Profilbild von Haberleitner

Haberleitner

Lesejury Star
offline

Haberleitner ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Haberleitner über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.10.2022

Das Gute im Bösen, das Böse im Guten

Gewissenlose Wege
0

„Gewissenlose Wege“ von Georg Brun ist ein unblutiger Krimi mit pressanter Thematik und Wohlfühlkomponenten.

Worum geht es?
Ein namhafter Arzt ist verschwunden. Die Ehefrau ist besorgt und beauftragt ...

„Gewissenlose Wege“ von Georg Brun ist ein unblutiger Krimi mit pressanter Thematik und Wohlfühlkomponenten.

Worum geht es?
Ein namhafter Arzt ist verschwunden. Die Ehefrau ist besorgt und beauftragt den Privatdetektiv Alex mit der Suche. Zu seinem Team zählen die Rechtsanwältin Olga und die Computerspezialistin Sonja. Relativ schnell ist klar, dass der Arzt in illegale Organtransplantationen verwickelt ist.

Der Schreibstil ist teils flüssig, teils liebt der Autor auch lange, verschachtelte Sätze. Die Kapitel sind kurz, lediglich nummeriert, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Das Buch erschien 2022. Die Handlung spielt in der nicht näher beschriebenen Gegenwart, vermutlich vor Ausbruch von Covid19, da es offensichtlich keinerlei Reisebeschränkungen gibt.

Die ersten Kapitel machen zunächst eher nur mit den Protagonisten bekannt, erklärt ihre Beziehungen zueinander. Gewisse Hinweise auf die Vorgeschichte erzeugen den Eindruck, man hätte ein Wissensmanko gegenüber Lesern, die auch Band 1 kennen. Es ist dies zwar nichts Fallrelevantes, dennoch würde ich empfehlen, mit dem ersten Band „Bodenloser Fall“ zu beginnen.

München und Istanbul sind die Orte der Handlung, das Flair beider Städte ist anschaulich, gut dosiert eingewoben, inklusive etwas Münchner Dialekt und türkischer Floskeln.

Die Ermittlungen gehen langsam voran, mit vielen Fragezeichen und mangelnder Kooperation aus dem Umfeld des Arztes. Selbst die Perspektivenwechsel von der Ermittler- zur Täterseite (einem von Zweifeln, Ängsten und negativen Vorahnungen geplagten Täter) lassen den Aufenthalt des vermissten Arztes und die Beweggründe seines Verschwindens lange im Dunkeln. Geschickt finden sich die Handlungsfäden der gegnerischen Seiten. Als sie aneinander geraten, nimmt die Handlung Fahrt auf und die Spannung – sogar mit etwas Action - zu.

Nichtsdestotrotz hat das Buch etwas. Nämlich von der Thematik her. Man wird mit den Facetten des illegalen Organhandels konfrontiert, aus der Sicht der leidenden Patienten, ebenso aus Sicht jener Menschen, die das organisieren, jener Ärzte, die sich darauf einlassen und operieren. Auch wenn Geldgier ein treibender Faktor ist und arme Menschen ausgenützt werden, so spielen dennoch auch hehre Motiv mit. Es ist eben nicht alles eindeutig gut oder böse. Die Charaktere der „Bösen“ sind in ihrer Zwiespältigkeit ausgezeichnet dargestellt – so kann ein musisch begabter, kulturell interessierter, Gewalt verabscheuender Mensch durchwegs über kriminelle Energie, über eine Art von Gewissenlosigkeit verfügen, nicht zuletzt durch seine Herkunft und Umwelt geprägt.

Die zweite Thematik, die mit hineinspielt, ist die Divergenz von Recht und Gerechtigkeit. Sogar eine gesetzestreue Anwältin kann u.U. nicht verhindern, dass jemand ungestraft davonkommt, sozusagen seine gerechte Strafe nicht erhält. Dass selbst eine Juristin moralisch fragliche Methoden gutheisst, damit der Gerechtigkeit Genüge getan wird, mag befremden, ist menschlich aber verständlich. Und zeigt auch in Olgas Charakter Ecken und Kanten. In diesem Sinne befriedigt auch das Ende des Buches nicht, entspricht aber eher der Realität. Recht und Gerechtigkeit sind eben nicht dasselbe.

Die Protagonisten Olga, Sonja, Alex und Dorothee sind sympathisch gezeichnet, mit problembehafteten Vorleben, erlittenen Verlusten. Nachdem es sich um frisch verliebte Pärchen handelt, lockern die romantischen Szenen nicht nur die doch bedrückende Organ-Thematik auf, sondern läuten quasi für sie auch neue Lebensabschnitte ein. Mag mancher Leser auch finden, es wäre zu viel Liebesgeflüster für einen Krimi vorhanden, so empfand ich es als Weiterentwicklung der Protagonisten. Noch besser, glaube ich, versteht man die tiefen Glücksgefühle, wenn man auch den ersten Band gelesen hat.

„Gewissenlose Wege“ ist ein etwas anderer Krimi, sehr vielschichtig, mit facettenreichen Charakteren, wo man durchwegs auch den Bösewicht sympathisch finden kann, mit viel kulturellen Nuancen, informativ, was die Organthematik anbelangt, und letztlich nachdenklich stimmend. Es ist vielleicht kein Buch, das einen von der ersten Seite her gefangen nimmt, doch im Zuge der Lektüre, wenn man die Aussage des Romans erkannt hat, spätestens dann wird man es – wie ich – gerne weiterempfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.09.2022

Unschuldig unter Mordverdacht

Schatten der Vergangenheit
0

Der Krimi „Schatten der Vergangenheit“ von Antonio Fusco ist dahingehend ungewöhnlich, als der unschuldig in Mordverdacht stehende Kommissar in eigener Sache ermittelt.

Worum geht es?
Commissario Casabona ...

Der Krimi „Schatten der Vergangenheit“ von Antonio Fusco ist dahingehend ungewöhnlich, als der unschuldig in Mordverdacht stehende Kommissar in eigener Sache ermittelt.

Worum geht es?
Commissario Casabona wird des Mordes am Liebhaber seiner Frau beschuldigt. Es gelingt ihm, sich der Festnahme zu entziehen und taucht unter. Bald stellt sich heraus, dass die Camorra ihre Hände im Spiel hat.

Das 230 Seiten umfassende Buch kann man locker in einem Sitz auslesen. Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel sind kurz gehalten. Lediglich die Vielzahl der italienischen Namen und Dienstgrade, ebenso wie die verschiedenen Mafia-Clans sind schwierig zu merken bzw. zu unterscheiden. Da wäre eine Personenliste sehr hilfreich.

Das Buch erschien 2020, spielt in der Gegenwart, vermutlich noch vor Covid19.
Das Cover mit einer typisch italienischen Ansicht stimmt auf die Lektüre ein, wobei sich der Autor in seinen Beschreibungen der Menschen und der italienischen Lebensart sehr massiv diverser Klischees bedient.

Die Geschichte beginnt wie mit einem Paukenschlag, kann aber die Spannung nicht in dieser Intensität halten. Die Perspektivenwechsel halten das Interesse aufrecht – einerseits erlebt man die Geschehnisse aus Sicht des auf der Flucht befindlichen Commissario Casabona (Ich-Erzählform), andererseits verfolgt man die Ermittlungen der Polizei (kursiv gedruckt und dadurch optisch gut unterscheidbar). Besondere Spannungsmomente oder Action gibt es nicht. Die Darstellung des italienischen Justizwesens dürfte authentisch sein, immerhin ist der Autor bei der Staatspolizei beschäftigt. Commissario Casabona wird schließlich rehabilitiert, der wahre Täter gefasst, dennoch war mir das Ende zu rasch und zu wenig detailliert abgefertigt.

Interessanterweise handelt es sich bei „Schatten der Vergangenheit“ bereits um den sechsten Band dieser in Italien sehr erfolgreichen Krimiserie, dieser wurde jedoch als erstes übersetzt. Es ist anzunehmen, dass in den Vorgängerbänden Commissario Casabona, sein Team und seine Familie ausführlicher charakterisiert wurden. In diesem Band vermisst man weitgehend Beschreibungen, Charakterzüge, auch einprägsame Äußerlichkeiten. Lediglich Casabona gewinnt an Struktur, er zeigt Gefühle und gibt so manche seiner philosophischen Gedanken preis.

Auch den Hinweis im Klappentext: „… Aber warum? Um Antworten zu erhalten, muss Casabona tief in die eigene Vergangenheit hinabsteigen. Alte Freunde entpuppen sich als Feinde, und er darf nur noch sich selbst vertrauen, wenn er den wahren Täter überführen will.“ empfand ich als irreführend, konnte ein „Hinabsteigen in die Vergangenheit“ nicht nachvollziehen. Möglicherweise müsste man auch hier die Reihe von Beginn an kennen, als Casabona noch in Neapel stationiert war.

Generell gefiel mir die Grundidee des Krimis, wie leicht es passieren kann, dass ein Mensch mit gutem Ruf, hier sogar ein anerkannter Kriminalkommissar, zum Schuldigen mutieren kann, und wie schwierig es ist, die eigene Unschuld zu beweisen. Im Nachwort erklärt auch der Autor, dass dieses Buch allen Justizopfern gewidmet sei. Der Zusammenhalt der Familie Casabonas und die Loyalität seines Teams, sowie die sympathische, aufrechte und ehrliche Ausstrahlung von Casabona waren für mich die positiven Parameter dieses Krimis.

Obwohl dieser Krimi kein Page Turner ist, fand ich den Fall interessant, den Protagonisten sympathisch und das Italien-Flair trotz aller Klischeehaftigkeit gut spürbar. Gerne würde ich Casabonas Werdegang von Anfang an bzw. auch wie es weitergeht erfahren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.09.2022

Ein nahezu perfekter Mord

Muckross House
0

„Muckross House – Schatten über Killarney“ von Kerstin Pukowski ist eine Mischung aus Liebesroman, Hommage an Irland und Krimi.

Klappentext:
Als der Krebsspezialist Ronan Kelly am irischen Baltane Fest ...

„Muckross House – Schatten über Killarney“ von Kerstin Pukowski ist eine Mischung aus Liebesroman, Hommage an Irland und Krimi.

Klappentext:
Als der Krebsspezialist Ronan Kelly am irischen Baltane Fest plötzlich an einen Herzinfarkt verstirbt, scheint nur Ella daran zu glauben, dass dies kein Zufall ist. Auch wenn alles für einen natürlichen Tod spricht kommt sie ungewollt der dunklen Vergangenheit des Toten immer näher und muss bald erkennen, dass sie seinem Tod näher ist, als sie es jemals sein wollte …

Bereits wenn man das Buch zur Hand nimmt, fühlt man sich auf Irland eingestimmt. Grün ist die Farbe Irlands, das Foto zeigt eine typische Landschaft. Die Begeisterung der Autorin und ihre Liebe zu diesem Land spürt man den gesamten Roman über. Es sind die wunderbar stimmungsvollen Schilderungen der Landschaft, des geselligen Treibens, des Alltags, der alten Häuser u.v.a.m., die den Reiz dieser Krimiserie ausmachen. Man bekommt richtig Lust, Irland zu bereisen und zu entdecken.

Etwas ungewöhnlich ist allerdings das heftartige Format des Buches sowie das kompakte Text-Layout. Die Kapitel sind lediglich durch eine Initiale am Satzanfang gekennzeichnet, tragen weder Orts- noch Zeitangaben. Die Handlung spielt im Mai des Jahres 2019, also noch vor Ausbruch von Corona.

Es war dies nach „Inch Beach“ mein zweites Buch dieser Serie. Somit waren mir sowohl die Protagonisten als auch der flüssige wie auch detailliert beschreibende Erzählstil der Autorin vertraut. Aber auch Neueinsteiger finden sicher ohne Vorkenntnisse problemlos in die Geschichte hinein. Zudem ist auch der Kreis der Protagonisten sehr überschaubar: Ella, die Immobilienmaklerin, ihr Mann Ryan, Polizeiinspektor, und ihre Großmutter stehen im Mittelpunkt. Chronologisch ist dieser Roman vor Inch Beach einzuordnen. Es ist der dritte, „Inch Beach“ der fünfte Band.

Muckross House ist ein Wohlfühlkrimi, nicht nur weil es relativ unblutig zugeht, sondern weil es trotz eines Todesfalles, bei dem Ella einen Mordfall wittert, sehr viel um Liebe geht. Nicht nur um die Liebe zur Heimat, zu Irland, sondern da schwingt ebenso Ellas Zuneigung zu ihrer Großmutter mit und die innige Beziehung der beiden Jungverheirateten, Ella und Ryan.

Die Krimihandlung selbst entwickelt sich erst so nach und nach. Je mehr Ella in ihrer wissbegierigen Art in der Vergangenheit des Opfers herumstochert, desto prekärer werden die Situationen, in die sie sich – wieder einmal hinter dem Rücken ihres Mannes - manövriert. Sie lässt nicht locker und hat schließlich doch den richtigen Riecher gehabt. Die Lösung des Falles ist nachvollziehbar, birgt einiges an Überraschungen in sich.

Der gesamte Roman ist aus Sicht von Ella verfasst. Dadurch dass man ihre Handlungen mitverfolgt, all ihre Gedanken kennt, ihre Vermutungen, ihre Liebe zu Irland, zu ihrem Mann, ihre Glücksmomente ebenso wie ihre Ängste und Befürchtungen, erhält man ein umfassendes Bild ihrer Wesenszüge, ihrer Stärken und Schwächen. Ihr Bestreben, den Dingen auf den Grund zu gehen, vor allem aber ihre Spontanität und Unüberlegtheit, bringen sie immer wieder in unangenehme bis gefährliche Situationen. Ella ist liebenswert, sympathisch, aber sehr realistisch darf man ihre Aktionen nicht beurteilen. Ryan ist der Fels in der Brandung, der die impulsive, emotionale Ella gut erdet. Auch alle übrigen handelnden Personen sind gut vorstellbar beschrieben.

Ich habe mich bei dieser kriminalistisch angehauchten Reise nach Irland, die romantische Szenen wie auch Spannungsmomente zu bieten hatte, sehr wohl gefühlt und werde gerne auch zu den übrigen Bänden dieser Serie greifen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.09.2022

Täter = Opfer = Täter

Niederrheinische Glut
0

„Niederrheinische Glut“ von Anja Wedershoven ist ein ruhiger Regionalkrimi, der in erster Linie durch spezielle und lebendig beschriebene Charaktere besticht.

Klappentext:
Der Niederrhein ächzt unter ...

„Niederrheinische Glut“ von Anja Wedershoven ist ein ruhiger Regionalkrimi, der in erster Linie durch spezielle und lebendig beschriebene Charaktere besticht.

Klappentext:
Der Niederrhein ächzt unter einer Hitzewelle, als das KK 11 der Krefelder Kripo ins Spargeldorf Walbeck gerufen wird. Ein betagter Rollstuhlfahrer wurde in seinem Krankentransporter entführt, eine Lösegeldforderung fehlt jedoch. Wo liegt das Motiv, wenn es nicht um Geld geht? Mit Hilfe der Öffentlichkeit wird nach dem Täter gefahndet, doch je mehr die Kommissare Johanna Brenner und Axel Holtz über den Entführten herausfinden, desto drängender wird eine schreckliche Ahnung …

Der Schreibstil liest sich flott, ist locker und flüssig. Sprachlich hat mich vor allem die authentische Wiedergabe der Jugendsprache beeindruckt. Neben Prolog und Epilog verfügt das Buch über sechs Kapitel, datiert, pro Ermittlungstag ein Kapitel. Die Handlung spielt im Jahr 2022, Corona wird nicht erwähnt. Es handelt sich um einen Regionalkrimi ohne besondere Hinweise auf Sehenswertes oder landschaftliche Schönheiten. Der Krimi ist ohne Kenntnis des Vorgängerbandes problemlos zu lesen. Trotzdem wurde mein Interesse an der genauen Vorgeschichte der Protagonisten geweckt; ich werde das nachholen.

Für mich besticht dieser Krimi einerseits durch die Ausarbeitung der Charaktere, vom unzuverlässigen, verantwortungslosen Jugendlichen bis zu den facettenreichen Wesenszügen des Ermittler-Duos, das bei weitem nicht so perfekt und auf den Fall fokussiert agiert, wie man es von Polizisten erwartet, sondern neben dem Arbeitsdruck mit privaten Problemen zu kämpfen hat, und somit nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen zeigt. Andererseits verschwimmt in diesem Krimi der Täter-Opfer-Begriff. War das Opfer nicht eigentlich der Täter und der Täter nicht eigentlich das Opfer? Mit „Wer Angst sät, wird Hass ernten“ beginnt der Klappentext - ein dunkles Kapitel aus der Vergangenheit bildet die Basis für diesen Fall.

Auch wenn bei diesem Krimi keine Unzahl von Verdächtigen und in die Irre leitenden Spuren zum Miträtseln anregt, so bleibt dennoch lange das Tatmotiv im Dunkeln. Zudem bringen die Perspektivenwechsel zwischen den Ermittlern, dem auf der Flucht befindlichen Täter und dem leichtfertig und unüberlegt handelnden Jugendlichen Abwechslung und Spannung in die Handlung. Die Lösung des Falles war schlüssig, das allseits versöhnliche Ende wohl etwas anders als erwartet. Aber ganz in meinem Sinne.

Mir hat „Niederrheinische Glut“ sehr gut gefallen. Ich empfehle das Buch gerne weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.08.2022

Wie leicht ein Unschuldiger zum Schuldigen werden kann

Verschwunden im Aargau
0

„Verschwunden im Aargau“ von Ina Haller ist ein Schweizer Regionalkrimi, der nicht nur mit viel Lokalkolorit, sondern auch mit einer ordentlichen Portion Spannung aufwartet.

Klappentext:
Beim jährlichen ...

„Verschwunden im Aargau“ von Ina Haller ist ein Schweizer Regionalkrimi, der nicht nur mit viel Lokalkolorit, sondern auch mit einer ordentlichen Portion Spannung aufwartet.

Klappentext:
Beim jährlichen Bärzelitreiben in Hallwil kommt es zu einer Messerattacke mit tödlichem Ausgang. Einziger Verdächtiger: Andrinas Mann Enrico. Doch Andrina hat einen anderen Verdacht. Die Zeugenaussagen könnten genauso gut auf Enricos Halbbruder Marco Feller zutreffen, Ermittler bei der Aargauer Kantonspolizei. Was hat ihn zu dieser Tat getrieben, und warum decken ihn seine Kollegen? Als Marco wenig später spurlos verschwindet, macht sich Andrina auf die Suche – nach ihm und nach der Wahrheit.

Der Schreibstil liest sich leicht und flott, vermittelt das Schweizer Umfeld sehr anschaulich, mit vielen typischen Ausdrücken, die man im Glossar gut erklärt findet. Sehr geschickt sind in die Handlung neben Brauchtum auch diverse Sehenswürdigkeiten und landschaftliche Schönheiten eingeflochten.

Das Buch erschien 2022, spielt in nicht näher datierter Gegenwart, Corona bleibt unerwähnt. Die angenehm kurz gehaltenen Kapitel sind weder mit Orts- noch Zeitangaben versehen. Das Cover mit der nebelverhangenen Bergwelt zeigt eine fotografisch effektvolle, künstlerisch anmutende Komposition, als Eyecatcher empfinde ich es dennoch nicht.

Für mich war es nach „Liestaler Gold“ aus der anderen Krimireihe der Autorin erst das zweite Buch und somit das erste aus der Serie mit Andrina als Protagonistin. Ich habe einige Zeit gebraucht, bis ich einen Durch- bzw. Überblick hinsichtlich des umfangreichen Personenkreises hatte: Familienmitglieder, Andrinas und Enricos Kollegenschaft und das polizeiliche Team. Zudem bestehen auch relativ komplizierte Beziehungen untereinander. Was den Kriminalfall an sich anbelangt, ist dieser 10. Band natürlich als eigenständiger Roman zu lesen, aber mir persönlich fehlten die Erlebnisse aus den Bänden davor, die den sogenannten roten Faden ausmachen. Ich denke, es wären so manche Emotionen und Aversionen bzw. Reaktionen der handelnden Personen verständlicher und nachvollziehbarer gewesen. Aus diesem Grund würde ich empfehlen, die Reihe komplett zu lesen.

Der Handlungsaufbau ist gut konzipiert. Der Prolog avisiert einen Racheakt, aber wer sich an wem weswegen rächen will, bleibt offen. Obwohl man das im Hinterkopf behält, bleibt der Zusammenhang mit der Messerattacke beim Bärzelitreiben bis zum Ende ein großes Fragezeichen. Vandalenakte, körperliche Attacken und mulmige Situationen halten die Handlung bis zu Ende auf einem guten Spannungsniveau, geben Raum zum Anstellen eigener Vermutungen, führen den Leser auf falsche Spuren, bis letztlich ein unerwarteter Täter entlarvt wird – eine überraschende, aber plausible Lösung.

Bis auf den Prolog wird der Fall aus Sicht von Andrina geschildert. Dadurch bekommt man in erster Linie Einblick in ihren Charakter, ihre Gedanken, die Gründe für ihr manchmal unvernünftiges Handeln. Andrina ist sympathisch, doch agiert sie mir zu blauäugig. Sie erscheint mir dafür, dass sie bereits in etlichen Mordfällen verwickelt war und ermittelt hat, zu leichtsinnig und unüberlegt; ich hätte mir da etwas mehr Vernunft und Vorsicht erwartet. Auch die Wesenszüge der anderen handelnden Personen sind recht gut erkennbar, viele Handlungen und Ansichten sind ja emotionell begründet.

„Verschwunden im Aargau“ hat mir spannende Lesestunden beschert, das Schweizer Ambiente hat mir gefallen und meine Neugier auf die Vorgängerbände wurde geweckt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere