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Veröffentlicht am 06.10.2021

Ein phantastische, märchenhafte und ziemlich überraschende Reise durch Raum und Zeit

Annemone Apfelstroh
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Annemone Apfelstroh wohnt mit ihrem Vater in einem gemütlichen kleinen Haus mit grünen Fensterläden und roter Tür zwischen zwei Hügeln in einer Welt, in der das Wünschen wunderbar funktioniert. Eines Tages ...

Annemone Apfelstroh wohnt mit ihrem Vater in einem gemütlichen kleinen Haus mit grünen Fensterläden und roter Tür zwischen zwei Hügeln in einer Welt, in der das Wünschen wunderbar funktioniert. Eines Tages dreht Annemone die Töpferscheibe ihres Vaters und danach ist nichts mehr wie vorher. Annemone findet sich plötzlich in einer ganz anderen Zeit wieder und hat keine Ahnung, wie sie wieder dahin zurück kommen soll, wo sie hergekommen ist.

„Annemone Apfelstroh“ ist kein alltägliche Geschichte, es ist eine Staffelgeschichte. Autorin Karin Müller bat neun ihrer Kollegen und Kolleginnen ihren Text fortzusetzen. Die beteiligten Autorinnen und Autoren haben jeweils zwei Kapitel zu den insgesamt 20 Kapiteln beigetragen, wussten dabei aber selbst nicht, wie sich ihre Geschichte weiterentwickeln würde, schließlich schrieb ja jemand anderes weiter.
Alle Mitwirkenden haben ihren eigenen, individuellen Sprachstil, die Abschnitte sind gut verständlich, klar und kindgemäß formuliert. Lediglich das Vorwort liest sich etwas holprig. Gut gefallen hat mir, dass die Leser immer wieder angeregt werden, sich über Sprache, besondere Wörter und ihre Bedeutung Gedanken zu machen. Annemone sind manche modernen Wörter genauso unbekannt wie bestimmte technische Neuerungen (von einem Handy hat sie beispielsweise noch nie gehört). Gleichzeitig prägt sie aber auch neue Begriffe wie das treffende Wort „Vorglück“, so nennt sie den Zustand, der noch vor dem Erreichen des Glücks kommt.
Ganz besonders hervorzuheben ist die Gestaltung des Buchs. Illustratorin Florentine Prechtel hat zur Geschichte wunderschöne, farbenprächtige, aussagekräftige und naiv-märchenhafte Bilder gemalt, die meinen Kindern und mir beim Lesen große Freude gemacht haben. Ein echter Augenschmaus dieses Buch!
Jedem Autor wurde eine eigene Schriftart zugeteilt. Eine prima Idee, die erstens nach außen deutlich zeigt, dass verschiedene Köpfe hinter der Geschichte stecken und zweitens den Fokus auf Schriftarten legt, meinem siebenjährigen Sohn war beispielsweise gar nicht bewusst, dass Schriftarten so unterschiedlich aussehen können. Insgesamt ist die Schrift etwas größer gedruckt und hat einen etwas erweiterten Zeilenabstand. Kinder ab acht, neun Jahren sollten keine Schwierigkeiten haben, die Geschichte selbstständig zu erfassen. Zum Vorlesen eignet sich das Buch auch schon für Jüngere, da die Handlung aber aufgrund der Zeitreisen etwas komplexer und mitunter verwirrend ist, werden kleinere Zuhörer nicht jedes einzelne Detail vollständig nachvollziehen können.

Einige besondere Figuren spielen in der Geschichte eine Rolle. Da ist zunächst Annemone Apfelstroh, die -sehr neugierig und wissbegierig- gerne den Dingen auf den Grund geht. Der blauhaarige Finn stellt schon äußerlich einen Gegenpol zu Annemone dar, er kommt aus der modernen Welt, spricht nicht nur eine andere Sprache, er hat auch eine andere Perspektive auf die Dinge. Ungewöhnlich sind auch die Auftritte einer ein- bis zweihörnigen Ziege, eines sehr dicken Katers und eines pausenlos plapperndenden Paradiesvogels. Langweilig wird es bei diesen bunten, teilweise recht undurchsichtigen Figuren nie.

Ob Annemone wieder zu ihrem alten Leben zurückkehren kann? Ihre Reise durch Raum und Zeit ist ein besondere, die mit vielen herausfordernden Rätseln und merkwürdigen Geheimnissen aufwartet. „Ein Abenteuer nach dem anderen“ und eine Überraschung folgt auf die nächste. Wer es magisch, phantastisch, humorvoll und märchenhaft mag, liegt mit Annemone Apfelstroh absolut richtig. Für meine Mitleser und mich war das Projekt „Staffelgeschichte“ definitiv erfolgreich. Das Ergebnis kann sich auch aufgrund der rundum gelungenen äußeren Gestaltung absolut sehen und lesen lassen. Wir hoffen sehr, dass die Geschichte nicht das letzte Projekt dieser Art war.

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Veröffentlicht am 06.10.2021

Wunderbar gestaltetes Genuss- und Wohlfühlbuch - perfekt für eine erholsame Sofaauszeit

Ein Buch, vier Jahreszeiten
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Es gibt viele Bücher, die glücklich machen und das auf ganz unterschiedliche Arten, manche zum Beispiel, weil uns ihre Geschichten berühren, manche, weil sie uns „erhellen“, manche, weil sie einfach schön ...

Es gibt viele Bücher, die glücklich machen und das auf ganz unterschiedliche Arten, manche zum Beispiel, weil uns ihre Geschichten berühren, manche, weil sie uns „erhellen“, manche, weil sie einfach schön aufgemacht sind und manche, weil sie zeigen, wie wunderbar das Leben doch eigentlich ist. „Ein Buch, vier Jahreszeiten“ ist auch so ein „Glücklichmachbuch“, das verdeutlicht, dass jede Jahreszeit unvergleichlich ist und vielfältige Möglichkeiten bietet, das Leben zu genießen.
Auch das Buch selbst ist ein reiner Genuss, darin zu blättern hebt garantiert die Stimmung. Das Buch enthält Wohlfühlideen, Rezepte, Gedichte, Geschichte und weitere Tipps für jede Jahreszeit.

Schon das hübsche Cover überzeugt: ein weißer hochwertiger Leineneinband, der Titelzug ist in Goldschrift gedruckt. Rundherum sind Motive aus der Natur angeordnet, die für die verschiedenen Jahreszeiten stehen: Tulpen, Pilze, ein herbstlich gefärbtes Blatt, ein Tannenzapfen, ein aufgeschnittener Apfel oder ein Rotkehlchen.
Nach einem allgemeinen Vorwort wird die entsprechende Jahreszeit jeweils in einem „Brief“ begrüßt, es folgt eine „Schöne-Dinge-Liste für diese Jahreszeit“, ein Gedicht, ein Text zu den dazugehörige Monaten, eine Doppelseite über Garten und Natur in der jeweiligen Jahreszeit und viele weitere abwechslungsreiche Seiten mit Dekoideen, Rezepten, Bräuchen, Zitaten oder Geschichten.
Das Buch regt an, sich intensiv mit den Jahreszeiten zu beschäftigen, saisonale Aktivitäten zu unternehmen, die Natur zu beobachten und sich auf ihre Wunder einzulassen. Perfekt abgerundet wird das Ganze durch ansprechende teils ganzseitige Fotos und Illustrationen. Da wird eine schlichte Wäscheleine mit weißer Wäsche perfekt in Szene gesetzt und bringt zum Träumen.

Nicht jeden einzelnen Tipp des Buches werde ich beherzigen - auch wenn es nicht nachhaltig ist, werde ich zum Beispiel nicht auf einen echten Weihnachtsbaum verzichten - aber viele der Vorschläge möchte ich gerne umsetzen, Zimtschnecken nach dem Rezept aus dem Buch zu backen, steht zum Beispiel definitiv schon auf meiner To-Do-Liste für die nächsten Tage.
Dieses Buch lädt zu einem kleinen Couchurlaub ein: aufs Sofa setzen, das Buch aufschlagen, stöbern, sich in den Bildern und Texten verlieren und sich über das Gelesene und die Bilder freuen. Zweifelsohne hat jede Jahreszeit ihre besonderen Reize, man muss sie nur zu schätzen lernen. Dabei hilft „Ein Buch, vier Jahreszeiten“.
Ein wunderbares Wohlfühlbuch für sich selbst und zum Verschenken an Menschen, die man gerne mag und denen man etwas Gutes tun möchte.

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Veröffentlicht am 04.10.2021

Ein großartiges Phantasiefeuerwerk

Vincent und das Großartigste Hotel der Welt
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„Nicht alle Momente in der Zeit sind gleich. Es gibt welche, die alles verändern, die dich auf einen völlig anderen Kurs bringen und dein Leben für immer verwandeln. Momente, nach denen du nicht mehr der- ...

„Nicht alle Momente in der Zeit sind gleich. Es gibt welche, die alles verändern, die dich auf einen völlig anderen Kurs bringen und dein Leben für immer verwandeln. Momente, nach denen du nicht mehr der- oder dieselbe bist.“

Vincent erbt von seinem Großvater eine Schuhputzkiste. Gleich an seinem ersten Tag als Schuhputzer in der Stadt Barry erlebt er einen monumentalen Moment, der alles verändert. Er lernt Florence, die Besitzerin des großartigsten Hotels der Welt, und ihren Empfangschef Rupert kennen. Sie bieten ihm eine Anstellung in ihrem Hotel an, die er sofort annimmt. Seine Arbeit dort bereitet Vincent viel Freude. Er verbringt im Hotel eine unvergessliche Zeit, bis er einen folgenschweren Fehler begeht….

Lisa Nicol hat eine ganz besondere Art zu erzählen. Ihr lebendiger, bildhafter und humorvoller Schreibstil fesselt und lässt sich wunderbar lesen und vorlesen. So vergleicht sie Vincents Glück beispielsweise mit einem wachsenden Turm von Eiskugeln auf einer Eiswaffel und macht damit sehr deutlich, was Vincent empfindet. Sofort hatten meine Mitleser und ich das Gefühl, uns mitten in Vincents Welt zu befinden. Die Leser werden direkt angesprochen, immer wieder erwähnt die Verfasserin auch ihren Co-Autoren, der bei der Entstehung des Buches eine bedeutende Rolle spielte und dessen trauriges Schicksal uns sehr berührte.
Das farbenfrohe, etwas naive, aber sehr dekorative Titelbild, das Vincent und Florence zeigt, fällt sofort ins Auge und passt perfekt zur Geschichte.
Das Buch hat keine Bilder, die Schrift ist angenehm groß gedruckt. Die Geschichte richtet sich an Kinder ab zehn Jahren. Zum Vorlesen ist sie auch schon für jüngere Kinder geeignet.

Der elfjährige Vincent hat kein einfaches Leben. Seit sein vierjähriger Bruder Thom auf der Welt ist, dreht sich in der Familie alles nur um Thom, der nicht sprechen kann, ständig wütend ist und niemandem um sich herum richtig wahrnimmt. Vincent muss stets Rücksicht nehmen, der Junge ist außergewöhnlich emphatisch, sieht, was andere Menschen brauchen. Rupert nennt ihn einen Schuh-Schlüpfer, der in die Schuhe anderer schlüpfen kann, sich in sie hineinversetzen kann. Rupert lobt ihn: „Du spürst in deinem Herzen, warum jeder gelegentlich ein bisschen Großartigkeit braucht.“
Auch Florence weiß das, sie leitet mit elf Jahren ein Hotel, kümmert sich engagiert Tag und Nacht darum, dass dort alles rund läuft. Florence und Vincent sind zwei besondere Kinder, die schon bald eine innige Freundschaft verbindet. Im Hotel arbeiten einige weitere ungewöhnliche Charaktere wie die die tanzenden und gute Laune versprühenden Reinigungskräfte Luz und Tracee, Empfangsleiter Rupert, der stets die Ruhe und den Überblick bewahrt, oder Aufzugspianistin Zelda, die mir ihrer Musik begeistert und über ganz viel Lebenserfahrung verfügt.

Was für ein großartiges Hotel! Hier lautet das Motto: Jeder hat Großartigkeit verdient, denn „ein bisschen Großartigkeit verändert alles!“ Und was für Großartigkeiten dieses Hotel bietet: unglaubliche Zimmer, die Träume erfüllen, einen hoteleigenen Zoo voller exotischer Tiere oder die Möglichkeit, den Sternen nah zu sein, der Schwerkraft zu trotzen, zu fliegen oder für einen Augenblick wieder Kind zu sein.
Im The Grand werden Wünsche wahr. „Die meisten wählen nicht The Grand, The Grand wählt sie“ und schenkt ihnen Momente, sich großartig zu fühlen, ja großartig zu sein. Es geht dabei nicht um puren Luxus oder Reichtum, sondern um Streicheleinheiten für die Seele, um Seelenglücksmomente z.B. solchen mit Taschenhunden.
Autorin Lisa Nichols hat eine wunderbare Geschichte über Freundschaft und monumentale Momente geschrieben, ein fulminantes Fantasiefeuerwerk, ein außergewöhnliches, poetisches Märchen, das auch seinen Lesern ein großartiges Gefühl schenkt und zum Nachdenken und Philosophieren anregt.
Aber alles auf einmal zu wollen und sogar die Zukunft kontrollieren zu wollen, funktioniert nicht. Irgendwann stürzt jeder Eiskugelturm auf der Eiswaffel ein. Vincent stellt in einem ganz anderen Zusammenhang treffend fest: „Es geht nicht ums Wissen! Es geht ums Sein!“
Ein Buch wie„Charlie und die Schokoladenfabrik“, ein Buch für alle, die gerne träumen, eine Schatzkiste voller phänomenaler Einfälle, die glücklich macht und sicher lange in Erinnerung bleiben wird.

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Veröffentlicht am 28.09.2021

Turbulent, frech und sehr witzig - ein großartiges Lesevergnügen

Tschakka! – Huhn voraus
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„Hey, ist es zu fassen? Ich bin das dritte Kind meiner Eltern! Und die wissen immer noch nicht, wie man mit Kindern umgeht?! Die müssen doch mitbestimmen dürfen.“

Eigentlich sollten Sommerferien doch ...

„Hey, ist es zu fassen? Ich bin das dritte Kind meiner Eltern! Und die wissen immer noch nicht, wie man mit Kindern umgeht?! Die müssen doch mitbestimmen dürfen.“

Eigentlich sollten Sommerferien doch was Schönes sein, aber diese Sommerferien stehen unter keinem guten Stern. Tabeas geliebtes Ferienhaus am Meer soll abgerissen werden, obwohl sich Tabea keinen gemütlicheren Ort vorstellen kann. Da fällt der Urlaub dort natürlich flach. Die Familie muss zu Hause bleiben. Doch als Tabea und ihr Freund Einstein auf ein ausgebüxtes Huhn treffen, das im nächsten Moment schon wieder weg ist, beschließen sie die Verfolgung aufzunehmen und das Huhn zu retten. Aber als Superhelden: Tabea wird zu Tschakka und Einstein zu Stoneman. Und kaum starten sie mit ihrer Mission, sind die Ferien überhaupt nicht mehr langweilig, denn das Leben als Superheld ist ein einziges Abenteuer.

Autorin Mara Andreck hat einen herrlich erfrischenden, spritzig-frechen Schreibstil. Die Geschichte wird von Tabea in Ich-Form erzählt, die mit ihrem ganz besonderen Humor überzeugt. Ihre originellen Formulierungen machen Spaß, so ist Einstein beispielsweise nicht klein, sondern „auf das Wesentliche reduziert“.
Das Buch ist dank Phine Wolffs Illustrationen sehr ansprechend und motivierend gestaltet. Auf jeder Seite gibt es kleine lustige, comicartige Bilder zu bestaunen. Das kreative Layout wirkt durch Pfeile, Sprechblasen oder Auflistungen auf den ersten Blick etwas „wild“, aber sehr abwechslungsreich. Die Schrift hat einen etwas größeren Zeilenabstand. Viele Wörter sind in einer anderen Schriftart gedruckt, sie werden auf diese Weise hervorgehoben. Alle Seiten sind - wie bei Comicromanen üblich- individuell aufgemacht, keine ist wie die andere.
Kinder ab acht Jahren werden die Geschichte alleine lesen können, zum Vorlesen ist sie auch schon für jüngere Mädchen und Jungen geeignet.


Tabea alias Tschakka ist ein temperamentvolles, aufgewecktes, pfiffiges Mädchen mit einem Kopf voller Ideen. Mit den Ferienvorsätzen ihrer Familie hat Tabea so ihre Probleme, ihr Bruder Leon will fit werden und seinem Bauch dem Kampf ansagen, Schwester Feli will ihre Namen verbannen und jetzt Fee heißen, ihre Eltern wollen das alte Sofa wegschmeißen. Tabea aber mag Beständigkeit: „Wieso muss plötzlich alles weg? Erst das Ferienhaus und dann auch noch alles andere. Das ist doch magaunökologisch. Haben die noch nie was von Recycling gehört?“
Tabea möchte sogar lieber noch was dazu, einen Hund nämlich.
Auch wenn sie nicht immer einer Meinung mit ihrem besten Freund Jonas alias Einstein ist, der fast genauso klug ist wie sein Namensgeber, sind Tschakka und Stoneman ein unschlagbares Team, das tut, was getan werden muss und sogar Fieslinge wie Nachbar Luis in die Schranken weist.

Tschakkas Welt muss man einfach mögen. Da geht es ganz schön turbulent, abenteuerlich, chaotisch und alles andere als langweilig zu. Und nebenher und völlig unaufdringlich macht sich Tschakka für Natur- und Umweltschutz stark, was in ihrem Fall sogar richtig Spaß macht. Sie hat durchaus recht, wenn sie meint, dass jeder nur ein bisschen tun muss, um die Umwelt zu schützen. Wenn jeder hilft, nutzt das viel, denn die Welt ist schön und hat es verdient, geschützt zu werden. Am Ende löst sich dann meiner Meinung nach alles etwas zu flott auf.
Insgesamt aber ein witziger, kurzweiliger, höchst unterhaltsamer Lesespaß. Ich will definitiv noch mehr von Tschakka und Stoneman lesen und freue mich darauf, wenn sie wieder die Welt retten.

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Veröffentlicht am 13.09.2021

Erneutes Highlight der Reihe - interessanter Aufbau und sehr fesselnde Handlung

Das Grab in den Schären
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„Das ist das letzte Mal, wiederholte sie für sich. Morgen würde sie keinen Tropfen anrühren. Aber heute Abend brauchte sie das.“

Während der Bauarbeiten für neue Sommerhäuser werden auf der Schäreninsel ...

„Das ist das letzte Mal, wiederholte sie für sich. Morgen würde sie keinen Tropfen anrühren. Aber heute Abend brauchte sie das.“

Während der Bauarbeiten für neue Sommerhäuser werden auf der Schäreninsel Telegrafholmen menschliche Überreste gefunden. Thomas Andreasson und sein Team übernehmen die Ermittlungen. Vor zehn Jahren wurden gleich zwei Personen aus Sandhamn, der nächstgelegenen bewohnten Insel, als vermisst gemeldet: die siebzehnjährige Astrid und die 35-jährige Gemeindesekretärin Siri. Doch welche der beiden Frauen ist die Leiche?
Thomas beste Freundin Staatsanwältin Nora Linde, seit ihrem letzten Fall krankgeschrieben, macht sich selbst für das Verschwinden einer jungen Mutter und ihres Sohns verantwortlich. Als sie erfährt, dass ihre frühere Babysitterin Astrid möglicherweise die unbekannte Tote sein könnte, beginnt sie auf eigene Faust zu ermitteln und bringt sich und Thomas damit gewaltig in die Bredouille.

Viveca Sten schreibt wie gewohnt leicht verständlich und unkompliziert, ihr Sprachstil ist angenehm flüssig zu lesen. Die Autorin erzählt aus verschiedenen Perspektiven, arbeitet Rückblenden in ihre Geschichte mit ein. So schildert sie die aktuellen Ermittlungen, nimmt aber auch die Sichtweise der potentiellen Mordopfer Siri und Astrid kurz vor ihrem Verschwinden ein und macht dabei deutlich, welche Entwicklungen zum Verschwinden der Frauen beigetragen haben. Bis zum Ende ist nicht klar, welche Aspekte tatsächlich relevant für den Fall sind und wer die Leiche wirklich ist. Die Kapitel sind sehr kurz, die Erzählstränge werden immer wieder unterbrochen, was die Geschichte noch spannender macht.

Dies ist der zehnte Fall von Thomas Andreasson und Nora Linde. Die Figuren sind mir mittlerweile so vertraut, als kenne ich sie persönlich. Daher hat mich Noras Verhalten in diesem Band nicht kaltgelassen. Nora Linde ist bekannt für ihre Neugier und ihre Hartnäckigkeit. Sie mischt sich in Dinge ein, die sie nichts angehen, bringt sich dabei immer wieder in Gefahr. Am Ende hat sie aber oft den richtigen Riecher. Im neuesten Band ist sie von zurückliegenden Erfahrungen traumatisiert, wirkt „getrieben“. Sie macht sich gar strafbar, weil sie ihre eigenen Schuldgefühle nicht loswird: „Keiner mochte sie mehr, nicht einmal sie selbst. Was hatte sie nur angerichtet?“ Auch wenn Nora nicht zurechnungsfähig scheint - sie sucht immer wieder Trost im Alkohol - hatte ich häufig den Impuls, sie zu „schütteln“, ihr Grenzen zu setzen, ihr ins Gewissen zu reden. Ein eindeutiger Beweis dafür, wie mitreißend und lebendig Sten ihre Charaktere gestaltet. Thomas, der schon immer zurückhaltender und rationaler agiert als Nora, hat diesmal alle Hände voll zu tun, Noras Fehltritte zu verwischen. Auch er hat nach der Trennung von Pernilla mit privaten Herausforderungen zu kämpfen und eigentlich auch ohne Noras Verfehlungen genug zu tun.

Ich gestehe, ich bin süchtig nach dieser Krimi-Serie. Und nachdem ich „Das Grab in den Schären“ gelesen habe, weiß ich wieder genau warum. Auch wenn es sonst auf Sandham eher beschaulich, und recht ruhig zugeht, ist dieser Fall dermaßen spannend aufgebaut, dass ich sofort von der Geschichte gefesselt war, den Dingen unbedingt auf den Grund gehen und erfahren wollte, wie alles zusammenhängt. Das „Puzzle“ musste einfach zu Ende gepuzzelt werden, damit letztendlich alles einen Sinn ergibt. Zudem habe ich die Figuren mittlerweile so lange begleitet, dass ich mehr als neugierig bin, wie es mit ihnen weitergeht, wie sie sich beruflich und vor allem privat entwickeln. Natürlich spricht mich als Skandinavienfan auch der besondere, idyllische Schauplatz der Reihe an. „Das Grab in den Schären“ ist für mich eine perfekt gelungene Fortsetzung, ein sehr stimmig und interessant konstruierter klassischer Krimi, der von Anfang an packt. Ein weiteres Highlight einer uneingeschränkt lesenswerten Reihe.

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