plötzlich ohne unsere scheinbar lebensnotwendigen Helferlein sind.

Ein ungewöhnliches Leseerlebnis für Leser, die es etwas spooky mögen.


Die Themen: Liebe und Tod, Spuk und Wirklichkeit im digitalen Zeitalter.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Veilchen und der böse Wolf

Veilchens Feuer
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Ein Abschiedskonzert des Altrockers Wolf Rock in Innsbruck wird zum neuen Fall für Valerie "Veilchen" Mauser. Der Musiker wird massiv bedroht und fürchtet um seine Sicherheit. Die Kriminalbeamtin ermittelt ...

Ein Abschiedskonzert des Altrockers Wolf Rock in Innsbruck wird zum neuen Fall für Valerie "Veilchen" Mauser. Der Musiker wird massiv bedroht und fürchtet um seine Sicherheit. Die Kriminalbeamtin ermittelt zusammen mit ihrem Exkollegen Manfred Stolwerk, um Licht in die Vergangenheit des Musikers zu bringen. Doch nicht alle sind begeistert alte Erinnerungen wieder aufleben zu lassen. Das Bergiselstadion entwickelt sich zum Höllenschlund, in dem es mächtig zu brodeln beginnt.

Joe Fischler setzt mit "Veilchens Feuer" die Reihe um die Ermittlerin Valerie Mauser erfolgreich fort. Der schnelle temporeiche und humorvolle Schreibstil passt zu der quirligen ungewöhnlichen Erscheinung der Ermittlerin. Im Anhang befindet sich ein Steckbrief, der die Blondine mit der auffälligen Afrofrisur skizziert. Valerie muss man einfach mögen. Unkonventionell, spontan und nicht immer mit dem richtigen Timing ermittelt sie auf ihre eigene spezielle Art.

Der Regionalkrimi lässt den Leser in das Innsbrucker Alpenstadt-Flair eintauchen, enthält aber auch wieder kleine versteckte Seitenhiebe, wie der Hinweis auf das ehemalige Olympische Dorf, politische Einflussnahme und Massensteuerung durch Internetmedien.

Altstar Wolf Rock will am Ende seiner Karriere in seinem Heimatort ein letztes großes Konzert ausgerechnet im Bergiselstadion geben. Doch irgend jemand will Rache für ein Vergehen, dass in den 70er-Jahren begangen wurde. Der Musiker ist bei den Ermittlungen keine Hilfe und sein Manager tut alles, um Valerie Steine in den Weg zu legen. Glaubhaft wird das Musikbusiness mit all seinen Glanz und Schattenseiten dargestellt.

Alle Figuren werden sehr detailliert und mit viel Charme beschrieben. Ob es Valeries Kollege Geyer ist, der durch die Freundschaft zum Musiker plötzlich eine optische Wandlung volllzieht oder Exkollege Stolwerk, der nicht nur den richtigen Riecher für Indizien hat, sondern auch um Valeries Wohlergehen besorgt ist. Alle wirken lebensecht und sympathisch, machen den Krimi zum Lesevergnügen.

Besonders gelungen sind Rückblicke eines jungen Mädchens, die in kurzen Abschnitten eingeschoben werden. Sie erhofft sich durch Wolf Rock ein neues Leben, die Flucht aus dem sozialen Milieu und wird bitter enttäuscht. Gespannt verfolgt man, was mit ihr geschah und versucht die Lösung des Falls zu finden.

Das dramtische Finale gleicht einem Actionfilm und Veilchen riskiert mal wieder Leib und Leben. Ihre "latente Lebensmüdigkeit" ist wieder sehr auffällig. Bis zum Ende rätselt man, wer der geheimnisvolle Bedroher sein soll und wird überrascht.

Die letzten Sätze versprechen eine interessante Fortsetzung, die sich mit Valeries Vergangenheit auseinandersetzt. Ich bin jetzt schon auf den Folgeband mit Valerie und Stolwerk gespannt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannender Regionalkrimi

Erst wenn du tot bist
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Fernab aller Kriegsschauplätze versucht die ehemalige Kriegsreporterin Fanny Wolff in ihrem Heimatort Stralsund einen Neuanfang. Als stellvertretende Chefredakteure der Ostsee-Nachrichten blickt sie einem ...

Fernab aller Kriegsschauplätze versucht die ehemalige Kriegsreporterin Fanny Wolff in ihrem Heimatort Stralsund einen Neuanfang. Als stellvertretende Chefredakteure der Ostsee-Nachrichten blickt sie einem beschaulichen Berufsleben entgegen, doch schon an ihrem ersten Arbeitstag entdeckt sie im Sund eine Frauenleiche. Ihr Spürsinn ist geweckt, auch wenn ihr Zwillingsbruder, der zuständige Kriminalkommissar, anfangs nicht gerade hilfreich reagiert. Die Geschichte des Opfers Melanie Schmidt lässt sie nicht mehr los, denn offensichtlich wurde die junge zweifache Mutter ermordet.

Der Auftakt zu einer neuen Krimi-Serie ist Katharina Höftmann mit Fanny Wolff gelungen. Ein lockerer, authentischer Schreibstil der den Leser ins schöne, aber mit Schatten gezeichnete Stralsund entführt. Alle Kapitel werden mit Zitaten von Künstlern aus Mecklenburg-Vorpommern begonnen und zeigen die Verbundenheit der Autorin zur Heimat. Ungewöhnlich ist der Auftakt mit einem Kapitel 0

"Wenn der Nebel so über dem Sund aufstieg, ja
geradezu gen Himmel dampfte, war es schwer zu
glauben, dass eigentlich Sommer war."


Kein sprunghafter Prolog, sondern ein Neubeginn steht im Vordergrund und damit Fanny Wolff, die 34-jährige Hauptprotagonistin. Man erfährt ihre Beweggründe, warum sie ihr aufregendes Leben als Kriegsreporterin aufgegeben hat und spürt, dass diese junge Frau schwer am Erlebten zu tragen hat. Im Laufe der Handlung erleidet sie mehrere Panikattacken, die sich nachts in Albträumen ihren Weg nach außen suchen. Die kursiv geschriebenen Erlebnisse sind echte Berichte von Kriegsreportern und veranschaulichen die emotionale Zerrissenheit zwischen Alltagserlebnis und Kriegswahn.

Besonders die aktuellen und brisanten Themen wie Flüchtlingsproblematik, einseitige Berichterstattung der Presse, sozial schwache Familien, Missbrauch und Pflegefamilien machen den Reiz dieses Krimis aus. Nicht der erhobene Zeigefinger, sondern die ganz alltäglichen Dinge des Lebens werden aufgezeigt. Die ermordete Melanie steht für viele junge Menschen, die versuchen aus ihrem Hamsterrad zu entkommen und immer wieder scheitern. Ein gesellschaftliches Problem, das allzu oft unter den Teppich gekehrt wird.

Die Aufklärung des Mordes gestaltet sich schwierig, da weder ein eindeutiges Motiv noch ein Täter erkennbar sind. Geschickt werden falsche Spuren in die Vergangenheit gelegt und erst am Ende werden Vermutungen bestätigt.

Ein Krimi der eine bunte Mischung aus wunderschönen Landschaftsbeschreibungen, aktueller Brisanz und einer ganz und gar nicht perfekten Ermittlerin bietet. Auf den nächsten Fall für Fanny Wolff bin ich schon jetzt gespannt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Vom Abstellgleis zurück ins Leben

Romeo und Romy
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Für Romy scheint der Schauspielerinnen-Traum zerplatzt zu sein. Von der Bühne in den Souffleusen-Kasten verbannt und dann auch noch gefeuert. Als ihre Oma stirbt, will sie sich nur noch verkriechen und ...

Für Romy scheint der Schauspielerinnen-Traum zerplatzt zu sein. Von der Bühne in den Souffleusen-Kasten verbannt und dann auch noch gefeuert. Als ihre Oma stirbt, will sie sich nur noch verkriechen und das funktioniert am besten im heimatlichen Erzgebirge. Doch die einstige Idylle gibt es nicht mehr. Vielmehr streiten sich die hochbetagten Einwohner um die letzten beiden Friedhofsplätze, denn der Friedhof im Nachbardorf ist für sie keine Alternative. Bevor die lebensmüden Senioren auf weitere dumme Gedanken kommen, spannt Romy sie für einen tollkühnen Plan ein. Sie will mitten im Nichts aus einer verfallenen Scheune ein elisabethanisches Theater zaubern und zusammen mit den Alten Romeo und Julia inszenieren.

Andreas Izquierdos Schreibstil ist erfrischend und kurzweilig. Liebevoll geschilderte Charaktere, die langsam immer persönlichere Züge erhalten, machen den besonderen Reiz der Geschichte aus. Anfängliche Schrulligkeit weicht bewegenden Schicksalen. Trotz der leichten Note und den humorvollen Szenen gibt es nachdenkliche Momente, die auf das Aussterben von kleinen Dörfern, die Hoffnungslosigkeit des Alters und den Umgang von jungen Menschen mit Senioren hinweisen.

"Das Leben verbraucht den Geist, das ist wahr, aber es kann ihn auch mit neuer Kraft befeuern."

Durch den Tod ihrer Oma kehrt die gescheiterte Schauspielerin Romy in ihr Heimatdorf Grosszerlitschern zurück und findet dort eine trostlose Dorfgemeinschaft vor, die mehr oder weniger auf ihr Ableben wartet. Dabei ist der Einfallsreichtum der Senioren an einen der heiß begehrten Friedhofsplätze zu gelangen, herrlich humorvoll umgesetzt. Romy kommt gerade rechtzeitig, um dem gefährlichen Spiel ein Ende zu setzen. Naiv, aber voller Tatendrang stürzt sie sich in die Umsetzung ihres Traums ein elisabethanisches Theater zu bauen. Trotz erheblicher Rückschläge, Geldmangel und altersbedingten Problemen ihrer Helfer wandelt sich die Stimmung im Dorf.

Ein besonderes Schmunzel-Highlight sind die ersten Proben. Romeo und Juli im Rentenalter sind schon ein Hingucker, dann aber auch noch im breiten sächsischen Dialekt, einfach klasse:

"De Lärsche wors, de Dageswäschdorinn, nisch de Nachdigoll...."

Obwohl Romy die Hauptfigur des Romans ist und mit allerlei Schatten aus der Vergangenheit zu kämpfen hat, spielen die Alten sie herrlich an die Wand. Für mich ist es ein Wohlfühlroman mit einem Appell an alle, das Alter nicht als Sackgasse zu sehen. Tolle Charaktere, die für ihren Traum kämpfen. Man muss sie einfach gern haben.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wissenschaft macht Spaß

Frank Einstein - Die Entführung der Roboter
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Diesmal muss es mit dem Wissenschaftspreis seiner Heimatstadt einfach klappen. Frank Einstein bastelt schon so lange an seinen Erfindungen. Durch einen einzigen Funken in der Nacht werden die Roboter Klink ...

Diesmal muss es mit dem Wissenschaftspreis seiner Heimatstadt einfach klappen. Frank Einstein bastelt schon so lange an seinen Erfindungen. Durch einen einzigen Funken in der Nacht werden die Roboter Klink und Klang lebendig und bauen zusammen mit Frank ein Antimaterie-Motor-Flugrad. Der Preis ist ihm so gut wie sicher, doch dann verschwinden Klink und Klang. T. Edison steckt garantiert dahinter, doch wie soll Frank Einstein seinem Rivalen das beweisen?

Jon Scieszka ist es gelungen Wissenschaft kindgerecht umzusetzen. Das Buch ist für Kinder ab 10 Jahren empfohlen und richtet sich an technikinteressierte Leser. Durch viele Illustrationen und Konstruktionszeichnungen von Brian Briggs kann man sich Frank Einsteins Erfinderleben noch besser vorstellen. Verschiedene Schrifttypen erleichtern die Unterscheidung zwischen Roboter und Mensch und eignen sich besonders für Selbstleser. Die schwierigen Begriffe, wie z. B. Materie, die nicht jedem Kind geläufig sind, werden im Anhang erklärt, setzen aber Grundwissen voraus.

Besonders gefallen hat uns das Wortspiel mit den wissenschaftlichen Namen der handelnden Personen, Frank Einstein als Erfinder, sein Freund Watson und Gegenspieler T. Edison. Genau wie Frank Einstein lieben es meine Söhne in der Werkstatt zu basteln und Dinge zu erfinden.

Wer hätte nicht gern einen lebendigen Roboter, mit dem man sich austauschen kann. Frank Einstein hat plötzlich sogar zwei: Kling und Klang. Kling, der kluge und selbstlernende Roboter und Klang, der liebenswerte aber etwas eingeschränkt denkende Roboter mit einem Umarme-Mich-Äffchen-Puppen-Gehirn.

Im Mittelpunkt steht der städtische Wissenschaftspreis, den Einstein unbedingt gewinnen will. Dank seiner Roboter hat er diesmal gute Chancen eine wirklich bahnbrechende Erfindung vorzustellen. Doch sein Gegenspieler Edison kommt ihm in die Quere und plant Unglaubliches. Mr. Chimp, ein echter Affe, unterstützt dessen fieses Treiben. Dank Gebärdensprache, die im Anhang erläutert wird, kann der Affe sich mitteilen, was er auch rege tut.

Durch Frank Einsteins Gedanken erfährt man ganz nebenbei viel über Physik:

"Dieses Papier, dieser Tisch, diese Pizzaschachtel, diese Salami, das Wasser, die Luft. Fest, flüssig, gasförmig. Alles im Universum besteht aus Materie."

Die lustigen Sprüche von Watson und Roboter Klang lockern allzu wissenschaftliche Details auf und man hat eine Menge Spaß beim Lesen.

Unserer Familie hat dieses unterhaltsame und lehrreiche Kinderbuch sehr gut gefallen und wir sind schon gespannt auf die nächste Erfindung von Frank Einstein.