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Veröffentlicht am 04.07.2020

Beständig ist nur das Nichts …

Lebensgeister
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Zuvor waren sie noch beim Baden in einer heißen Quelle und hatten viel Spaß, dann kam der Autounfall – die achtundzwanzigjährige Sayoko überlebt schwer verletzt, ihr Freund und Lebenspartner Yoichi ist ...

Zuvor waren sie noch beim Baden in einer heißen Quelle und hatten viel Spaß, dann kam der Autounfall – die achtundzwanzigjährige Sayoko überlebt schwer verletzt, ihr Freund und Lebenspartner Yoichi ist tot. Zwei Jahre braucht sie, bis die körperlichen Blessuren verheilt sind und sie wieder alleine im Leben zurechtkommt, doch sie wird nie wieder die sein, die sie vorher war. Den Schmerz ihres Verlustes versucht sie allabendlich in einer Bar zu ertränken, bis sie eines Tages merkt, dass sie mehr sehen kann als andere Menschen. Durch ihre Nahtoderfahrung lebt sie in einer anderen Sphäre, in einer Zwischenwelt, und ist plötzlich in der Lage, Verstorbene zu sehen und die Lebenden neu wahrzunehmen. „Er fehlte mir, meine Trauer war unbeschreiblich. Doch als ich das Schlimmste überstanden hatte, merkte ich auf einmal, wie sich die Welt um mich herum lichtete und durchsichtig wurde – eine verblüffende Erfahrung“ (S. 31). In diesem Bewusstseinszustand versucht sie nun, Yoichis Atelier zu räumen und seinen Nachlass zu verwalten …

Banana Yoshimoto ist der Künstlername der am 24.7.1964 in Tokio geborenen japanischen Schriftstellerin Mahoko Yoshimoto, für den sie sich aufgrund der Schönheit der roten Bananenblüten entschieden hat. Sie ist seit dem Jahr 2000 verheiratet und hat einen Sohn.

Sehr feinsinnig und empfindsam beschreibt die Autorin in diesem Buch die Zeit die ein Mensch benötigt, um Tod und Leben, den vorigen und den jetzigen Zustand, wieder in Einklang zu bringen. Die Protagonistin lebt zwischen Trauern und Hoffen, zwischen Traum und Wirklichkeit. Sie lässt die schönen Erinnerungen zu und durchstreift Orte in Kyoto, an denen das Paar gemeinsam glücklich war. Sayoko wendet sich aber auch dem Heute zu, knüpft neue Freundschaften, besucht die Eltern des Verstorbenen in Tokyo und bemüht sich um ein besseres Verhältnis auch mit ihren eigenen Eltern. Sie lernt zu akzeptieren, dass der Tod allgegenwärtig ist und die Toten im Herzen weiter leben.

„Lebensgeister“ ist eine besinnliche, eine nachdenkliche Geschichte, die sich mit okkulter Gedankenwelt, japanischer Lebensanschauung und buddhistischer Denkart auseinandersetzt. Die bildhafte Schreibweise ist vielleicht etwas ungewohnt und fremdartig, hindert jedoch nicht den Lesefluss. Sich häufig wiederholende Gedanken und Erinnerungen der Protagonistin sind hier ein gutes Stilmittel, um ihre innere Zerrissenheit und Verzweiflung auszudrücken. Spezielle japanische Ausdrucksweisen und Begriffe sind durch Fußnoten erklärt, was ich als sehr hilfreich empfand.

Fazit: Ein feinfühlig geschriebenes Buch, das trotz seiner Thematik nicht traurig stimmt, sondern den Leser eher zum Nachdenken anregt.

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Veröffentlicht am 20.05.2020

Liebe das Leben, egal wie alt Du bist!

Besser spät als nie
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Alle möchten lange leben – aber keiner möchte alt sein.
Die Autorin dieses bezaubernden Buches „Besser spät als nie“, Mechthild Grossmann, weiß wovon sie schreibt, steht sie doch selbst kurz vor ihrem ...

Alle möchten lange leben – aber keiner möchte alt sein.
Die Autorin dieses bezaubernden Buches „Besser spät als nie“, Mechthild Grossmann, weiß wovon sie schreibt, steht sie doch selbst kurz vor ihrem 80. Geburtstag. Zusammen mit ihrer Enkelin Dorothea Wagner, die die Geschichten der Oma liebevoll zusammengestellt hat, berichtet sie über ihr langes, bewegtes Leben. Sie erzählt von Liebe und Glück in der Familie, erwähnt aber auch die schwierige Zeit, als ihr Mann an Alzheimer erkrankte und das Leid, das ihr bei seinem Tod wiederfuhr. Sie erwähnt die Sehnsucht nach tiefschürfenden Gesprächen und die gelegentlichen Anwandlungen, wieder einen Mann an ihrer Seite zu haben. All diese kleinen Episoden sind in angenehm kurze Kapitel von etwa zwei bis fünf Seiten gefasst und lassen sich locker mal zwischendurch lesen, besonders da der Schreibstil angenehm flüssig ist. Die Geschichten machen zwar manchmal betroffen, erheitern aber auch und stimmen froh, indem sie Zuversicht auf das Alter wecken, das noch viel Schönes bereit halten kann.

Fazit: Ein Buch, das ich gerne weiter empfehle, das aber inhaltlich eher die ältere Generation ansprechen dürfte.

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Veröffentlicht am 07.05.2020

Autobiographie einer chaotischen Familie

Das Siegel der Tage
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„… ich spürte, wie ich mit diesem Mann verschmolz, mit dem ich einen langen und steilen Weg gegangen war, mit dem ich gestolpert und gefallen und wieder aufgestanden war, mich gestritten und mich versöhnt ...

„… ich spürte, wie ich mit diesem Mann verschmolz, mit dem ich einen langen und steilen Weg gegangen war, mit dem ich gestolpert und gefallen und wieder aufgestanden war, mich gestritten und mich versöhnt hatte, ohne dass wir einander je verraten hätten. Das Siegel der Tage, Leid und Freuden geteilt zu haben, war längst unser Schicksal.“

Mit diesen bewegenden Worten schließt Isabel Allende ihr Buch „Das Siegel der Tage“ ab, das an ihren zuvor erschienenen Roman „Paula“ anknüpft. Sie wendet sich darin an ihre verstorbene Tochter Paula und erzählt ihr, wie ihr Leben und das der Familie in den vergangenen vierzehn Jahren seit ihrem Tod weiter gegangen ist. Sie beginnt damit, wie die ganze Familie an einen idyllischen Platz im Kalifornischen Nationalpark fuhr, um dort ihre Asche zu verstreuen. Allende erzählt - und das kann sie sehr gut. Es fallen ihr immer wieder neue Anekdoten und Geschichten ein. Geschichten über sich selbst, ironisch und nicht immer schmeichelhaft, und Ereignisse in der Familie, über die die betroffenen Familienmitglieder wohl nicht immer erfreut waren. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und erzählt in aller Offenheit über Trennungen, neue Liebschaften und Kuppeleiversuche innerhalb ihrer großen Familie und ihres Freundeskreises, den sie zur erweiterten Familie hinzu zählt. Allende benimmt sich wie eine Glucke, die alle ihre Lieben um sich scharen möchte. Sie sucht und kauft Häuser in ihrer Nähe, um Familienmitglieder dort unter zu bringen. Gerne mischt sie sich auch in deren Privatleben ein und gibt ungebeten Ratschläge in Liebesdingen. Ja, sie schreckt auch nicht davor zurück, für den Buchhalter ihres Mannes im Internet eine passende, heiratswillige Chinesin zu suchen.

Da dies kein Roman mit fortlaufender Handlung ist möchte ich empfehlen, die einzelnen, teils in kurzen Kapiteln eingeteilten Episoden, häppchenweise zu genießen. Die ganze Fülle an Ereignissen und Begebenheiten auf einmal zu lesen, könnte den Leser leicht überfordern. Dann kann man eintauchen in ein Buch voller Herzenswärme und ironischem Humor, in ein Leben mit Höhen und Tiefen und Phasen der Freude und der Trauer, geschrieben von einer starken Frau, die ihre Erfüllung im Kreise ihrer außergewöhnlichen Familie findet.

Fazit: Ein interessantes Buch das, obwohl kein Roman, doch bemerkenswert gut unterhält.

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Veröffentlicht am 25.04.2020

Was geschah mit Elaine?

Die letzte Spur
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Elaine Dawson wollte zur Hochzeit einer Freundin nach Gibraltar fliegen, aber London lag in dichtem Nebel und sämtliche Flüge wurden gestrichen. Da alle Hotels überfüllt waren nahm sie das Angebot eines ...

Elaine Dawson wollte zur Hochzeit einer Freundin nach Gibraltar fliegen, aber London lag in dichtem Nebel und sämtliche Flüge wurden gestrichen. Da alle Hotels überfüllt waren nahm sie das Angebot eines Fremden, der ihre Notlage erkannte, zögerlich an, die Nacht in seiner Wohnung zu verbringen. Von da an ist sie spurlos verschwunden. - Fünf Jahre später erhält die damalige Braut, die Journalistin Rosanna Hamilton, den Auftrag, eine Serie über Vermisstenfälle zu schreiben. Dabei ist auch der Fall von Elaine. Rosanna macht den Mann ausfindig, bei dem Elaine die Nacht verbracht hat. Es ist der Anwalt Marc Reeve, dem seine damalige Hilfsbereitschaft die Karriere vernichtete, obwohl er immer seine Unschuld beteuerte. Nach anfänglichem Zögern erklärt er sich zur Zusammenarbeit mit Rosanna bereit, ist es doch auch in seinem Interesse, dass der Fall geklärt und seine Unschuld bewiesen wird. Und tatsächlich stoßen sie auf Hinweise, dass Elaine möglicherweise noch lebt. Ist sie eventuell untergetaucht? Bald wird klar, die Nachforschungen erweisen sich als gefährlich …

Charlotte Link, geb. 1963 in Frankfurt/Main, ist eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Autorinnen der Gegenwart. Sie studierte zunächst sechs Semester Jura in Frankfurt, bevor sie 1986 nach München zu den Fächern Geschichte und Literaturwissenschaft wechselte. Sie schrieb zahlreiche Romane mit psychologischem Hintergrund, die zum Teil vom ZDF verfilmt wurden, wurde 2004 für den Deutschen Bücherpreis nominiert und erhielt 2007 für ihr literarisches Werk die Goldene Feder. Zurzeit lebt sie mit ihrem Lebensgefährten in Wiesbaden.

Mit „Die letzte Spur“ ist der Autorin Charlotte Link wieder ein gut durchdachter und logisch aufgebauter Krimi gelungen, der an Spannung kaum zu überbieten ist. Auch psychologische Aspekte kommen nicht zu kurz, denn die Autorin lässt uns Leser tief in das Gefühlschaos der Protagonistin blicken und zugleich darüber rätseln, was wohl mit der verschwundenen Elaine geschehen ist, nachdem sie Marc Reeve verlassen hat. Ist sie entführt oder ermordet worden? Gab es einen Unfall oder ist sie freiwillig untergetaucht, um der erdrückenden Pflege ihres im Rollstuhl sitzenden Bruders zu entgehen? Da gibt es viele Möglichkeiten die uns ständig in Atem halten, bei denen man miträtselt und die des Öfteren Gänsehautfeeling erzeugen. Als dann noch zwei Frauenleichen auftauchen, ist die Verwirrung komplett.

Der Schreibstil ist sehr angenehm, gut lesbar und flüssig. Eine logisch durchdachte, gut aufgebaute Handlung, deren Spannung sich langsam aber stetig steigert. Überraschende Wendungen tun sich auf und man wird von Ereignissen verblüfft, die man so nicht vermutet hätte. Man leidet mit den Charakteren und erlebt, wie diese, ein Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Nervenkitzel und Dramatik steigern sich bis zum unerwarteten, aber dennoch logischen und überzeugenden Ende.

Fazit: Ein gut gelungener Krimi, der mit seinen überraschenden Wendungen den Leser in atemlose Spannung versetzt.

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Veröffentlicht am 10.04.2020

Wiedersehen nach vierzig Jahren

Die Frau auf der Treppe
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Er war sehr zufrieden mit sich. Seine Arbeit in Sidney war erledigt, der Unternehmenszusammenschluss war unter Dach und Fach, jetzt konnte sich der Rechtsanwalt und Seniorchef einer großen deutschen Kanzlei ...

Er war sehr zufrieden mit sich. Seine Arbeit in Sidney war erledigt, der Unternehmenszusammenschluss war unter Dach und Fach, jetzt konnte sich der Rechtsanwalt und Seniorchef einer großen deutschen Kanzlei vor seinem Rückflug in einigen Tagen der Kultur widmen. Abends wollte er in die Oper, doch zunächst besuchte er die Art Gallery. Und da hing es - das verschollene Bild des Malers Karl Schwind, das mittlerweile Millionen wert sein musste. Es zeigt Irene Gundlach, die Frau des Fabrikanten Gundlach, wie sie in Lebensgröße eine Treppe herunter steigt – nackt. Er war genau so verlegen wie damals vor 40 Jahren, als er in der Kanzlei die Auseinandersetzung zwischen Schwind und Gundlach klären sollte, von denen jeder Anspruch auf das Bild erhob. Seinerzeit schlug er sich auf die Seite von Irene, in die er sich sofort verliebt hatte, und half ihr, das Bild in ihren Besitz zu bringen. Doch dann waren Irene samt Bild verschwunden und bis jetzt nicht mehr aufgetaucht. Nun musste sie hier sein, hier in Australien. Er beginnt nachzuforschen – aber nicht nur er. Auch Schwind und Gundlach waren durch Zeitungsberichte auf die Leihgabe in der Art Gallery aufmerksam geworden und suchen Irene, um doch noch in den Besitz des Bildes zu gelangen …

Der Autor Bernhard Schlink wurde 1944 in Bielefeld geboren, wuchs in Heidelberg auf, studierte in Heidelberg und Berlin Jura, promovierte 1975 in Heidelberg zum Dr. jur. und habilitierte sich in Freiburg/Brsg. zum Professor für Öffentliches Recht. Er lehrte an den Universitäten in Bonn, Frankfurt/Main und Berlin und war von 1987 bis 2006 Richter am Verfassungsgerichtshof. Seinen Erfolg als Schriftsteller hatte er ab 1987. Neben einigen Fachbüchern schrieb er zwölf Romane, für die er zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhielt. Heute lebt Schlink in New York und Berlin.

Zwei Figuren sind es, die diesen Roman dominieren. Da ist zunächst der Rechtsanwalt, der uns als namenloser Ich-Erzähler mit der Geschichte vertraut macht. Dabei schildert er das Geschehen mit einer sachlichen Nüchternheit, als hätte er keine Gefühle. Dass dem nicht so ist, zeigt sich zum Ende des Buches. Er macht eine starke Wandlung durch und entwickelt eine aufopfernde Fürsorge, wie er sie seiner verstorbenen Frau und seinen drei Kindern nie zeigen konnte. Auch Irene hat sich sehr verändert, wie man aus Rückblenden erfährt. Von der raffinierten Diebin und gesuchten Terroristin war sie die letzten Jahre sozial engagiert und in ihrer Umgebung als Wohltäterin beinahe verehrt. Nun ist sie sehr krank und hat nicht mehr lange zu leben. Zwischen den beiden entwickelt sich eine starke Verbundenheit und enge Vertrautheit. Gundlach und Schwind hingegen sind eher Statisten der Handlung, die nur darauf aus sind, Irene zu manipulieren und in den Besitz des Bildes zu kommen.

Ein großes Lob gebührt dem Autor, der es großartig versteht, die einzelnen Charaktere mit all ihren Stärken und Schwächen zu beschreiben, auch wenn sie dadurch nicht unbedingt sympathisch wirken. Der Schreibstil ist klar, präzise und schnörkellos, die Handlung gut durchdacht und nachvollziehbar. Eine leise Geschichte, die sich gut lesen lässt und hin und wieder sehr berührt und nachdenklich stimmt.

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