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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.04.2024

Intensiv und fesselnd

Geordnete Verhältnisse
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Philipp und Faina sind, seit Faina als Kind mit ihrer Familie aus der Ukraine nach Deutschland gekommen ist, die besten Freunde. Diese Freundschaft wandelt sich im Laufe des Buches und mündet in einer ...

Philipp und Faina sind, seit Faina als Kind mit ihrer Familie aus der Ukraine nach Deutschland gekommen ist, die besten Freunde. Diese Freundschaft wandelt sich im Laufe des Buches und mündet in einer absoluten Abhängigkeit und Toxizität, die ihresgleichen sucht.

Diese Geschichte ist einfach krass. Für mich trifft es das ziemlich genau, weil es vor Extremen strotzt und es mich als Leserin fassungs- und nahezu sprachlos zurücklässt. Das Buch führt uns in die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche und da das Setting das Ganze so nahe an mich heranbringt (Philipp und ich haben im gleichen Jahr Abi gemacht und deutsche Systeme und Denkweisen werden sehr authentisch wiedergegeben) ist es unglaublich bedrückend.

Die Erzählung jeweils aus Sicht von Philipp und Faina ist sehr sehr gut gelungen. Ich habe die ganze Zeit versucht zu verstehen wie es zu solch einer Eskalation kommen könnte, dass es dazu kommt ahnt man von Anfang an. Philipp wird durch seinen POV nicht sympathischer und diese Erzählsicht hat auch nicht das Ziel sein Handeln zu entschuldigen. Vielmehr bringt es eine unglaubliche Intensität und Grausamkeit in die Erzählung.
Wenn man eine Triggerwarnung aussprechen wollen würde, würde diese wahrscheinlich die gesamte erste Seite des Buches einnehmen, daher sollte man vor dieser Lektüre einfach wissen, dass man sich auf richtig harte Kost einlässt, die allerdings so wahnsinnig gut erzählt wird, dass man gleichzeit schreien und weinen will. Mich beschäftigt die Geschichte seit Tagen und das wird sicherlich auch noch eine Zeit so bleiben.

Veröffentlicht am 27.04.2024

Typisch britischer Cosy Crime, tolle Atmosphäre

Der falsche Vogel
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Arthur Crockleford, seines Zeichens Antiquitätenhändler, wird in seinem Laden ermordet. Da er geahnt hat, dass es so weit kommen würde, hat er seiner Freundin Carole und deren Nichte Freya (die gleichzeitig ...

Arthur Crockleford, seines Zeichens Antiquitätenhändler, wird in seinem Laden ermordet. Da er geahnt hat, dass es so weit kommen würde, hat er seiner Freundin Carole und deren Nichte Freya (die gleichzeitig auch früher Arthurs Partnerin im Antiquitätenhandel war) einige Hinweise auf den Täter hinterlassen. Obwohl Arthur und Freya seit Jahren, aufgrund eines weitreichenden Vorfalls in Kairo, getrennte Wege gehen, beginnt sie mit Carole den Spuren zu folgen.

Das Setting ist zum Verlieben. Man fühlt sich augenblicklich in England, mit süßen Cottages und kleinen Tearooms. Der Hauptteil des Buches spielt allerdings in einem alten Herrenhaus, das natürlich vor meinem inneren Auge von jemandem wie Mr Darcy bewohnt wird, der mir jederzeit eine Tasse Tee anbieten möchte. Ganz so idyllisch ist es leider nicht, denn schließlich erwarten Freya und Carole in ebendiesem Manor House den Mörder von Arthur zu begegnen und natürlich kommt es unweigerlich zum Showdown. Carole und Freya sind sehr liebenswert. Bei den anderen Protagonisten hatte ich gemischte Gefühle und wer zu „den Guten“ gehört war auch sehr schnell klar, aber die Auflösung hat mich dann doch überrascht.

Mir hat die Atmosphäre wahnsinnig gut gefallen, allerdings hätte ich mir einen Hauch mehr Hintergrund zu verschiedenen Antiquitäten erwartet. Die Geschichte fokussiert sich letztendlich nur auf eine, eben besagten „falschen Vogel“, wodurch man das Buch zwar mit neugewonnenem Wissen zuschlägt, aber etwas beschränkter, als ich es mir erhofft habe. Aber das ist auch der einzige mini Kritikpunkt. Mir hat es sehr gut gefallen und ich empfehle es gerne an Fans eines soliden britischen Krimis.

Veröffentlicht am 20.04.2024

Intensive Familiengeschichte mit Sogwirkung

Treibgut
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Adam Gardener, PhD, renommierter Walforscher, hat, nach dem Tod seiner Frau bei der Geburt der gemeinsamen Tochter Abby, seine beiden Kinder alleine großziehen müssen. Als sein 70er Geburtstag vor der ...

Adam Gardener, PhD, renommierter Walforscher, hat, nach dem Tod seiner Frau bei der Geburt der gemeinsamen Tochter Abby, seine beiden Kinder alleine großziehen müssen. Als sein 70er Geburtstag vor der Tür steht, will er der Wissenschaftswelt beweisen, dass er es noch drauf hat. Er setzt die Medikamente, die er aufgrund seiner manisch-depressiven Störung nimmt, ab, um seinem Genie freien Lauf zu lassen. Doch das ist nicht das einzige Geheimnis, das sich bis zu seiner großen Geburtstagsfeier Bahn bricht.

De facto ist es eine Geschichte über die beiden Kinder Adams, Abby und Ken, die unter der psychischen Erkrankung ihres Vaters und dem Tod ihrer Mutter eine große Last auf ihren Schultern tragen. Dass diese erst Jahrzehnte später überhaupt einmal von den beiden aufgearbeitet wird, zeigt schon, welche Explosionsgefahr sich dahinter verbirgt. Das Unheil schaukelt sich von Seite zu Seite herauf, bis an Adams Geburtstag alles auf dem Tisch liegt und klar ist, dass es nicht mehr so weiter gehen kann wie zuvor.

Diese Entwicklung ist unglaublich spannend anzusehen. Ich war davon gefesselt und bin durch die Seiten geflogen. Besonders gut hat mir gefallen, dass die weiblichen Protagonistinnen hier besonders stark herausgearbeitet sind, während die Herren der Schöpfung eher unangenehm auffallen. Die Persönlichkeiten der Männer sind durch die Krankheit (Adam) und das Kindheitstrauma (Ken) bestimmt, wodurch ich zwar Verständnis für die beiden hatte, sie aber dennoch unsympathisch sind. Ich denke hier wurde ganz bewusst der Fokus auf die Frauen gelegt, da jede von ihnen auch ihr Päckchen mit sich trägt, sie aber gefestigt und vor allem durch ihren internen Zusammenhalt viel besser mit den Widrigkeiten des Lebens klarkommen und sogar gestärkt aus ihnen hervorgehen.

Von mir gibt es definitiv eine große Leseempfehlung für Liebhaber von feministischen, tiefgründigen Familiengeschichten!

Veröffentlicht am 16.04.2024

Coming-of-Age meets Comedy - grandios gut!

Zierfische in Händen von Idioten
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Es ist 1996 und es sind Sommerferien. Und vier Freunde, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer, dass sie nicht gerade die Beliebtesten und Coolsten in ihrer Schule sind, brechen aus ...

Es ist 1996 und es sind Sommerferien. Und vier Freunde, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer, dass sie nicht gerade die Beliebtesten und Coolsten in ihrer Schule sind, brechen aus einer Kurzschlussreaktion heraus auf zum Roadtrip ihres Lebens.

1996 war ich gerade einmal 8 Jahre alt und damit 10 Jahre jünger als die Hauptprotagonistin. Das Feeling aber, das man beim Lesen hat, versetzt einen schlagartig zurück in diese Zeit und in die eigene Jugend. Als ich dann 18 war, hatten viele meiner Freunde einen Golf Bon Jovi - Edition, die Lieder von ihm hat man auch noch gehört, Macarena konnte ich ebenfalls tanzen (ja, okay, ich kann es immer noch…) und das erste, was mein Bruder und ich uns im Holland-Urlaub im Supermarkt ausgesucht haben, war Hagelslag.
Kommt dir alles auch irgendwie bekannt vor und du hast gleich Kopfkino? Dann ist dieses Buch genau das Richtige für dich!

Ich habe mich in einer Minute beömmelt vor Lachen und im nächsten Moment bleibt dir ebendieses Lachen im Hals stecken. Dieser Balanceact zwischen ernster und berührender Coming-of-Age Geschichte und Komik ist unfassbar gut gelungen, eben weil ich mich in einigen Situationen wieder erkannt habe.
Ich will gar nicht mehr über die Geschichte verraten, weil die Situationen, in die die vier hineingeraten, viel über Emotionen und Situationskomik funktionieren, die man nicht mal eben so zusammenfassen oder nacherzählen kann. Da hilft nur eines: selbst lesen und zwar unbedingt! Große Leseempfehlung!

PS. Wer, wie ich, aus Sorge um die Titel-gebenden Zierfische aka Seepferdchen zögert zum Buch zu greifen, kann unbekümmert sein!

Veröffentlicht am 16.04.2024

Große Italien-Liebe zwischen zwei Buchdeckeln

Nostalgia Siciliana
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Tita reist, nachdem sie der Heimat ihres Vaters über 20 Jahre lang den Rücken gekehrt hat, nach Sizilien. Ihr Onkel ist verstorben und nun soll der Landsitz der Familie verkauft werden. Doch Tita verliebt ...

Tita reist, nachdem sie der Heimat ihres Vaters über 20 Jahre lang den Rücken gekehrt hat, nach Sizilien. Ihr Onkel ist verstorben und nun soll der Landsitz der Familie verkauft werden. Doch Tita verliebt sich neu in diesen Ort und alte Erinnerungen an ihren Vater Gianni keimen wieder auf.

Auch wenn man denken könnte hier wird Titas Geschichte erzählt, handelt es sich hier um eine Erzählung über Titas Vater Gianni. Wie er als junger Mann aus ärmlichen Verhältnissen Priester werden sollte, dann aber Sizilien verlassen und im Deutschland der 60er Jahre als Gastarbeiter sein Glück gesucht hat. Wie er dort eine Familie gegründet und ein Tiefkühlpizza Unternehmen aufgebaut und mehrere Restaurants geführt hat.
Das alles wird auf eine extrem liebevolle und träumerische Art erzählt. Bei der Beschreibung Siziliens und der Lebensart dort kommt man nicht umhin sich die Frage zu stellen, warum Gianni und später auch Tita sich von diesem (scheinbaren) Sehnsuchtsort abgewendet haben. Doch Stück für Stück werden Licht und Schatten des Lebens auf Insel so zärtlich aufgedröselt, dass man Entscheidungen und Gedanken der Protagonisten nachfühlen kann. Man leidet und man träumt mit ihnen während man die salzige Brise des Meeres und den Duft der Orangenblüten in der Nase hat.

Das Buch lebt von der Atmosphäre und den, manchmal auch etwas übers Ziel hinausschießenden und abschweifenden, Details. Wer sich also gerne in die Welt Siziliens und die der 60er Jahre entführen lassen möchte, der ist hier genau richtig.
Und dreimal dürft ihr raten, wer sich, kaum das Buch beendet, eine Bougainvillea für das Sizilien-Feeling at home gekauft hat…