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Veröffentlicht am 04.05.2021

Die Suche nach der Gerechtigkeit – grotesk und moralisch

Der Verdacht
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Tiefgründige Fortsetzung von „Der Richter und sein Henker“
Einige Tage nach den Ereignissen aus „Der Richter und sein Henker“ unterzieht sich Kommisär Bärlach einer schweren Magen-OP. Seine Zeit läuft ...

Tiefgründige Fortsetzung von „Der Richter und sein Henker“
Einige Tage nach den Ereignissen aus „Der Richter und sein Henker“ unterzieht sich Kommisär Bärlach einer schweren Magen-OP. Seine Zeit läuft ab, er steht vor seiner Pensionierung und die Ärzte geben ihm noch ein Jahr. Da sieht er in einer Zeitschrift das Foto eines berüchtigten NS-Arztes, der im Konzentrationslager Stutthof Menschen ohne Narkose operierte. Als sein behandelnder Arzt in diesem Arzt den Leiter der Privatklinik „Sonnenschein“ zu erkennen meint, reift in Bärlach ein Verdacht, der ihn nicht mehr loslässt. Als Bärlach sich unter falschen Namen in der Privatklinik einliefern lässt, sieht er zwar in seinen Verdacht bestätigt, doch entgleitet ihm die Situation völlig.
Auch wenn es sich dem Titel nach um einen Kriminalroman handelt, so ist die Ermittlungsarbeit und die Suche nach dem Täter nur die Grundlage für eine moralische-philosophische Betrachtung des Themas Gerechtigkeit. Will Bärlach als Vertreter der Gerechtigkeit mit christlichen moralischen Grundsätzen den NS-Arzt für seine grausamen Verbrechen bestrafen, so muss er bald seine Unterlegenheit erkennen. Zum einen hindert ihn seine körperliche Schwäche, doch vor allem ist Bärlach moralische Philosophie der materialistisch-nihilistischen Weltanschauung unterlegen. Eine Herstellung der Gerechtigkeit scheint nicht mehr möglich (darin gleicht der Roman dem Vorgängerroman).
Noch viel mehr als der Vorgängerroman werden die philosophischen Fragen in den Mittelpunkt gestellt. Die Rechtfertigung des NS-Arztes für seine grausamen Verbrechen ist erschreckend, vor allem im Kontrast des unterlegenen Bärlachs, dessen Zeit abläuft – eine tickende Uhr zeigt das. Und auch hier zeigt Dürrenmatt, dass der Kriminalroman und die Figur des Detektivs überkommen ist.
Ein nicht leicht zu lesender Roman, der aber durch seinen Zynismus, das Groteske und die tiefe Charakterisierung der Personen zu einem philosophischen Genuss wird. Aber definitiv kein Roman für zwischendurch.

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Veröffentlicht am 18.01.2021

Mord in Oxford - spannende Lehrstunde zu Lewis Carroll

Der Fall Alice im Wunderland
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Der Krimi „Der Fall Alice im Wunderland“ ist der zweite Band mit dem Oxforder Logik-Professor Arthur Seldom und seinem argentinische Mathematik-Doktoranden.
Die ehrwürdige Lewis-Carroll-Bruderschaft ist ...

Der Krimi „Der Fall Alice im Wunderland“ ist der zweite Band mit dem Oxforder Logik-Professor Arthur Seldom und seinem argentinische Mathematik-Doktoranden.
Die ehrwürdige Lewis-Carroll-Bruderschaft ist einer Sensation auf der Spur. Eine verschollene Seite aus Lewis Carrolls Tagebüchern soll aufgetaucht sein. Ihr Inhalt könnte ein völlig neues Licht auf Carrolls mutmaßlicher Pädophilie und sein Verhältnis zu Alice und ihrer Familie werfen. Doch bevor der Inhalt bekannt wird, geschieht ein Mordversuch, und bei diesem soll es nicht bleiben.
Guillermo Martinez hat auf der Grundlage der Forschung um Lewis Carrolls Tagebücher und seine mutmaßliche Pädophilie einen gut recherchierten und spannenden Krimi geschrieben. Die Ereignisse um Carrolls Tagebücher haben größtenteils realen Hintergrund, in dem sich die Krimi-Handlung wunderbar einfügt. Mich hat das Thema auch dazu veranlasst, selber mehr über Carrolls Tagebücher zu erfahren. Vieles an diesem 1994 spielenden Krimi erinnert an das Flair der Sherlock-Holmes-Romane, besonders wenn die (so nicht real existierende) Lewis-Carroll-Bruderschaft handelt. Aktionreich ist das alles nicht, aber dennoch steigert sich die Spannung in der zweiten Hälfte beträchtlich (während der ersten Hälfte manchmal etwas das Tempo fehlt). Die Personen werden charakterlich anschaulich dargestellt, ihre Motive zu handeln sind gut nachzuvollziehen. Auch sind die meisten Figuren nicht einfach nur gut oder böse, so dass man mit den meisten auch immer wieder Sympathie oder auch Abneigung empfindet.
Mir hat die Mischung aus Krimi und Literaturforschung sehr gut gefallen, auch einige Ausflüge in den Bereich der Mathematik hat Martinez ohne groß zu belehren gut eingefügt (mir persönlich gefällt der Exkurs zu Andrew Wiles‘ Beweis der Fermatschen Vermutung sehr gut).
Der Hörbuchsprecher Sascha Tschorn macht seine Sache ordentlich. Man kann ihm gut zuhören, jedoch wäre bei der großen Anzahl an Personen manchmal etwas mehr stimmliche Abwechslung gut gewesen. Dennoch macht das Hören Spass, besonders in der zweiten Hälfte, wenn das Tempo schneller wird. Ein guter, etwas anspruchsvollerer Krimi, der gut unterhält und auch informiert.

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Veröffentlicht am 15.11.2020

Spannender Thriller zum Thema Gewalt

Der Heimweg
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Jules Tannberg sitzt am Begleittelefon, ein Service für Frauen die nachts auf ihrem Heimweg Angst bekommen und eine beruhigende Stimme zur Sicherheit brauchen. Er telefoniert mit Klara, einer verstörten ...

Jules Tannberg sitzt am Begleittelefon, ein Service für Frauen die nachts auf ihrem Heimweg Angst bekommen und eine beruhigende Stimme zur Sicherheit brauchen. Er telefoniert mit Klara, einer verstörten jungen Frau, die auf der Flucht ist, vor ihrem brutalem Ehemann und einem psychotischen Killer, der sie vor einiger Zeit schon einmal überfallen und mit Blut ein Datum an ihre Schlafzimmerwand gemalt hat: Das Datum ihres Todestages, und dieser Tag hat gerade begonnen …
Sebastian Fitzek hat mit „Der Heimweg“ wieder einen spannenden Pageturner geschrieben, den man wegen seiner kurzen Kapitel und den vielen Cliffhangern nur schwer aus der Hand legen kann. Die vielen Wendungen in der Geschichte, bis man nicht mehr weiß, was Wahrheit und was Wahn ist, führen zwar (man möchte bei Fitzek fast sagen: natürlich) dazu, dass die Handlung oftmals sehr überzogen wirkt, aber wie sich am Ende die beim Lesen entstandenen Fragezeichen (meistens) auflösen, ist schon beeindruckend und ist sehr unterhaltsam.
Dieses Mal hat Fitzek sich des Themas „Gewalt“ angenommen, vornehmlich um die Gewalt gegenüber Frauen und in der Familie. Das ist zuweilen schon harte Kost, was Fitzek hier bietet, lässt einen aber auch vielleicht mal über die realen Hintergründe nachdenken. Zum Beispiel, was die Gewalt mit den Opfern macht (und auch mit den Tätern).
Recht nett liest sich auch, Fitzeks kurzes Nachwort zu diesem Roman, warum er immer über Gewalt schreibt

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Veröffentlicht am 29.08.2023

Spannendes Finale, aber FORTSETZUNG FOLGT …

Die Maske der Gewalt
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Der Zirkus auf dem Cover führt den Leser gleich in die Lebenswelt des Protagonisten Richard Schwarz ein. Seine Vorgeschichte nimmt einen breiten Raum ein, ja wirkt teilweise zu dominant, ergibt bald aber ...

Der Zirkus auf dem Cover führt den Leser gleich in die Lebenswelt des Protagonisten Richard Schwarz ein. Seine Vorgeschichte nimmt einen breiten Raum ein, ja wirkt teilweise zu dominant, ergibt bald aber ein stimmiges Gesamtbild, was sich gut in die Handlung einfügt.
Ein Frauenmörder führt Richard Schwarz von München nach Wien. Schnell weisen die Indizien auf einen Serienkiller hin. Doch mitten in den Ermittlungen muss Schwarz zurück nach München, da seine Schwester in Gefahr schwebt. Und gerade jetzt taucht eine Zeugin auf, die glaubt, den Täter zu kennen.
Jennifer B. Wind hat einen faszinierende, spannungsgeladenen und anschaulichen Schreibstil, der den Leser schnell in die Handlung hineinzieht, besonders die Lebensgeschichte von Richard Schwarz hat eine explosive Spannung in sich. Leider sind die beiden Handlungsstränge (Serienmörder und Schwester) größtenteils nicht parallel, sondern getrennt voneinander erzählt, so dass die Spannung bei der Suche nach den Serienmörder recht abrupt abreißt und erst am Ende wieder aufgenommen wird. Das Ende bietet dann ein spannendes Finale, wenn die Auflösung vielleicht auch etwas schnell daherkommt.
Ein Cliffhanger wirft dann allerdings einige offene Fragen auf und führt den Leser damit direkt zu Band 2 „Die Maske der Schuld“ – Man darf gespannt sein.

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Veröffentlicht am 08.07.2023

Gut recherchierte Mischung aus Roman und Kriminalbericht

Fantom
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Ein Mann, der sich Roy Clark nennt, erpresst die Bundesbahn und verübt Anschläge. Gleichzeitig verübt eine Frau, die die Presse die Banklady nennt, mit einem Komplizen mehrere Banküberfälle.
Der Autor ...

Ein Mann, der sich Roy Clark nennt, erpresst die Bundesbahn und verübt Anschläge. Gleichzeitig verübt eine Frau, die die Presse die Banklady nennt, mit einem Komplizen mehrere Banküberfälle.
Der Autor Jürgen Ehlers hat die Hintergründe zweier deutscher Kriminalfälle aus den Jahren 1966/1967 detailreich recherchiert und mit fiktiven Elementen zu einem interessanten Kriminalroman, der manchmal an einen Polizeibericht erinnert, zusammengefügt. Polizeibeamte ermitteln, mehrere Geldübergaben scheitern und die Polizei muss acht geben, dass sie sich nicht lächerlich macht.
Jürgen Ehlers schreibt in einem eher nüchternen Stil, trifft dabei aber sehr gut die Atmosphäre der 60er Jahre. Viele aktuelle Ereignisse werden in die Handlung eingefügt, nicht immer zwingend notwendig, aber durchaus informativ. Die Aufarbeitung der Taten des Nationalsozialismus, der Vietnamkrieg, der Schahbesuch und die Tötung von Benno Ohnesorg spielen auch im Alltagsleben der Ermittler eine Rolle.
Sehr viel Spaß macht beim Lesen auch die Beschreibung der Polizeiarbeit. Statt Handy müssen die alten Funkgeräte herhalten, um Verbindung zu Kollegen aufzunehmen, oder sogar ein Münztelefon, um die Zentrale zu informieren. Statt Navigationsgeräte dient öfter mal der Shell-Atlas zur Orientierung.
Wer sich für deutsche Kriminalgeschichte interessiert, ist mit diesem Buch bestens bedient. Unaufgeregt, unblutig, zuweilen eher nüchtern erzählt, fühlt man sich zurückversetzt zu den Polizeiserien der 60er und 70er Jahre, wo solide (beamtenhaft korrekte) Ermittlung oft mehr zählte als der Einsatz von Schusswaffen.

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