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Veröffentlicht am 17.01.2019

Ein liebevoll gestaltetes Sachbuch über berühmte Katzenmänner

Von Männern und ihren Katzen
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„Seit der Mann im Garten Eden erstmals ein gefallenes Schnurrhaar entdeckte, hat er zu Katzen immer ein dämmerungsaktives Verhältnis gehabt.“ Viele Männer wagen sich jedoch oftmals „aus dem sprichwörtliche ...

„Seit der Mann im Garten Eden erstmals ein gefallenes Schnurrhaar entdeckte, hat er zu Katzen immer ein dämmerungsaktives Verhältnis gehabt.“ Viele Männer wagen sich jedoch oftmals „aus dem sprichwörtliche Katzenkörbchen“ nicht hinaus, um ihre Zuneigung zu Katzen offen einzugestehen. „Ringen Sie Ihre Ängste nieder, mein lieber Herr!“, legt Sam Kalda diesen nahe, „auf diesen Seiten sind Sie unter Freunden.“

Auf knapp 110 Seiten zeichnet der Autor – und das in doppelter Hinsicht, denn die beigefügten Illustrationen stammen ebenfalls von ihm – kurze Portraits von berühmten Männern, die ausgesprochene Katzenliebhaber waren bzw. sind. Die Palette reicht hierbei von diversen Künstlern und Schriftstellern über Erfinder bis hin zu Staatsmännern. So erfährt der Leser zum Beispiel, dass die berühmte Eröffnungsszene von „Der Pate“, in der Vito Corleone eine Katze streichelt, im Originaldrehbuch gar nicht vorkommt. Marlon Brando, der ein Faible für Katzen hatte, und der auf dem Studiogelände herumstromernde Graugetigerte fühlten sich lediglich derartig zueinander hingezogen, dass diese berühmte Szene einem Moment der Eingebung entsprang. Weiterhin erfährt der Leser, dass Churchill gerne in Gesellschaft seiner Katzen speiste und ihnen, wenn seine Frau nicht hinsah, geräucherten Lachs zusteckte. Oder dass Freddy Mercury regelmäßig bei seiner Katzen-Sitterin anrief, wenn er auf Tour war, um mit seiner Katzenfamilie zu sprechen.

Oftmals wird den Katzen eine treibende Kraft von ihren Besitzern eingeräumt. So schreibt Nicola Tesla seiner Katze sein früh erwachtes Interesse an der Elektrizität zu, die Musikalität seiner beiden Siamkatzen stellte eine Quelle der Inspiration für den französischen Komponisten Maurice Ravel dar, und William S. Burroughs schreibt den Katzen sogar das Wiedererlangen seiner Menschlichkeit zu. Karl Lagerfeld wiederum liebt seine Birma-Katze Choupette dermaßen, dass er sie am liebsten heiraten würde, wenn es legal wäre. Einer der berühmtesten Katzenliebhaber jedoch ist unbestreitbar Mark Twain, der sich stets mit einer Schar Katzen umgab, und uns einen beträchtlichen Kanon an Katzen-Weisheiten hinterließ.

Das Buch zeugt gleichermaßen von einer großen Bewunderung für die berühmten Katzenliebhaber der Geschichte als auch für die Katzen selbst, die ihren Teil zu der Großartigkeit dieser Männer beigetragen haben. Um die Wertschätzung für Katzen mit den Worten des Autors auf den Punkt zu bringen: „Mögen die Verblichenen von euch auf ewig sonnenbaden in den elysischen Gefilden der Katzenminze.“

Veröffentlicht am 18.12.2018

Eine originelle Umsetzung

Dein Bild für immer
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Liest man sich den Klappentext zu dem Roman „Dein Bild für immer“ durch, fühlt man sich unweigerlich an eine große Zahl an Büchern erinnert, die eine ähnliche Thematik aufgreifen: Eine geliebte Person ...

Liest man sich den Klappentext zu dem Roman „Dein Bild für immer“ durch, fühlt man sich unweigerlich an eine große Zahl an Büchern erinnert, die eine ähnliche Thematik aufgreifen: Eine geliebte Person wird verloren, eine andere an ihrer statt gefunden. Die Idee ist nicht neu, die Idee ist nicht originell. Und sie birgt zudem viele Gefahren: Pseudoromantik, die geschmacklos wirkt, Sentimentalität, die nicht überzeugt, eine Geschichte, die einen unangenehmen Nachgeschmack hinterlässt.

Julia Hanel weiß es jedoch gekonnt die genannten Fallen und Fettnäpfchen zu umgehen. Sie versteht es mit Originalität und Einfallsreichtum zu bezaubern. Von der befürchteten Pseudoromantik keine Spur. Zunächst sei der Umgang mit der Thematik der Trauer hervorzuheben. Die Trauer um eine verlorene geliebte Person ist nicht nur meiner Meinung nach eines der schwierigsten Themen zur künstlerischen Gestaltung und so kann es schnell passieren, dass man den falschen Ton trifft oder ins Sentimentale abdriftet. Das ist hier ganz und gar nicht der Fall. Julia Hanel überrascht vielmehr mit originellen Gedanken und Bildern.

Weiterhin sind die im Roman vorkommenden Charaktere gut herausgearbeitet. Sie sind menschlich: humorvoll und scharfzüngig, aber auch verletzlich und liebebedürftig. Sophie und Niklas sind die Hauptfiguren, aber es gibt einige weitere Nebenfiguren, die die Handlung auflockern, beleben und vorantreiben.

Auch die Beschreibungen Balis sind sehr gelungen – ungefähr zwei Drittel des Romans spielt dort – so dass die Insel mit ihren Einwohnern, Landschaften und Anregungen eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Hauptfiguren und der Geschichte spielt. Man hat als Leser ungelogen das Gefühl, Bali hautnah mitzuerleben, ohne dort zu sein

Vornehmlich zu loben sind jedoch die originellen, spritzigen Dialoge, die ein wahrer Lesegenuss sind. Vor allem Niklas, der mit Filmzitaten wie ein Jongleur mit seinen Jonglierbällen umgeht, hat es mir persönlich ganz besonders angetan. Absoluter Leserliebling ist jedoch Charlie, Sophies Schwester, die ihr Herz auf der Zunge trägt und mit ihrem Witz und Sarkasmus die Leserherzen im Sturm erobert.

Mit „Dein Bild für immer“ liegt uns ein rundum gelungener Roman vor, der mitfühlen, mitlachen und mitleiden lässt, sowie zahlreiche Denkanstöße liefert!

Veröffentlicht am 30.10.2018

Ein Werk, das Wahrheit spricht

Ein Winter in Paris
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Victor kommt aus der Provinz nach Paris, um an der École supérieure die äußerst harten Vorbereitungkurse zu absolvieren. Alle seine Mitschüler sind aus Paris, was ihn zu einem Außenseiter macht, der wenig ...

Victor kommt aus der Provinz nach Paris, um an der École supérieure die äußerst harten Vorbereitungkurse zu absolvieren. Alle seine Mitschüler sind aus Paris, was ihn zu einem Außenseiter macht, der wenig beachtet wird. Er gibt vor, es würde ihn nicht stören, und bündelt seine ganze Energie für den bevorstehenden Concours. Zu aller Lehrer Überraschung, und nicht zuletzt seiner selbst, schafft er die erste große Hürde und ist nun in der zweiten Klasse. In der ersten Klasse ist nun ebenfalls ein Schüler aus der Provinz: Mathieu. In der Pause stehen sie manchmal zusammen und rauchen. „Das hat uns einander näher gebracht. Unsere Zigarettenmarke. Manchmal braucht es nicht viel.“

Als Mathieu eines Tages vom Schulgebäude springt, ist Victor plötzlich im Mittelpunkt des Interesses. Mit einem Mal wird er gesehen, berührt, als Mensch wahrgenommen. Alle erwarten Antworten auf die unterschiedlichsten Lebensfragen von ihm, als wäre er der einzige, der alles gesehen und verstanden hat. Auch Paul Rialto, der absolute Lehrerliebling, von dem am Tag des Concours Wunder erwartet wurden, und an dessen Lippen bisher alle hingen. Und plötzlich besitzt Victor auch Macht. Macht über den Französischlehrer Clauzet, dem eine Teilschuld an Mathieus Suizid zugeschrieben wird, Macht über den Rektor und die Schule, die er in Verruf bringen könnte, wenn er wollte.

Doch Victor handelt reifer, als er selbst gedacht hätte, und spricht Dinge aus, von denen er selbst nicht wusste, dass sie in ihm sind. Er wird zu einem Vetrauten, der Trost spenden kann, und zu einem Wissenden, der Licht ins Dunkel bringen kann. Das Geschehen ermöglicht ihm einen Blick hinter all die Fassaden der familiären, gesellschaftlichen und schulischen Strukturen. Dabei wünscht sich der heranwachsende Neunzehnjährige nicht sehnlicher als Klarheit und Geborgenheit für sich selbst: „Und deshalb brauchten Sie ... ja, was eigentlich?“ – „Ich weiß nicht ... einen Platz?“

Und den Platz im Leben, den findet er schließlich auch – nicht umsonst heißt er der Siegende – und siegreich geht er aus der großen Lebensprüfung hervor, denn er hat viel über seine Mitmenschen, sich selbst und das Leben im Allgemeinen gelernt. Und wir, die Leser mit ihm. Und ist das – nicht die einzig wahre Literatur? Wenn ein Roman zu der Kategorie wahrer Literatur gehört, dann unweigerlich dieser – Jean-Philippe Blondels „Ein Winter in Paris“. „Die Prosa hat den Kampf gewonnen. Jeder Widerstand wäre zwecklos.“

Veröffentlicht am 29.10.2018

Erfrischend anders!

Ich komme mit
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Wer, wie Lazar Laval, Geschichte studiert hat, weiß möglicherweise, dass in einigen Kulturen Caniden wie Hund, Schakal oder Fuchs symbolische Seelenführer ins Totenreich waren. Als Lazar an Leukämie erkrankt ...

Wer, wie Lazar Laval, Geschichte studiert hat, weiß möglicherweise, dass in einigen Kulturen Caniden wie Hund, Schakal oder Fuchs symbolische Seelenführer ins Totenreich waren. Als Lazar an Leukämie erkrankt und sein Blutbild trotz Therapie schlecht ausfällt, beschließt er das Bild eines eingravierten Fuchses in einer mesopotamischen Kultstätte in der Türkei aufzusuchen. Ob dieser Fuchs Lazar auf seiner letzten Reise begleiten wird, so wie seine 72jährige Nachbarin Vita Maier, die in dieser schweren Zeit als einzige zu ihm hält?

Angelika Waldis Roman „Ich komme mit“ ist in jeder Hinsicht etwas Besonderes. Zum einen bricht die Autorin gekonnt mit der gängigen Vorgehensweise bei einem derartig ernsten Thema wie einer Krebserkrankung vor allem das Gefühl des Lesers ansprechen zu wollen. Vielmehr wählt sie einen assoziativen, beobachtenden, sprachspielerischen Ton. Dieser Ton ist quasi die Abkehr des Zwangs zum Mitgefühl. Dadurch berührt jeder Romanmoment und jeder Figurgedanke den Leser nur umso mehr.

Zum anderen gelingt der Autorin mit wechselnder Innensicht zwischen den Protagonisten Lazar und Vita zwei äußerst divergierende Charaktere zu zeichnen. Manch einer mag sich vielleicht denken: „Die Figur der Maier mag der Autorin sicherlich gut gelungen sein, da die Autorin ja selbst über siebzig ist, aber ob sie sich wirklich in einen jungen Mann hineinfühlen kann – das bezweifle ich“. Und doch ist es so! Lazar Laval ist ebenso authentisch und lebensnah wie Vita Maier. Angelika Waldis ist tatsächlich jung im Herzen geblieben.

Zu guter Letzt entwickelt sich der philosophische Unterton in den jeweils eigenen Betrachtungen der Figuren – ein ungewohntes Sprachbild jagt das andere! – während ihrer Zwiegespräche zu einer wahrhaft Funken sprühenden Feier des Intellekts. Das lässt sich nicht wiedergeben, man muss es selbst erleben! Da sich das intellektuelle Vergnügen und das Mit-Leid in Angelika Waldis Roman auf derart kongeniale Weise die Waage halten, liegt uns mit „Ich komme mit“ ein bis ins Innerste bewegender Roman vor, der zu tiefgehenden Erkenntnissen führt und in seiner Einzigartigkeit seinesgleichen vergeblich suchen wird.

Veröffentlicht am 18.10.2018

Die Philosophie des Gehens

Gehen. Weiter gehen
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„Warum gehen wir? Wo kommen wir her, und wo gehen wir hin?“

Erling Kagge ist von Beruf Autor, Jurist und Verleger. Von Berufung her ist er dagegen leidenschaftlicher Wanderer, der sowohl den Nord- und ...

„Warum gehen wir? Wo kommen wir her, und wo gehen wir hin?“

Erling Kagge ist von Beruf Autor, Jurist und Verleger. Von Berufung her ist er dagegen leidenschaftlicher Wanderer, der sowohl den Nord- und Südpol erreicht als auch den Mount Everest erklommen hat – als Erster in der Geschichte wohlgemerkt.

„Gehen. Weiter gehen“ ist nach „Stille. Ein Wegweiser“ Erling Kagges zweites Sachbuch, das eine große internationale Resonanz erfuhr. Und das zu Recht, denn „Gehen. Weiter gehen“, das sich selbst als eine Art Anleitung versteht, sucht vergeblich seinesgleichen. Es ist ein Sammelsurium aus eigenen Geh-Erlebnissen, die sowohl Alltagssituationen als auch Extremerfahrungen umfassen, Gedanken berühmter Philosophen und Schriftsteller, sozialwissenschaftlichen Studien sowie Gesprächen mit guten Freunden und flüchtigen Bekanntschaften. Abgerundet wird es durch Bilder und Graphiken aus der privaten Sammlung des Autors.

„Gehen. Weiter gehen“ ist so faszinierend, dass ich es in einem Rutsch gelesen habe. Man kann es aber auch Häppchenweise genießen. Auf jeden Fall kann – und wird man – zu vielen seiner Aussagen immer wieder zurückkehren. Ich konnte mich mit vielem identifizieren. So z. B. mit seiner Ansicht, man solle eine Stadt zu Fuß erkunden, um sie richtig kennenzulernen. Auch ich habe noch nie einen Hop-on-hop-off-Bus genutzt, obwohl ich dessen praktischen Nutzen durchaus nachvollziehen kann. Oder wenn Kagge von dem herrlichen Gefühl schreibt, in einem Park oder Wald spazieren zu gehen, und sich an einem ruhigen Platz auf den Rücken zu legen, wenn man erschöpft ist. Oder wenn er schreibt: „Am liebsten gehe ich, bis ich beinahe zusammenbreche. Ich will das Glück, die Erschöpfung und die Absurdität beim Gehen spüren, wenn sich alles vermischt und ich nichts mehr trennen kann. Mein Kopf verwandelt sich. Mir ist es egal, wie spät es ist, die Gedanken verschwinden aus meinem Kopf, und ich werde zu einem Teil des Grases, der Steine, des Mooses, der Blumen und des Horizonts.“

Wenn der Autor über die Rolle des Schmerzes beim Gehen schreibt und darüber wie eng Schmerz und Wohlbehagen miteinander verbunden sind, verstehe ich sehr gut, was er meint. So habe ich mir selbst schon oft unter Einsetzung meiner ganzen Vorstellungs- und Willenskraft den Schmerz in meinen Füßen als ein schönes Gefühl vorstellen können. Und welche Befriedigung der Mensch daraus ziehen kann, tage- und wochenlang nur mit wenigen Habseligkeiten und einem begrenztem Vorrat an vorher festgelegten Lebensmitteln auszukommen. „Wenn du sagst, es sei unmöglich, damit klarzukommen, und ich sage, es ist möglich, haben wir vermutlich beide recht.“

Mehr als nur meinen ganzen Beifall kann ich Erling Kagge zollen, wenn er schreibt, dass man eine Landschaft nur zu Fuß richtig kennen lernen kann, denn „wenn man mit dem Auto [...] fährt und sieht, wie kleine Bäche, Hügel, Steine, Mose und Bäume an einem vorbeisausen, wird das Leben kürzer. Man spürt den Wind, die Gerüche, das Wetter und die Veränderungen des Lichts nicht. [...] Alles geht ineinander über. [...] Wenn man [dagegen] dieselbe Strecke geht [...] wird es ein ganz anderer Tag. [...] Mit all den Dingen um sich herum vertraut zu werden, braucht Zeit. Als würde man eine Freundschaft aufbauen. Die Zeit dehnt sich aus, du zählst nicht mehr in Minuten und Stunden.“ Wie wahr! Und genau deswegen „dauert“ das Leben auch „länger, wenn man geht“, denn „gehen verlängert jeden Augenblick“.

Auf eigener Haut habe ich erfahren, was der Autor am Gehen anpreist: Dass es die Gedanken frei fließen lässt, gute Laune macht, die Kreativität freisetzt und Abstand von den eigenen Problemen gewinnen lässt. Die Probleme verschwinden zwar nicht – „Im Gegenteil, sie waren zu groß, als dass ich ihnen hätte entgehen können, aber mein ganzes Ich hatte eine Pause gehabt.“ – aber der Umgang mit ihnen ändert sich. Nur im und durch das Gehen können bestimmte philosophische Gedanken mit Leichtigkeit erfasst werden, wie dieser: „Der Augenblick und die Ewigkeit müssen keine Gegensätze sein. Die Zeit wird aufgehoben, und beides kann gleichzeitig erlebt werden.“

„Die Bipedie legte die Grundlage für alles, was wir heute sind“ und darum trete ich nun vor meine Haustür, denn „wenn wir kaum noch gehen, hören wir auf, der zu sein, der wir sind.“ Und das will ich auf gar keinen Fall riskieren. Auch möchte ich für eine Weile „den Rest der Welt“ vergessen, denn „Vergangenheit und Zukunft spielen kaum eine Rolle, solange man einen Fuß vor den anderen setzt.“