Profilbild von Hundenaerrin

Hundenaerrin

Lesejury Profi
offline

Hundenaerrin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Hundenaerrin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.03.2022

Große Erwartungen, leichte Enttäuschung

#London Whisper – Als Zofe ist man selten online
0

Die 15jährige Zoe aus Potsdam ist glücklich. Endlich ein Austauschjahr in London! Und dann auch noch in einem Internat, das in dem alten viktorianischen Gebäude namens Dunwick House angesiedelt ist. Ihre ...

Die 15jährige Zoe aus Potsdam ist glücklich. Endlich ein Austauschjahr in London! Und dann auch noch in einem Internat, das in dem alten viktorianischen Gebäude namens Dunwick House angesiedelt ist. Ihre Jane-Austen-Träume werden wahr! Wie wahr jedoch, wird sie bald bemerken: Bei einer Mitternachtsparty entdecken Zoe und ihre Mitschülerinnen einen alten Spiegel auf dem Dachboden, der mit ägyptischen Symbolen versehen ist. Als dann plötzlich ein Strahl Mondlicht auf den Spiegel fällt, wird Zoe ohnmächtig. Sie erwacht zwar im selben Gebäude, zu ihrem großen Schrecken jedoch im Jahr 1816. Und als Zofe! Aber Zoe wäre nicht Zoe, wenn sie nicht das Beste aus dieser Situation machen würde. Schließlich führt sie in ihrer Gegenwart einen Instagram Account, der Anleitungen und Hilfestellungen gibt bei sämtlichen Situationen, in die ein Mädchen geraten kann. Und so schafft Zoe es also auch, ihre neue Herrin Miss Lucie aus ihrem Schneckenhaus hervorzulocken und sie in die englische Gesellschaft einzuführen. Beim ersten Ball trifft Zoe auf den jungen Lord Hayden Falcon-Smith, der sich durch einen Pippi-Langstrumpf-Vergleich ebenfalls als Zeitreisender verrät. Können es beide gemeinsam schaffen, wieder in ihre Gegenwart zu gelangen?

Ich liebe Zeitreisegeschichten! Aber hier musste ich feststellen, dass ich wohl nicht mehr zu der angesprochenen Zielgruppe gehöre... Dieses ganze Instagram-Gehabe ist nicht meine Welt und ein Influencer*innenleben wäre mir zu anstrengend. Wobei das bei intensiverem Nachdenken über diese Geschichte nicht der Punkt ist, der mich eigentlich stört. Es ist der Umstand, dass dieses Konzept nicht bis zu Ende umgesetzt wurde. Zoes Instagram Account nebst Konzept wird auf den ersten Seiten dieses Buches kurz angerissen, aber nicht näher erläutert. Im Jahr 1816 greift sie diese Idee dann in Form von den WhisperWhisper Briefen auf. So weit, so gut. Aber diese Briefe werden völlig zusammenhanglos am Ende eines jeden Kapitels abgedruckt und der Inhalt geht häufig über die Parole: „Das geht jeder von uns mal so!“, nicht hinaus. Da hatte ich mir – wenn schon! – etwas mehr feministischen Input gewünscht. Womit ich aber auch schon beim nächsten wichtigen Kritikpunkt wäre: Gilt das Gesetz der Unveränderbarkeit der Vergangenheit hier nicht? Was Zoe mit ihren WhisperWhisper Briefen anrichten kann, wird hier gar nicht thematisiert. Vorzeitiger Anstoß der Frauenbewegung? Zusammenbruch der Gesellschaft durch Streik der Frauen, die nicht länger aus Standesgründen heiraten wollen, sondern aus Liebe? Hier hätte die Autorin ihr Konzept der Zeitreise vorstellen und transparenter machen sollen. Das hat mich wirklich arg gestört, muss ich sagen.

Zoe als Figur, und besonders als Zofe, ist einfach zu extrovertiert – und für eine 15jährige allemal, wie ich finde! –, zu aufmüpfig und zu unangepasst. Sie sprengt ihre Rolle in einem Rahmen, der 1816 sicher nicht toleriert worden wäre in einem Adelshaus der Upper Class. Ich habe da Schwierigkeiten mit der Authentizität.

Der Grundgedanke dieser Zeitreisegeschichte gefällt mir jedoch schon und ich bin gespannt, wie die Autorin den Mythos um den Mondlichtspiegel auflöst. Aber das Drumherum hat für meinen Geschmack leider weniger gepasst. Die Konzeption rund um den Instagramblog, die Briefe und den vereinzelten Tagebucheintrag waren mir zu unstet, es fehlte ein stringentes Erzählvorgehen in dieser Hinsicht.

Das Cover jedoch hat seinen Effekt nicht verfehlt: Durch seine farblich auffällige Gestaltung hat es mich direkt angelockt und mich neugierig gemacht. Ich bin sehr auf die Aufmachung der nächsten Bände gespannt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.05.2021

Leider etwas langatmig und undurchsichtig

Charlie – Ein Schulbus hebt ab
0

An diesem Morgen ist alles anders im Dreistein Internat: Statt zu Fuß über das Gelände zu den Klassenräumen zu laufen, fährt heute ein alter, gelber Schulbus von Haus zu Haus und holt die Schüler ab. Will, ...

An diesem Morgen ist alles anders im Dreistein Internat: Statt zu Fuß über das Gelände zu den Klassenräumen zu laufen, fährt heute ein alter, gelber Schulbus von Haus zu Haus und holt die Schüler ab. Will, Frank, Maisie und Luke müssen jedoch bald feststellen, dass dieser Bus ein Eigenleben führt. Er rast unkontrolliert durch die Rosenbeete, überfährt dann fast den Schuldirektor und hebt schließlich zu allem Unglück auch noch kurzerhand mit den Schülern an Bord in die Lüfte ab! Doch damit noch nicht genug der Überraschungen, denn der Bus kann tatsächlich auch noch sprechen – und er bittet die Kinder um Hilfe, denn Charlie der Schulbus muss dringend etwas wiedergutmachen...

Ich war sehr gespannt auf dieses Kinderbuch, dessen Buchcover ich wunderbar bunt und verheißungsvoll fand. Doch leider taten sich einige – für mich schwerwiegende – Schwachstellen in der Geschichte auf: Die Story wird an mehreren Punkten zu ausschweifend auserzählt, andere Aspekte bleiben jedoch vollkommen unbeachtet. Was essen die Kinder, nachdem die Käsebrote aufgebraucht sind? Warum bleibt der Diebstahl der Bohnen folgenlos und moralisch unaufgearbeitet? Wieso erfolgte keine Kommunikation mit den Tieren? Ich muss zugeben, dass mich die fehlende Aufarbeitung der ethischen Seite ziemlich geärgert und somit den Lesegenuss deutlich geschmälert hat. Denn es fehlt die Durchsicht darüber, wer ‚gut‘ und wer ‚böse‘ ist.

Ich bin gespannt, ob es mit dieser schwächelnden Abenteuergeschichte weiter geht. Die Grundlage dafür wurde ja im letzten Kapitel gelegt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.02.2021

Mit Spannung erwartet, mit Enttäuschung gelesen...

Shadowscent - Die Krone des Lichts
0

Rakel und ihre Gefährten fliehen gemeinsam mit dem Ersten Prinzen Nisai aus dem Kaiserreich Aramtesch, in dem sich ein Putschversuch anbahnt. Und sie flieht vor den Erinnerungen an Ash und an das Massaker, ...

Rakel und ihre Gefährten fliehen gemeinsam mit dem Ersten Prinzen Nisai aus dem Kaiserreich Aramtesch, in dem sich ein Putschversuch anbahnt. Und sie flieht vor den Erinnerungen an Ash und an das Massaker, das sein Schatten angerichtet hat. Gemeinsam reisen sie zum Orden des Asmudtag, um endlich Antworten auf die vielen Fragen zu erhalten, die sich in den letzten Monaten ihrer Reise mit Ash gestellt haben. Gibt es ein Heilmittel für die Fäulnis? Und für die Schattenkinder des verlorenen Gottes Doskai? Rakel will endlich hinter den Schleier der vielen Geheimnisse ihres Lebens blicken und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Zeitgleich braut sich auf der politischen Bühne des Kaiserreichs aber ein Krieg zusammen, in dem der machthungrige Leibarzt des Kaisers Zostar die Fäden zieht. Er plant dabei, die Schattenkrieger für seine Zwecke einzusetzen... Steht Aramtesch erneut vor der Auslöschung?

Ich hatte Band zwei mit großer Freude erwartet, nachdem mich „Die Blume des Finsternis“ so verzaubern konnte. Leider scheint der Zauber in „Die Krone des Lichts“ verflogen zu sein... Dieser Band wird dominiert von einem politischen Gefüge, das teilweise zu undurchschaubar erschien und so eine unnötige Langatmigkeit erzeugte, die der Geschichte die Spannung nahm. Auch fehlte es mir an Informationslage und Aufklärung, zum Beispiel im Hinblick auf den Orden des Asmudtag und seiner Geheimnisse. Oder wenn es darum ging, wie Zostar die Schatten kontrollieren konnte.

Zudem wurde hier mit Luz‘ Erzählperspektive ein weiterer Erzählfokus eingeführt, den es meiner Ansicht nach nicht gebraucht hätte. Sie wirkt wie der verzweifelte Versuch, einen Erzähler für die politischen Geschehnisse zu haben, der den Leser über all das informiert, von dem Ash und Rakel nichts verstehen. Diese Durchbrechung des Erzählmusters führt allerdings dazu, dass die zwei Hauptfiguren zu blass und geradezu gefühllos bleiben. Es fehlt die Tiefe aus Band aus, sowohl in der Erzählatmosphäre als auch zwischen den Protagonisten. Ich empfinde das als sehr schade und die Geschichte wirkt mir daher zu kalt, zu politisch, zu farblos.

Die Story hatte definitiv ihre Momente, zum Beispiel als Rakel und Ash allein in der Orangenplantage waren, aber sie waren nicht so zahlreich wie im ersten Band. Dem Weltensetting mit seinen unverkennbaren Geruchsflüchen ist die Autorin auf jeden Fall treu geblieben. Einen weiteren Pluspunkt gibt es für das erneut wunderbare Cover. Ich bin gespannt, ob P. M. Freestone uns irgendwann einmal wieder nach Aramtesch entführen wird...

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.10.2020

Ein Buch über Mut und Durchhaltevermögen in einer Welt voller Unmöglichkeiten

Liane und das Land der Geschichten
0

Liane hasst ihren Namen. Alle Mitschüler ziehen sie damit auf und machen sich tagtäglich lustig darüber. Was haben sich ihre Eltern bloß dabei gedacht? Doch eine Diskussion über ihren Namen zu führen ist ...

Liane hasst ihren Namen. Alle Mitschüler ziehen sie damit auf und machen sich tagtäglich lustig darüber. Was haben sich ihre Eltern bloß dabei gedacht? Doch eine Diskussion über ihren Namen zu führen ist bei ihren Eltern genau so fruchtbar wie eine Antwort auf die vielen Fragen zu erwarten, die Liane ihnen ständig stellt. Dabei ist sie doch so neugierig und unglaublich fantasievoll, aber die Erwachsenen belächeln sie nur dafür. Eltern sind wirklich anstrengend, besonders dann, wenn sie denken, dass sie ihren Kindern nicht die Wahrheit sagen können bzw. wollen. Dabei merkt Liane doch genau, dass etwas nicht stimmt, als sie plötzlich mitten in der Schulzeit für eine Woche bei ihren Großeltern bleiben soll... Trost und Freude findet sie in ihren Büchern und in der Bücherei ihrer Schule. Dort findet Liane eines Tages im Regal einen leuchtenden Globus, den sie aus Neugier – denn so ist sie nun einmal – mitnimmt. Als sie kurz darauf im Garten ihrer Großeltern auf zwei Kinder trifft, die behaupten, der Globus wäre der Zugang zum Land der Geschichten, beginnt für Liane ein herausforderndes Abenteuer, das ihr viel Mut und Vertrauen abverlangt.

Diese Geschichte hat eine sehr prägnante und wunderbare Thematik, die sich auch jedem Kind sofort erschließt: Es geht darum, dass es in Ordnung ist, anders zu sein als alle anderen, dass man seinen Namen auch mal blöd finden darf, dass man aber dennoch eine eigene, starke Persönlichkeit entwickeln kann. Es ist eine Erzählung über Freundschaft und Mut – Mut, sich dem Leben mit seinen manchmal unüberwindbaren Aufgaben zu stellen und diese zu bewältigen, auch wenn es zunächst unmöglich erscheint. Denn die Botschaft dieses Buches ist klar: Hab keine Angst vor schwierigen Herausforderungen, sei tapfer und versuch es, auch wenn es auf den ersten Blick aussichtslos sein mag. Es ist meiner Meinung nach daher eher ein Mutmach-Buch. Der Fantasieaspekt spielt für mich eine untergeordnete Rolle und kommt eher in geringerem Ausmaße zur Geltung. Die Hinführung zum eigentlichen Geschehen im Land der Geschichten zieht sich für meinen Geschmack etwas zu lang und ausschweifend, dadurch fehlt es im – für mich eigentlich – interessanten Abschnitt an Detailreichtum und die Entwicklung der Erzählung gerät zu kurz, leider. Hier hätte die Gewichtung anders gelegt werden müssen, es soll doch schließlich eine Geschichte über die Fantasie sein und nicht über Einsamkeit, oder?

Liane jedoch ist eine sehr starke, wenn auch unglaublich sensible Protagonistin, die vom Kopf her eher bereits eine junge Erwachsene ist als eine lebensfrohe Elfjährige. Dieser Umstand beeinflusst auch die Atmosphäre der Geschichte, die ich – jedenfalls zu Anfang – als doch eher lethargisch und geradezu traurig bezeichnen möchte. Ich würde daher die Lektüre durch ein Elternteil empfehlen, bevor es vom Nachwuchs gelesen wird, denn ich könnte mir vorstellen, dass es bei wirklich sensiblen Kindern, die auch bereits mit Mobbing in Kontakt gekommen sind, zu leichtem Bauchweh führen mag.

Ich hatte tatsächlich anhand des Klappentextes und des Titels etwas anderes erwartet. Daher konnte ich mich nur streckenweise mit der Geschichte anfreunden. Es bekommt aber aufgrund der doch starken und offensichtlichen Botschaft drei Sterne von mir.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.04.2020

Kein Buch für Zwischendurch!

Im Zeichen der Acht
0

Tristan Nachtweih und Martha von Falkenstein werden Jahrhunderte nach ihrem Tod zurück in die Welt geschickt, um den endgültigen Kampf zwischen Gut und Böse auszufechten. Acht Kämpfer müssen es sein, die ...

Tristan Nachtweih und Martha von Falkenstein werden Jahrhunderte nach ihrem Tod zurück in die Welt geschickt, um den endgültigen Kampf zwischen Gut und Böse auszufechten. Acht Kämpfer müssen es sein, die über das Ende oder den Fortbestand der Erde entscheiden. Kann der Tag des Jüngsten Gerichts noch verhindert werden?

ACHTUNG: TEILWEISE SPOILER!


Ich habe mich mit dem Lesen und auch dem Schreiben dieser Rezension sehr schwer getan. Denn: Was der Klappentext andeutete, gefiel mir und machte mich neugierig. Doch was dann kam, hat mich, so muss ich gestehen, eiskalt erwischt! Die Inhaltsankündigung kratzt nicht mal ansatzweise am wahren Gehalt dieses Buches...

Bereits nach den ersten Seiten war ich schockiert und fast schon angewidert von der als selbstverständlich und normal dargestellten Obszönität und Vulgarität der Erzählung. Aber ich dachte mir, es wird sich schon im Verlauf ein Grund für diese sexuell-motivierten Elemente finden, wenn sie für den Gehalt der Erzählung wichtig sind. Bestimmt will der Autor den Leser direkt mit der Nase in die Thematik des Verfalls der Menschen stoßen. Ein zweites Sodom und Gomorra auf Erden quasi. Doch dann kamen unglaublich viele Figuren ins Spiel und es war nur schwer möglich herauszufiltern, wer für den weiteren Verlauf noch eine Rolle spielen wird, und wer nicht. Gleichzeitig aber wurden zu wenige Informationen offenbart: woher kommen Tristan und Martha auf einmal? Warum genau acht Krieger? Teil 1 ließ mich also mehr oder weniger verstört zurück...

Im zweiten Teil der Geschichte stieg dann auch noch das Maß an Brutalität an: Erst treffen wir auf einen jungen Neonazi, der rassistischer und gewalttätiger kaum sein könnte, aber eine – natürlich – heimliche Affäre mit einem Mädchen afrikanischer Abstammung hat. Und dann wäre da noch der reiche, aber gelangweilte Massenmörder... Aber immerhin: Es finden sich ein paar Antworten auf Fragen aus Abschnitt eins, zu Martha und Tristans Beziehung zum Beispiel. Und auch eine Hauptthematik wird zudem erkennbar: Man muss den Wert des Lebens anerkennen, auch, wenn man verzweifelt ist und dem Leben eigentlich nichts mehr abgewinnen kann. Denn das Leben findet immer einen Weg. Zudem lassen sich erste Muster der Gegnerschaft erkennen, wer im Kampf gegen wen antreten wird.

Das Finale hingegen war ... niederschmetternd, brutal, aber irgendwie auch vorhersehbar. Es war zu erwarten, dass die Bringerin des neuen Lebens überleben wird, wenn man die aus dem zweiten Abschnitt gewonnene Thematik näher bedenkt. Dennoch kann ich als Leserin nicht beseelt oder glücklich aus diesem Ende herausgehen. Das „Gute“ siegt zwar, es bleibt aber dennoch ein fader Nachgeschmack von Hoffnungslosigkeit zurück – besonders dann, wenn man sich in Erinnerung ruft, welche Gedanken die überlebende Zoe dem Rezipienten im Verlauf der Geschichte so offenbart hat... Wollen wir einem so lebens-müden Teenager unsere Zukunft anvertrauen? Ist es vielleicht gar unsere eigene Schuld, dass wir unser Fortbestehen in die Hände eines so verzweifelten Mädchens legen müssen? Haben wir als Gesellschaft versagt und nur durch Glück und den puren Lebenswillen eine zweite Chance erhalten?

Um noch einmal zum Punkt zu kommen: Dieses Buch ist kein netter Schmöker für Zwischendurch und nichts für eine zartbesaitete Leserschaft. Den Schreib-, Sprach- und Erzählstil muss man mögen – mir war er teilweise zu obszön, beinhaltete zu viele Leerstellen, zu viel szenisches Erzählen, ohne die Szenen dabei miteinander zu verknüpfen. Außerdem wurde viel zu einseitig erzählt. Die Motivation der Kämpfer Marthas, also der „guten“ Seite, wurde viel zu wenig beleuchtet, somit ist das Buch sehr unausgeglichen gestaltet und vermag es nicht, auch beim Leser das Gefühl der Hoffnung aufrecht zu halten. Dafür erfahren wir umso mehr über die Abgründe der menschlichen Seele bzw. Existenz: Rassismus, Selbsthass, Depressionen, Selbstzweifel, Schizophrenie, Geltungssucht, Feigheit, Machtgier, Hunger nach Gewalt und Blut, Verdrängung und Hass auf die Gesellschaft werden hier sehr anschaulich vor der Leserschaft ausgebreitet. Und Tristan Nachtmahr weiß um die perfekten Triggerpunkte bei seiner Anhängerschaft. Doch wo sind Marthas Argumente? Warum werden „Liebe“ und „Hoffnung“ nicht als hohe Werte menschlichen Lebens herausgestellt, sondern nur als selbstverständlich empfunden? Wie stark die Liebe eines Bruders sein kann, zeigt doch Daniel ganz deutlich im Kampf gegen die Bestie, die seinen Bruder verschlungen hat. Und auch Martha kämpft mit jeder Faser ihrer Seele für die Liebe, und das, obwohl sie von ihrer großen Liebe verraten und geopfert wurde. Ist das alles selbstverständlich, oder einfach nicht mehr erwähnenswert heutzutage? Sind wir so abgestumpft, dass uns nur noch Hass und Gewalt hinter dem Ofen hervorlocken? Lieber Benjamin Lebert, ich hoffe, Sie empfinden unsere Gesellschaft nicht als so ... gefühlstot und geben der Menschheit – und besonders der Jugend! – noch eine Chance.

Eine Augenweide ist das Buch jedoch allemal. Das Cover und besonders der Buchschnitt sind ein absoluter Gewinn für jedes Bücherregal. Allerdings gibt es auch hier ein kleines „Aber“: Leider hat mir das Cover durch die Abbildung der Silhouetten bereits vorher „verraten“, wie viele Kämpfer sich auf der jeweiligen Seite befinden, und welches Geschlecht sie haben... So wusste ich leider schon im Leseprozess, dass es eine Seitenwechslerin geben wird und die Vermutung, wer es sein könnte, lag relativ nahe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere