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Veröffentlicht am 07.04.2020

Brandaktuell und spannend wie das wahre Leben

Im Namen der Lüge
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Ein Tötungsdelikt nach einem Eifersuchtsdrama bringt Vincent Veihs Truppe in Einsatz. Kommissar Bruno Wegmann, der diesen Fall leitet, lässt sich schnell von einer Beziehungstat überzeugen. Da der Täter ...

Ein Tötungsdelikt nach einem Eifersuchtsdrama bringt Vincent Veihs Truppe in Einsatz. Kommissar Bruno Wegmann, der diesen Fall leitet, lässt sich schnell von einer Beziehungstat überzeugen. Da der Täter unmittelbar festgenommen wurde, ist der Fall für Kommissar Wegmann und dem Staatsanwalt schnell abgehandelt.

Die Streifenbeamtin Kim Brandstätter und Hauptkommissar Veih sehen einen anderen Tathintergrund. Der Ermordete ist Journalist und er recherchierte unter Reichsbürgern.

Die Verfassungsschutzbeamtin Melia Khalid wird ein brisantes Geheimpapier zugespielt, dessen Authentizität nicht bestätigt ist. Sie versucht, der Sache auf den Grund zu gehen.

Veihs und Khalids Wege kreuzen sich auf der Suche nach der Wahrheit.

Politisch tut sich viel in dieser Zeit. Landtagswahlen stehen an. Drei RAF-Pensionäre führen Raubüberfälle auf Geldtransporter aus. Wollen sie mit ihren Raubzügen die vierte Generation von RAF-Terroristen finanzieren und Waffen beschaffen oder kämpfen sie ums eigene Überleben?


„Im Namen der Lüge“ ist wieder einmal ein explosiver Politthriller. Ich habe auch wieder einmal den Eindruck, dass ich als ambitionierter Leser politisch gut informiert sein muss, um auch alles verstehen und nachvollziehen zu können. Einige Tatsachen, die in der Danksagung angeführt wurden, hatte ich so noch gar nicht in ihrer Bedeutung mitbekommen.

Insbesondere die letzten beiden Sätze der Danksagung waren mir aus der Seele geschrieben:
„Die Frage, was der Inlandsgeheimdienst wirklich schützt, ist berechtigt. Die Verfassung scheint es nicht zu sein.“

Die Geschichte ist fiktiv, aber wie in allen Thrillern von Herrn Eckert ist sie sehr nah an der Realität. Als Leser denke ich ständig, ja, genauso könnte es sein, und mir wird angst und bange bei dem Gedanken. Es handelt sich immer um Gedankenspiele, aber warum werden in der Realität solche und ähnliche Verbrechen, egal ob von „Rechts“ oder „Links“ nie völlig aufgeklärt? Warum besteht unser Geheimdienst, er nennt sich ja Verfassungsschutz, aus so vielen Geheimnissen, geschredderten Akten und V-Männern, die von Geheimdienstlern geschützt werden, aber vor denen wir nicht geschützt werden?

Zurück zum Buch: Super spannend entblättert Herr Eckert die Machenschaften rechter Organisationen. Sie unterwandern die Parteien und den Verfassungsschutz, provozieren linke Gruppierungen und suggerieren deren terroristisches Potential, um letztlich die Regierung zu stürzen und die Macht an sich zu reißen. Die ganze Paranoia der Verfassungsschützer und die Geheimnisse der Geheimnisträger, die keinesfalls publik werden dürfen, treten voll zu Tage.

Pikant und erfrischend ist dabei, dass die ermittelnde Verfassungsschützerin eine farbige Deutsche mit Kraushaar ist. Kommissar Veih spielt dieses Mal eher eine Nebenrolle, aber die Brisanz seiner Beziehung als Polizist zu seiner Mutter mit RAF-Vergangenheit kam wieder voll zur Geltung.

Was mir noch erwähnenswert erscheint: Wenn man Melias Manipulationen der Presse beobachtet, und zwar nicht „Bild“ oder ähnliches, sondern ernsthaft gut recherchierende Presse, die eigentlich unser Vertrauen genießt, dann erfährt das Wort „Lügenpresse“ eine andere, neue Bedeutung.

Für mich steht nicht erst nach der Lektüre vorliegenden Buches fest, dass Staatsgeheimnisse, die vom Verfassungsschutz geschützt werden, eigentlich immer nur zur Vertuschung von Fehlern oder Schlimmerem und zum Schutz der Macht missbraucht werden.

Danke, dass Sie uns dieses Spektakel vor Augen geführt haben. Vielleicht lässt es uns wachsamer sein.

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Veröffentlicht am 19.12.2019

Dunkles Erbe?

Das Erbe
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Völlig unerwartet erhält die unscheinbare Mona Lang Post vom Amtsgericht München, Abteilung Nachlasssachen. Eine entfernte Verwandte Ihrer Mutter, Klara Hacker, vererbt der jungen Frau, die voller Minderwertigkeitsgefühle ...

Völlig unerwartet erhält die unscheinbare Mona Lang Post vom Amtsgericht München, Abteilung Nachlasssachen. Eine entfernte Verwandte Ihrer Mutter, Klara Hacker, vererbt der jungen Frau, die voller Minderwertigkeitsgefühle steckt, nicht nur ein 12 Millionen wertiges Miethaus, sondern vertraut auch darauf, dass Mona mit ihrem Erbe moralisch richtig verfahren wird.
Mit Annahme des Erbes beginnt der Kampf Monas Familie um Teilhabe, Monas Unsicherheit, ob ihr das Erbe überhaupt zusteht und somit die Spurensuche in der Vergangenheit, wobei Unglaubliches zu Tage kommt.


Wieder einmal gibt es einen spannenden, gut recherchierten und sensible Themen bearbeitenden Roman von Ellen Sandberg.

„DINGE, DIE UNS NICHT GEHÖREN. VERGANGENHEIT, DER WIR NICHT ENTKOMMEN.“

Frau Sandberg hat dieses schwierige Thema in einen mitfühlenden Roman verarbeitet. Der Gutmensch Mona hat mich manches Mal genervt, nachdenklich gemacht, entsetzt und zum Schluss mit ihr übereinstimmend zurückgelassen.

Ich glaube, die meisten Menschen, denen solch ein Erbe in den Schoss fällt, würden sich maßlos freuen und gedankenlos den Luxus genießen.

Bei der hohen Anzahl von Enteignungen, Übervorteilungen und Raub an der jüdischen Bevölkerung während der NS-Zeit, gibt es sicher sehr viele Erben großer Vermögen deren Herkunft fragwürdig ist. Aber was geschieht, wenn nachgeforscht wird und die eigentlichen Erben wissen gar nichts über ihre jüdische Herkunft und über die Leiden ihrer Vorfahren. Haben die Nachkommen ein Recht auf das Erbe?

Auch Mona, deren moralisches Empfinden Recherche und Abtretung des Erbes fordert, tut sich schwer, ihr Erbe an Schmarotzern und Betrügern weiterzugeben.

Und gerade diese Entwicklung macht für mich den Roman so spannend und interessant.

Rückblenden und alte Briefen geben dem Leser zuweilen einen Wissensvorsprung gegenüber Mona. Trotzdem schält sich die Wahrheit, die dann zur endgültigen Entscheidung führt, erst nach und nach an die Oberfläche. Dadurch kann der Leser Monas Zweifel, ihre Unsicherheit und ihre Entscheidung gut nachvollziehen.

Danke, gut, dass dieses Thema auch in der Unterhaltungsliteratur zur Sprache kommt.

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Veröffentlicht am 15.10.2019

Herrlich ruhig und analytisch

Der Verein der Linkshänder
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Das ist bitter! Einundzwanzig Jahre nachdem ein Brand, der zur Vertuschung eines vierfachen Mordes diente, ermittelt und abgeschlossen war, wird die Leiche des mutmaßlichen Täters in der Nähe des Brandortes ...

Das ist bitter! Einundzwanzig Jahre nachdem ein Brand, der zur Vertuschung eines vierfachen Mordes diente, ermittelt und abgeschlossen war, wird die Leiche des mutmaßlichen Täters in der Nähe des Brandortes gefunden.

Kommissar Van Veeteren und Kommissar Münster hatten damals die örtliche Polizei unterstützt, konnten den Mörder aber nie stellen, was jetzt im nachhinein nicht verwundert, da es sich bei dem vermeintlichen Täter um das fünfte Opfer handelt. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde seine Leiche vergraben um die Polizei auf die falsche Fährte zu locken. Damals wie heute fehlen den Ermittlern ein Motiv, Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern und dem Täter und natürlich einen möglichen Verdächtigen.

Van Veeteren, er geht mittlerweile auf die fünfundsiebzig zu, kann es nicht fassen, dass er und Münster dem Täter auf dem Leim gegangen sind. Mit seiner Frau Ulrike Fremdli stürzt er sich in die Ermittlungsarbeit.


Ich liebe die ruhige und analytische Art und Weise des Romanaufbaus von Hakan Nesser.

Kein blutrünstiger Serienkiller, obwohl auch in diesem Roman viele Opfer zu beklagen waren, auch kein hektischer Actionthriller, bei dem der Leser nicht schnell genug die Seiten umblättern kann, stattdessen Ruhe, analytisches Denken, ein bisschen philosophieren und wunderbar amüsante und unterhaltsame Dialoge. Das zauberhafte Geplänkel zwischen Van Veeteren und seiner Frau, sowie zwischen den Inspektoren Barbarotti und Backman, hat riesen Spaß gemacht.

Die philosophischen Gedanken von Van Veeteren ergaben einen ruhigen Flow. Der Leser konnte sich immer in Ruhe seine eigenen Gedanken zum Fall machen. Durch die Rückblenden und Erzählstränge auf drei Zeitebenen waren wir Leser oft im Vorteil und konnten Zusammenhänge früher als die Ermittler erkennen. Ich denke, auch den eigentlichen Täter konnte der Leser früher erkennen.

Die Gespräche und der Gedankenaustausch bei denen die Ermittlungsergebnisse der verschiedenen Gruppen zusammengetragen wurden, waren spritzig, amüsant und einfach köstlich, so dass ich als Leser einfach riesigen Spaß hatte den jeweiligen Gedankengängen zu folgen.

Veröffentlicht am 09.10.2019

Spannend, aber auch bedrückend

Offline - Du wolltest nicht erreichbar sein. Jetzt sitzt du in der Falle.
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„Fünf Tage ohne Handy. Ohne Internet. Raus aus dem digitalen Stress, einfach nicht erreichbar sein.
So das Vorhaben einer Gruppe junger Leute, die dazu in ein ehemaliges Bergsteigerhotel auf 2500 Metern ...

„Fünf Tage ohne Handy. Ohne Internet. Raus aus dem digitalen Stress, einfach nicht erreichbar sein.
So das Vorhaben einer Gruppe junger Leute, die dazu in ein ehemaliges Bergsteigerhotel auf 2500 Metern Höhe reist.
Aber am zweiten Tag verschwindet einer von ihnen und wird kurz darauf schwer misshandelt gefunden. Jetzt beginnt für alle ein Horrortrip ohne Ausweg. Denn sie sind offline, und niemand wird kommen, um ihnen zu helfen........“

Der hier zitierte Klappentext gibt einen hervorragenden Einstieg zu diesem Psychothriller.



Bereits das Cover bereitet auf eine außergewöhnliche Story vor. Das Tablet-Designe ist ein Eye-Catcher in der Buchhandlung.

Der Prolog lässt den Leser, vor allem mich, die nächsten 300 Seiten nicht los. Immer wieder kreisen meine Gedanken um diese Szene und versuchen einen Zusammenhang zu dem Desaster im teilrenoviertem Berghotel herzustellen.

Das ist mal ein richtiger Psychothriller, Gänsehaut, Erschrecken, Panik und ständig wechselnde Verdächtige.

Bei manchen Beobachtungen, Gedanken-und Empfindungsbeschreibungen, auf die ich hier nicht konkret eingehen möchte (Spoiler), musste ich innehalten und Pausen einlegen. Manchmal war es ziemlich heftig.

Die Protagonisten werden sehr genau gezeichnet, genau wie die räumlichen Gegebenheiten und die Unwettersituation. Die ansteigenden Schneemaßen vor den Glastüren brachten immer wieder die beklemmende, von der Außenwelt abgeschnittene Situation in Erinnerung.

Ich trau mich gar nicht noch mehr zum Inhalt zu erzählen um niemandem die Spannung zu nehmen.

Interessant finde ich aber, dass Arno Strobel uns die erweiterte Definition von Offline direkt mitliefert.

Ich finde es gut, das Buch, das Cover und Offline-Day-Challange zur Bucheinführung.

Veröffentlicht am 08.10.2019

Humorvoll, ehrlich und informativ

Wir von der anderen Seite
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Rahel, eine erfolgreiche Drehbuchautorin, wacht zögerlich aus einem künstlichen Koma auf. Sie weiß nicht wo sie ist und warum. Sie hat keine Erinnerung, erkennt aber dankbar Vater , Mutter und ihren Bruder, ...

Rahel, eine erfolgreiche Drehbuchautorin, wacht zögerlich aus einem künstlichen Koma auf. Sie weiß nicht wo sie ist und warum. Sie hat keine Erinnerung, erkennt aber dankbar Vater , Mutter und ihren Bruder, die Stunde um Stunde an ihrem Bett sitzen.

Es ist schwer wieder ins Leben zurückzukehren. Rahel kann gar nicht begreifen, wie sie so hilflos und kraftlos werden konnte.

Ihr Leben ist gerettet, aber viel Arbeit und Kampf liegen vor ihr und noch ist nicht klar, ob sie jemals wieder an ihr vorheriges Leben anknüpfen kann.


Anika Decker, am 1.8.1975 in Marburg geboren, erfolgreich mit Drehbüchern zu „Keinohrhasen“, „Zweiohrküken“, „Traumfrauen“ und „High Society“, verarbeitet in ihrem ersten Roman ihre eigene schwere Krise im Jahre 2010. Ähnlich wie ihre Protagonistin erlitt sie eine lebensbedrohliche Blutvergiftung und würde nach multiplem Organversagen ins künstliche Koma versetzt.

Dieser Roman ist aber keine Autobiografie.

In berührenderweise beschreibt sie die Arbeit und den Kampf zurück in ihr normales Leben, was den Leser abwechselnd zu Tränen rührt, Schmunzeln läßt oder manchmal auch laute Lacher hervorruft.

Ihre Ehrlichkeit und ihr Mut auch die unschönen Gefühle und Erlebnisse und die Unzuverlässigkeit ihres Körpers zu schildern, geben Menschen in ähnlichen Situationen sicher Halt und Kraft. Aber auch denen die das Glück haben, solche große gesundheitliche Krisen nicht durchleben zu müssen, bekommen mit diesem Roman eine Hilfestellung im Umgang mit Kranken. Es lehrt uns Geduld mit kranken Freunden oder Familienmitgliedern zu haben und vor allem kein Mitleid zu zeigen.

Dieses Buch bewahrt uns auch vor Gedankengängen wie „Jetzt bist du aus dem Koma erwacht. Das schlimmste hast du hinter dir, also lass dich nicht hängen.“

Für die teilweise humorvolle Beschreibung der seelischen und körperlichen Krisen bin ich persönlich Frau Decker sehr dankbar. Nicht nur ein künstliches Koma erzeugt solch ein Gefühlschaos und körperliches Desaster, auch eine mehr als zehnstündige Operation kann eine Ursache dafür sein. Nach der Lektüre dieses Buches verstehe ich einige meiner eigenen Probleme besser.

Danke