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Veröffentlicht am 30.05.2021

Gammelhai und ein verschwundener Hotelbesitzer

Kalmann
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Hoch oben im Norden Islands, beinahe am Polarkreis, liegt das kleine Dorf Raufarhöfn. Dort lebt der 33jährige Kalmann, der sich selbst Sheriff nennt und der den besten Gammelhai der ganzen Insel macht. ...

Hoch oben im Norden Islands, beinahe am Polarkreis, liegt das kleine Dorf Raufarhöfn. Dort lebt der 33jährige Kalmann, der sich selbst Sheriff nennt und der den besten Gammelhai der ganzen Insel macht. Das hat ihm sein Großvater beigebracht, in dessen kleinem Haus er nun alleine wohnt. Auch Jagen und Fischen hat er von ihm gelernt und überhaupt alles, was er wissen muss. Denn Kalmann ist nicht wie jeder andere. Ein bisschen zurückgeblieben, wirr im Kopf und schnell ärgerlich, jedoch harmlos - so kennen ihn die Dorfbewohner und so wird er auch von ihnen akzeptiert.

Die beschauliche Idylle im Ort ist jäh zu Ende, als Kalmann eines Tages bei der Jagd auf den Polarfuchs Blut im Schnee entdeckt, eine riesige Lache Blut. Zur selben Zeit wird auch der reichste Mann der Ortes, der Hotelbesitzer Róbert McKanzie, vermisst. Ist es McKanzies Blut? Wurde er ermordet oder gar von einem aus Grönland eingewanderten Eisbär getötet? Die Polizei aus Reykjavik, Polizistin Birna und die angereisten Journalisten bringen Kalmanns bisher in geordneten Bahnen verlaufendes Leben ganz schön durcheinander …

Der 1981 im Kanton Graubünden/Schweiz geborene Autor Joachim Beat Schmidt entschied sich 2007 Island zu seiner Wahlheimat zu machen und erwarb sogar die dortige Staatsbürgerschaft. Nachdem er 2010 mit einer Kurzgeschichte einen Schreibwettbewerb gewann, begann er Romane zu schreiben und ist mittlerweile, nach eigener Aussage, Mitglied im isländischen Schriftstellerverband. „Kalmann“ ist sein vierter Roman. Heute lebt Joachim B. Schmidt mit seiner Familie in Reykjavik, wo er als Journalist, Autor und Touristenführer tätig ist.

Dem Autor ist es hier großartig gelungen, spannendes Kriminalgeschehen mit der einfühlsamen Geschichte des „behinderten“ Kalmann zu verbinden. Er lässt den Protagonisten selbst berichten, so dass man als Leser die Ereignisse durch seine Gedankenwelt wahrnimmt und dabei stets zwischen Mitleid und Bewunderung schwankt. Sehr schön und informativ auch die Naturbeschreibungen, in denen man den kalten isländischen Winter förmlich spüren kann. Ganz nebenbei erfährt man auch einiges von der wirtschaftlichen Not dieser abgelegenen Region, von der Armut der Dorfbewohner und über den Fischfang, der strengen Fangquoten unterworfen ist, die hauptsächlich in der Hand einiger weniger Reichen liegen – und, nicht zu vergessen über Gammelhai, einer isländischen Spezialität und früher Nahrung der Armen. Einige neue Erkenntnisse und unerwartete Wendungen lassen die anfangs eher ruhige und beschauliche Geschichte aufregend und sehr spannend ausklingen.

Fazit: Ein Buch das zu lesen Spaß macht, gut unterhält, überrascht und auch nachdenklich stimmt – kurzum, lesenswert!

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Veröffentlicht am 18.05.2021

Briefe an Gott - sonst ist niemand da, dem sich Celie anvertrauen kann …

Die Farbe Lila
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Celie war vierzehn als sie begann Briefe an Gott zu schreiben, da sie sich sonst keinem anvertrauen konnte. Seit ihre Mutter todkrank war musste sie deren Pflichten übernehmen, tagsüber im Haushalt und ...

Celie war vierzehn als sie begann Briefe an Gott zu schreiben, da sie sich sonst keinem anvertrauen konnte. Seit ihre Mutter todkrank war musste sie deren Pflichten übernehmen, tagsüber im Haushalt und nachts im Bett des Vaters. Sie wehrte sich nicht, um ihre jüngere Schwester Nettie vor seinen Übergriffen zu schützen. Zweimal wurde sie schwanger und jedes Mal nahm ihr Vater ihr das Kind weg. Nach dem Tod der Mutter nahm ihr Vater eine neue Ehefrau und verheiratete Celie mit einem Witwer, dem sie den Haushalt führen, seine Kinder erziehen und die Feldarbeit verrichten musste. Auch von ihm wurde sie missbraucht und geschlagen. Ihre Lage bessert sich etwas als der Mann seine Geliebte, die Sängerin Shug Avery, ins Haus nimmt. Die beiden Frauen freunden sich an, Celie wird dadurch selbstbewusster und kann sich allmählich mit Shugs Hilfe aus den Fängen ihres Ehemannes befreien. Jetzt hofft sie, einer besseren Zukunft entgegen zu blicken …

Alice Walker wurde 1944 in Eatonton/Georgia geboren. Sie ist US-amerikanische Schriftstellerin und politische Aktivistin und schrieb zahlreiche Erzählungen, Sachbücher, Romane und eine Autobiographie. International bekannt wurde sie hauptsächlich als Autorin des Romans „Die Farbe Lila“ („The Color Purple“), der 1983 mit dem „American Book Award“ und dem „Pulitzer-Preis“ ausgezeichnet und 1985 von Steven Spielberg mit Whoopi Goldberg in der Hauptrolle verfilmt wurde. 1967 heiratete Alice Walker den ebenfalls in der Bürgerrechtsbewegung aktiven Anwalt Melvyn Leventhal. Sie waren das erste standesamtlich getraute „gemischtrassige“ Paar im Bundesstaat Mississippi. 1969 kam Tochter Rebecca zur Welt, 1974 zog die Familie nach New York und 1976 wurde ihre Ehe einvernehmlich geschieden. Alice Walker zog daraufhin nach San Francisco, wo sie innerhalb eines Jahres diesen Roman schrieb. Heute lebt sie in Mendocino/Kalifornien, nördlich von San Francisco.

Es handelt sich hier um einen Roman in Briefform, der das Leben afro-amerikanischer Frauen in den Südstaaten der USA in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts behandelt und dabei besonders die Themen häusliche Gewalt, Inzest und lesbische Liebe thematisiert. Ihr Dasein, ihre damalige gesellschaftliche Stellung und ihre Lebensbedingungen waren oft von rassistischen, sexistischen und gewalttätigen Übergriffen geprägt, denn Sklaverei war trotz Verbot von 1865 noch fest in den Köpfen verankert. Erst ganz allmählich beginnen sich die Frauen zu wehren, sich von ihrem Elend zu befreien und sich zu emanzipieren.

Der Schreibstil der Briefe ist dabei sehr gut dem Bildungsstand der Protagonistin angepasst und wird auch konsequent durchgehalten, wodurch sich der Leser sehr gut in ihr Denken und Fühlen hinein versetzen kann. Das Thema Rassismus war bei der Entstehung des Buches aktuell und ist heute zeitgemäßer denn je. Ich habe die Geschichte jetzt, nach nahezu 30 Jahren, zum zweiten Mal gelesen und bin, wie auch seinerzeit, von Inhalt und Ausdrucksweise tief beeindruckt und kann das Buch uneingeschränkt jedem empfehlen.

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Veröffentlicht am 15.03.2021

Beim Geld hört die Liebe auf …

Das Nest
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Sobald Melody, die jüngste der vier Geschwister Plumb, ihren 40. Geburtstag feiert, sollte „Das Nest“, wie sie den Fond den ihr verstorbener Vater für sie angelegt hatte insgeheim nannten, ausbezahlt werden. ...

Sobald Melody, die jüngste der vier Geschwister Plumb, ihren 40. Geburtstag feiert, sollte „Das Nest“, wie sie den Fond den ihr verstorbener Vater für sie angelegt hatte insgeheim nannten, ausbezahlt werden. Damit hatten sie fest gerechnet, hatten ihre ganze Lebensplanung darauf eingestellt, hatten Schulden gemacht und über ihre Verhältnisse gelebt. Doch es sollte anders kommen. Um die schwerwiegenden Folgen eines Autounfalls zu vertuschen, den der Älteste der Geschwister im Alkohol- und Drogenrausch verschuldete, verwendet Mutter Plumb kurzerhand die angelegten Millionen als Schweigegeld. Zwar verspricht Leo das Geld wieder zu beschaffen, doch wird dieser Egozentriker auch zu seinem Wort stehen? …

Die etwa 1960 geborene US-amerikanische Schriftstellerin Cynthia D’Aprix Sweeney wuchs in Rochester auf, besuchte ein College und lebte und arbeitete dann 27 Jahre als PR-Beraterin in New York. Im Alter von etwa fünfzig Jahren absolvierte sie ein Studium in Kreativem Schreiben, das sie mit dem Master of Fine Arts abschloss. „Das Nest“ ist ihr Debütroman, der im März 2016 in der Originalausgabe erschien und bereits im April 2016 auf Platz 3 der Bestsellerliste der New York Times landete. Sie ist verheiratet und zog 2009 mit ihrem Mann, der als Redakteur bei The Tonight Show arbeitet, und ihren Kindern im College-Alter nach Los Angeles.

»Die Amerikanerin Cynthia D'Aprix Sweeney hat einen hinreißenden und klugen Familienroman geschrieben ... glänzende Unterhaltung und ein literarischer Wurf« - sagt Dennis Scheck in ARD Druckfrisch am 30.10.2016. Nicht immer bin ich mit seinem Urteil über Bücher einverstanden, doch diesmal stimme ich ihm voll und ganz zu.

„Das Nest“ ist ein scharfsinniger, mit viel Humor gewürzter Familienroman, der aufzeigt, was Geld aus einem Menschen machen kann. Früher, als sie noch Kinder waren, waren die vier Geschwister eng miteinander verbunden, heute verbindet sie nur noch die Aussicht auf eine gemeinsame Erbschaft – und als diese dann fraglich wird, kämpft jeder für sich selbst. Sie zählen sich zu New Yorks Upper Class, haben aber im Verborgenen finanzielle Probleme. Leo, der Verursacher der Misere, kann und will sein Status als Lebemann nicht aufgeben, Jack, der als Antiquitätenhändler erfolglos ist und schon seit Jahren vom Geld seines Ehemannes lebt, Beatrice, die einst gefeierte Schriftstellerin, deren Erfolg jedoch schon Jahrzehnte zurück liegt und Melody, die ihre Zwillingsmädchen auf die teuersten Privatschulen schickt und das Finanzielle ihrem Mann überlässt – sie alle müssen jetzt umdenken. Ob ihnen das gelingen wird?

Eine interessante Geschichte, bei der Cynthia D’Apix Sweeney besonders die psychologische Wahrnehmung auf die Familie Plumb herausgearbeitet hat. Wie reagieren die einzelnen Familienmitglieder, wenn plötzlich der erwartete und bereits verplante Geldsegen ausbleibt? Wir verfolgen das Geschehen etwa ein Jahr lang und begleiten die Akteure bei ihren Sinneswandlungen, die sie zwangsläufig durchmachen müssen. Jeder der vier hat seine Schwächen, aber auch seine Stärken, die die Autorin routiniert in Szene setzt. Unterhaltsame Dialoge, Phasen der Erinnerung und gekonnt eingesetzte Gedankengänge lockern das Geschehen auf. Das Leben muss irgendwie weiter gehen, es lassen sich Lösungen finden, die zu einem harmonisch-runden Schluss führen.

Fazit: Ein intelligenter Familienroman mit gut durchdachter, überzeugender Handlung – ein herrlich sarkastisches Abbild der Gesellschaft.

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Veröffentlicht am 04.03.2021

Außenseiter …

Die Bagage
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Von den Dörflern werden sie nur die Bagage, das Gesindel, genannt, Josef und Maria Moosbrugger mit ihrer Kinderschar. Sie leben auf einem kleinen Hof abseits des Dorfes, ganz hinten im Bregenzerwald, dort ...

Von den Dörflern werden sie nur die Bagage, das Gesindel, genannt, Josef und Maria Moosbrugger mit ihrer Kinderschar. Sie leben auf einem kleinen Hof abseits des Dorfes, ganz hinten im Bregenzerwald, dort wo der Boden karg und das Gelände steinig ist. Sie sind arm aber stolz - und Maria ist eine Schönheit, die die Begierde der Männer und den Neid der Frauen weckt. Dann beginnt 1914 der Krieg, Josef wird eingezogen und bittet zuvor den Bürgermeister, mit dem er ab und zu zweifelhafte Geschäfte macht, auf seine Familie aufzupassen und sie regelmäßig mit Essen zu versorgen. Dies gäbe ihm die Berechtigung, so denkt der Bürgermeister, bei Maria übergriffig zu werden, aber sie kann ihn abwehren. Doch als eines Tages ein Fremder kommt und sie aufsucht, was im Dorf nicht verborgen bleibt, wird auch Maria schwach – in ihren Gedanken begehrt sie diesen Georg aus Hannover. Die Dorfbewohner tuscheln, und als Maria plötzlich schwanger ist, scheint für alle klar zu sein, wer der Vater sein muss …

Die Autorin Monika Helfer wurde 1947 in Au/Bregenzerwald geboren und wuchs in einem Erholungsheim für Kriegsversehrte in Vorarlberg auf, wo ihr Vater Verwalter war. Sie veröffentlichte bereits Romane, Erzählungen und Kinderbücher, für die sie zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Themen ihrer Bücher sind oft Familiengeschichten, in die sie ihre Vorfahren und ihre Herkunft mit einbezieht. Seit 1981 ist sie mit dem Schriftsteller Michael Köhlmeier verheiratet. Sie haben vier Kinder, wovon eine Tochter 2003 bei einem Unfall starb. Das Paar lebt in Hohenems/Vorarlberg.

In dem Roman „Die Bagage“ erzählt die Autorin die Geschichte ihrer Großeltern und deren Kinder, besonders ihrer Mutter Margarete, dem Mädchen das Grete genannt wird und von dem Josef zeitlebens glaubte, sie sei ein Kuckuckskind und nie ein Wort mit ihr redete. Ihre Informationen erhielt sie hauptsächlich von ihren Onkeln und Tanten, besonders von Tante Katharina, bei der sie und ihre beiden Schwestern nach dem frühen Tod ihrer Mutter aufgewachsen sind. Durch häufige Zeitsprünge zwischen damals und der Gegenwart schafft sie eine Verbindung zwischen sich und ihren Großeltern, deren Tun und Handeln noch über Generationen seine Auswirkungen hat. Wie erlebte Grete die Nichtbeachtung durch Josef, der sie nie als seine Tochter anerkannte, und wie weit leidet Monika Helfer heute noch darunter?

Die Autorin bedient sich einer äußerst reduzierten, aber dennoch ausdrucksstarken Sprache und lässt das Leben vor über 100 Jahren wieder lebendig werden. Schonungslos, jedoch sehr liebevoll, berichtet sie von ihrer „Bagage“, ihren Vorfahren, und bringt uns das Schicksal dieser Menschen nahe, ohne zu kritisieren und ohne zu bewerten. Entstanden ist ein sehr persönlicher und einfühlsamer Roman, ein berührendes Denkmal einer außergewöhnlichen Familie, der beim Leser noch lang nachhallen wird.

Fazit: Ein wunderbares kleines Buch, für das zu lesen man sich ausreichend Zeit nehmen sollte.

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Veröffentlicht am 01.03.2021

Ein Ort, der nicht gefunden werden will …

Das flüssige Land
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Durch einen Anruf der Polizei erfährt die Wiener Physikerin Ruth Schwarz, dass ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Ein Schock für die ohnehin emotional angeschlagene Frau, die schon ...

Durch einen Anruf der Polizei erfährt die Wiener Physikerin Ruth Schwarz, dass ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Ein Schock für die ohnehin emotional angeschlagene Frau, die schon seit Jahren an ihrer Habilitation schreibt und nur noch mit Hilfe von Psychopharmaka funktioniert. Um die Beerdigung zu regeln will sie nun den Geburtstort ihrer Eltern, Groß-Einland, aufsuchen, da diese einst den Wunsch geäußert hatten, dort begraben zu werden. Doch Groß-Einland ist nicht leicht zu finden, es ist in keiner Landkarte verzeichnet und auch das Navi zeigt den Ort nicht an. Als Ruth nach tagelanger Irrfahrt endlich dort eintrifft, ist ihr Auto nur noch Schrott. Sie muss sich deshalb auf einen längeren Aufenthalt in dieser seltsamen Stadt einstellen, wo früher Bergbau betrieben und nach Bodenschätzen gesucht wurde und die unterirdisch von einem Geflecht aus Stollen und Minen durchzogen ist. Unter der Mitte des Ortes liegt ein riesiger Hohlraum, das Loch genannt, das die Statik der Häuser beeinflusst, Risse in den Wänden verursacht und für die Schieflage des Kirchturms verantwortlich ist. Nach und nach wird wohl alles in seinem Abgrund versinken wenn nicht ein Mittel gefunden wird, um die Gefahr aufzuhalten …

Raphaela Edelbauer wurde 1990 in Wien geboren, wo sie auch heute lebt. Sie studierte Sprachkunst und Philosophie, war als Mitarbeiterin für die Niederösterreichischen Nachrichten tätig, schrieb Auftragsarbeiten und veröffentlichte in Literaturmagazinen. 2017 war sie Stipendiatin des Deutschen Literaturfonds für ihr Manuskript zu ihrem Roman „Das flüssige Land“ und wurde 2018 beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. 2019 gelangte „Das flüssige Land“ auf die Shortlist zum Deutschen Buchpreis und war zwei Monate auf Platz drei der ORF-Bestenliste.

Die nationalsozialistische Vergangenheit Österreichs, das kollektive Verdrängen der Gräueltaten, Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, Auswirkungen von Medikamentenmissbrauch, Liebe zur Heimat und zur Natur, sowie Ignoranz und Gleichgültigkeit vor drohender Katastrophe sind einige der brisanten Themen, die Raphaela Edelbauer in diesem Roman zwischen Realität und Phantasie, zwischen Abenteuer und Wahnvorstellung, aufgreift. Dabei entsteht von Anfang an ein Sog, vergleichbar mit dem Sog des alles beherrschenden Loches, der den Leser förmlich ins Buch hinein zieht. Man beginnt zu lesen, kann nicht mehr aufhören und will wissen, wie es weiter geht.

Der Schreibstil der Autorin ist anfangs gewöhnungsbedürftig und durch die manchmal komplizierte Ausdrucksweise und neuen Wortschöpfungen etwas anstrengend zu lesen. Zahlreiche Metaphern, unverhoffte Wendungen zwischen Poesie und skurrilem Humor und gut versteckte Andeutungen erfordern Konzentration und Aufmerksamkeit und regen zum Nachdenken an. Sie zeichnet ein atmosphärisch dichtes Bild vom Leben der Menschen in dieser seltsamen Stadt und besonders von Ruth als Ich-Erzählerin, die durch ihre Medikamentenabhängigkeit ihr Gefühl für Zeit und Raum immer mehr zu verlieren scheint. Auch die anderen Charaktere wirken sehr realistisch und passen stimmig in die manchmal alptraumhafte Handlung.

Fazit: Eine Geschichte auf die man sich einlassen muss, dann erschließt sich dem Leser eine herrliche Parodie auf unsere Gesellschaft – aberwitzig und phantastisch.

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