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Veröffentlicht am 10.06.2017

Auf der Suche nach dem Glauben

Der Fluch der Schriftrollen
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In Israel macht Prof. Dr. Weatherby eine sensationelle Entdeckung. Bei Ausgrabungen stößt er auf ca. 2000 Jahre alte Tonkrüge, deren Inhalt, Handschriften auf Papyrus, nahezu unversehrt ist. Benjamin ...

In Israel macht Prof. Dr. Weatherby eine sensationelle Entdeckung. Bei Ausgrabungen stößt er auf ca. 2000 Jahre alte Tonkrüge, deren Inhalt, Handschriften auf Papyrus, nahezu unversehrt ist. Benjamin (Ben) Messer, Professor für Orientalistik an der Universität von Kalifornien in LA, ist begeistert, als er den Auftrag erhält, diese zu entziffern und zu übersetzen. Zu seiner Überraschung handelt es sich nicht, wie er zunächst vermutete, um religiöse Texte, sondern um eine Art Schuldbekenntnis, das ein Jude namens David Ben Jona als Vermächtnis für seinen Sohn verfasst hatte. Bereits die erste Schriftrolle enthält einen entsetzlichen Fluch, der den unrechtmäßigen Besitzer der Schriften treffen soll. Bald beginnt sich Benjamins Leben dramatisch zu verändern. Er glaubt Gemeinsamkeiten zwischen sich und David zu erkennen und immer mehr verwischen sich Gegenwart und Vergangenheit …

Barbara Wood ist eine international bekannte Bestseller-Autorin. Ihre Werke wurden in ca. 30 Sprachen übersetzt, die Gesamtauflage ihrer Romane allein im deutschsprachigen Raum liegt weit über 13 Mio. Sie wurde 1947 in der Nähe von Liverpool geboren. 1954 ließen sich ihre Eltern mit ihr und ihrem Bruder in den USA in Kalifornien nieder, wo sie auch heute noch lebt. Im Jahr 2002 erhielt sie den Corine-Preis für ihren Roman >Himmelsfeuer<. In vielen ihrer Werke ist die Heldin eine emanzipierte Frau.
„Der Fluch der Schriftrollen“ mit Untertitel „Eine sensationelle Entdeckung beim Entziffern antiker Texte“ – das klingt doch nach Spannung, und das Cover dazu mit der Ansicht auf Jerusalem lässt mancherlei Abenteuer erwarten. Dass dabei einiges an Hintergrundwissen vorausgesetzt wird, z.B. über die Qumran-Schriftrollen, über den Fluch Mose im AT, über das Judentum, den jüdischen Glauben und ihre Gebräuche sowie über alte Sprachen und Schriften, ist für den interessierten Leser selbstverständlich.

Zu Anfang konnte mich das Buch durchaus begeistern. Es war interessant zu erfahren, was den Verfasser der Texte vor beinahe 2000 Jahren zum Schreiben veranlasste und sein Leben zur damaligen Zeit zu verfolgen. Diese Texte sind in kursiver Schrift jeweils zwischen dem Tagesablauf des Übersetzers Benjamin Messer eingefügt. Doch bald begann mich die Geschichte zu langweilen. Über die Ausgrabungen in Israel ist leider nichts zu erfahren, die gefundenen Texte kommen als Fotos per Post zu Ben, die dieser täglich sehnsüchtig erwartet. In dieser Phase hängt das Buch dann längere Zeit fest. Einer Endlosschleife gleich wiederholt sich das Geschehen: Ben wartet auf die nächste Lieferung, spürt währenddessen eine innere Unruhe, sein Charakter beginnt sich zu verändern und er empfindet euphorische Gefühle, wenn die ersehnte Post aus Israel endlich eintrifft. Es wird richtig metaphysisch, als Ben sich mehr und mehr als David fühlt und dessen Eigenheiten annimmt. Als er aber dann auch noch seine Augenfarbe von blau in braun änderte, da war für mich der Punkt erreicht, an dem ich es nur noch lächerlich fand! Das hat mit einem Fluch nichts mehr zu tun!

Logisch und nachvollziehbar klingt hingegen das Leben, das David Ben Jona im alten Jerusalem führte. Man erfährt viel über den jüdischen Glauben und die Entstehung des frühen Christentums. Ob es historisch korrekt ist, kann ich nicht beurteilen, es könnte sich jedoch so zugetragen haben. Gut gelungen ist der Autorin auch die Verknüpfung der Leben der beiden Hauptakteure – recht unspektakulär und ziemlich abrupt ist hingegen das Ende der Geschichte.

Fazit: Nicht schlecht, aber Barbara Wood hat auch viel Besseres geschrieben.

Veröffentlicht am 27.08.2017

Irgendwo in Afrika …

Der Sandmaler
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Die Schulzeit ist beendet und Elisabeth ist noch auf der Suche nach einem Platz im Leben. So beschließt sie, zunächst einmal zwei Wochen Urlaub in Afrika zu machen, um Land und Leute kennen zu lernen. ...

Die Schulzeit ist beendet und Elisabeth ist noch auf der Suche nach einem Platz im Leben. So beschließt sie, zunächst einmal zwei Wochen Urlaub in Afrika zu machen, um Land und Leute kennen zu lernen. Auch Stefan, mit dem sie vor einem Jahr mal kurz befreundet war, möchte nach Afrika, seine Gründe sind jedoch profaner. Er will feiern, schwarze Frauen kennen lernen und das Strandleben genießen. Am Flughafen treffen sie sich zufällig wieder …

Henning Mankell (1948-2015) unternahm als junger Mann von 24 Jahren seine erste Reise nach Afrika. Seine Eindrücke verarbeitete er in seinem ersten Roman „Der Sandmaler“, der 1974 in schwedischer Originalausgabe gedruckt wurde und erst jetzt, 2017, in deutscher Übersetzung erschien. Anhand der beiden Protagonisten Elisabeth und Stefan zeichnet Mankell die typischen, meist gedankenlosen, Verhaltensweisen der Urlauber auf. Er spricht Themen an, die auch heute noch aktuell sind und den Leser dazu anregen, über sein eigenes Verhalten nachzudenken. Während Stefan nur seinen Spaß haben will und sich nicht für Land und Leute interessiert, möchte Elisabeth mehr über ihr Reiseland erfahren. Sie geht auf ihre Umgebung ein, lernt die Lebensweise einer einheimischen Familie kennen und lässt sich von Sven, einem schwedischen Lehrer, einiges über die Geschichte des Landes, über Kolonialismus und Ausbeutung erzählen. Sie zieht Nutzen aus dieser Reise, wird gereifter und sicherer für ihr zukünftiges Leben, während Stefan nichts dazu gelernt hat.

Der Schreibstil ist sehr schlicht und einfach, ohne Tiefgang, ganz anders als man ihn von Mankell in seinen späteren Romanen kennt. Zu den Protagonisten und ihrem Erleben bleibt stets eine gewisse Distanz. Anspruchsvolle Lektüre sucht man hier vergebens. Was man aber bekommt, ist ein leichter, flott zu lesender Roman, der in Ansätzen sogar manchmal die Atmosphäre und die Schönheit Afrikas vermittelt. Leider ist nie davon die Rede, in welchem Land „im Westen Afrikas am Meer“ sich die Geschichte abspielt.

Fazit: Ein interessantes Frühwerk Mankells – kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 16.01.2024

Kreuzberger Provinzklamauk

Wiener Straße
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Berlin-Kreuzberg, im November 1980: In die freie Wohnung über dem Café Einfall zieht eine 4er-WG ein, die bisherigen Untermieter von Erwin Kächele, Frank Lehmann, Kächeles Nichte Chrissie und die beiden ...

Berlin-Kreuzberg, im November 1980: In die freie Wohnung über dem Café Einfall zieht eine 4er-WG ein, die bisherigen Untermieter von Erwin Kächele, Frank Lehmann, Kächeles Nichte Chrissie und die beiden Möchtegernkünstler Karl Schmidt und H.R.Ledigt. Ein Nachbar renoviert die Wohnung, Frank übernimmt das Putzen im Café, Chrissie bekommt einen Job hinter der Theke und die beiden Künstler arbeiten an ihren Werken für die große Kunstausstellung „Haut der Stadt“, dessen Kurator Wiemer sich in Chrissies Mutter Kerstin verguckt hat. Das Fernsehen kommt auch in die Wiener Straße. Sie wollen in dem von P.Immel, seinem Kumpel Kacki und der österreichischen Arsch-Art-Gruppe besetzten Haus filmen. Als dann noch ein Kontaktbereichsbeamter, der einen abgesägten Alleebaum sucht, erscheint, kommt Unruhe in der Straße auf …

Sven Regener, geb. 1961 in Bremen, ist ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Musiker, der hauptsächlich durch seine Romane der „Lehmann-Serie“ bekannt wurde. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Berlin-Prenzlauer Berg.

Durch begeisterte Presseberichte wurde ich auf den Autor und das Buch aufmerksam, doch leider konnte es meine Erwartungen nicht erfüllen. Humor und Witz suchte ich in der Geschichte vergeblich, allenfalls etwas Situationskomik blitzte dann und wann durch. Warum ein Autor seinen Protagonisten Namen wie P.Immel oder Kacki gibt und eine Gruppe Arsch-Art und eine Band Dr. Votz nennt, ist mir unerklärlich. Ist das der viel gepriesene Humor? Lobenswert ist allenfalls der Einfallsreichtum Regeners, dem es gelungen ist, die absurdesten Szenen in Slapstick-Manier in die Geschichte einzubauen. Aber ein abgewirtschaftetes Café, ein ehemaliger Intimfriseurladen, ein besetztes Haus, eine Kettensäge, ein abgesägter Baum und ein paar schräge Typen machen noch lange keinen guten Roman.

Fazit: Etwas Situationskomik, ansonsten Klamauk und Albernheiten - für mich enttäuschend.

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Der andere Bruder

Brüderchen
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In einem Bergdorf in den Cevennen wird ein Baby geboren. Nach einem bereits 9jährigen Jungen und einem 7jährigen Mädchen ist es das dritte Kind der Familie. Ein hübscher Junge mit dunkelbraunem Haar und ...

In einem Bergdorf in den Cevennen wird ein Baby geboren. Nach einem bereits 9jährigen Jungen und einem 7jährigen Mädchen ist es das dritte Kind der Familie. Ein hübscher Junge mit dunkelbraunem Haar und schwarzen Augen, wie die geladenen Freunde und Nachbarn einstimmig feststellen. Drei Monate später fiel den Eltern auf, dass das Kind nur still dalag, ohne zu brabbeln und ohne sich zu bewegen und seine dunklen Augen blickten ins Leere – das Kind war blind, ein regloser Körper mit offenen Augen. Wie werden die Eltern mit diesem Schicksalsschlag umgehen und wie reagieren die Geschwister auf das mehrfach behinderte Brüderchen?

Clara Dupont-Monod, geb. 1973 in Paris, ist eine französische Schriftstellerin und Journalistin, die beim Radiosender France Inter eine eigene Literatursendung hat. Sie schreibt und veröffentlicht seit 1998. Für „Brüderchen“, das im französischen Original 2021 unter dem Titel „S’adapter“ erschienen ist und lange auf den dortigen Bestsellerlisten stand, erhielt die Autorin neben dem Prix Femina auch den Prix Goncourt des Lycéens.

Mit großen Erwartungen begann ich mit dem Lesen dieses Buches. Die Geschichte eines Kindes, das behindert zur Welt kommt, musste mal erzählt werden. Ich erwartete vom Schmerz der Eltern und ihren Umgang damit zu erfahren, doch davon ist wenig die Rede. Stattdessen schreibt die Autorin über das Verhältnis und die Gefühle der Geschwister zu dem behinderten Kind, die für mein Empfinden doch sehr seltsam sind. Ja selbst ein viele Jahre später geborenes viertes Kind der Familie redet in seinen Gedanken mit dem bereits verstorbenen behinderten Geschwisterchen, das es nie kennen gelernt hat. Die Geschichte wird neutral und emotionslos erzählt, und zwar von den Steinen (!) am Weg und in der Mauer des Anwesens! Eine wörtliche Rede sucht man vergebens, selbst die Namen der beteiligten Personen werden in diesem Roman nie genannt, stattdessen liest man vom „großen Bruder“, von „der Schwester“ und vom „Nachgeborenen“. Das behinderte Kind selbst wird nur „das Kind“ genannt.

Die im Voraus zu lesenden Lobeshymnen kann ich nicht verstehen. Das Buch bekommt von mir 2 wohlwollende ** dafür, dass das Thema Behinderung endlich einmal Einzug in die Literatur gefunden hat (ich hatte bisher noch nichts darüber gelesen). Die Umsetzung ging jedoch leider für mein Empfinden völlig daneben.

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Veröffentlicht am 27.12.2022

Viel Lokalkolorit – wenig Krimi

Aufblattelt
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Zunächst möchte ich bemerken, dass ich die Österreicher sehr mag und schätze und selbst nahe der österreichischen Grenze wohne. Was mir jedoch hier aufgetischt wurde, war eindeutig zu viel des Guten. Der ...

Zunächst möchte ich bemerken, dass ich die Österreicher sehr mag und schätze und selbst nahe der österreichischen Grenze wohne. Was mir jedoch hier aufgetischt wurde, war eindeutig zu viel des Guten. Der ganze Text wimmelt von speziellen österreichischen (burgenländischen?) Phrasen, Werbung für heimische Produkte und seltsamen Gebräuchen, die selbst mir als Süddeutsche fremd waren. Einige der Redensarten werden zwar übersetzt bzw. eingedeutscht, aber leider erst mehrere Seiten später, was beim Lesen auf dem eReader äußerst umständlich ist.

Die Handlung zieht sich zäh dahin, von Krimi ist erst ab etwa der Hälfte des Buches etwas zu merken, ausschweifende Erklärungen über Wald, Wild und Pflanzen überwiegen. Nicht nur typisch burgenländische Speisen werden erwähnt, sondern auch Orte, Lokale und Hintergründe genannt, die kaum jemand nennenswert findet und die man wohl nie besuchen wird. Für Österreicher bzw. Burgenländer mag das Buch sehr interessant sein, können sie doch anhand der ausführlichen Beschreibungen die Gegend besuchen, für alle anderen ist es einfach nur ermüdend. Es gibt zwar einige Tote - ob Unfall, Selbstmord oder Mord bleibt lange unklar – und die örtliche Polizei (die aus einem Mann und einer Frau besteht) bemüht sich auch redlich um Aufklärung. Der Schluss wartet dann mit einer Überraschung auf, die die Geschichte noch recht spannend macht, die aber nach meinem Empfinden nicht zu dem zuvor geschilderten Charakter der betreffenden Person passen will.

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