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Veröffentlicht am 13.03.2020

Von Schein und Sein und der Flüchtigkeit der Dinge

Da sind wir
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Im Roman „Da sind wir“ des Engländers Graham Swift wird die 25-jährige Revuetänzerin und Protagonistin Evie White von zwei Männern geliebt. Einer von ihnen ist Jack Robinson, 28 Jahre alt und bereits eine ...

Im Roman „Da sind wir“ des Engländers Graham Swift wird die 25-jährige Revuetänzerin und Protagonistin Evie White von zwei Männern geliebt. Einer von ihnen ist Jack Robinson, 28 Jahre alt und bereits eine Saison lang als Conférencier im Theater auf dem Brighton Palace Pier erfolgreich. Sein gleichaltriger Freund Ronnie Deane, den er beim Militärdienst kennengelernt hat, interessiert sich schon seit seiner Kindheit für die Zauberei, ist bei der Ausübung seiner Künste aber weniger erfolgsverwöhnt. Bei seinen Auftritten nennt er sich „Pablo“ wie der Papagei, der ihm einmal sehr nahe war und den er vermisst.

Jack bietet ihm eine Shownummer im aktuellen Programm unter der Bedingung an, dass er mit einer Assistentin auftritt. Ronnie und Evie lernen sich beim Vorstellungsgespräch kennen. Die gemeinsamen Proben bringen sie einander näher. Während das Publikum immer begeisterter von den Auftritten des Paars ist, beginnen Evie und Jack während einer Abwesenheit von Ronnie eine Liebesbeziehung.

Die Haupthandlung spielt Ende der 1950er. Die langen Schatten des Krieges sind verblasst, Kleinkunst und Kino erfreuen sich großer Beliebtheit. Im Seebad Brighton vergnügen sich die Menschen und genießen die entspannte Atmosphäre. Einen besonderen Anziehungspunkt bildet das auf einem der Piers gelegene Theater. Während man auf der Bühne von Gesang, Zauberei, Tanz und Akrobatik mit viel Glitzer und Glanz verwöhnt wird, atmet der Gast vor und nach seinem Besuch die Seeluft ein und hört das Rauschen des Meeres. Gleiches konnte ich bei meinem Aufenthalt vor einiger Zeit auch erfahren. Leider gibt es das Theater heute nicht mehr, aber ebendort bieten sich einige andere Vergnügungen an.

Während ich als Leser wenig über die Kindheit von Jack und Evie erfahren konnte, folgte ich Ronnie zu einer für ihn entscheidenden Zeit Anfang der 1940er Jahre. Damals erlebte er eine ganz andere Seite von Familie und Erziehung als die, in der er heranwuchs. Diese Zeit hat sein Denken und Handeln nachhaltig geprägt. Der Ausspruch „Da bin ich“ oder auch „Da sind wir“, den er damals oft gehört hat, vermittelte ihm, dass Glück möglich, aber auch flüchtig ist. Das hat ihn geerdet und nicht nur durch seine Zauberkunst weiß er, dass nicht immer alles, was man zu sehen glaubt, der Realität entspricht. Gleichzeitig hat er es geschafft, einen seiner Träume zu leben und Evie ergänzt nicht nur seine Auftritte, sondern er wünscht sie sich an seiner Seite zur Verwirklichung eines weiteren. Bis er erkennt, was wirklich wichtig ist im Leben.

Im Buch „Da sind wir“ erzählt Graham Swift von Schein und Sein und der Flüchtigkeit der Dinge, von glanzvollen Bühnenauftritten und der Zeit jenseits der öffentlichen Bewunderung, in dem die Maskerade abgelegt wird und die Alltagsrollen eingenommen werden. Sein einfühlsam geschriebener Roman verknüpft heitere und tragische Momente, die zeigen, wie schmerzlich und freudig Leben ist. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Öfter mal "Danke" sagen

Dankbarkeiten
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Die inzwischen über 80 Jahre alte Michèle Seld, kurz Mischka gerufen ist die Protagonistin im Roman „Dankbarkeiten“ der Französin Delphine de Vigan. Mischka, die viele Jahre als Korrektorin von Texten ...

Die inzwischen über 80 Jahre alte Michèle Seld, kurz Mischka gerufen ist die Protagonistin im Roman „Dankbarkeiten“ der Französin Delphine de Vigan. Mischka, die viele Jahre als Korrektorin von Texten gearbeitet hat, leidet zunehmend unter einer Aphasie. Bald schon kann sie nicht mehr allein in ihrer Wohnung bleiben. Zwar hat sie selbst keine Kinder, aber sie hat sich häufig um die Nachbarstocher Marie gekümmert, die ihr nun beim Umzug ins Seniorenheim zur Seite steht.

Zu den wenigen regelmäßigen Besuchern im Heim gehört der Logopäde Jérome, der ebenso wie Marie die Geschichte aus seiner Sicht erzählt. Daneben gibt es weitere Abschnitte, die einige Träume Mischkas mit Situationen wiedergeben, in denen ihre Ängste deutlich werden.

Delphine de Vigan verdeutlicht, dass es für Mischka, die ein selbständiges Leben geführt hat, nicht leicht ist, sich den Regeln des Heims unterzuordnen und sich in die Gemeinschaft einzufügen. Von den Angestellten, die ihren Dienst nach Plan vollziehen, fühlt sie sich in ihrer Privatsphäre gestört. Das Telefonieren fällt ihr durch ihre Krankheit immer schwerer, nicht nur dadurch werden ihre Kontaktmöglichkeiten immer weniger. Leere breitet sich aus. Delphine de Vigan hat mit ihrem Schreibstil eine Möglichkeit gefunden mir als Leserin Mischkas Verlust der Hoffnung auf eine Besserung ihres Zustands und ihre steigende Resignation zu vermitteln, denn manche Sätze bleiben spürbar unvollendet im Raum stehen. Ein Dank in dieser Hinsicht gilt auch der sehr guten Übersetzung von Doris Heinemann, die die Nachvollziehbarkeit des Schwindens der Wörter ermöglicht hat.

Mischkas Gedanken kehren immer wieder in ihre Kindheit zurück, vor allem zu einer schwierigen Zeit im Krieg. Die Erlebnisse haben sich tief in ihr eingegraben und sie geprägt, damit hat sie noch nicht abgeschlossen, denn es gibt Menschen, denen sie gerne für ihre damalige Hilfe Danken möchte. Ihre Unruhe darüber, diesen Wunsch nicht mehr umsetzen zu können, ist spürbar. Sie ist aber nicht die einzige Figur im Roman, die dankbar ist für das Gute, dass sie im Leben erfahren hat.

Die Autorin weist auf all die Kleinigkeiten im Alltag hin, für die man Danke sagt, ohne lange nachzudenken, einfach aus Routine. Ihr Roman „Dankbarkeiten“ ist eine Aufforderung dazu, darüber nachzudenken, welche Gefälligkeiten demgegenüber einfach hingenommen werden und die doch eigentlich mehr Aufmerksamkeit von uns verlangen und ein wenig mehr Anerkennung, die man auch äußern sollte. Gerne empfehle ich den Roman uneingeschränkt weiter.

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Veröffentlicht am 05.03.2020

Verdeutlicht die Schwierigkeiten bei der Meinungsbildung

Die rechtschaffenen Mörder
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Schon ein Blick auf den Umschlag des Romans „Die rechtschaffenen Mörder“ von Ingo Schulze ließ mich wissen, dass er über Bücher, viele Bücher handelt. Vor allem dreht sich die Geschichte aber um den Besitzer ...

Schon ein Blick auf den Umschlag des Romans „Die rechtschaffenen Mörder“ von Ingo Schulze ließ mich wissen, dass er über Bücher, viele Bücher handelt. Vor allem dreht sich die Geschichte aber um den Besitzer dieser Bücher, den Dresdner Antiquar Norbert Paulini. Im ersten Satz des Romans liest sich denn „…lebte einst“, was sich für mich ein wenig märchenhaft anhörte, sich schließlich jedoch in das Gesamtbild des Buchs einfügte, denn der Roman besteht aus drei Teilen. Im ersten wird das Leben des Buchhändlers durch einen zunächst unbekannten Ich-Erzähler geschildert.

Erst im zweiten Teil lernte ich den fiktiven Schriftsteller Schultze kennen, der die Geschichte über Paulini zu Papier gebracht hat. Nicht nur sein Name ist dem des Autors ähnlich, es finden sich auch weitere Parallelen zu dessen Leben. Ich erfuhr, welche Gründe ihn bewegt haben, über den Antiquar zu schreiben. Er verarbeitet dabei seine persönlichen Begegnungen, die Fakten aus Gesprächen mit Bekannten und Freunden Paulinis, bindet Gerüchte ein und ergänzt alles durch seine Fantasie. Im letzten Teil des Romans kommt schließlich die Lektorin von Schultze zu Wort, die mir nochmal einen neuen Blickwinkel auf Paulini, Schultze und deren gemeinsame Freundin Lisa sowie das unvollendete Manuskript gab.

Norbert Paulini lebt in Dresden und kommt aus einfachen Verhältnissen. Seine Mutter besaß eine Buchhandlung, verstarb aber wenige Tage nach seiner Geburt im Jahr 1953. Doch ihre unverkauften Bücher hortete der Vater an jeder freien Stelle in der Etagenwohnung einer Villa im Stadtteil Blasewitz, in der die Familie lebt. Dadurch wurde bei Paulini die Liebe zu den Büchern geweckt und seine Berufung. Sein Leben ist eng verknüpft mit der wechselhaften Geschichte Ostdeutschlands. Besonders einschneidend für ihn und sein Geschäft ist die Öffnung der Grenzen und das Oderhochwasser. Er resigniert nicht, akzeptiert die gegebenen Umstände und passt sich an. Doch im Laufe der Jahre ändern sich in kleinen Schritten seine Einstellungen, auch weil er seinen eigenen Erwartungen als Vater gerecht werden möchte. Und eines Tages steht er im Blickfeld von polizeilichen Ermittlungen.

Ingo Schulzes Roman ist angefüllt mit Leidenschaft für Bücher, nicht nur durch seinen Protagonisten, sondern auch über Buchschätze. Hier fällt mancher große Autorenname und Titel, die auf diese Weise Paulini nicht nur seinen Kunden, sondern auch mir als Leser empfiehlt. Paulini ist ein geradliniger Mensch, er hat bestimmte Ansichten von seiner Zukunft, zu dem der Wunsch gehört, vom Lesen zu leben genauso wie seine Erwartung an eine Ehefrau. An Aussagen zur politischen Lage hat er kein Interesse, stattdessen steckt er seine ganze Energie in die Vermittlung von Büchern an seine Kunden. Dabei sollen es vor allem die Klassiker sein, die jeder kennen sollte. Nur widerwillig beachtet er Neuerscheinungen.

Das Adjektiv rechtschaffen, wie es im Titel genutzt wird, trifft auf Paulini in besonderer Weise zu. Im Zeitablauf erfordern jedoch familiäre und gesellschaftliche Ereignisse unangenehme Entscheidungen von ihm, die er meistert. Für mich als Leser war es nachvollziehbar, dass er sich immer mehr als Opfer der Umstände betrachtet und seine Gelassenheit nur noch nach außen sichtbar ist, während es in seinem Innern brodelt, doch das ist nur Spekulation.

Die Veränderung der Erzählperspektive verdeutlicht, dass die Erzählung über eine Person durch Dritte gespickt ist mit vielen Einflüssen und dadurch ein reales Bild nicht möglich ist. Es kann als Außenstehender nur ein Versuch sein, dass Verhalten eines Menschen zu erklären, durch seine Äußerungen und seine Handlungen. Doch unsere Gesellschaft neigt zur Vorverurteilung und Schubladendenken.

Meisterhaft zeigt Ingo Schulze in seinem Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ dem Leser, wie schwierig es ist, sich eine umfassende, ehrliche und faire Meinung zu bilden. Durch unterschiedliche Erzählperspektiven führt er dem Leser vor, wie subjektiv, manchmal borniert der Eindruck von uns in der Öffentlichkeit entsteht. Einige Fragen bleiben offen und warten darauf, vom Denken des Lesers gefüllt zu werden. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 02.03.2020

Berührender und eindringlich geschriebener Roman, der auf wahren Ereignissen basiert

Vardo – Nach dem Sturm
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Die Engländerin Kiran Millwood Hargrave beschreibt in ihrem Roman „Vardo“, wie auch der Untertitel „Nach dem Sturm“ schon andeutet, die fiktiven Ereignisse nach dem historisch belegten Unwetter am Heiligen ...

Die Engländerin Kiran Millwood Hargrave beschreibt in ihrem Roman „Vardo“, wie auch der Untertitel „Nach dem Sturm“ schon andeutet, die fiktiven Ereignisse nach dem historisch belegten Unwetter am Heiligen Abend des Jahres 1617. Er betraf vor allem die Fischer von Vardo, der östlichsten Gemeinde Norwegens, deren Boote er versenkte. Vierzig, und damit alle erwachsenen Männer des Orts ertranken dabei. Die Frauen müssen den Kampf ums Überleben aufnehmen in einer kargen und abgeschiedenen Gegend. Dabei versuchen sie teilweise auch die Aufgaben ihrer Männer zu übernehmen. Durch die Konventionen ihrer Zeit sind sie dabei eingeschränkt. Im gleichen Jahr wird ein Dekret zu Zauberei und Hexerei erlassen, dass drei Jahre später in der Finnmark, zu dem Vardo gehört, durchgesetzt wird.

Zu den Opfern des Sturms gehörten der Vater, der Bruder und der Verlobte der 20-jährigen Maren, die jetzt mit ihrer Mutter allein in einem kleinen Haus lebt. Ihre Schwägerin ist samischer Herkunft, schwanger und hat ein Zimmer gleich nebenan. Während Maren und die meisten Frauen des Dorfs gläubige Christen sind, hängen die Samen ihrem eigenen Glauben an, zu denen der Kontakt zur Geisterwelt durch einen Schamanen gehört, wodurch sie besonders im Blickfeld des neues Gesetzes stehen.

Zur Durchsetzung des Dekrets wird Absalom Cornet, der sich in seiner Heimat Schottland bereits in der Hexenverfolgung einen Namen gemacht hat, nach Vardo geschickt. Bei seiner Zwischenstation in Bergen trifft er Ursa, die Tochter eines Reeders. Schnell wird eine Ehe zwischen den beiden arrangiert. Die als Hausfrau unerfahrene Ursa begleitet ihren Ehemann in den Norden. Die Frauen von Vardo begegnen ihr mit Misstrauen, doch zwischen ihr und der etwa gleichaltrigen Maren entwickelt sich zunehmend ein ganz besonderes Verhältnis.

Kiran Millwood Hargrave beschreibt behutsam und feinfühlig die zunehmenden Spannungen in einer Gemeinschaft, in der durch den Verlust der erwachsenen Männer jahrzehntelang bewährte Aufgabenverteilungen hinfällig geworden sind. Der tägliche Kampf darum, genug Nahrung besorgen zu können, überdeckt die Trauer, sie brauchen einander. Obwohl sie Hilfe aus anderen Ortschaften erhalten, ist die Enttäuschung über die Obrigkeit groß, der das Einhalten der Gesetze wichtiger zu sein scheint als das Überleben der Einwohner.

Ursa kommt an der Seite ihres Mannes in dieser Situation nach Vardo. Das Misstrauen gegenüber Absalom übertragt sich auf seine Frau. Dabei weiß Ursa wenig über ihren Mann, denn die insgesamt verbrachte gemeinsame Zeit ist kurz und geprägt von Bewunderung und Respekt, aber auch einer unterschwelligen Angst vor Absalom, der ihr wenig über sein bisheriges Tun erzählt hat. Ausgerechnet ihre Unfähigkeit zur Führung eines Haushalts bringt ihr die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den Frauen der Gemeinde. Bei Maren findet sie das, was sie fern ihres Heimathauses vermisst hat: Sie wird zu ihrem Ankerpunkt, bringt ihr Verständnis entgegen und spendet ihr Trost.

Der Glaube an Hexerei und Zauberei treibt einen Keil in die Gemeinschaft, der Spalt öffnet sich immer weiter. Ursas Stand in der Gemeinde als Frau des Hexenverfolgers ist umstritten. Die beschriebenen Prozesse basieren auf den historischen Grundlagen und wurden von der Autorin sehr gut recherchiert. Sie sind grausam, abschreckend und bis heute unverständlich. Vardo hat ihnen ein Mahnmal gesetzt, damit niemand vergisst.

Kiran Millwood Hargrave erzählt im Roman „Vardo – Nach dem Sturm“ berührend und eindringlich über das reale Schicksal der Frauen in der titelgebenden Gemeinde Norwegens im Jahr 1617, die sich schon bald nach dem Unwetter und dem Verlust ihrer Männer der Macht der von der Regierung entsendeten Hexenverfolger gegenüber sehen, die die Gesetze erbarmungslos durchsetzen. Gleichzeitig schreibt die Autorin zart und behutsam über Liebe, die nicht zerstört werden kann und sich ihre eigenen Wege sucht. Ein Roman mit einem ganz eigenen Klang, der in Erinnerung bleibt. Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.02.2020

Abwechslungsreiche, magische und aufregende Handlung

Serafin. Das Kalte Feuer
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Zu den erfolgreichsten Reihen von Kai Meyer gehören die drei Jugendbuchbände über das Waisenkind Merle, die vor etwa zwanzig Jahren zum ersten Mal veröffentlicht wurden. Das Buch „Serafin – Das Kalte Feuer“ ...

Zu den erfolgreichsten Reihen von Kai Meyer gehören die drei Jugendbuchbände über das Waisenkind Merle, die vor etwa zwanzig Jahren zum ersten Mal veröffentlicht wurden. Das Buch „Serafin – Das Kalte Feuer“ erweitert die Serie und spielt im Anschluss an die Geschehnisse des dritten Bands. Die titelgebende Figur Serafin, die jetzt zum Protagonisten wird, ist bereits aus den Merle-Büchern bekannt, die ich aber bisher nicht gelesen habe. Es war kein Problem der Handlung zu folgen und die kurzen Hinweise auf vorige Ereignisse an entsprechenden Stellen, an denen Hintergrundwissen benötigt wurde, machten mir Lust darauf, auch die ersten drei Teile zu lesen.

Serafin lebt in Venedig, aber nicht in dem, welches wir heute kennen und das ich bereits besucht habe, sondern in einer Stadt voller Magie, in der in Neumondnächten die Kanäle trocken fallen. Der 17-jährige Serafin betätigt sich in solchen Nächten als Schlammsammler und hofft darauf, wertvolle Dinge auf dem Kanalgrund zu finden. In einer Nacht entdeckt er zwei bewusstlose Mädchen, etwa in seinem Alter, vor einem Standspiegel liegend. Es sind Merle und ihre Freundin Junipa. Leider kann Serafin vorerst nur eines der Mädchen in Schutz nehmen, denn längst haben starke Gegner die Freundinnen aufgespürt und sich einer von ihnen bemächtigt. Um mehr darüber zu erfahren, wieso die beiden Mädchen behaupten, ihn zu kennen, bietet er ihnen seine Unterstützung an. Gemeinsam müssen sie sich gegen Widersacher behaupten und die Hilfe zwielichtiger Gestalten in Anspruch nehmen.

Kai Meyer stattet seine Spiegelwelt mit ganz eigenen Elementen aus wie beispielsweise einer geflügelten Katze, den manifestierten Städten, einem Mädchen mit Spiegelaugen und einem steinernen Herz, einem Lampenentzünder und den Kartographen. Serafin und die beiden Freundinnen haben gute Absichten, doch mächtige Feinde lassen sich teilweise nur mit List, Magie oder unter Zuhilfenahme von Waffen besiegen.

Immer wieder baut der Autor neue Wendungen ein und führte mich als Leserin zu unbekannten Orten in einem geheimnisvollen Venedig. Dabei spielt er mit dem Charakter seiner Figuren wie mit gespiegelten Ebenbildern, mit schnellem Blick ist dabei nicht erkennbar, welche Seite man vor sich hat, die gute oder die böse, die wohlmeinende oder die vernichtende. In einer Welt voll Herausforderungen ist Vertrauen schwierig, vor allem dann, wenn man wie Serafin schon schlechte Erfahrungen gesammelt hat und er die Personen, auf die er sich verlassen möchte, noch nicht lange oder gar nicht kennt. Neben anhaltender Spannung entwickelt sich auch eine zarte Liebesgeschichte.

„Serafin – Das Kalte Feuer“ von Kai Meyer ist die Fortsetzung des Merle-Zyklus, die den 17-jährigen Serafin in einer parallelen Spiegelwelt von Venedig in den Mittelpunkt stellt. Die Handlung ist abwechslungsreich, magisch und aufregend. Durch einige unerwartete Wendungen bleibt lange offen, wie die Geschichte endet. Das Buch eignet sich für Jugendliche ab 12 Jahren und ist aufgrund des faszinierenden Schreibstils auch für Erwachsene interessant. „Serafin“ kann auch als Einstieg in die Serie gelesen werden. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

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