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Veröffentlicht am 28.01.2019

Überzeugt durch Aufbau und Sprache

Schwarze Seele
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Patsy Logan ist zurück, KHK bei der Münchner Polizei, mit deutscher Mutter und irischem Vater, manchen Lesern mit Sicherheit bereits aus dem Vorgänger „Harte Landung“ bekannt. In „Schwarze Seele“ muss ...

Patsy Logan ist zurück, KHK bei der Münchner Polizei, mit deutscher Mutter und irischem Vater, manchen Lesern mit Sicherheit bereits aus dem Vorgänger „Harte Landung“ bekannt. In „Schwarze Seele“ muss sie gleich an zwei Fronten kämpfen. Zum einen sind da ihre vergeblichen Versuche, schwanger zu werden, die einen Keil zwischen sie und ihren Mann treiben. Zum anderen soll sie den Fall des an Halloween ertrunkenen Donal McFadden aufklären, dessen Obduktion den Beweis dafür liefert, dass er eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Gemeinsam mit seiner Schwester Siobhan ist dieser nach München gekommen, um seine Frau Fiona „Fee“, die ihn für ihren Jugendfreund verlassen hat, wie er es ausdrückt „zur Vernunft zu bringen“.

Wer hätte ein Motiv und die Gelegenheit, Donal zu töten? Die Zahl der Verdächtigen ist überschaubar, aber die Beweislage ist dünn, und so gestaltet sich der Fall schwieriger als anfangs erwartet. Zug in die Ermittlungen kommt erst dann, als sich Patsy und ihre Kollegin Kris, selbige auch mit familiären Problemen geschlagen, das persönliche Umfeld Fionas anschauen.

Der Kriminalfall an sich ist wenig spektakulär und eher konventionell gestrickt. Dafür nimmt das Privatleben der Beteiligten sehr viel Raum ein, was ja nicht automatisch schlecht sein muss. Allerdings entwickelt sich hier wenig, zu viel sich wiederholendes Kreisen um die immer gleichen Themen. Für mich auch eindeutig zu viel München und zu wenig „grüne Insel“, wenn schon die Ermittlerin irische Wurzeln hat, das Opfer und ein Teil der Verdächtigen aus Irland kommen. Deshalb hätte es mich auch gefreut, wenn der Handlungsfaden um das spurlose Verschwinden und den mutmaßlichen Selbstmord des Vaters der Protagonistin weiter ausgeführt worden wäre. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Der Aufbau der Story hingegen konnte mich überzeugen. Teilweise gradlinig aus der Sicht Patsys erzählt, aber immer wieder unterbrochen durch Einschübe aus der Vergangenheit der Beteiligten (mal mehr, mal weniger informativ), was den Erzählfluss spürbar belebt und aufgelockert hat.

Und wie bereits bei dem Vorgänger kann ich die sprachliche Qualität dieses Krimis nur loben, die sich wohltuend von dem abhebt, was man üblicherweise von deutschen Vertretern des Genres geboten bekommt. Kurz, klar, prägnant, kein Drumherumgerede, wenn man mal von den persönlichen Nabelschauen absieht.

Alles in allem ist "Schwarze Seele" schlussendlich ein Kriminalroman, bei dem die Spannung durch das Verzetteln im Privaten leider streckenweise auf der Strecke bleibt, der aber mit Sprache und Aufbau punkten kann.

Veröffentlicht am 23.12.2018

Szenen einer sprachlosen Ehe

Schnee in Amsterdam
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Stella und Gerry, um diese beiden kreist „Schnee in Amsterdam“, dem 2017 mit dem Irish Book Award ausgezeichneten Roman des Nordiren Bernard MacLaverty. Sie sind ein „altes Ehepaar“, beide mittlerweile ...

Stella und Gerry, um diese beiden kreist „Schnee in Amsterdam“, dem 2017 mit dem Irish Book Award ausgezeichneten Roman des Nordiren Bernard MacLaverty. Sie sind ein „altes Ehepaar“, beide mittlerweile im Ruhestand. Obwohl…eigentlich trifft das nur für Gerry, den ehemaligen Architekten und Universitätsdozenten zu. Stella hat zwar als Lehrerin gearbeitet, sich dann aber Kinderziehung und Haushalt gewidmet. Beide stammen aus Nordirland, haben ihre Heimat aber wegen, während oder nach dem Nordirlandkonflikt, so genau geht das nicht aus dem Text hervor, verlassen und leben nun in Schottland.

In ihrer gemeinsamen Biografie gibt es ein einschneidendes Ereignis, das zumindest Stellas Leben stärker beeinflusst hat, als sie vielleicht wahrhaben will. Hochschwanger wird sie während der Troubles von einem Querschläger getroffen, ihre Sorge gilt in erster Linie dem Leben ihres ungeborenen Kindes. Tiefreligiös wie sie ist, schließt sie einen Handel mit Gott ab. Wenn das Kind und sie überleben, will sie künftig ihr Leben nach Gottes Regeln führen, ihm weihen. Nun, im letzten Drittel angekommen, zieht sie Bilanz, und muss feststellen, dass sie ihr Gelübde wohl nur in Grundzügen einhalten konnte. Zu viel Alltag, zu wenig Spiritualität. Und auch ihre Ehe scheint an einem Scheideweg zu stehen. Gerry ist Alkoholiker, sein Denken und Handeln kreist nur noch darum, wo er den nächsten Jameson organisieren und wie er ihn vor ihr verstecken kann.

Soweit die Ausgangssituation vor dem von Stella minutiös geplanten Kurzurlaub in Amsterdam. Vor Jahren hat sie die Stadt schon einmal besucht und ist seither fasziniert von dem Beginenhof, einer religiösen Einrichtung für unabhängige, alleinstehende Frauen. Dort glaubt sie, ihr Gelübde erfüllen zu können. Gerry weiß von all dem nichts, denn die Eheleute sprechen nicht mehr miteinander. Ihre Konversation erschöpft sich in Banalitäten des Alltags. Gefühle, Wünsche, Träume, sind wohl schon lange nicht mehr Thema ihrer Gespräche. Beide kapseln sich in ihrem Innersten ein. Gerry füllt die Leere mit Whiskey, Stella mit Religiosität.

MacLaverty gelingt es sehr beeindruckend, die Sprachlosigkeit und den Niedergang dieser Ehe zu beschreiben, lässt mich als Leser aber hochgradig aggressiv zurück. Da ist diese Egozentriertheit und Dominanz Stellas, die ihre eigenen Pläne verfolgt und nicht in der Lage ist, mit Gerry darüber zu reden. Sie will ihn vor vollendete Tatsachen stellen. Sie trifft die finale Entscheidung…für sich und für beide. Natürlich ist das auch Gerrys Passivität geschuldet, der sich auf den Alkohol zurückzieht und schon zufrieden ist, wenn er seine tägliche Ration organisieren kann. Am besten wäre es, wenn sie sich professionelle Hilfe holen würden, um die Sprachlosigkeit zu überwinden und die Kälte aus ihrem Leben zu vertreiben.

Bleibt nur zu hoffen, dass sie sich darauf besinnen, was ihre Ehe ausmacht, dass eine Beziehung Arbeit erfordert und nicht in Schweigen versinken darf. Dann haben sie vielleicht noch eine Chance.

Veröffentlicht am 04.12.2018

Mehr oder weniger spannende Appetithäppchen für zwischendurch

Der Einzelgänger
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Um es in Abwandlung eines Zitates von Forrest Gump zu sagen: Eine Sammlung von Short Storys ist wie eine Pralinenschachtel. Man weiß nie, was man bekommt. Diese Aussage trifft auch bei der neuesten Veröffentlichung ...

Um es in Abwandlung eines Zitates von Forrest Gump zu sagen: Eine Sammlung von Short Storys ist wie eine Pralinenschachtel. Man weiß nie, was man bekommt. Diese Aussage trifft auch bei der neuesten Veröffentlichung aus dem Jack Reacher Universum den Nagel auf den Kopf.

„Der Einzelgänger“, unter dem Titel „No middle name“ im Original 2017 erschienen, ist eine Sammlung von zwölf kürzeren und längeren Erzählungen, die Lee Child im Lauf der Jahre geschrieben hat. Wer die Reacher-Reihe kennt, weiß was ihn erwartet, allerdings gibt es auch eine Überraschung. „Der zweite Sohn“ führt zurück in Reachers Kindheit auf einem Stützpunkt in Okinawa, wohin die Familie versetzt wurde und man in Grundzügen bereits erkennen kann, wie und warum sich der Teenager entwickeln wird. Für mich eine der stärksten Storys der Sammlung.

Ansonsten gibt es wenig neue Aspekte, aber das ist ja auch das Schöne daran. Der einsame Wolf stromert ziellos durch die amerikanischen Bundesstaaten, wird mehr oder weniger zufällig in mehr oder weniger kriminelle Ereignisse hineingezogen und hilft diese, mit mehr oder weniger Köpfchen und /oder brachialer Gewalt aufzuklären.

Was das Niveau der einzelnen Erzählungen angeht, habe ich mir deutlich mehr erwartet. Höchstens die Hälfte ist qualitativ den Romanen ebenbürtig. Vieles wirkt unrund, extrem konstruiert, ist langatmig, noch nicht auf den Punkt gebracht. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass diese Storys die Ideen des Autors sammeln, Grundgerüste und/oder Exposés für künftige Reacher Geschichten sind. Das wird besonders bei „Zu viel Zeit“ deutlich, von Child in „The midnight line“ (der 22. Reacher, 2017, noch nicht übersetzt) fortgeführt und ausgearbeitet.

Dennoch ist „Der Einzelgänger“ gerade wegen seiner Themenvielfalt die perfekte Wahl für Neueinsteiger ins Reacher-Universum, kann aber auch den Fans empfohlen werden, die sich die Wartezeit auf den zwanzigsten Band der Reihe „Keine Kompromisse“ verkürzen möchten. Erscheint im Juni 2019 bei Blanvalet.

Veröffentlicht am 10.11.2018

Ende gut, alles gut?

Die Tote im Pfarrhaus
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Ende gut, alles gut. Ob dieses Zitat auch für „Die Tote im Pfarrhaus“ gilt, im Original zwei Jahre vor dem Tod Ruth Rendells, der britischen Lady of Crime, erschienen; ist die Frage. Ohne vorwegzugreifen, ...

Ende gut, alles gut. Ob dieses Zitat auch für „Die Tote im Pfarrhaus“ gilt, im Original zwei Jahre vor dem Tod Ruth Rendells, der britischen Lady of Crime, erschienen; ist die Frage. Ohne vorwegzugreifen, dieser Roman sollte nach 25 Bänden der Reihe mit Inspector Wexford den Schlusspunkt markieren. Obwohl routiniert heruntergeschrieben wie eh und je, merkt man diesem Krimi doch deutlich eine gewisse Ideenlosigkeit an. Ein Phänomen, das auch in den Venedig-Krimis von Donna Leon zu beobachten ist.

Im Gegensatz zu Brunetti befindet sich der ehemalige Inspector zwar bereits im Ruhestand, verbringt aber ebenso wie dieser seine Tage/Freizeit mit dem Studium der Klassiker, in diesem Fall dem mehrbändigen Werk „Verfall und Untergang des römischen Imperiums“. Der Zusammenhang mit der Handlung erschließt sich mir jetzt nicht wirklich, es sei denn, es ginge der Autorin um den Werteverfall und die fehlende Moral der heutigen Zeit. Ein bisschen Philosophie, so sie nachvollziehbar im Bezug zu Plot oder Personen ist, schadet mit Sicherheit nicht. Aber die Langatmigkeit und permanenten Reflexionen derselben, in die sich Wexfords Gedankengänge über weite Teile verstricken, und die daran erzwungene Teilnahme des Lesers – man will nichts verpassen, es könnte später ja noch wichtig werden – haben mir recht früh die Freude an dem Buch genommen, zumal dies massiv auf Kosten der Spannung und des Tempos geht.

Obwohl alle Zutaten für einen spannenden Kriminalroman vorhanden sind, konnte mich die Story nicht packen. Natürlich gibt es einen Mordfall, die Personen, selbst die nervige Zugehfrau, sind interessant und gut gezeichnet und das in Rendells Krimis wiederkehrende Thema Rassismus ist gesellschaftspolitisch relevant. Alles korrekt, und dafür gibt es Pluspunkte, aber dennoch wirkt „Die Tote im Pfarrhaus“ über weite Strecken wie einer jeder klassischen britischen „cozy crimes“ von Agatha Christie – allerdings nicht zeitlos elegant, sondern einfach nur behäbig und langweilig.

Veröffentlicht am 10.11.2018

Story nicht schlecht, aber leider emotionslos und distanziert erzählt

Endstation Tokio
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Die verschiedenen Länder Europas sowie die Vereinigten Staaten bildeten jahrzehntelang den geografischen Hintergrund für Kriminalromane und Thriller. Dann erweiterte sich das Spektrum um Südafrika, in ...

Die verschiedenen Länder Europas sowie die Vereinigten Staaten bildeten jahrzehntelang den geografischen Hintergrund für Kriminalromane und Thriller. Dann erweiterte sich das Spektrum um Südafrika, in den vergangenen Jahren kam noch Australien dazu. Die asiatischen Länder waren bisher eher schwach vertreten. Seit einiger Zeit nun kann man beobachten, dass Japan der neueste Trend ist. Vermehrt tauchen japanische Autoren in diesem Genre auf und rücken Japan samt seiner kulturellen Eigenheiten in den Fokus. Im Gegensatz dazu gibt es die englischsprachigen Autoren, die ihre Protagonisten im „Land der aufgehenden Sonne“ mit der Gewalt der organisierten Kriminalität konfrontieren, ansonsten aber Land und Leuten, und noch weniger dieser Kultur, Beachtung schenken.

Zu dieser Gruppe gehört auch der englische Autor James Buckler, der für seinen Erstling „Endstation Tokio“ die japanische Hauptstadt als Kulisse verwendet: nach einem tragischen Ereignis kehrt Alex Malloy seinem Heimatland den Rücken und versucht einen Neuanfang in Japan. Dort lernt er die ehrgeizige Kuratorin Naoko kennen, verliebt sich in sie und geht mit ihr eine unheilvolle Beziehung ein, denn Naoko hat ihre eigenen Pläne, die Alex das Leben kosten könnten.

Buckler hat nicht nur für Film und Fernsehen sondern auch einige Zeit als Englischlehrer in Japan gearbeitet. Ersteres schlägt sich in seinen bildhaften Schilderungen sowie seiner gut lesbaren Art des Schreibens nieder. Welche Eindrücke seine japanischen Jahre bei ihm hinterlassen haben, kann nur vermutet werden. Er zeigt uns in seinem Roman das Land und die Menschen durch die Brille des Europäers, der sich einigermaßen verunsichert, wenn nicht sogar verstört in einer für ihn fremden Kultur zurechtfinden muss. Auf mich hat das leider eher emotionslos und distanziert gewirkt, obwohl die Story an sich eigentlich nicht schlecht war. Schade!