Profilbild von Havers

Havers

Lesejury Star
offline

Havers ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Havers über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.05.2023

Auf zu neuen Ufern

City of Dreams
0

Danny Ryan ist auf der Flucht Richtung Westen, begleitet von seinem Vater und seinem kleinen Söhnchen. Er hat die Nase voll, möchte seine Vergangenheit hinter sich lassen, endlich ein friedliches Leben ...

Danny Ryan ist auf der Flucht Richtung Westen, begleitet von seinem Vater und seinem kleinen Söhnchen. Er hat die Nase voll, möchte seine Vergangenheit hinter sich lassen, endlich ein friedliches Leben ohne Schießereien und Gang-Kämpfe führen, seinen Sohn aufwachsen sehen. Und so versucht er, sich vor der italienischen Mafia, dem FBI und der State Police in Sicherheit zu bringen und unter dem Radar zu bleiben. Zu dumm nur, dass zwei seiner loyalen Kumpel, die er im Schlepptau hat, das ganz anders sehen und aktiv werden, als sie herausfinden, dass Hollywood einen Film über die Ereignisse in Dogtown drehen. Als an ihnen Beteiligte sind sie der Meinung, ihnen würde ein Teil vom Kuchen zustehen, und so kommen sie aus der Deckung. Mit Folgen, die sie mit hätten vermeiden können, wenn sie sich ihre Aktion im Vorfeld überlegt hätten.

Mittelbände in Trilogien haben es üblicherweise schwer, und da ist Don Winslows „City of Dreams“ keine Ausnahme. Weder bietet er die Überraschungsmomente des Vorgängers „City on Fire“ noch den finalen Showdown, den wir im Abschlussband „City in Ruins“ wahrscheinlich erwarten dürfen, fährt eher mit angezogener Handbremse, auch wenn es natürlich zu den für dieses Genre typischen Auseinandersetzungen kommt. Dafür kriecht er tiefer in die Personen hinein, bringt uns selbst solche näher, die nicht im Zentrum des Geschehens stehen sondern nur Randfiguren sind.

Das wirkt alles durchdacht und souverän, kann es aber dennoch mit den großen Romanen aus Winslows Schaffen nicht aufnehmen, aber trotzdem sehe ich seinem angekündigten Abschied mit großem Bedauern entgegen. Seine Thriller werden mir fehlen.

Schlussbemerkung: Man sollte die Trilogie unbedingt in der richtigen Reihenfolge lesen, damit man die Ereignisse entsprechend einordnen kann.

Veröffentlicht am 21.05.2023

Geschichten vom Leben

Morgen, morgen und wieder morgen
0

Angesiedelt im Milieu der Videospiele-Entwickler, unterhaltsam und mit leichter Hand geschrieben, ohne mit zu vielen Details die Nicht-Gamer zu überfordern, versprüht dieser Roman über weite Strecken Optimismus.

Ein ...

Angesiedelt im Milieu der Videospiele-Entwickler, unterhaltsam und mit leichter Hand geschrieben, ohne mit zu vielen Details die Nicht-Gamer zu überfordern, versprüht dieser Roman über weite Strecken Optimismus.

Ein Roman, der Geschichten vom Leben erzählt, die so vielfältig wie dieses sind. Von Menschen, die sich finden und auch wieder verlieren. Von Freundschaft und einer tiefen Liebe, die aber so ganz anders ist, als man es von den üblichen Love-Storys kennt. Vom Verstehen und Missverständnissen, die oft aus der unterschiedlichen Herkunft resultieren. Von Erfolgen und dem Scheitern, das zwangsläufig neuen Projekten immanent ist. Von Neid und Groll, speziell dann, wenn sich eine Frau in einer Männerdomäne behaupten will. Von Entfremdung und Trennung. Vom Tod und der Wiederauferstehung. Von Wiedergeburt und Erlösung, denn anders als im realen Leben bieten die virtuellen Welten der Videospiele unzählige Chancen auf Neuanfänge, so dass selbst der Tod niemals das Ende ist.

Veröffentlicht am 18.05.2023

Meckern auf hohem Niveau

Liar
0

Als Lenny Howell, ein alter Bekannter von Eddie Flynn, diesen um Hilfe bittet, zögert er zuerst. Aber da er die Qualen aus eigenem Erleben kennt, die ein Vater durchmacht, wenn die Tochter entführt wird, ...

Als Lenny Howell, ein alter Bekannter von Eddie Flynn, diesen um Hilfe bittet, zögert er zuerst. Aber da er die Qualen aus eigenem Erleben kennt, die ein Vater durchmacht, wenn die Tochter entführt wird, stimmt er letztendlich zu. Und das, obwohl er eigentlich andere Sorgen hat. Max Copeland, ein Anwalt ohne Moral, hat ihm eine Vorladung zustellen lassen. Offenbar hat er es auf Richter Ford, Eddies Freund und Mentor, abgesehen und will zu diesem Zweck einen alten Fall wieder aufrollen, in dem dieser eine Drogensüchtige verurteilt wurde, die einen Brand gelegt hat, bei dem ihr Baby ums Leben kam. Im Fall der entführten Tochter ist mittlerweile auch das FBI involviert und bereitet die Übergabe des Lösegelds vor. Zu dumm nur, dass Lenny zweigleisig fährt und seine eigenen Pläne hat, immer angetrieben von der Angst um das Leben seiner Tochter. Aber kann Eddie ihm trauen? Und welche Rolle soll er in diesem Fall spielen? Wer ist der „Liar“, und wer sagt die Wahrheit?

Obwohl ich ein großer Fan von Steve Cavanaghs Eddie Flynn bin und „Liar“ mit dem Gold Dagger Award als bester Thriller des Jahres ausgezeichnet wurde, ist dieser dritte Band im Vergleich meiner Meinung nach der schwächste der Reihe. Aber dennoch sollte man ihn gelesen haben, damit man die Hintergründe der persönlichen Beziehungen entsprechend einordnen kann. Warum also unerwartet schwach? Nun, zum einen mag es daran liegen, dass das Thema Kindesentführung bereits in „Zu wenig Zeit zum Sterben“ (Bd. 1) abgehandelt wurde, zum anderen war die Handlung in „Liar“ recht vorhersehbar und simpel gestrickt. Und die ausufernden Erläuterungen jeder Einlassung in der Gerichtsverhandlung nahmen immer wieder das Tempo aus der Story und sorgten bei mir mehrfach für Augenrollen. Erfreulich hingegen fand ich den ausführlichen Auftritt von Agent Harper, die Fans der Reihe (aus Bd. 4 und 5) bereits kennen. Nun kennen wir auch die Anfänge dieser Freundschaft.

Trotz aller Kritik eine unterhaltsame Lektüre, die sich durch die Schlitzohrigkeit des Protagonisten wohltuend von vielen anderen Justizthrillern abhebt. Lesenswert!

Veröffentlicht am 04.05.2023

Eine Verbeugung vor den Klassikern des Genres

Neun Leben
0

Die Ähnlichkeiten mit Agatha Christies „And then there were none“ (1939) sind in Peter Swansons neuem Roman offensichtlich: Neun Menschen (zehn bei Christie), verteilt über die gesamten Vereinigten Staaten ...

Die Ähnlichkeiten mit Agatha Christies „And then there were none“ (1939) sind in Peter Swansons neuem Roman offensichtlich: Neun Menschen (zehn bei Christie), verteilt über die gesamten Vereinigten Staaten (eine Insel bei Christie) bekommen Post. Keine E-Mail oder WhatsApp, sondern ganz altmodisch per Brief eine identische Liste mit neun Namen zugeschickt, ihren eigenen eingeschlossen. Sie kennen sich nicht, sind sich nie begegnet, haben unterschiedliche Jobs, wohnen noch nicht einmal in der gleichen Gegend. Ein dummer Scherz? Ein Versehen? Oder doch einen Warnung? Die einen ignorieren die Liste, andere hingegen sind beunruhigt. Als der erste Tote auftaucht, beginnt Jessica Wilson, die FBI-Agentin, deren Name ebenfalls auf der Liste steht, zu ermitteln, denn offenbar ist dieser Tote lediglich der Anfang einer Serie. Denn mit jedem zusätzlichen Leichenfund ist allmählich ein Muster erkennbar. Aber wo ist die Verbindung? Die Zeit ist drängt, kann dem Mörder noch rechtzeitig Einhalt geboten werden?

„Neun Leben“ ist eine Verbeugung vor dem klassisch-traditionellen Krimis, die wir insbesondere von britischen Autoren/Autorinnen kennen, in denen die Frage nach dem Whodunit in Zentrum der Handlung steht. Aber Swanson baut hier noch einen sehr geschickten Kniff ein. Er lässt die möglichen Opfer in abwechselnden Kapiteln zu Wort kommen und thematisiert deren biografischen Hintergründe. Zum einen lernen wir dadurch die möglichen Opfer besser kennen, zum anderen ist wird das Interesse des Lesers/der Leserin auch auf das mögliche Tatmotiv gerichtet, das in einer der Biografien verborgen sein könnte. Und natürlich hält sich der Autor hierbei auch an die ungeschriebenen Gesetze der Klassiker. Es gibt von Beginn an klare Hinweise im Text, die beim aufmerksamen Lesen ins Auge fallen und mit fortschreitender Handlung entsprechend eingeordnet werden können, was allerdings nicht zu Lasten der Spannung geht.

Ein unterhaltsamer, lesenswerter Kriminalroman für all diejenigen, die es trotz der vielen Toten eher soft und unblutig mögen.

Veröffentlicht am 30.04.2023

Unerfüllte Liebe

Der Gärtner von Wimbledon
0

„Der Gärtner von Wimbledon“ ist die bittersüße Geschichte einer unerfüllten Liebe über Klassenschranken hinweg. Emotional und berührend, voller Gefühl, aber nie kitschig, sondern zurückhaltend formuliert. ...

„Der Gärtner von Wimbledon“ ist die bittersüße Geschichte einer unerfüllten Liebe über Klassenschranken hinweg. Emotional und berührend, voller Gefühl, aber nie kitschig, sondern zurückhaltend formuliert. Und mit der gleichen Zurückhaltung werden auch die Klassengegensätze beschrieben, wobei die Andeutungen mehr als ausreichend sind, um sich eine eigene Vorstellung zu dem „Upstairs / Downstairs“ Leben in und um Blake Hall zu bilden. Eine kleine, feine Lektüre für zwischedurch.

Allerdings hege ich leise Zweifel daran, dass diese Geschichte einer unerfüllten Liebe tatsächlich von einer Engländerin geschrieben wurde, denn es gibt weder eine veröffentlichte bzw. geplante englische Originalausgabe noch englischsprachige Informationen zur Autorin, was mir doch einigermaßen seltsam erscheint. Sei’s drum…

Rose und Henry lernen sich 1938 auf dem Landsitz Blake Hall kennen, wo Henrys Vater nach dem Tod seiner Frau eine Stelle als Gärtner angenommen hat. Sie freunden sich an, auch wenn das von Rose‘ Familie nicht gerne gesehen wird, denn in der englischen Klassengesellschaft hat jeder seinen vorgegebene Platz in der Hierarchie. Doch die Standesunterschiede können nicht verhindern, dass zwischen den beiden eine zarte Freundschaft aufblüht. Das verbindende Element ist Rose‘ Leidenschaft für Tennis, ihr großer Traum, in Wimbledon ein Turnier zu gewinnen. Dafür trainiert sie täglich und wird von Henry unterstützt, der nicht nur den Trainingsplatz von Blake Hall tiptop in Ordnung hält, sondern auch als Balljunge fungiert und sogar als Trainingspartner in die Bresche springt, wenn sonst niemand verfügbar ist. Sie verlieben sich, träumen von einer gemeinsamen Zukunft, aber Henry ist sich der Konsequenzen durchaus bewusst, die es nach sich ziehen könnte, sollte Rose‘ Familie je von seinen Gefühlen erfahren. Sein Vater könnte seine Stelle verlieren und sie müssten Blake Hall verlassen.

Doch es ist der Zweite Weltkrieg, der das Leben auf dem Landsitz tiefgreifend verändert. Der Tennisplatz wird zum Kartoffelacker und Rose muss ihre Träume begraben, distanziert sich von Henry und verkehrt nunmehr nur noch mit ihresgleichen. Henry hingegen kümmert sich bis zu seiner Einberufung um die Pferde, doch an seinen Gefühlen für Rose ändert sich nichts. Als der Krieg vorbei ist, hat er keinen Ort mehr, zu dem er zurückkehren könnte und nimmt die Stelle als Gärtner in Wimbledon an. Ob es wohl zu einem Wiedersehen mit Rose kommen wird?