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Veröffentlicht am 03.09.2019

Ein Koch als Ermittler

Teufelsfrucht
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Ein Krimi mit einem Koch als Hauptfigur ist zweifellos eine kreative Idee:
Früher hat Xavier Kieffer in Sterne-Restaurants gekocht. Doch diese Welt hat er hinter sich gelassen und betreibt nun ein Gasthaus, ...

Ein Krimi mit einem Koch als Hauptfigur ist zweifellos eine kreative Idee:
Früher hat Xavier Kieffer in Sterne-Restaurants gekocht. Doch diese Welt hat er hinter sich gelassen und betreibt nun ein Gasthaus, das sich auf traditionelle Luxemburger Küche spezialisiert hat. Umso überraschter ist es, als eines Tages ein Testesser des renommierten Guide Gabin bei ihm auftaucht. Noch größer ist die Überraschung, als dieser Testesser plötzlich stirbt und Xavier unter Mordverdacht gerät. Er stellt seine eigenen Nachforschungen an und vermutet bald, dass der Todesfall etwas mit einer geheimnisvollen Frucht zu tun hatte.

In diese Geschichte werden viele interessante Informationen zu Abläufen und Schwierigkeiten in der Spitzengastronomie sowie auch zu Machenschaften der Nahrungsmittelindustrie eingeflochten.
Die eigentliche Handlung tritt demgegenüber jedoch öfters in den Hintergrund. Kieffers Ermittlungen wirken ambitioniert, werden teilweise aber langatmig beschrieben, und die wenigen wirklich dramatischen Szenen werden übertrieben aufgebauscht. Echte Spannung kommt daher kaum auf. Außerdem wirken die Auflösung und das Motiv für die Taten etwas an den Haaren herbeigezogen.

Alles in allem hat mir das Buch aber doch ganz gut gefallen. Mit Kieffer oder auch seinem Freund, dem finnischen EU-Beamten Pekka Vatanen, treten sympathische Protagonisten auf, die nur leider etwas blass bleiben. Da es sich hier um den Auftakt einer Reihe handelt, gehe ich aber davon aus, dass sich dies in den weiteren Bänden noch ändern wird.

Veröffentlicht am 03.09.2019

Thriller vor aktuellem Hintergrund

Der Präsident
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Dieser Roman beginnt mit einem Szenario, das vor ein paar Jahren noch als unrealistisch angesehen worden wäre, heute aber durchaus glaubwürdig wirkt: Stabschef Kassian und Verteidigungsminister Bruton ...

Dieser Roman beginnt mit einem Szenario, das vor ein paar Jahren noch als unrealistisch angesehen worden wäre, heute aber durchaus glaubwürdig wirkt: Stabschef Kassian und Verteidigungsminister Bruton werden mitten in der Nacht ins Weiße Haus gerufen. Der Präsident steht kurz davor, aus nichtigem Anlass einen Atomangriff auf Nordkorea und China anzuordnen, was zu einem dritten Weltkrieg mit unvorstellbaren Auswirkungen führen würde. Erst im letzten Moment kann er davon abgehalten werden.
Kassian und Bruton sind schockiert und beschließen, alles Nötige zu unternehmen, um eine weitere derartige Eskalation zu verhindern. Sie kommen bald zu dem Schluss, dass eine Ermordung des Präsidenten die einzige Möglichkeit dafür ist.
Auch Maggie Costello arbeitet im Weißen Haus, obwohl sie der neuen Regierung sehr ablehnend gegenübersteht. Als sie einen scheinbaren Selbstmord begutachten soll, ziehen ihre Ermittlungen immer weitere Kreise und sie kann schließlich einige dunkle Machenschaften aufdecken.

Es ist natürlich leicht erkennbar, wer für den (im Buch namenlosen) Präsidenten Modell stand. Für meinen Geschmack hat sich der Autor dabei sogar zu getreulich an sein Vorbild bzw die aktuelle politische Situation in den USA gehalten. Ein etwas subtileres und somit zeitloseres Portrait hätte ich besser gefunden.
Auch der Inhalt als solches ist durchwachsen. Die Handlung schreitet flott voran, es wird viel Spannung aufgebaut und einige Wendungen sind wirklich überraschend (andere weniger).
Die Geschichte hat allerdings kaum Tiefgang. Man hätte aus der Grundidee mehr machen können. Insbesondere wird das moralische Dilemma eines „Tyrannenmordes“ nur in ein paar Nebensätzen thematisiert.
Weiters bleiben die meisten Protagonisten zu blass und eindimensional. Lediglich Maggie, deren Part im Lauf der Zeit immer größer wird und die man wohl als Hauptfigur bezeichnen kann, sticht diesbezüglich etwas heraus. Auch wenn sie angesichts all der Erfahrung, über die sie verfügen soll, auf mich zu naiv und unsicher wirkte.
Die Geschichte wird dann immerhin zu einem vielleicht nicht 100%ig realistischen, aber doch positiven Abschluss gebracht.

Alles in allem ist dieser Thriller für an der aktuellen amerikanischen Politik Interessierte, die über ein paar Schwächen (sowie die inflationäre Verwendung von Schimpfwörtern) hinwegsehen können, durchaus empfehlenswert.

Veröffentlicht am 27.07.2019

Eine weitere Geschichte aus Saint-Louis

Der Unfall auf der A35
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Wie schon „Das Verschwinden der Adele Bedeau“ ist auch dieser Roman in der elsässischen Kleinstadt Saint-Louis der frühen 1980er Jahre angesiedelt.
Als Kommissar Gorski eines Nachts am Schauplatz eines ...

Wie schon „Das Verschwinden der Adele Bedeau“ ist auch dieser Roman in der elsässischen Kleinstadt Saint-Louis der frühen 1980er Jahre angesiedelt.
Als Kommissar Gorski eines Nachts am Schauplatz eines tödlichen Verkehrsunfalls eintrifft, scheint es sich dabei um eine Routine-Angelegenheit zu handeln. Doch weil die Witwe des Opfers, des Rechtsanwalts Bertrand Barthelme, ihn bittet, herauszufinden, wo ihr Mann die Stunden vor seinem Tod verbracht hat, sieht er sich den Fall doch genauer an. Dabei bekommt er mehr und mehr den Eindruck, dass Barthelme etwas zu verbergen hatte.
Auch Raymond, der Sohn des Verstorbenen, stellt seine eigenen Nachforschungen an, nachdem er im Schreibtisch seines Vaters einen Zettel mit einer Adresse gefunden hat.

Kommissar Gorski mit all seinen Minderwertigkeitskomplexen, seltsamen Gedankengängen und privaten Problemen entspricht sicher nicht dem Bild eines typischen Polizeibeamten, ist aber auf jeden Fall eine interessante Persönlichkeit.
Zu Raymond konnte ich dagegen keine rechte Beziehung aufbauen. Als Typ passt er dennoch gut in dieses Ambiente und seine Abenteuer treiben die Handlung voran.
Es ist durchaus unterhaltsam, die beiden bei ihren jeweiligen Unternehmungen zu begleiten und in ihre Lebenswelten einzutauchen. Ihre Aktionen sowie Charakterisierungen diverser anderer Bewohner von Saint-Louis und des nahe gelegenen Mülhausen machen den Großteil des Inhalts aus.
Der Kriminalfall tritt demgegenüber eher in den Hintergrund. Daher wird auch kaum Spannung aufgebaut. Die Auflösung ist dann zwar teilweise vorhersehbar und etwas unvollständig, wirkt aber doch stimmig und passt zur Atmosphäre dieses Buches.

Ich würde jedenfalls gerne noch mehr Geschichten aus Saint-Louis lesen.

Veröffentlicht am 27.07.2019

Zehn umwälzende Ereignisse

Zeitenwende 1979
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Ein Jahr herauszugreifen und auf seine historische Bedeutung hin zu untersuchen, ist eine beliebte Vorgehensweise unter Sachbuch-Autoren. 1979 gehört diesbezüglich jedoch nicht zu den üblichen Kandidaten. ...

Ein Jahr herauszugreifen und auf seine historische Bedeutung hin zu untersuchen, ist eine beliebte Vorgehensweise unter Sachbuch-Autoren. 1979 gehört diesbezüglich jedoch nicht zu den üblichen Kandidaten. Daher war ich doch überrascht, wie viele bedeutende Ereignisse sich in diesem Jahr zugetragen haben.

Dieses Buch befasst sich mit zehn davon: Revolution im Iran, Papst Johannes Paul II in Polen, Revolution in Nicaragua, Chinas Öffnung, Boat People aus Vietnam, Sowjetischer Einmarsch in Afghanistan, Thatchers Wahl und Gründung der Grünen, Zweite Ölkrise, AKW-Unfall in Harrisburg sowie die Fernsehserie „Holocaust“.

Bereits bei einem Blick auf die Inhaltsangabe wird also deutlich, dass hier einige Geschehnisse angesprochen werden, die auch heute noch in Medienberichten und Diskussionen präsent sind.
Der Autor beschreibt jeweils ihre Hintergründe und vor allem ihre Folgen, wobei insbesondere Auswirkungen auf und Reaktionen aus Deutschland – sowohl BRD als auch DDR – relativ breiten Raum einnehmen.
Die Ausführungen dürften gründlich recherchiert sein, was die umfangreichen Anmerkungen beweisen, und bleiben, obwohl bisweilen kontroverse Themen angesprochen werden, weitgehend objektiv. Sie sind aber großteils eher trocken.

Die Lektüre gestaltet sich daher gelegentlich etwas zäh, ist aber auch sehr informativ und regt dazu an, sich mit ein paar Punkten noch genauer auseinander zu setzen.

Veröffentlicht am 26.05.2019

Rasanter Schweden-Krimi (mit nicht ganz passendem Titel)

Hasenjagd
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Auch im sechsten Teil der Krimi-Reihe von Lars Kepler müssen die Stockholmer Kriminalisten einen kniffligen Fall lösen.
Saga Bauer vom Staatsschutz wird zu einem Einsatz von höchster Dringlichkeit gerufen. ...

Auch im sechsten Teil der Krimi-Reihe von Lars Kepler müssen die Stockholmer Kriminalisten einen kniffligen Fall lösen.
Saga Bauer vom Staatsschutz wird zu einem Einsatz von höchster Dringlichkeit gerufen. Am Tatort trifft sie auf die übel zugerichtete Leiche eines mächtigen Mannes sowie auf eine traumatisierte Zeugin. Es gibt Hinweise darauf, dass der Täter schon bald weitere Morde begehen wird. Saga überzeugt ihre Vorgesetzten, Joona Linna, der aufgrund seiner Aktionen während des letzten Bandes („Ich jage Dich“) im Gefängnis sitzt, in die Arbeit an diesem Fall einzubeziehen. Bald zeigt sich, dass hier vieles nicht so ist, wie es zunächst scheint. Die Ermittlungen ändern daher mehrmals ihre Richtung und kommen schließlich einem jahrzehntealten Skandal auf die Spur.

Im Vergleich zum letzten Mal hat das Autorenduo hier weitgehend zu seiner alten Form zurückgefunden.
Viele interessante Protagonisten treten auf, in die ich mich meist gut hineinversetzen konnte. Dabei werden eine Reihe menschlicher Dramen und Abgründe thematisiert, sodass der Inhalt sehr vielschichtig ist. Manches hätte dabei ausführlicher behandelt werden können, während die Actionszenen für meinen Geschmack eher zu ausführlich waren.
Dafür wird einige Spannung aufgebaut. Die Handlung schreitet flott voran und enthält ein paar überraschende Wendungen. Einiges ist allerdings auch vorhersehbar und gelegentlich wird vielleicht etwas zu dick aufgetragen. Vor allem entspricht die Vorgehensweise der Behörden öfters nicht dem Bild, das ich von dem schwedischen Rechtsstaat habe. Auch bleiben ein paar Ungereimtheiten.
Alles in allem wird die Geschichte aber doch zu einem stimmigen Abschluss gebracht – der außerdem schon neugierig auf die Fortsetzung macht.
Abschließend möchte ich jedoch noch erwähnen, dass der Titel der deutschsprachigen Ausgabe nicht wirklich passend ist. Zugegeben, „Hasenjagd“ hat einen irgendwie „dramatischeren“ Klang, im Roman ist aber immer nur von Kaninchen (und eben nicht von Hasen) die Rede.

Fazit: Trotz einiger kleiner Kritikpunkte werden Fans von Schweden-Krimis hier auf ihre Kosten kommen.