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Veröffentlicht am 06.07.2019

Cold Case - Nie vergessen

Unbarmherzig (Ein Gina-Angelucci-Krimi 2)
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In Altbrück nördlich von München findet Ella Loibl an einem Kiesablageplatz menschliche Knochen. Schnell stellt sich heraus, dass diese Knochen über siebzig Jahre alt sind und Teile zweier unvollständiger ...

In Altbrück nördlich von München findet Ella Loibl an einem Kiesablageplatz menschliche Knochen. Schnell stellt sich heraus, dass diese Knochen über siebzig Jahre alt sind und Teile zweier unvollständiger Skelette sind. Wegen der langen Liegezeit der Knochen sieht der Staatsanwalt keinen Bedarf an Ermittlungen.
Gina Angelucci, Spezialistin für Cold Cases, widerstrebt diese Verfahrensweise. Sie ist der Meinung, dass die Hinterbliebenen und Verwandten dieser beiden Opfer ein Recht darauf haben zu erfahren, was mit ihren Liebsten passiert ist. Sie will wenigstens die Identität der Beiden ermitteln und nach Möglichkeit auch die nächsten Angehörigen.
Das stößt nicht nur bei ihrem Vorgesetzten auf Widerstand.

„Unbarmherzig“ ist wieder einmal ein herausragend guter Krimi von Frau Löhnig. Der zweite Cold Case Fall von Gina Angelucci zeigt die riesige Palette Löhnigs Erzählkunst. Es ist nicht einfach nur ein stereotypischer Krimi, Verbrechen, Ermittlung, gegebenenfalls tragischer oder kaputter Ermittler bis zum Happy-End. Sie erzählt die ganze Geschichte, geht in die Vergangenheit und lässt dabei Gina nicht jedes winzige Detail ermitteln, sondern lässt uns Leser an den Gedanken der einzelnen Protagonisten teilhaben und somit ihnen ihre Würde.
Sie beschreibt, wie auch bereits in den beiden Romanen unter dem Pseudonym Ellen Sandberg, die Ursachen und die Entwicklung bis hin zum Verbrechen. Man kann die Entwicklung nachvollziehen und Beweggründe der Täter verstehen. Sie zeigt, dass nicht jeder Täter von Grund aus böse ist und vielleicht auch, dass jeder zum Täter werden kann.
In ihren Krimis menschelt es sehr. Das macht sie so lesenswert.

Auch die Entwicklung der Hintergrundgeschichte um Gina, Chiara und Tino macht wieder neugierig auf mehr. Auf das Bedrohungsszenario um Chiara und Gina hätte ich persönlich verzichten können. Den Rollentausch bzw. Elternzeittausch finde dagegen sehr interessant. Tino als Hausmann und Erzieher gefällt mir. Lesenswert finde ich dabei besonders, dass der Tausch nicht unproblematisch ist und Ginas Gefühlswelt äußerst widerstrebend und unentschlossen ist. Spannend ist wie es weitergeht, zweites Kind und/oder nochmaliger Rollentausch?

Wie immer bei Löhnig/Sandberg-Büchern ist mein erster Gedanke: Schade, es ist zu Ende. Jetzt muss ich wieder lange warten auf das nächste Buch. Und es ist vollkommen egal, ob es sich um ein Gina Angelucci-Fall, ein Tino Dühnfort-Krimi oder ein Sandberg-Roman handelt. Ich liebe sie alle.

Veröffentlicht am 20.05.2019

Von Höcksken auf Stöcksken

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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Auf der Abschiedsfeier des „Hundertprozentigen“ Jesse Rosenberg, Captain der State Police des Staates New York, wendet sich die junge Journalistin Stephanie Mailer an diesen mit der Behauptung, dass er ...

Auf der Abschiedsfeier des „Hundertprozentigen“ Jesse Rosenberg, Captain der State Police des Staates New York, wendet sich die junge Journalistin Stephanie Mailer an diesen mit der Behauptung, dass er bei seiner ersten Mordermittlung vor 20 Jahren den falschen Täter verfolgt habe. Bei der damaligen Mordermittlung hätten er und sein Partner Derek Scott etwas Offensichtliches übersehen. Sie werde in den nächsten Tagen die Beweise für ihre Behauptung vorlegen.
Danach verschwand Stephanie Mailer, für immer?

Bis jetzt hatte ich noch nichts von Joel Dicker gelesen. Aber ich war neugierig, weil zahlreiche Leser-Rezensionen und die Feuilleton-Kritiker über sein Buch „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ voll des Lobes waren.

Schon die Leseprobe zog mich in ihren Bann und ich war gespannt wie es weitergeht. Vorweg gesagt, mich hat dieses Buch begeistert.

Joel Dicker dröselt im Rückblick ein zwanzig Jahre altes Verbrechen auf. Regelmäßige Rückblenden ermöglichen uns Lesern Stück für Stück einen Einblick in die damaligen Ereignisse zu bekommen. Die einzelnen, ich nenne sie mal, Rückblick-Puzzleteile werden jeweils aus der Sicht eines der beiden Ermittler erzählt, so dass immer wieder unterschiedliche Sichtweisen und Eindrücke zu Tage kommen.

Jeder einzelne Protagonist der damaligen und der heutigen Mordfälle hat natürlich eine Vorgeschichte. Diese werden uns auch in kleinen Häppchen von dem jeweiligen Beteiligten präsentiert.

Ich finde, Joel Dicker ist ein wundervoller Erzähler. Während der Lektüre hatte ich nicht selten das Gefühl einem alten weißhaarigen Mann auf einem Schaukelstuhl sitzend, zuzuhören, der bei seiner Geschichte von Höcksken auf Stöcksken kommt.

An den spannendsten Stellen wird üblicherweise ein Rückblick eingebaut um das große Ganze auch ja richtig im Blick zu haben und die Hintergründe zu verstehen. Denn es ging nicht nur um ziemlich viele Mordfälle, sondern auch um das amerikanische Kleinstadtmilieu, um starke Gefühle und Begierden.

Ich fühlte mich bestens unterhalten und durch die Geschichte geführt.

Veröffentlicht am 25.04.2019

Raffinierte Story

Alexandra
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Erst einmal herzlichen Dank an Randomhouse für das Rezensionsexemplar.

Die Autorin Natasha Bell war mir nicht bekannt. Aufmerksam auf das Buch wurde ich durch die großformatigen Buchstaben auf dem Cover.

Die ...

Erst einmal herzlichen Dank an Randomhouse für das Rezensionsexemplar.

Die Autorin Natasha Bell war mir nicht bekannt. Aufmerksam auf das Buch wurde ich durch die großformatigen Buchstaben auf dem Cover.

Die Autorin:

„Natasha Bell ist geboren und aufgewachsen in Somerset, England. Sie studierte Englische Literatur, Theater und Menschenrecht an der Universität von York, am Mount Holyoke College und der Universität von Chicago. Nach ihrer langen akademischen Ausbildung fiel es ihr wie vielen Geisteswissenschaftlern schwer, eine Anstellung zu finden, sodass sie den Rest ihrer Zwanziger in York verbrachte, wo sie in verschiedenen Berufen arbeitete. 2015 zog sie nach London und absolvierte dort einen Master in Kreativem Schreiben an der Goldsmith, wo sie ihre Agentin kennenlernte, die beim Penguin-Verlag ein Zuhause für Bell’s ersten Roman „Exhibit Alexandra“ fand. Heute lebt Bell im Südosten Londons, unterrichtet Kreatives Schreiben und schreibt selbst an weiteren Romanen.“ entnommen von LovelyBooks-Lebenslauf.

Zum Buch:

Marc und Alex Southwood leben als glückliche und zufriedene Familie in York. Ihre zwei Töchter Charlotte und Lizzie wachsen in harmonischer Umgebung auf.
Alexandra studierte Kunst in New York, gab aber ihr Studium vor zwölf Jahren auf um mit Marc eine Familie zu gründen. Ihr Leben hätte nicht harmonischer und liebevoller sein können, bis Alex plötzlich auf dem Heimweg von der Universität, wo sie seit einiger Zeit unterrichtete, verschwindet und nicht mehr nach Hause kommt.
Nach Tagen der Ungewissheit findet die Polizei am Flussufer Alex’ Fahrrad, ihre Kleidung und jede Menge Blut.


Raffinierte Story

Wow was für eine Thriller, wieder einmal unblutig!

Von der ersten bis zur letzten Seite ist dieser Thriller spannend, überraschend, rätselhaft, irritierend und teilweise unfassbar. Der Schreibstil ist sehr flüssig und gut lesbar. Das Buch ist schwer aus der Hand zu legen. Bei den traurigen Passagen musste ich manchmal schlucken, aber es war nie kitschig oder klischeehaft.

Die Verzweiflung und Marcs Unglaube, dass seine Frau tot sein könnte, ist immer präsent und kommt glaubhaft rüber. Die Verzagtheit mit der er das Leben seiner Töchter und auch seins versucht wieder in Griff zu bekommen ist gut nachzuvollziehen.

Zu der Geschichte möchte ich eigentlich gar nichts sagen, um nichts von der Dramatik zu nehmen.

Nur soviel: Frau Bell führt uns und auch ihre Protagonisten meisterhaft an der Nase herum und lädt zum Nachdenken und Diskutieren ein.

Ein Buch, das den Leser nicht so schnell loslässt.

Veröffentlicht am 11.04.2019

Spannend bis zur letzten Zeile

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem. (Golden Cage 1)
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Faye und Jack gelten als Traumpaar. Gemeinsam mit einem Freund haben sie eines der erfolgreichsten Unternehmen Stockholms aufgebaut. Mit ihrer gemeinsamen Tochter Julienne zeigen sie sich als Vorbildfamilie ...

Faye und Jack gelten als Traumpaar. Gemeinsam mit einem Freund haben sie eines der erfolgreichsten Unternehmen Stockholms aufgebaut. Mit ihrer gemeinsamen Tochter Julienne zeigen sie sich als Vorbildfamilie unter den Reichen und Schönen der Gesellschaft.
Das wirkliche Leben von Faye spielt sich auf der Schattenseite ab. Sie ist abhängig, unselbstständig und depressiv. Sie wird von Jack betrogen, gedemütigt und letztendlich verlassen.
Obdachlos und mittellos muss sie sich ein neues Leben aufbauen.
Nach einem Ausflug mit ihrem Vater kann Faye ihre Tochter nicht mehr erreichen.

Hat Jack ihr jetzt auch noch Julienne genommen?


Eine Rezensentin wählte die Überschrift, „Kein typischer Läckberg“. Dem kann ich mich nur anschließen. Ich habe mehrere Läckberg Bücher gelesen, aber noch keines ihrer Bücher hat mich so gefesselt.

Mit einer der schrecklichsten Szenen, die sich eine Mutter vorstellen kann, beginnt der Thriller. Wenn man den Klappentext gelesen hat, ist man erst mal etwas verwirrt.

Unterbrochen von Rückblicken in Fayes Vergangenheit erleben wir die gegenwärtige Situation von Faye und ihre schwierige Beziehung zu ihrem Mann. Mir ging das demütige, lauernde und nach Lob heischende Verhalten von Faye schnell an die Nerven. Die Rückblenden geben nach und nach ein anderes Bild von Faye, so dass mir ihr jetziges Verhalten noch unverständlicher wurde.

Die einzelnen Charaktere werden erst im Laufe des Buches stark gezeichnet. Wir sehen sowohl bei Faye wie auch bei Jack beide Seiten ihrer Charaktere.

Der stetige Wechsel von Vergangenheit und Gegenwart lässt eine besondere Dynamik und Spannung entstehen, die nie nachlässt.

Ich traue mich nicht noch mehr preiszugeben, um den Lesern nicht die Spannung zu nehmen.

Das Buch hat mich nicht losgelassen. Ich habe selten so oft gegrübelt, wie das wohl alles zusammenhängt und sich entwickelt. Immer wieder hatte ich einen wagen Verdacht,
aber ......

Veröffentlicht am 03.04.2019

Thriller vom Feinsten

Blind
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Nathaniel Brenner, seit seinem elften Lebensjahr blind, wird während eines Video-Chats Ohrenzeuge eines Verbrechens. Er hört einen Schrei, Gepolter und dann die Stille der unterbrochenen Leitung. Er kennt ...

Nathaniel Brenner, seit seinem elften Lebensjahr blind, wird während eines Video-Chats Ohrenzeuge eines Verbrechens. Er hört einen Schrei, Gepolter und dann die Stille der unterbrochenen Leitung. Er kennt nur den Vornamen der jungen Frau, die ihm mittels der anonymen App „Be my Eye“ bei der Auswahl seiner Hemden helfen wollte.
Niemand glaubt ihm. Der Polizei wurde kein Verbrechen gemeldet. Niemand wird vermisst.
Die befreundete Journalistin Milla ist die Einzige, die ihm zuhört und ihm hilft, die Wahrheit herauszufinden. Nicht nur Nathaniel stürzt sich dabei blind ins Abenteuer. Beide ahnen nicht, dass sie die einzige Rettung sind und dass sie sich beeilen müssen.

„Ein Verbrechen ist geschehen. Du bist dir ganz sicher. Du bist der einzige Zeuge. Doch niemand glaubt dir“
Das Zitat vom Cover beschreibt eigentlich schon die ganze Tragik und Spannung dieses Thrillers.

Die Schweizer Autorin Christine Brand, mir bis heute leider nicht bekannt, veröffentlicht mit „Blind“ ihren ersten Roman bei Blanvalet.
Sie ist im Schweizer Emmental geboren und aufgewachsen. Bis Ende 2017 arbeitete sie als Redakteurin bei der „NZZ am Sonntag“. Zuvor war sie Reporterin beim Schweizer Fernsehen und Redakteurin bei der Berner Zeitung „Der Bund“, wo sie unter anderem Gerichtsreportagen verfasste.
Christine Brand hat fünf Kriminalromane, ein Buch mit wahren Kriminalgeschichten und einen Märchenband über den Mond publiziert.
Ich bin mir sicher, mit diesem Thriller hat sie sich eine große Leserschaft erobert.

Das Cover ist auffällig. Das große, wie mit weißer Farbe gemalte Wort „BLIND“ lädt zum zugreifen ein. Nimmt man das Buch in die Hand, ist es griffig durch seine raue Struktur an den Ecken. Im ersten Augenblick dachte ich an Blindenschrift, aber die unterschiedliche Struktur lässt mich das Buch einfach länger halten, so dass ich das Zitat von Sebastian Fitzek lesen kann.

Der Thriller, der als simpler Kriminalroman angekündigt wird, entpuppt sich als einer der besonderen Art. Wenig Blut, wenig Brutalität, aber dafür feinsinnige Seelenschau, unkonventionelle Ermittlungen und verblüffende Entwicklungen.

Nicht nur die Polizei hat immer wieder in die falsche Richtung ermittelt. Als mitdenkender und mitermittelnder Leser wird man mehrfach in die falsche Richtung geschickt. Bis auf ein nahezu absurdes Verbrechen, dessen Motiv sich mir nicht erschlossen hat, waren alle Wendungen und Schlussfolgerungen logisch nachvollziehbar.

Die Charaktere sind gut ausgearbeitet worden. Die Gefühle und Empfindungen insbesondere von Nathaniel und Carole sind sehr gut beleuchtet worden.
Vor einigen Jahren war ich in Hamburg in einer Führung durch „Dialog im Dunkeln“. Dadurch konnte ich den Beschreibungen gut folgen und nachspüren wie authentisch sie sind.

Das Buch konnte ich ungefähr nach einem Drittel nicht mehr aus der Hand legen. Ich finde es einfach brillant. Ich hatte immer den Eindruck, die Autorin weiß genau worüber sie schreibt.
Und das ist ein gutes Gefühl. Ich freue mich darauf, mehr von dieser Autorin zu lesen.