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Veröffentlicht am 27.01.2021

Divorced, Beheaded, Died...

Anne Boleyn (Die Tudor-Königinnen 2)
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“Divorced, Beheaded, Died: Divorced, Beheaded, Survived”. Ob die englischen Schüler im Geschichtsunterricht noch immer diesen Reim lernen, um sich an das Schicksal der sechs Ehefrauen des Tudorkönigs Heinrich ...

“Divorced, Beheaded, Died: Divorced, Beheaded, Survived”. Ob die englischen Schüler im Geschichtsunterricht noch immer diesen Reim lernen, um sich an das Schicksal der sechs Ehefrauen des Tudorkönigs Heinrich VIII. zu erinnern, ist mir nicht bekannt, aber zumindest kann man an sich dieser Reihenfolge das Schicksal von Heinrichs Gemahlinnen merken. Mein Interesse gilt besonders Anne Boleyn, derjenigen mit der interessantesten Geschichte.

Sie ist eine faszinierende Persönlichkeit. Wenn man sie im Kontext der damaligen Zeit sieht, ist sie eine Ausnahmeerscheinung, was bestimmt auch ihrem Aufenthalt als Hofdame im Ausland geschuldet ist, der die Heranwachsende geprägt hat. Das Leben in Flandern am Hof von Margarete, der habsburgischen Statthalterin der Niederlande, hinterlässt einen bleibenden Eindruck bei ihr, die starke Monarchin ist ihr ein Vorbild, hält sie dazu an, ihre Rolle als Schachfigur im adligen Heiratskarussell zu hinterfragen, kümmert sich um ihre Ausbildung. Der Wechsel an den französischen Königshof hingegen verpasst ihr nur noch den letzten Schliff bezüglich des Verhaltens in den Kreisen des Hochadels. Sie ist gebildet, mutig und willensstark, aber auch überambitioniert. Hat klare Vorstellungen davon, was sie will und wie sie ihr Ziel erreichen kann. Dass ihr das später um die Ohren fliegen und mit ihrer Hinrichtung enden wird, hat sie allerdings nicht einkalkuliert.

In dem vorliegenden Roman nutzt die Historikerin Alison Weir die verbrieften Fakten, die sie bereits in ihrem vor fünfundzwanzig Jahren erschienenen Sachbuch „The Six Wives of Henry VIII:“ zu Anne Boleyn zusammengetragen hat, fügt eine ordentliche Menge Tudor-Glamour sowie eine große Portion Drama hinzu und verknüpft so auf gekonnte Weise Fakten und Fiktion. Das Ergebnis ist ein farbenprächtiger historischer Roman, in dem uns die Autorin an Anne Boleyns kurzem Leben teilhaben lässt. An den Jahren als Hofdame, an ihrem Aufstieg am englischen Hofe bis hin zu ihrer Krönung, aber auch an ihrer zunehmenden Verzweiflung, als der geforderte männliche Erbe ausbleibt und Heinrich VIII. ihrer überdrüssig wird (damals weiß er allerdings noch nicht, dass die gemeinsame Tochter Elizabeth als die spätere Königin 45 Jahre lang höchst erfolgreich die Geschäfte führen wird). Heinrich VIII. bezichtigt Anne des Ehebruchs sowie des Hochverrats, lässt ihr den Prozess machen und schickt sie schlussendlich auf das Schafott.

Mit Hilary Mantels Cromwell-Trilogie, die im gleichen Zeitraum angesiedelt ist, kann und sollte man diesen Roman nicht vergleichen, denn die Booker Prize Gewinnerin spielt in einer anderen Liga. Aber dennoch ist „Anne Boleyn: Die Mutter der Königin“ sehr empfehlenswert, weil er sowohl historisch korrekt als auch unterhaltsam und gut lesbar geschrieben ist, und so vielleicht den/die eine/n oder andere/n dazu motiviert, sich etwas näher mit dieser spannenden Periode der englischen Geschichte zu beschäftigen.

Veröffentlicht am 13.12.2020

Ein Kochbuch, das Lust auf Gemüse macht

all‘orto
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Claudio del Principe ist nicht nur ein Koch sondern auch ein Purist, der unsere Geschmacksknospen wieder empfänglich für die einfachen Genüsse machen möchte. Bewiesen hat er das in seinen bisher erschienen ...

Claudio del Principe ist nicht nur ein Koch sondern auch ein Purist, der unsere Geschmacksknospen wieder empfänglich für die einfachen Genüsse machen möchte. Bewiesen hat er das in seinen bisher erschienen Kochbüchern „a casa“, „al forno“ und „a mano“, allesamt höchst empfehlenswert. Nun also „all‘ orto“, in dem er das Hauptaugenmerk auf die Erzeugnisse des Gemüsegartens lenkt.

Vorausschicken sollte man aber auch noch, dass er ein Verfechter des Slow Food-Kochens ist d.h. kurz mal auf die Schnelle ein paar Zutaten zusammengerührt ist nicht sein Stil. Man sollte sich Zeit nehmen, nicht nur zum Essen sondern auch zum Kochen, was mit Sicherheit für den einen oder anderen problematisch ist. Und auch die Beschaffung der Zutaten, oft nur in Italien weit verbreitet, ist nicht immer einfach, vor allem dann, wenn man keine gut sortierten Läden oder Märkte vor der Haustür hat, sondern nur in den üblichen Supermärkten einkaufen kann. Wir haben glücklicherweise einen gut sortierten Hofladen, der zur Saison die meisten der vorgestellten Gemüse vorrätig hat. Im besten Fall hat man natürlich einen eigenen Garten, in dem man die eher schwer zu beschaffenden Gemüsesorten selbst anbaut.

Del Principe nimmt uns mit in den Garten und zeigt uns Rezepte, die quer durch dessen Vielfalt führen. Die Ordnung ist alphabetisch, von Artischocke bis Zwiebel ist alles vorhanden. Im Mittelpunkt des Rezepts steht das jeweilige Gemüse, zu Beginn kurz einleitend und mit schönen Fotos vorgestellt. Besondere Fähigkeiten für die Zubereitung werden nicht vorausgesetzt, der Zeitaufwand variiert von „geht schnell“ bis hin zu „ist unter der Woche kaum zu realisieren“. Inspiriert von der italienischen Küche wechseln sich alltagstaugliche, bodenständige und saisonale Gerichte mit eher überflüssigen, weil kapriziösen und immens zeitaufwändigen Rezepten, insbesondere bei den Rote Bete, ab. Diese vermitteln eher den Eindruck von dekorativem Beiwerk, so dass der Teller dann weniger wie ein Mittagessen als vielmehr wie ein ambitioniertes Gesamtkunstwerk daherkommt.

„All’orto“ macht Lust auf Gemüse, ist aber mit Sicherheit nicht für jeden Hobbykoch geeignet. Dennoch, es ist eine Empfehlung für all diejenigen, die Freude am Kochen haben und sich dafür auch gerne etwas mehr Zeit nehmen, sei es bei der Beschaffung, aber auch bei der Zubereitung der erforderlichen Zutaten.

Veröffentlicht am 29.11.2020

Nature Writing in der dunkelsten Form

Elmet
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Elmet, ein ehemals unabhängiges, keltisches Königreich des frühen Mittelalters im alten Norden Britanniens, bildet den geografischen Hintergrund für diesen Roman. Dort, in den Wäldern Yorkshires. Hier ...

Elmet, ein ehemals unabhängiges, keltisches Königreich des frühen Mittelalters im alten Norden Britanniens, bildet den geografischen Hintergrund für diesen Roman. Dort, in den Wäldern Yorkshires. Hier hat sich John mit seinen Kindern Cathy und Danny niedergelassen. Die Mutter ist weg, warum und wohin erfährt man nicht. Sie leben in einer selbstgebauten Hütte, ernähren sich von dem, was die Natur hergibt. Der Vater, ehemals ein erfolgreicher Bare Knuckle Fighter, ein Schläger, früher auch Geldeintreiber für den Großgrundbesitzer Price, hat mit seiner Vergangenheit abgeschlossen. Die Kinder, aufgewachsen bei der inzwischen verstorbenen Großmutter, fühlen sich sicher in seiner Gegenwart, vertrauen auf ihn und vermissen nichts: „Er wollte uns gegen das Dunkle auf der Welt stärken. Je mehr wir wussten, desto besser würden wir vorbereitet sein.“Und dennoch dringt diese Welt in ihr Leben ein. Vertreten durch Price, der seine Ansprüche auf das Land geltend macht und sie vertreiben will. Ein Vorwand, denn eigentlich geht es ihm um John, den er wieder in seine Geschäfte einbinden will. Ein letzter Faustkampf soll alles entscheiden.

Der Roman (Shortlist Booker Prize 2017) ist mehr als eine Zurück-zur-Natur Story, es ist auch eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über das Ankommen in einer Welt, die nichts mit dem Idyll gemein hat, das John für seine Kinder erschaffen möchte. Aus der Perspektive des vierzehnjährigen Danny erzählt „Elmet“ von miesen Lebensumständen in einem vergessenen Landstrich, von Gewalt und toxischer Männlichkeit. Von dem vergeblichen Versuch des Vaters , diesem Leben nochmal eine Wendung zu geben.

"Elmet" ist Nature Writing in der dunkelsten Form. Die Schilderungen des täglichen Lebens in den Wäldern bestechen durch ihre atmosphärischen Beschreibungen, die Sprache ist außergewöhnlich beeindruckend, oft lyrisch in den Bildern. Aber, und das ist die Schwäche dieses Romans, nicht so, wie man es von einem Vierzehnjährigen mit rudimentärer Bildung erwarten würde.

Veröffentlicht am 22.11.2020

Komplexer Eröffnungsband einer neuen Thrillerreihe

Wolfssommer
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Haparanda, die verschlafenen Kleinstadt hoch oben im Norden Schwedens, die schon bessere Tage gesehen hat, bietet den geografischen Hintergrund für Hans Rosenfeldts neue Thrillerreihe. Den Autor kennen ...

Haparanda, die verschlafenen Kleinstadt hoch oben im Norden Schwedens, die schon bessere Tage gesehen hat, bietet den geografischen Hintergrund für Hans Rosenfeldts neue Thrillerreihe. Den Autor kennen wir doch bereits aus den Büchern über den Kriminalpsychologen Sebastian Bergman, die er gemeinsam mit Michael Hjorth geschrieben hat. Aber ein Vergleich verbietet sich, denn „Wolfssommer“ ist anders. Dunkler, härter.

Ein toter Wolf wird gefunden, nicht ungewöhnlich für diese Gegend nahe der finnischen Grenze. Wären da nicht die menschlichen Überreste in seinem Magen, deren Herkunft geklärt werden muss. Als man in den Wäldern eine männliche Leiche findet, wird die Polizei eingeschaltet, Hannah Wester, eine Polizistin, die mit den Nebenwirkungen des Klimakteriums kämpft, von Verlassensängsten geplagt wird und eine Affäre mit ihrem jüngeren Chef hat, ist die Verantwortliche in diesem Fall. Die Ermittlungen führen ins Drogenmilieu, lassen einen missglückten Deal vermuten. Als dann auch noch diverse dubiose Gestalten samt einer Profikillerin auftauchen, ist es mit der Ruhe in Haparanda endgültig vorbei.

Der Aufbau der Handlung ist genau das, was man von einem skandinavischen Thriller erwartet. Eine menschenleere Gegend, eine komplexe Story, die sich erst allmählich entfaltet, im Zentrum eine interessante, von Selbstzweifeln geplagte Protagonistin und ihre Gegnerin, eine skrupellose Killerin ohne Gewissen. Soweit alles wie gehabt, aber dennoch konnte mich dieser Thriller nicht völlig überzeugen, was vor allem an den eingeflochtenen Backstorys der Figuren lag, die den Plot unnötig überfrachtet haben. Unzählige Handlungsfäden, deren Relevanz sich erst allmählich erschließt, führen stellenweise zu Verwirrung und reduzieren das Tempo. Zum Ende hin werden diese zwar stimmig zusammengeführt, aber insgesamt gesehen hätte sich der Autor den einen oder anderen Punkt, ohne das Interesse des Lesers zu verlieren, auch für die Fortsetzung aufheben können.

Veröffentlicht am 02.11.2020

Zurück zu den Anfängen - Kingsbridge erwacht

Kingsbridge - Der Morgen einer neuen Zeit
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Die Geschichte der Kathedrale von Kingsbridge hat mit Ken Folletts neuem Roman Zuwachs bekommen. Nach „Die Säulen der Erde“, „Die Tore der Welt“ und „Das Fundament der Ewigkeit“ reisen wir nun zurück in ...

Die Geschichte der Kathedrale von Kingsbridge hat mit Ken Folletts neuem Roman Zuwachs bekommen. Nach „Die Säulen der Erde“, „Die Tore der Welt“ und „Das Fundament der Ewigkeit“ reisen wir nun zurück in die „Dark Ages“, das Dunkle Zeitalter, und erfahren mehr darüber, wie aus Dreng‘s Ferry, dem kleinen Provinznest im Nirgendwo, über die Jahre das prosperierende Städtchen „Kingsbridge“ wird. Gleichzeitig begleiten wir über einen Zeitraum von zehn Jahren Menschen der verschiedensten Gesellschaftsschichten, deren Schicksal untrennbar mit diesem Ort verbunden ist.

Allen voran auf Seiten der „Guten“ ist Edgar, Sohn eines Bootsbauers, der im Laufe des Romans seine handwerklichen Fertigkeiten immer weiter entwickelt, so dass am Ende ein begnadeter Baumeister aus ihm wird. Einen Verbündeten findet er in Aldred, dem bibliophilen Mönch, der ihm zeitlebens freundschaftlich zugetan ist und ihn bei der Realisierung seiner Projekte unterstützt. Gegen alle Widerstände sind diese beiden schlussendlich dafür verantwortlich, dass sich Kingsbridge zu einer wohlhabenden Handelsstadt und einem spirituellen Zentrum entwickelt, woran die von Edgar gebaute Steinbrücke über den Fluss, die namensgebende „Kingsbridge“ einen wesentlichen Anteil hat.

Auf Schurkenseite dominiert Bischof Wynstan das Geschehen. Bösartig, korrupt und grausam, besessen von Geld, Macht und Einfluss, ein Mensch ohne Prinzipien und Moral, der in seinem schändlichen Treiben von seinen Brüdern unterstützt wird.

Und dann ist da noch Ragna, die normannische Edelfrau, Angetraute von Aldermann Wil, dem Bruder Wynstans, die schon kurz nach der Eheschließung ihre Träume von der romantischen Liebe begraben muss.

Zahlreiche Nebenfiguren, deren Schicksale immer wieder Schnittstellen mit den Hauptpersonen aufweisen, runden das Personenkarussell ab. Herrscher und Beherrschte, Adlige und Bauern, Sklaven und Mönche, alle nehmen mehr oder weniger bedeutende Rollen im Fortgang der Handlung und der Entstehung von Kingsbridge ein.

Sehr interessant waren die informativen Einschübe des Autors zu dieser Epoche, die mangels vorhandener Exponate den Historikern wenig konkrete Anhaltspunkte liefert und sich eher auf Vermutungen als Beweise stützt. Aber die Erklärungen scheinen einleuchtend, so könnte es tatsächlich gewesen sein.

Follett schreibt in eingängiger Sprache und hält den Leser durch die verschiedenen Erzählstränge, die die Handlung vorantreiben, bei der Stange. Aber leider vergibt er die Chancen, die dieses Genre bietet, und bleibt, besonders am Ende, den Klischees der üblichen historischen Schmöker verhaftet, die die Welt in Schwarz und Weiß einteilen. Ein märchenhafter Schluss, bei dem die Schurken ausnahmslos ihre gerechte Strafe erhalten und sich für die „Guten“ und Kingsbridge alles zum Besten wendet. Aber dennoch hat mich der Roman gut unterhalten. Ich habe ihn gerne gelesen, was mit Sicherheit der Fähigkeit des Autors geschuldet ist, lebendige Szenarien zu kreieren und Emotionen beim Leser zu wecken.

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