Der Wunsch, glücklich zu sterben
Das giftige Glück„Das giftige Glück" von Gudrun Lerchbaum birgt nicht nur kriminalistische Spannung in sich, sondern vor allem eine Reihe von die Gesellschaft bewegenden Themen.
Worum geht es?
Plötzlich sterben in Wien ...
„Das giftige Glück" von Gudrun Lerchbaum birgt nicht nur kriminalistische Spannung in sich, sondern vor allem eine Reihe von die Gesellschaft bewegenden Themen.
Worum geht es?
Plötzlich sterben in Wien Menschen nach dem Genuss von Bärlauchgerichten, denn die Bärlauchpflanzen wurden von einem tödlichen Pilz befallen, den man Viennese Weed nennt. Die Menschen pilgern aus verschiedensten Gründen in die Wälder, um die giftigen Pflanzen einzusammeln: um sich selbst oder andere zu töten, aus humanitären oder aus kriminellen Gründen. Auch auf das Leben von Olga, Kiki und Jasse nimmt dieser todbringende Pilz Einfluss.
Es laufen in diesem Buch zwei Handlungsstränge parallel.
Erstens der allgemeine, der sich mit Viennese Weed befasst: mit Herkunft, Auswirkungen, wissenschaftlichen Erkenntnissen, medialen Informationen, Bekämpfung, und vor allem mit den menschlichen Aspekten. Die Themenvielfalt und der Diskussionsstoff sind umfassend, reichen von Suizid, über Sterbehilfe bis zu kriminellen Aktivitäten.
Zweitens der persönliche, der drei Personen in den Fokus stellt, deren Leben und Schicksal sich durch die Suche nach Bärlauch kreuzt und durch ihr Aufeinandertreffen beeinflusst wird: die an MS erkrankte Olga, deren Freundin und Pflegerin Kiki und den Teenager Jasse,
Die beiden Handlungsstränge sind geschickt und harmonisch miteinander verbunden, oftmaliger Szenenwechsel belebt die Handlung, macht sie abwechslungsreich und hält sie spannend. Zudem entwickelt sich die Geschichte zu einem Mordfall unter ungewöhnlichen Umständen.
Die drei Protagonistinnen sind realistisch charakterisiert, ihre jeweilige Wesensart ist nachvollziehbar; sind sie geprägt durch ihre Lebensumstände. Olgas bissige, unleidliche Art entspringt ihrer Krankheit, einem Hadern mit ihrem Schicksal. Kiki hatte bislang wenig Glück und Liebe erfahren in ihrem Leben, ist nun von Olga abhängig und sieht einer eher trostlosen Zukunft entgegen, und die pubertäre 13-jährige Jasse wurde von ihrer Mutter verlassen, vermisst deren Liebe und leidet darunter. Ich konnte deren Handlungsweisen zwar verstehen und nachvollziehen, fühlte mich jedoch zu keiner wirklich hingezogen, weil, abgesehen von den Hoffnungsfunken am Schluss, in den Dialogen und Kontakten der drei miteinander zu wenige positive Emotionen zu mir überschwappten.
Der Schreibstil ist flüssig, gut angepasst je nach Thematik, ob wissenschaftlich-medialer Terminus oder schnoddrige Teenagersprache. Die Handlung umspannt einen Zeitraum von zwanzig Tagen. Das Buch ist in zehn Kapitel unterteilt – in jene zehn Tage, an denen wesentliche Ereignisse stattfinden. Das Cover ist dezent und assoziiert durch den knallig grün gehaltenen Titel die tödliche Giftigkeit der abgebildeten Pflanzen. Die Hardcover-Ausgabe wirkt in ihrer Aufmachung sehr edel.
Es hat mich im Übrigen sehr überrascht, im Nachwort zu erfahren, dass die Geschichte in den Grundzügen vor der Pandemie fertig war und erst im Nachhinein einiges über Corona ergänzt wurde. Wie auch immer, es finden sich jedenfalls zahlreiche Parallelen zur Corona-Pandemie, angefangen von Wissenschaftlern, die noch im Dunkeln tappen, die mehr oder weniger seriösen Medienberichte, und last but not least die Verbreitung von Fake-News in den sozialen Medien.
„Das giftige Glück“ empfand ich als anspruchsvolles, weit über einen Kriminalroman hinausgehendes Buch, mit einer zum Diskutieren und Nachdenken anregenden Thematik, mit primär ernstem und ernsthaftem Hintergrund.