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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.09.2020

langatmig und langweilig

Biss zur Mitternachtssonne (Bella und Edward 5)
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Bereits damals landeten die ersten Kapitel aus Edwards Sicht illegal im Internet. Aufgrund dessen entschied sich die Autorin, den Teil nicht zu beenden und zu veröffentlichen. Da ich zu dieser Zeit geradezu ...

Bereits damals landeten die ersten Kapitel aus Edwards Sicht illegal im Internet. Aufgrund dessen entschied sich die Autorin, den Teil nicht zu beenden und zu veröffentlichen. Da ich zu dieser Zeit geradezu besessen von dieser Reihe war, machte mich dies natürlich traurig.
15 Jahre später erscheint Edwards Kapitel nun doch. Da die Jubiläumsausgabe (Biss in alle Ewigkeit), soweit ich es mitbekommen habe, eher ein Flop war, erweckt es den Eindruck, als bräuchte die Autorin einen Erfolg.

Selbstverständlich war ich neugierig und habe die Chance genutzt, in Biss zur Mitternachtssonne hineinzulesen. Ich war über den Umfang entsetzt, war der erste Teil doch weniger als halb so dick. Bereits nach wenigen Seiten habe ich das Interesse verloren und die Geschichte nur noch überflogen, obwohl ich vor 15 Jahren von den ersten Kapiteln begeistert war. Nach Seite 350 war Schluss.
Einerseits gewinnt man tiefere Einblicke in Edwards Leben und seine Sicht der Dinge, andererseits ist es furchtbar langatmig. Es scheint, als würde man nachträglich Bellas Charakter attraktiver machen wollen. Sie hilft den Schüchternen, unterstützt die Ausgegrenzten und bekommt mehr „Tiefgang“, der ihr in den anderen Teilen immer fehlte. Irgendwie muss man im Nachhinein Edwards Besessenheit von diesem wenig herausragenden Mädchen rechtfertigen. Dass er ihre Gedanken nicht lesen kann, scheint als Begründung nicht mehr auszureichen.

Ich habe nicht viel erwartet und wurde trotzdem enttäuscht. Meine Twilight-Zeit ist schon sehr lange vorbei und dank dieses Buches frage ich mich, warum ich jemals so fasziniert war.

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Veröffentlicht am 14.03.2019

Meinungsmache

Bus 57
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„Hätte es den 57er-Bus nicht gegeben, hätten sich ihre Wege vielleicht nie gekreuzt.“ (S. 13)

Das Buch erzählt die Geschichte von zwei Jugendlichen, einem Täter und seinem Opfer. Schon der Klappentext ...

„Hätte es den 57er-Bus nicht gegeben, hätten sich ihre Wege vielleicht nie gekreuzt.“ (S. 13)

Das Buch erzählt die Geschichte von zwei Jugendlichen, einem Täter und seinem Opfer. Schon der Klappentext macht deutlich, wie verschieden die beiden sind: der Täter ist afroamerikanisch, geht auf eine öffentliche Schule und wohnt im einkommensschwachen Viertel; das Opfer ist weiß, geht auf eine Privatschule und wohnt in einem einkommensstärkeren Viertel. Außerdem identifiziert sich das Opfer als agender. Als was sich der Täter identifiziert, wird nicht klar.

Die Geschichte ist nach einer Einleitung der Autorin, der groben Beschreibung des Tathergangs und einer ausführlichen Beschreibung von Oakland, Kalifornien in vier Abschnitte gegliedert: Sasha, Richard, Das Feuer und Justiz. Diese sind unterteilt in sehr kurze Kapitel.

Sashas Abschnitt befasst sich nicht ausschließlich mit dem Opfer, sondern vor allem mit dem Prozess der Genderidentifikation. Bereits in der Einleitung der Autorin erklärt sie: „Die Pronomen und Namen für nicht geschlechtskonforme Menschen wurden mit Einverständnis der betreffenden Personen verwendet.“ (S.5) Im Englischen nutzt Sasha ein „they“, im Deutschen nutzt die Übersetzerin „sier“. Sier ist kein deutsches Wort, grammatikalisch falsch und stört den Lesefluss erheblich. Neben der sehr einfachen, fast schon kindlichen Erzählweise, wirkt das genutzte Pronomen „sier“ und seine gebeugten Formen fehl am Platz, zu kompliziert.

Das ist nicht der einzige Punkt, der mich stört. Zu dem politisch korrekten Pronomen für Sasha kommt auch die übertriebene Feminisierung des generischen Maskulinum.
Hier zu eine Erklärung von wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Generisches_Maskulinum): „Von einem generischen Maskulinum spricht man in der Linguistik, wenn Bezeichnungen männlicher Referenten benutzt werden, um eine Allgemeinheit zu bezeichnen oder gemischtgeschlechtliche Gruppen oder Referenten, deren Geschlecht (Sexus) unbekannt oder gleichgültig ist.“

Wenn die Autorin schon in der Anmerkung am Anfang schreibt, dass sie sich „auf das Gedächtnis von Zeuginnen und Beteiligten gestützt“ (S. 5) hat, befürchtet man das schlimmste. Und es hat sich bewahrheitet. Es gibt kaum eine Personengruppe, die vor innen sicher ist, sogar „Freund*innenkreis“ (S.25) kommt in dem Buch vor. Es macht den Eindruck, als würden Frauen die Hauptrollen in der Geschichte spielen: Zeuginnen, Freundinnenkreise, Anwältinnen, Reporterinnen, Lehrerinnen, etc. Im Englischen fühlt sich niemand diskriminiert, wenn „attorney“, „friends“, „teacher“ oder „reporter“ benutzt wird. Warum dann im Deutschen?
Der Genderteil überwiegt so sehr in diesem Kapitel, dass die vielen Eigenschaften und Interessen, die Sasha hat, nebenbei erwähnt und sofort wieder vergessen werden. Es gibt sogar eine fünfseitige Begriffserklärung über Gender, Geschlecht, Sexualität und Romantik.

In Richards Teil geht es nicht nur um sein Leben, sondern auch um das seiner Mutter, seines Vaters, seiner Freunde, der Lehrer an seiner Schule, und anderen Nebenfiguren. Sein Umfeld wird bis ins kleinste Detail ausgeschmückt, sodass die eigentliche Hauptperson, Richard, auf der Strecke bleibt. Selbst die Auflistung von ermordeten Minderjährigen in Oakland hat nur wenig mit ihm zu tun.

Im vorletzte Abschnitt, Das Feuer, geht es darum, wie und warum Richard Sashas Rock anzündet und welche Folgen aus dieser Tat entstehen: Demonstrationen gegen Homophobie nicht nur in Oakland, ein Alle-tragen-Rock-Tag an Sashas Schule, „No H8“-Slogans an Richards Schule, Berichte, Meinungen, Forenbeiträge. Zu viele Außenstehende haben eine Meinung zu diesem Thema und teilen sie dem Rest der Welt mit. Und dabei geht es nicht darum, dass ein Junge den Rock einer andere Person angezündet hat. Es geht um ein sogenanntes Hassverbrechen, denn das Opfer ist weiß, männlich und hat einen Rock getragen; der Täter ist Afroamerikaner. Das muss ein Hassverbrechen gewesen sein.

Im letzten Teil, Justiz, wird deutlich, wie sehr die öffentliche Meinung alle Beteiligten beeinflusst: Die Staatsanwaltschaft setzt durch, dass Richard nach Erwachsenenrecht verurteilt wird, was eine deutlich längere Haftstrafe und schlechtere Voraussetzungen für die Zeit danach bedeutet. Die Öffentlichkeit sieht in Richard fälschlicherweise einen homophoben Afroamerikaner. Das Anzünden des Rocks hatte weder mit Sashas Hautfarbe noch Geschlecht zu tun. Man sieht nur, was man sehen möchte. Die Öffentlichkeit braucht ein Hassverbrechen gegen nicht geschlechtskonforme Menschen, also wird das Thema aufgebauscht. Nicht zuletzt auch durch dieses Buch.

Worum geht es also wirklich in diesem Buch? Um Richards Straftat und seine Verurteilung? Um Sashas Verletzungen und Folgen dieser Tat? Oder um Political Correctness auf möglichst vielen Ebenen? Klar ist, dass der Lesefluss durch die politisch korrekten Formen massiv gestört wird. Dies verfälscht nicht nur die Geschichte, sondern verkrüppelt die deutsche Sprache. Das englische Original ist vermutlich nicht lesenswerder als das Deutsche, denn die Geschichte geht in unzähligen mehr oder weniger tragischen Varianten ihresgleichen unter; sie hat nichts, was sie als erwähnenswerten Einzelfall herausstechen lässt.