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Veröffentlicht am 07.04.2022

Feinsinnige und berührende Erzählung über eine Vater-Tochter-Beziehung

Für diesen Sommer
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Der Roman „Für diesen Sommer“ von Gisa Klönne ist eine Geschichte über die Beziehung einer Tochter, die inzwischen über 50 Jahre alt ist, zu ihrem immer gebrechlicher werdenden Vater. Als allwissende Erzählerin ...

Der Roman „Für diesen Sommer“ von Gisa Klönne ist eine Geschichte über die Beziehung einer Tochter, die inzwischen über 50 Jahre alt ist, zu ihrem immer gebrechlicher werdenden Vater. Als allwissende Erzählerin schildert die Autorin nicht nur Begebenheiten im Verhältnis der beiden aus der Gegenwart, sondern schaut auch in deren Vergangenheit.

Die Protagonistin Franziska Roth hat sich in ihrer Jugend häufig gegen die Ansichten der Eltern, vor allem gegen die ihres Vaters Heinrich, aufgelehnt. Heinrich war als Vermessungsingenieur am Bau wichtiger Straßen beteiligt, seine Tochter hat sich dagegen den Natur- und Klimaschützern angeschlossen und gegen den Bau demonstriert. Sie fühlte sich unverstanden, hielt aber an ihren Meinungen fest und hat ihr Glück über Jahre hinweg in der Ferne gesucht. Zuletzt war sie gemeinsam mit ihrem Lebenspartner an einem Hofprojekt beteiligt, aber die Liebe ging in die Brüche. Ihre ältere Schwester Monika ist im Vollzeitjob und hat Ehemann und zwei Kinder. Nach dem Tod der Mutter hat sie sich zusätzlich noch um den Vater gekümmert. Als Monika dringend eine Auszeit benötigt, bittet sie kehrt Franziska darum, sich um Heinrich zu kümmern.

Gisa Klönne schaut weit in die Vergangenheit ihrer beiden Protagonisten, um deren Handlungsweisen zu erklären. Heinrich, geboren 1933, ist von seiner Mutter allein erzogen worden. Er denkt, dass er eine Belastung für sie war. Im Zweiten Weltkrieg kam er mit der Kinderlandverschickung nach Polen und erinnert sich mit Schrecken daran. Franziskas Mutter war gebürtig aus Ostpreußen und lebenslang begleitete sie eine gewisse Schwermut über den Verlust der Eltern. Franziska spürt, dass es da immer noch etwas anderes gegeben haben muss, dass sich nicht benennen lässt.

Tatsächlich gibt es ein gut verborgenes Geheimnis, das einen beständigen Schatten über die Familie geworfen hat. Im Rückblick erkennt Franziska, dass sie schon als Kind den Trübsinn gespürt und er sie fürs Leben geprägt hat. Ihr kam es nicht darauf an, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und durch beste Leistungen zu glänzen. Stattdessen wollte sie das Gute auf der Welt suchen und durch ihre Mittätigkeit die Welt lebenswert erhalten.

Heinrich ist stolz darauf, dass er aus kleinen Verhältnissen heraus eine Familie gründen und durch seine Berufswahl ein angenehmes Leben führen konnte. Die zunehmenden Einschränkungen des Alters ärgern ihn. Er war immer korrekt und strebte danach, Regeln einzuhalten. Sich von seiner älteren Tochter bevormunden zu lassen, gefällt ihm gar nicht.

Für Franziska und Heinrich ist es nicht einfach, den Alltag gemeinsam zu bestreiten. Viele Auseinandersetzungen und Unverständnis füreinander gehörten bisher zu ihrem Beisammensein dazu. Auch die Rolle von Monika als Tochter und Schwester wird mehrschichtig von der Autorin betrachtet. Durch den Erzählstil mit zahlreichen Rückblenden kommt es zu gewissen Längen. Obwohl ihre Geschichte fiktiv ist, baut sie auf den eigenen Erfahrungen von Gisa Klönne auf und wirkt dadurch authentisch.

Der Roman Für diesen Sommer“ von Gisa Klönne ist eine feinsinnige und berührende Erzählung einer Vater-Tochter-Beziehung. Beide konnten nicht alle ihre Lebensträume verwirklichen. Durch die Erinnerungen der beiden werden dem Lesenden die unterschiedlichen Ansichten verständlich. Gleichzeitig bietet die Geschichte einige realistische Vorschläge, wie man sich einander annähern kann. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 21.03.2022

Autofiktion über ein kompliziertes Mutter-Tochter-Verhältnis

Man kann Müttern nicht trauen
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as Buch „Man kann Müttern nicht trauen“ ist die autofiktionale Geschichte der Mutter von Andrea Roedig. In ihrem Werk versucht sich die Autorin vorzustellen, welche Motive diese für ihr Handeln hatte und ...

as Buch „Man kann Müttern nicht trauen“ ist die autofiktionale Geschichte der Mutter von Andrea Roedig. In ihrem Werk versucht sich die Autorin vorzustellen, welche Motive diese für ihr Handeln hatte und von welchen Gedanken sie geleitet wurde.
Lieselotte, kurz Lilo gerufen, war Jahrgang 1938. Ihr Vater wurde im Krieg vermisst, weswegen ihre Mutter sie allein großzog. Dabei wird sie oft gemaßregelt. Sie lernt den Beruf der Modefachverkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft an bester Adresse. Doch sie wird den Sohn eines Metzgers heiraten und hinter der Fleischtheke stehen. Lilo bekommt neben Andrea drei Jahre später auch noch Christoph. Wichtige Helferlein sind für sie Zigaretten, Alkohol und Tabletten. Als ihre Tochter zwölf Jahre alt ist kommt es zu einem großen Bruch in der Familie und Andrea hat drei Jahre lang keinen Kontakt mehr zu ihr und später auch immer nur für kurze Phasen.
Die Autorin versucht eine chronologische Aufarbeitung anhand von Fotographien und Tagebucheinträgen ihrer eigenen Aufzeichnungen und der aus einer Chronik, die Lilo aufgezeichnet und ihr eines Tages geschenkt hat. Andrea Roedig beschreibt ihre Mutter, die beruflich ständig im Kontakt zum Kunden stand, als darauf bedacht, im Privatleben auf Abstand zu bleiben.
Das Verhalten ihrer Mutter war oftmals ein Rätsel für die Autorin. In bestimmten Situationen, wie beispielsweise im ersten Kapitel beschrieben, schien sie Freude daran zu finden, ihre Kinder auf eine psychisch verletzende Weise zu behandeln. Es gab nie eine Erklärung für ihr Tun und auch im Niedergeschriebenen gibt es keine Erläuterung. Daher füllt Andrea Roedig viele geschilderten Szenen aus dem Leben von Lilo mit Annahmen bei denen viele Fragen offenbleiben.
Lilos Leben ist gekoppelt an das ihrer Ehemänner, vor allem an der Seite ihres ersten Gatten erlebt sie Höhen und Tiefen. Sie ist ein Kind ihrer Zeit, neugierig auf Mode und Musik im Nachkriegsdeutschland. Die Autorin setzt sich ebenfalls mit der Rolle ihres Vaters auseinander und damit, wie das Gebaren ihrer Eltern Einfluss auf den jeweils anderen genommen hat. Später hinterfragt sie auch das Einmischen ihrer Großeltern in die Ehe und die Erziehung der Kinder.
Die Schilderungen der Autorin sind nicht leicht zu lesen. Obwohl sie versucht, die Begebenheiten in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen, reichen auch ihre Erinnerungen nicht aus, die ihr vorliegenden Aufzeichnungen zu vervollständigen. Für ihre Auslegungen lässt sie manchmal ihre Gedanken schweifen, doch sie bleibt selber dabei auf Distanz. Weder zur Gefühlswelt der Mutter noch zu der der Tochter konnte ich engen Zugang finden.
In ihrer Autofiktion „Man kann Müttern nicht trauen“ legt Andrea Roedig erstaunlich offen das Leben ihrer Mutter dar, mit dem sie sich auf mehrfache Weise beschäftigt hat. Dabei räumt sie ein, dass auch sie selbst zu dem komplizierten Verhältnis beigetragen hat. Mit dem Anliegen, Gefühle an die Oberfläche zu bringen, puzzelt sie aus Fotos, Tagebucheinträgen und Erinnerungen ihre ganz eigene Wahrheit, deren Lesen mir nicht immer leicht fiel, mich aber berührten.

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Veröffentlicht am 15.03.2022

Großes Familiengeheimnis mit überraschender Auflösung, aber nicht ganz schlüssig

Das verschlossene Zimmer
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Der Roman „Das verschlossene Zimmer“ der Australierin Rachel Givney spielt im polnischen Krakau in der Zeit von Februar bis September 1939 mit einem Rückblick auf Ereignisse aus den 1920er Jahren. Die ...

Der Roman „Das verschlossene Zimmer“ der Australierin Rachel Givney spielt im polnischen Krakau in der Zeit von Februar bis September 1939 mit einem Rückblick auf Ereignisse aus den 1920er Jahren. Die Autorin erzählt darin die Geschichte der 17-jährigen Marie Karska und ihrem Vater, dem Chirurgen Dominik Karski. Marie hat wenige Erinnerungen an ihre Mutter, die die Familie verlassen hat als sie noch ein Kleinkind war. Aber sie vermutet, dass ihr Vater Hinweise auf sie in seinem ständig verschlossenen Schlafzimmer aufbewahrt.

Marie steht kurz vor ihrem Schulabschluss. Ihr großer Wunsch ist es, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten und Medizin zu studieren. Bisher hat Dominik nie auf die Fragen Maries nach ihrer Mutter geantwortet. Von einem Bekannten bekommt sie einen Tipp, wie sie die verschlossene Tür aufbrechen kann. Ihr ist bewusst, dass sie damit das Vertrauen ihres Vaters verliert, wenn er sie dabei erwischt.

Der Roman beginnt mit der spannenden Szene, in der Marie versucht, ins Schlafzimmer zu gelangen. Dabei macht sie eine wichtige Entdeckung. Doch im Folgenden fokussiert die Erzählung auf die aktuellen Ereignisse im Leben der beiden Protagonisten. Rachel Givney schildert dabei den chirurgischen Alltag von Dominik, sein Verhalten zu einem neuen Kollegen und seine Aussicht auf Beförderung, während Marie sich verliebt.

Inzwischen ziehen am Horizont die dunklen Wolken des Zweiten Weltkriegs auf. Marie ist sich auf eine arglose Weise nicht der Gefahr für die jüdische Bevölkerung bewusst mit der sie durch den erneuten Kontakt mit ihrem früheren Nachbarssohn in Verbindung kommt. Ihr Verhalten nahm ich in einigen Fällen als nicht glaubwürdig wahr, was unabhängig ist von der Auflösung des großen Familiengeheimnissen rund um ihre Mutter zum Ende des Romans. Eventuell kann man ihre Unbedarftheit darauf zurückführen, dass ihr Vater zwar abends nach der Arbeit das Essen kocht, aber ansonsten viele Dinge unausgesprochen bleiben zwischen ihm und seiner Tochter. Sie führen ein Leben nebeneinanderher. Dominik engagiert sich in der Gemeinde, aber in der Gesellschaft kommt er lediglich seinen Verpflichtungen nach und zeigt kein Interesse an weiteren Kontakten.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm zu lesen. Im Mittelteil kommt es durch einige Geschichten, die nicht von Belang sind zu kleinen Längen. Man sollte aber unbedingt bis zum Ende lesen. Immer wieder erschienen mir einige Handlungen von Dominik und Marie rätselhaft. Manche fand ich, wie oben bereits erwähnt, unrealistisch, aber einige mehr hatten damit zu tun, dass entsprechend eines Satzes aus dem Roman, die Menschen nur das sahen, was sie sehen wollten. So erging es mir auch als Leserin, die ihre eigenen Vorstellungen von Marie und Dominik in ihrem jeweiligen Umfeld beim Lesen entwickelte. Das Thema „Krieg“ verblasst zunächst im Hintergrund und kehrt dann in einer anderen, für mich unerwarteten Form zurück.

Der Roman „Das verschlossene Zimmer“ von Rachel Givney enthält ein großes Familiengeheimnis, das am Beginn aufgeworfen wird und am Ende eine überraschende Aufdeckung findet. Die Autorin stellt die beiden Figuren Marie und ihren Vater Dominik in den Mittelpunkt, wobei sich Ungereimtheiten in deren Verhältnis zueinander ergeben, die aber für mich nicht ganz schlüssig durch die Lösung der Suche nach Maries Mutter geklärt werden. Insgesamt fühlte ich mich gut durch den Roman unterhalten und empfehle ihn gerne weiter.

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Veröffentlicht am 02.03.2022

Unterhaltsame Geschichte mit speziellem Humor

Eine kurze Liste meiner Probleme (Mutter nicht mitgezählt)
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Cressida Catterberg, kurz Cressi genannt, ist die Protagonistin und Ich-Erzählerin im Roman „Eine kurze Liste meiner Probleme (Mutter nicht eingerechnet) von Beate Teresa Hanika, die hier erstmalig unter ...

Cressida Catterberg, kurz Cressi genannt, ist die Protagonistin und Ich-Erzählerin im Roman „Eine kurze Liste meiner Probleme (Mutter nicht eingerechnet) von Beate Teresa Hanika, die hier erstmalig unter dem offenen Pseudonym Mimi Steinfeld schreibt. Allerdings scheint die Liste von Cressi im Zeitablauf immer länger zu werden. Die Farben der Umschlaggestaltung lassen auf einen heiteren Liebesroman schließen. Das ist die Geschichte auch, aber auf eine eher überdrehte Weise.

Cressi ist kein Kind von Traurigkeit in Bezug auf sexuelle Beziehungen. Einen festen Partner hat sie derzeit nicht. Ihr Therapeut hat ihr empfohlen, enthaltsamer zu sein. Ihre Mutter hat schon oft gesagt, dass sie bald sterben wird, doch jetzt ist es tatsächlich soweit. Zuletzt bekennt sie gegenüber ihren drei Töchtern, dass jede von ihnen einen anderen Vater hat. Cressis drei Tanten bestehen darauf, ihrer Schwester ein Begräbnis zukommen zu lassen, dass der Verstorbenen gefallen hätte. Außerdem wird Cressi von den Hinterbliebenen damit beauftragt, dass langjährig leerstehende Gebäude, in dem ihre Mutter ein Bistro betrieben hat, zu verkaufen.

Der Schreibstil der Autorin ist durchgehend witzig gemeint. Sie arbeitet sehr viel mit dem Stilmittel der Übertreibung. Häufig ist am Ende einer Szene Cressi oder jemand aus ihrer Verwandtschaft am Rande der Verzweiflung. Nicht nur die Protagonistin, sondern auch ihre Tanten und Schwestern haben Charakterzüge mit denen die anderen nicht gut zurechtkommen. Das führt zu etlichen Problemen im Miteinander, meist zur Erheiterung der Leserschaft. Der Tod der Mutter und die darauffolgende Organisation des eigenwilligen Begräbnisses zeugt von Galgenhumor. Der lustige Ton des Romans spricht bestimmt nicht Jeden an, so wie sich häufig beim Spaß die Geister scheiden.

Die Autorin hat zu den unterschiedlichsten Themen im Leben der Protagonistin amüsante Einfälle beispielsweise, wenn Cressi mit ihrer Schwester die Rolle tauscht oder der Hund ihrer Mutter zu ihrem ständigen Begleiter wird. Cresse fühlt sich ihrer Familie gegenüber verpflichtet und bringt nicht die Stärke mit, sich gegen deren Anliegen aufzulehnen, so dass bei ihr kaum eine charakterliche Entwicklung zu sehen ist. In Sachen Partnerschaft ist ihr das Glück zum Ende hin denn doch noch zugeneigt.

Mimi Steinfeld schreibt in einem eigenwilligen Stil. Ihre Figuren reagieren oft überspitzt, wodurch sich belustigende Szenen entwickeln und einen speziellen Humor treffen. Mich hat die Geschichte unterhalten und ich fühlte mich von ihr für einige Stunden vom Alltag abgelenkt.

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Veröffentlicht am 23.02.2022

Selbstfindung der Buchhändlerin Christa in den 1950er und 1960er Jahren

Die Buchhändlerin: Die Macht der Worte
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Der Roman „Die Buchhändlerin – Die Macht der Worte“ von Ines Thorn ist der zweite Band der Serie rund um die Buchhändlerin Christa, die in Frankfurt am Main lebt. Nachdem ich die Protagonistin im ersten ...

Der Roman „Die Buchhändlerin – Die Macht der Worte“ von Ines Thorn ist der zweite Band der Serie rund um die Buchhändlerin Christa, die in Frankfurt am Main lebt. Nachdem ich die Protagonistin im ersten Band bis 1949 begleitete, beginnt die Fortsetzung im Jahr 1951. Christa arbeitet weiterhin als Buchhändlerin. Zusätzlich hat sie nach Abschluss ihres Germanistikstudium damit begonnen, ihre Doktorarbeit zu schreiben.

Das Leben hat es nicht immer gut mit ihrer Familie gemeint, aber Christa war hilfsbereit und hat häufig ihre eigenen Wünsche hintenangestellt. Die Ehe, die sie eingegangen ist, war ein gutes Arrangement., doch sie ist immer noch in den Lyriker Jago verliebt, dem sie nach mehreren Jahren wieder begegnet. Aber die Beziehung ist belastet durch die Vergangenheit von Jagos Vater. Durch ihn wird sie weiterhin mit den Gräueln des Zweiten Weltkriegs konfrontiert. Sie vermeidet den Kontakt, möchte damit gleichzeitig aber auch Jago nicht brüskieren. Währenddessen kehrt der leibliche Vater ihres adoptierten Sohns Heinz aus der Kriegsgefangenschaft zurück und erhebt Ansprüche auf seinen Nachwuchs.

Es ist für Christa keine leichte Zeit bis 1968, dem Jahr in dem der Roman endet. Zwischenzeitlich ergeben sich mögliche Freiräume für sie, in denen sie endlich ihren eigenen Wünschen folgen könnte, doch dann werden ihr wieder aus ihrem Umfeld heraus andere Aufgaben angetragen. Von ihrer Mutter wurde sie auf eine spätere Heirat und den damit verbundenen Pflichten als Ehefrau vorbereitet. Christa hat sich gegen diese Rollenzuordnung aufgelehnt. Jetzt fechtet sie einen inneren Kampf mit sich. Einerseits möchte sie den Anforderungen als Hausfrau und Mutter entsprechen, andererseits wünscht sie sich, ihren Beruf auszuüben und zu promovieren. Es ist allgemein schwierig, sich in einer immer noch von Männern dominierten Gesellschaft zu behaupten.

Nach einem Beginn, der fließend an den ersten Teil anschließt und für Christa manche Überraschung bereithält, gelegentlich unangenehm, aber auch mal schön, ließ das mich ansprechende Geschehen im mittleren Teil etwas nach. Statt selbstbewusst ihren Weg zu gehen, lässt die Protagonistin von ihren Zielen ab. Dadurch konnte ich ihr Handeln teils nicht mehr nachvollziehen. Nachdem sie dann allerdings ihrem Herzen folgt, wird die Geschichte wieder facettenreicher.

Durch die Freundin von Heinz erfährt sie die Einstellung einer neuen Generation, die aktiv ihre Meinungen zum Ausdruck bringt beispielsweise in den Studentenunruhen der 1968er. Durch die Auseinandersetzung mit den ungewohnten Ansichten wird Christa deutlich, was sie im Leben nicht verwirklicht hat. Aber noch ist es nicht zu spät für sie, einen Teil ihrer Träume umzusetzen.

Auch diesmal spielt die Geschichte vor dem Hintergrund der Literaturlandschaft. Über die Jahre hinweg bindet Ines Thorn wichtige Entwicklungen auf dem Buchmarkt mit ein. Ein Thema, das breiten Raum einnimmt, bilden antiquarische Bücher über deren Chancen und Risiken beim Handel ich auf diese Weise mehr erfahren konnte. Aber auch weitere kulturelle Begebenheiten lässt die Autorin einfließen genauso wie Ereignisse politischer Art.

Mit dem Roman „Die Buchhändlerin – Die Macht der Worte“ zeigt Ines Thorn, welche Bedeutung dem geschriebenen und gesprochenen Wort in Deutschland in den 1950ern und 1960er Jahren zukam. Ihre Protagonistin Christa durchläuft dabei verschiedene Phasen der Selbstfindung, die sich an den Konventionen der Zeit orientieren. Die Autorin ummantelt ihre Geschichte mit wichtigen gesellschaftsrelevanten Themen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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