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Veröffentlicht am 26.11.2021

Eine (wage-)mutige junge Frau

Die Übersetzerin
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Die jüdischstämmige Hedy ist auf der Flucht vor den Nationalsozialisten auf der Kanalinsel Jersey gelandet, die bald aber auch von den Deutschen besetzt wird. Aus Mangel an Alternativen tritt sie ausgerechnet ...

Die jüdischstämmige Hedy ist auf der Flucht vor den Nationalsozialisten auf der Kanalinsel Jersey gelandet, die bald aber auch von den Deutschen besetzt wird. Aus Mangel an Alternativen tritt sie ausgerechnet bei den deutschen Besatzern eine Stelle als Übersetzerin an, da sie Deutsch und Englisch fließend beherrscht. Sie nutzt diese Stelle aber nicht nur, um für sich genug zum Überleben zu haben, sondern hilft auch anderen, indem sie Dinge für sie abzweigt. Ihre jüdische Herkunft ist den meisten zunächst nicht bekannt. Auch nicht dem deutschen Soldaten Kurt, der sich auf den ersten Blick in sie verliebt. Im Laufe der Zeit gerät sie dann aber doch immer mehr in Gefahr.

Ich fand es sehr interessant, durch die Lektüre des Romans mehr über Jersey und die Zeit des Nationalsozialismus auf dieser Insel zu erfahren, da mir gar nicht so recht bewusst war, dass auch diese von den Nationalsozialisten besetzt wurde. Im Roman wird sehr anschaulich geschildert, welche Folgen die Besatzung für die Einheimischen und gar für die jüdischstämmigen Menschen dort hatte. Die Protagonistin Hedy ist mir auf jeden Fall sehr sympathisch, wie sie mit ihrer Situation umgeht und auch Kurt mag ich sehr gerne, da er kein Mitläufer war und Mensch geblieben ist. Der Schreibstil des Romans ist sehr anschaulich und gut lesbar.

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Veröffentlicht am 11.10.2021

Die ereignisreichen Jahre zwischen den Kriegen

Kinderklinik Weißensee – Jahre der Hoffnung (Die Kinderärztin 2)
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Bei "Kinderklinik Weißensee - Jahre der Hoffnung" handelt es sich um den zweiten Band einer Reihe um eine der ersten Kinderkliniken Deutschlands, am Stadtrand von Berlin. Den ersten Teil, der vor etwa ...

Bei "Kinderklinik Weißensee - Jahre der Hoffnung" handelt es sich um den zweiten Band einer Reihe um eine der ersten Kinderkliniken Deutschlands, am Stadtrand von Berlin. Den ersten Teil, der vor etwa einem Jahr erschien, habe ich verschlungen, sodass ich das Erscheinen des zweiten Teils herbeigesehnt habe.

Die Covergestaltung des neuen Bandes ähnelt der des Vorgängers sehr und passt dadurch sehr gut zu einem historischen Roman mit dieser Thematik.

Die Handlung beginnt diesmal im Jahr 1918, als der Erste Weltkrieg gerade zu Ende ist und es kommt zu einem Wiedersehen mit vielen alten Bekannten, die nun aber einige Jahre älter geworden sind, allen voran den Lindow-Schwestern, die im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Marlene hat ihr Studium der Pädiatrie abgeschlossen und leistet nun ein einjähriges Praktikum an der Kinderklinik ab. Frauen sind im Arztberuf aber von vielen nicht gern gesehen. Ihr Verlobter Maximilian ist zwar unverletzt aus dem Krieg heimgekehrt, ist aber ein anderer Mensch geworden, was die Beziehung schwer belastet. Ihre Schwester Emma hat ihren Sohn Theo, das Ergebnis einer kurzen Affäre, unehelich bekommen, kann aber glücklicherweise weiter als Kinderkrankenschwester arbeiten. Schon kurz nach dem Elend des Krieges breitet sich auch noch die Spanische Grippe in Berlin aus und macht allen in der Klinik schwer zu schaffen.

Mir hat auch dieser 2. Teil sehr gut gefallen. Ich mag Romane, die sich mit der jüngeren deutschen Vergangenheit beschäftigen und die Entwicklungen und Fortschritte in der Medizin, sowie die Situation der Frauen finde ich besonders interessant. Der Autorin gelingt es, mit ihrem Erzählstil zu fesseln, sodass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Zudem sind mir die beiden Lindow-Schwestern sehr an Herz gewachsen, da sie eine sehr sympathische Art haben und nun etwas reifer geworden sind, aber weiter für das kämpfen, was ihnen am Herzen liegt. Auch viele weitere liebgewonnene Charaktere aus dem ersten Teil, tauchen wieder auf. Die historischen und medizinischen Fakten wirken gut recherchiert und teilweise trägt der typische Berliner Chargon zu Authentizität und Lokalkolorit bei. Die Kapitelüberschriften erleichtern die zeitliche Orientierung, was ich auch immer recht hilfreich finde.

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Veröffentlicht am 11.10.2021

Eine Fälscherin im Dienste der Résistance

Das Buch der verschollenen Namen
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Der jüdischen Studentin Eva Abrams gelingt 1942 nur sehr knapp zusammen mit ihrer Mutter die Flucht aus Paris, nachdem ihr Vater als polnischer Jude, verhaftet wurde. Die beiden Frauen findet Zuflucht ...


Der jüdischen Studentin Eva Abrams gelingt 1942 nur sehr knapp zusammen mit ihrer Mutter die Flucht aus Paris, nachdem ihr Vater als polnischer Jude, verhaftet wurde. Die beiden Frauen findet Zuflucht im kleinen Bergdorf Aurignon in der unbesetzten Zone, wo viele Bewohner, unter anderem auch der katholische Priester und ihre Pensionswirtin in der Résistance engagieren und Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt werden, einen Unterschlupf bieten und ihnen zu einer neuen Identität verhelfen. Dort lernt Eva auch bald den jungen Widerstandskämpfer Rémy kennen, zu dem sie sich hingezogen fühlt. Durch ihr künstlerisches Talent kann Eva bald einen wertvollen Beitrag beim Anfertigen neuer Papiere in der kleinen Fälscherwerkstatt in der katholischen Kirche leisten. Besonders die Schicksale der vielen jüdischen Kinder, die mit Hilfe einer neuen Identität ohne ihre Eltern flüchten müssen, lassen sie nicht los und sie sucht nach einem Weg, deren wahre Identität für eine Zeit nach dem Krieg bewahren, ohne die Kinder einer Gefahr auszusetzen. Zusammen mit Rémy fertigt sie verschlüsselte Aufzeichnungen an: das Buch der verschollenen Namen. Aber auch Eva und Rémy verlieren sich durch ihre Tätigkeit immer wieder aus den Augen und geraten auch in Lebensgefahr.

Ich fand die Lektüre des Romans sehr interessant, da ich aus der Perspektive Evas viel über die Arbeit der Résistance aus nächster Nähe erfahren habe, wie sie vorgegangen sind, um das Leben von Menschen zu retten, die sie gar nicht kannten. Es ist gut, dass diesen Menschen, die damals so viel für andere riskiert haben, auch heute noch Aufmerksamkeit geschenkt wird. Eva ist mir als Protagonistin sehr sympathisch. Der Roman spielt weitgehend während des Zweiten Weltkrieges in Frankreich, einige wenige Passagen aber auch im Jahr 2005, als Eva eine alte Frau ist, die nie mit der Vergangenheit abschließen konnte. Der Schreibstil der Autorin ist sehr anschaulich, fesselnd und gut lesbar, die Spannung, wie alles ausgeht und wer wirklich zu den "Guten" gehörte, blieb lange erhalten.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

Eine große Freundschaft, ein schmerzhafter Verlust und die Auseinandersetzung mit der Schuld

Der Mauersegler
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Der Arzt Prometheus, sein erster Vorname ist eigentlich Marvin, ist seit seiner Kindheit mit Jakob befreundet. Dieser ist glücklich verheiratet, hat einen kleinen Jungen und seine Frau ist zum zweiten ...

Der Arzt Prometheus, sein erster Vorname ist eigentlich Marvin, ist seit seiner Kindheit mit Jakob befreundet. Dieser ist glücklich verheiratet, hat einen kleinen Jungen und seine Frau ist zum zweiten Mal schwanger, als bei ihm Blasenkrebs mit Metastasen diagnostiziert wird. Da Prometheus gerade eine medizinische Studie zur Immuntherapie als Alternative zur Chemotherapie bei Blasenkrebs leitet, bedrängen ihn Jakob und dessen Familie, ihn mit in diese Studie aufzunehmen und Prometheus gibt, trotz Skrupeln wegen der großen Verantwortung für das Leben seines besten Freundes, nach. Doch die Therapie schlägt nicht wie gewünscht an und Jakob stirbt, was nun vielleicht Prometheus Schuld ist. Er flüchtet vor seiner und Jakobs Familie und der Polizei ohne konkretes Ziel ans Meer nach Dänemark, wo ein älteres lesbisches Paar ihn in einer Notsituation aufsammelt und erst einmal bei sich aufnimmt.

Der neue Roman von Jasmin Schreiber ist definitiv keine leichte Kost. Er verdeutlicht auf brutalste Art und Weise, wie der Krebs Menschen, die mitten im Leben stehen, trifft und dass die Wahl der richtigen Therapie oft wie Russisch Roulette ist, auch wenn alle nur das Beste wollen. Jasmin Schreiber gelingt es mit ihrer sprachgewaltigen Ausdrucksweise wieder, die richtigen Metaphern (auch der namensgebende Mauersegler spielt dabei eine Rolle) und Vergleiche zu finden, um zumindest ansatzweise zu verdeutlichen, wie Prometheus sich fühlt, wie er mit sich und seiner Schuld hadert. Auf verschiedenen Zeitebenen werden im Wechsel die "Krankengeschichte" bis zu Jakobs Tod, Prometheus Flucht und schöne Erinnerungen an früher, die verdeutlichen, wie groß die Freundschaft der beiden war, erzählt. Es ist auf jeden Fall ein wichtiges und lesenswertes Buch, das bleibenden Eindruck hinterlässt.

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Veröffentlicht am 12.08.2021

Wehret den Anfängen

Heimatsterben
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"Heimatsterben" spielt in naher Zukunft, im Jahr 2023. Hanna Ahrens, Ende 30, lebt in New York und arbeitet dort als Journalistin, als sie erfährt, dass ihre Oma Tilde in Deutschland im Sterben liegt. ...

"Heimatsterben" spielt in naher Zukunft, im Jahr 2023. Hanna Ahrens, Ende 30, lebt in New York und arbeitet dort als Journalistin, als sie erfährt, dass ihre Oma Tilde in Deutschland im Sterben liegt. Sie verspricht Tilde, besonders auf ihre Schwester Trixie aufzupassen. Deren Mann Felix Graf von Altdorff ist Kanzlerkandidat einer nationalistischen Partei, deren Mitbegründer er war. Dafür hatte er quasi auch den "Segen" von Tilde, bei der seine Frau Trixie und Hanna aufwuchsen. Obwohl Hanna sich immer sehr gut mit ihrer Oma verstand, hatte diese in vielen Bereichen nämlich ebenfalls sehr konservative Ansichten, geprägt durch ihre Kriegs- und Fluchterfahrung. Überraschend bittet Felix die eigentlich liberal und pro-europäisch eingestellte Hanna dann auch noch, ihn bei seiner politischen Arbeit zu unterstützen. So ist Hanna hin- und hergerissen zwischen ihren eigenen Werten und dem Versprechen am Sterbebett ihrer Großmutter.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Obwohl die Geschichte fiktiv ist und die Handlung ins Jahr 2023 verlegt wurde, weist sie dennoch erschreckend viele Bezüge zur aktuellen politischen Situation auf und vieles erscheint nicht komplett unrealistisch. In Hanna als Protagonistin mit ihrer Zerissenheit zwischen ihrer Familie und ihren eigenen Idealen kann ich mich sehr gut hineinversetzen und auch die weiteren Charaktere wurden überzeugend ausgestaltet und in manch einer Person erkennt man Züge von Menschen aus dem eigenen persönlichen Umfeld oder der Politik wieder. Der Roman macht auf eine erschreckende Weise deutlich, wie schnell der Wahlerfolg einer nationalistischen Partei, die sich nach außen hin den Anschein gibt, demokratisch zu sein und deren Führungsriege vielleicht nicht einmal komplett unsympathisch ist, dazu führen kann, dass Grundrechte nicht mehr gelten. Der Titel des Roman ist sehr passend gewählt und auch der Sinn der Covergestaltung erschließt sich im Rahmen der Lektüre. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar und fesselnd.

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