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Gisel

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.06.2019

Roadmovie mit einem Toten

Rückwärtswalzer
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Der arbeitslose Schauspieler Lorenz muss ganz viel auf einmal verkraften: Er ist pleite, sein erhofftes Engagement löst sich in Luft auf, und seine Freundin trennt sich von ihm. Selbstmitleid ist zunächst ...


Der arbeitslose Schauspieler Lorenz muss ganz viel auf einmal verkraften: Er ist pleite, sein erhofftes Engagement löst sich in Luft auf, und seine Freundin trennt sich von ihm. Selbstmitleid ist zunächst angesagt. Doch dann stirbt Onkel Willi, und seine Frau möchte ihn in seiner Heimat Montenegro vergraben, so wie er es sich immer gewünscht hat. Das Geld für die Überführung ist allerdings bereits verbraten, und so bricht Lorenz mit dem toten Willi und seinen Tanten im Auto auf nach Montenegro.

Eine liebenswürdig-chaotische Familie ist das, die dem leiblichen Wohl ausgiebig fröhnt. Die Mengen an Speisen, die dieses Buch erwähnt, sind schon sehr enorm. Ausgefallen und skurril ist die Geschichte um Willis Tod und um seine Vergangenheit, die parallel zur Gegenwart aufgerollt wird. Da kommt so manches Geheimnis zu Tage. Da schimmert dann durch die manchmal etwas unfreiwillig komische Geschichte eine unerwartete Tragik hindurch.

Ein Buch, das gut unterhält und zum Lachen wie auch zum Nachdenken verführt, deshalb sehr empfehlenswert ist.

Veröffentlicht am 04.06.2019

Was ein neuer Blickwinkel ausmacht

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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1994: An einem schönen Sommerabend werden vier Menschen brutal ermordet. Zwanzig Jahre später wendet sich die Journalistin Stephanie Mailer an die damaligen Ermittler und behauptet, der wahre Täter sei ...

1994: An einem schönen Sommerabend werden vier Menschen brutal ermordet. Zwanzig Jahre später wendet sich die Journalistin Stephanie Mailer an die damaligen Ermittler und behauptet, der wahre Täter sei nicht gefunden worden. Kurz danach verschwindet sie. Und die damaligen Ermittler Jesse Rosenberg und Derek Scott beginnen erneut mit den Ermittlungen, diesmal mit Hilfe der jungen Kollegin Anna. Es ist erstaunlich, was dabei zu Tage kommt.

Eine reichlich komplexe Geschichte mit vielen Handlungsfäden serviert der Autor Joël Dicker dem Leser, und anfangs ist es gar nicht so einfach, sich in den vielen Personen dieses Romans sowie seinen vielen Geschehnissen zu orientieren. Hilfreich ist dazu die Liste der wichtigsten Personen, die am Schluss des Buches für den Leser zusammengefasst ist. Bei mir dauerte es eine Weile, doch dann hatte mich das Buch gepackt und ich wollte die Verquickung der verschiedenen Ereignisse unbedingt auflösen. Der Spannungsbogen ist dabei sehr geschickt angelegt, ich wollte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Der Autor beleuchtet verschiedene Blickwinkel und schafft es durch einen genialen Trick, der Geschichte einen neuen Ansatz zu geben. Das ist manchmal etwas ausschweifend erzählt, doch wer sich von der Erzählung einfangen lässt, wird mit einem spannenden Roman belohnt.

Ich werde mich unbedingt nach weiteren Büchern des Autors umsehen und empfehle das Buch auf jeden Fall weiter.

Veröffentlicht am 30.05.2019

Absurd komisch

Crazy Rich Asians
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Rachel und Nick leben in New York und sind fest befreundet. Zur Hochzeit von Nicks Freund Colin fliegen die beiden nach Singapur. Dort wohnt Nicks Familie, und er will Rachel seiner Familie vorstellen. ...

Rachel und Nick leben in New York und sind fest befreundet. Zur Hochzeit von Nicks Freund Colin fliegen die beiden nach Singapur. Dort wohnt Nicks Familie, und er will Rachel seiner Familie vorstellen. Rachel ahnt noch gar nicht, wie reich, ja stinkreich Nicks Familie ist. Das wird ihr aber bald klar. Und spielte Geld bisher keine Rolle zwischen den beiden, waren sie sich ebenbürtig, merkt Rachel, dass das monetäre Ungleichgewicht für Nicks Familie eine große Rolle spielt. Rachel findet sich konfrontiert mit schrillen Verwandten, glamourösen Nebenbuhlerinnen und einer Welt, in der Geld maßlos verprasst wird. Was wird dabei aus Nicks und Rachels Liebe werden?

Dieses Buch ist eine absonderliche Geschichte über eine superreiche Schicht von Asiaten, die sich in ihrer eigenen Welt eingesponnen haben. Für die auch ganz klar ist, dass niemand „Unbefugtes“ Eintritt in diese Welt erhält. Da schiebt man dann jemand, die nicht dazugehören darf, auch mal einen stinkenden Fisch in die Tasche. Oder zieht gnadenlos vom Leder über sie. Das ist so absurd, dass es unweigerlich komisch wirkt.

Die Geschichte wird aus mehreren Blickwinkeln erzählt, und bei Nicks weitläufiger Verwandtschaft ist der Stammbaum der Familie wichtig, der an den Anfang des Buches gelegt wurde. Doch auch so wird es schnell unübersichtlich mit all den Tanten und Cousins. Doch man merkt auch schnell, dass dies gar nicht so wichtig ist, wer denn nun gerade am Intrigieren ist. Einige Fragen bleiben am Ende des Buches noch offen, sie werden sicher in den Folgebänden dieser Trilogie beantwortet werden.

Dieses Buch ist so verrückt wie sein Titel und beschert dem Leser einige unterhaltsame Stunden. Überraschend ist die Lektüre allemal.

Veröffentlicht am 29.05.2019

Realitätsnah und düster

1793
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Stockholm, 1793: In der Stadtkloake wird ein Toter aufgefunden, völlig verstümmelt und fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Zwei Ermittler machen es sich zur Aufgabe, seine Identität, den Täter und ...

Stockholm, 1793: In der Stadtkloake wird ein Toter aufgefunden, völlig verstümmelt und fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Zwei Ermittler machen es sich zur Aufgabe, seine Identität, den Täter und dessen Motive zu finden: der Jurist Cecil Winge, bei der Stockholmer Polizei für „Besondere Verbrechen“ zuständig, und Jean Michael Cardell, ein traumatisierter Veteran mit Holzarm.

Vielschichtig ist dieser historische Krimi, der Leser wird in ein Stockholm voller Details entführt, so dass man schier den Lärm der Stadt hört und ihre Gerüche inhaliert. Manches davon ist mit ziemlicher Brutalität geschildert, hier nimmt der Autor kein Blatt vor den Mund. Die beiden Ermittler haben selbst ihre Probleme zu tragen, dennoch beißen sie sich fest an ihrer Aufgabe und gehen dafür auch durch die brenzligsten Situationen. Der Krimi ist eingebettet in den historischen Hintergrund der damaligen Zeit. Das nimmt einiges an Raum ein, der Autor ist insgesamt sehr detailliert in seinen Ausführungen. Düster ist das Stockholm, in dem die beiden Ermittler unermüdlich tätig sind, und dies schlägt sich auch in der Erzählung nieder.

Sehr realitätsnah sind sowohl die Geschichte wie auch die handelnden Personen geraten. Beim Auftauchen aus der Lektüre musste ich mich immer wieder kurz orientieren, um wieder in mich selbst und meine Zeit zurückzufinden. Spannend ist der Krimi auf jeden Fall, und auch der historische Hintergrund ist sehr gelungen. Die brutalen Szenen sind allerdings eher Geschmackssache. Insgesamt vergebe ich vier von fünf Sternen und empfehle das Buch gerne weiter.

Veröffentlicht am 27.05.2019

Mit spitzer Feder erzählt

Der Zopf meiner Großmutter
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Max ist mit seinen Großeltern nach Deutschland gekommen. Die Großmutter soll früher eine gefeierte Tänzerin gewesen sein. Nun hat sie im Flüchtlingswohnheim ein hartes, aber herzliches Regime eingeführt, ...

Max ist mit seinen Großeltern nach Deutschland gekommen. Die Großmutter soll früher eine gefeierte Tänzerin gewesen sein. Nun hat sie im Flüchtlingswohnheim ein hartes, aber herzliches Regime eingeführt, in dem sie vor allem ihren Enkel vor dem schädlichen Einfluss der Welt bewahren will. Sie merkt es erst als Letzte, dass ihr Mann sich verliebt hat. Doch auch damit geht die Großmutter auf ihre ganz eigene Weise um.

Ich habe die Bücher von Alina Bronsky für ihren pointierten Schreibstil und die faszinierende Beobachtungsgabe der Autorin schätzen gelernt. Scheinbar sachlich, dafür aber mit spitzer Feder erzählt sie über die Eigenheiten ihrer Protagonisten, und dennoch merkt man ihr an, dass sie ihren Figuren Sympathie entgegenbringt. Da springt beim Lesen sehr schnell das Kopfkino an und lässt den Leser immer wieder lachen. Lange habe ich allerdings nach den Gründen für dieses Verhalten gesucht, erst gegen Ende gab es einige eher spärliche Erklärungen dazu. Dadurch gerät die Oma ein bisschen zu sehr in die Ecke der Psychopathin, was das Buch zu sehr in die skurrile Richtung schiebt.

Diese Geschichte kann nicht so ganz mithalten mit ihrem letzten Buch, „Baba Dunjas letzte Liebe“, dennoch hat mich der bitterböse Erzählton und die pointierte Erzählung der Geschichte gut gefallen. In diesem Sinne empfehle ich das Buch etwas verhalten weiter.