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Veröffentlicht am 23.07.2019

Schwedenhappen mit verhaltener Spannung

Opfer
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„Opfer“ ist das Debüt des Schweden Bo Svernström, promovierter Literaturwissenschaftler und als Journalist lange Zeit für das schwedische Boulevardblatt Aftonbladet tätig. Und offenbar hat er die Erfahrungen ...

„Opfer“ ist das Debüt des Schweden Bo Svernström, promovierter Literaturwissenschaftler und als Journalist lange Zeit für das schwedische Boulevardblatt Aftonbladet tätig. Und offenbar hat er die Erfahrungen seines journalistischen Berufsalltags in Gestalt von Alexandra Bengtsson in diesen Thriller einfließen lassen, die die Ermittlungen der Polizei in einer Mordserie aufmerksam beobachtet und begleitet – aus persönlichem Interesse, wie sich herausstellen wird.

Aber auf Anfang: ein Mann wird grausam gefoltert und an eine Scheunenwand genagelt. Er ist zwar noch nicht tot, als die Reichsmordkommission am Tatort eintrifft, kann aber keine Aussage machen, da ihm der Täter die Zunge herausgeschnitten hat. Kurze Zeit danach stirbt er. Hauptkommissar Carl Edson und sein Team nehmen die Ermittlungen auf. Es stellt sich heraus, dass Holst, das Opfer, ein bekannter Krimineller war, der einiges auf dem Kerbholz hatte. Als ein Richter, ein Anwalt und ein Justizbeamter Päckchen mit verstörendem Inhalt erhalten, stellt sich die Frage, ob die Empfänger willkürlich ausgewählt wurden oder ob es Verbindungen gibt. Die Zeit drängt, denn Holst wird nicht das einzige Opfer bleiben…

Svernström hat mit seinem Debüt den Schwedenthriller nicht neu erfunden, macht seine Sache aber auch nicht schlechter als viele seiner Autorenkollegen, und zwar nicht nur in Skandinavien. Reine Unterhaltung, geschickt konstruiert, der Autor lässt sich Zeit, bevor er die Karten auf den Tisch legt. Mit verhaltener Spannung, manchmal etwas blutig und deshalb vielleicht nicht für jeden Leser geeignet. Es sind die üblichen Zutaten: grausame Morde, der Kommissar als einsamer Wolf, die Journalistin traumatisiert, der Mörder psychopathisch. Irrungen und Wirrungen, Wahrheit und Lügen. Plot-Twists, die für Überraschung sorgen. Zwei Perspektiven im Wechsel, Ermittlungen, die durch Rückblenden in die Vergangenheit vorangetrieben werden.

Ein Thriller für zwischendurch. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 22.07.2019

Erwartungen leider nur teilweise erfüllt

Der Gesang der Flusskrebse
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Ich bin mit großen Erwartungen an das Buch herangegangen, und Delia Owens hatte mich bereits nach den ersten Seiten: Kya die in einem entlegenen Zipfel des Sumpflandes in North Carolina aufwächst, der ...

Ich bin mit großen Erwartungen an das Buch herangegangen, und Delia Owens hatte mich bereits nach den ersten Seiten: Kya die in einem entlegenen Zipfel des Sumpflandes in North Carolina aufwächst, der Vater ein Säufer und Schläger, die Mutter ohne ein Wort des Abschieds verschwunden, ebenso die vier Geschwister. Niemand da, der sich für die sechsjährige Kya verantwortlich fühlt. Denn der Vater gibt nur Stippvisiten, wenn er von mehrtägigen Sauftouren zurückkommt, um seinen Rausch auszuschlafen. Für die Menschen im nahen Fischerdorf ist sie „das Marschmädchen“, von dem man sich besser fernhält. Ungepflegt, dreckig, faul und dumm. Aber auch Kya meidet die Menschen, sie muss allein zurechtkommen, um zu überleben. Dort, wo die Flusskrebse singen, „…weit draußen, wo die Tiere noch wild sind und sich benehmen wie Tiere“.

Das verspricht Südstaaten Noir (Woodrells „Winters Knochen“ ist mir in den Sinn gekommen), aber leider löst Owens dieses Versprechen nicht ein.

Der Roman startet mit einem Prolog im Jahr 1969. Eine männliche Leiche wird im Sumpf gefunden. Wer ist für den Tod verantwortlich? Danach immer wieder Zeitsprünge zwischen gestern und heute, 1952 beginnend, in denen wir Kyas Entwicklung verfolgen können. Gut ausbalanciert, passt. Das Marschland bestimmt ihr Sein, es nährt sie und sichert ihr Überleben. Sie sammelt Muscheln, die sie Jumpin‘ verkauft, einem Ladenbesitzer im Dorf, und wegen seiner Hautfarbe ein ebensolcher Außenseiter wie sie. Sie sieht aber auch die Schönheit der Natur in allen Formen, sammelt Federn und Muscheln und hütet sie wie Schätze. Wobei sie von dem Wissen profitiert, das ihr ihr großer Bruder vermittelte, bevor er sie verließ. So vergehen, die Tage, die Jahre. Gleichförmig. Aber alles verändert sich, als ein Junge in ihre Sumpfwelt eindringt. Kya verändert sich, ihr Denken, ihr Fühlen. Sie möchte keine Außenseiterin mehr sein, möchte dazugehören.

Und genau hier setzt der Bruch in Owens‘ Roman ein. Kyas Coming-of-age Story wird durch den Mordfall mit Krimi-Elementen aufgepeppt, was eher schadet als nützt. Hat die Autorin bis hierher mit außergewöhnlich detaillierten Beschreibungen von Innen- und Außenwelt brilliert (sie ist von Haus aus Zoologin mit zahlreichen Veröffentlichungen zur bedrohten Tierwelt Afrikas), kippt die Story jetzt ins Vorhersehbare, Verkitschte und macht den guten Eindruck, den ich bisher hatte, zunichte. Wird zum Aschenputtel-Märchen und lässt mich zudem mit einigen Ungereimtheiten zurück.

Nichtsdestotrotz, in den Vereinigten Staaten hat das Buch die Bestsellerlisten gestürmt. Nicht zuletzt deshalb, weil es zum Buch des Monats in Reese Witherspoons Buch Club gewählt wurde. Und eine Verfilmung wird es auch geben, die Rechte hat sich ebenfalls Reese Witherspoon für ihre Produktionsfirma Hello Sunshine gesichert.

Veröffentlicht am 03.07.2019

Für die Fans von "rohem" Fisch

Ceviche. Das Kochbuch
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Juan Danilo, gebürtiger Peruaner und ehemaliger Chefkoch in einem peruanischen Restaurant in Berlin, macht uns in „Ceviche. Das Kochbuch: Peruanisch magisch“ mit einem legendären Gericht seiner Heimat ...

Juan Danilo, gebürtiger Peruaner und ehemaliger Chefkoch in einem peruanischen Restaurant in Berlin, macht uns in „Ceviche. Das Kochbuch: Peruanisch magisch“ mit einem legendären Gericht seiner Heimat Peru bekannt, dem Ceviche. Allerdings sollte man schon ein Faible für Fisch bzw. andere Meerestiere haben, denn sonst wird das mit der Freude an diesem Kochbuch nichts.

Ceviche ist leicht, eiweißreich und gesund, das ideale Gericht an heißen Tagen. Im Prinzip ein Fischtartar, kalt gegart mit dem Saft von Limetten oder anderen Zitrusfrüchten und Salz. Säure ist hier die magische Zutat, die den Garprozess in Gang setzt. Natürlich kann und sollte man das Gericht mit zusätzlichen Zutaten aufpeppen, besonders geeignet hat sich bei mir dafür Chili erwiesen, der dem Ceviche einen zusätzlichen Kick verleiht und durchaus als Ersatz für die traditionell verwendeten Aji-Schoten verwendet werden kann.

Ein einfaches Prinzip, das mich allerdings gerade deshalb zu einer grundsätzlichen Frage bringt: Wofür braucht man ein Kochbuch, das sich ausschließlich mit diesem Gericht beschäftigt? Jeder halbwegs ambitionierte Hobbykoch kann und wird doch eh mit zusätzlichen Gewürzen, knackigen Gemüsen etc. experimentieren. Oder?

Das Kochbuch an sich besticht durch seine hochwertige Ausstattung und die farbenprächtigen mit den Rezepten korrespondierenden Fotos. Wir erfahren Einzelheiten zur peruanischen Küche und über die Tradition der Ceviche. Der Rezeptteil nimmt zu einen Bezug auf die unterschiedlichen Zubereitungsarten sowie die verschiedenen Fische und Meerestieren, die dabei Verwendung finden. Ergänzt wird dies durch vegetarische Alternativen, einen Dessert-Teil und Beschreibungen von Extras, die Einzug in die Rezepte gehalten haben.

Ein Kochbuch, das auf 168 Seiten leider nur einen Aspekt der peruanischen Küche umfassend behandelt, aber Fans von „rohem“ Fisch mit Sicherheit inspiriert.

Veröffentlicht am 03.07.2019

Ein Cold Case für Ingrid Nyström und Stina Forss

Schneewittchensarg
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Bei der Eröffnung einer Glaskunst-Ausstellung werden die Besucher mit einem bizarren Kunstwerk konfrontiert. In einem Glassarg liegen die sterblichen Überreste einer Braut. Es stellt sich heraus, dass ...

Bei der Eröffnung einer Glaskunst-Ausstellung werden die Besucher mit einem bizarren Kunstwerk konfrontiert. In einem Glassarg liegen die sterblichen Überreste einer Braut. Es stellt sich heraus, dass es sich um eine junge Frau handelt, die am Tag ihrer Hochzeit vor fast fünfzig Jahren spurlos verschwunden ist. Gunnar Gustavsson, sitzengelassener Bräutigam und nun Firmenchef, möchte endlich mit der Vergangenheit abschließen und wissen, was bei der Brautentführung damals passiert ist. Ingrid Nyström und Stina Forss, die diesen „Cold Case“ bearbeiten, müssen tief in die Vergangenheit abtauchen, um diesen „Cold Case“ aufzuklären.

Verschiedene Zeitebenen, unterschiedliche Orte, wechselnde Perspektiven bestimmen diesen siebte Band der Reihe des deutsch-schwedischen Autorenduos Voosen/Danielsson. Für den Leser keine besonders große Herausforderung, sind die jeweiligen Abschnitte doch immer entsprechend gekennzeichnet. Wie bei einem alten Fall so üblich, werden die Ermittlungen hauptsächlich von intensiver Recherche dominiert. Das zieht sich bisweilen, da der Leser ja immer wieder auf den aktuellen Stand der beiden Kommissarinnen gebracht werden muss. Von daher hält sich das Tempo eher auf einem niedrigen Level, auch wenn zahlreiche unerwartete Wendungen an der Spannungsschraube drehen.

Was mich immens gestört hat, waren die ausufernden Beschreibungen des angespannten Verhältnisses von Nyström und Forss, die keinerlei Bezug zur Handlung hatten und auch die Beziehung der Ermittlerinnen nicht wirklich voran brachten. Das mag ja für all diejenigen Leser interessant sein, die die sechs Vorgängerbände gelesen haben, mir war das zu viel Drumherumgerede. Für die Kenner der Reihe kein Problem, Einsteigern würde ich „Schneewittchensarg“ eher nicht empfehlen und raten, die Romane chronologisch zu lesen.

Veröffentlicht am 28.06.2019

Netter Appetithappen

Kunstgeschichte als Brotbelag
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„Mit Essen spielt man nicht“. Wer hat diesen Satz schon einmal gehört? Wahrscheinlich jeder von uns, oder? Aber Marie Sophie Hingst hat sich davon nicht beeindrucken lassen und sich der „Kunst“ des Brotbelags ...

„Mit Essen spielt man nicht“. Wer hat diesen Satz schon einmal gehört? Wahrscheinlich jeder von uns, oder? Aber Marie Sophie Hingst hat sich davon nicht beeindrucken lassen und sich der „Kunst“ des Brotbelags gewidmet. Ich setze den Begriff in Anführungszeichen, denn mit wahrer Kunst hat das nun wirklich nichts zu tun. Klar, es ist amüsant anzuschauen, aber wer hat schon Zeit und Lust, seine Stullen nach Vorlagen von Gemälden zu stylen? Ein Gag, aber mehr auch nicht.

Und dennoch kann man sich einer gewissen Faszination nicht entziehen, wenn man die Ergebnisse sieht. Von daher ist das Büchlein „Kunstgeschichte als Brotbelag“, für das Marie Sophie Hingst als Herausgeberin fungiert, durchaus ein netter Appetithappen für zwischendurch.