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Veröffentlicht am 04.05.2018

Wie jede andere Romantasy-Geschichte

Palace of Glass - Die Wächterin
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Heute hat auch der Prinz mich angesehen. Er hat mich angesehen, als wäre ich schön. Und so wage ich es für einen kurzen Moment, mich im Spiegel zu betrachten. Ein schneller, faszinierter Blick, bevor ich ...

Heute hat auch der Prinz mich angesehen. Er hat mich angesehen, als wäre ich schön. Und so wage ich es für einen kurzen Moment, mich im Spiegel zu betrachten. Ein schneller, faszinierter Blick, bevor ich mir das Nachthemd über den Kopf ziehe. Glühende Scham brennt in mir, aber da ist auch dieses Gefühl der Verzauberung, das mich heute überfallen hat. Ich habe ein Märchenschloss gefunden. Und in dem Märchenschloss wohnt sogar ein Prinz.
Zu schade, dass er mich hinrichten lassen würde, wenn er wüsste, was ich bin.
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INHALT:
Seit Jahren werden die Magdalenen verfolgt: Menschen, die durch bloße Berührungen Gedanken lesen und andere dadurch theoretisch kontrollieren und manipulieren können. Die junge Rea gehört zu ihnen und muss ihre Gabe um jeden Preis verbergen - wenn nicht, würde sie gefangen und wahrscheinlich getötet. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Schneiderin, doch nachts kämpft sie mit bloßen Händen im Untergrund, um ihr Bedürfnis nach Berührungen zu stillen. Bei einem dieser Kämpfe wird sie beobachtet - und gegen ihren Willen in den Palast des Königs gebracht. Mit ihren Fähigkeiten soll sie eine neue Leibwache für den Prinzen werden. Einen Prinzen, der ungeahnte Gefühle in ihr auslöst. Und der sie hassen würde, wüsste er, was sie für Fähigkeiten besitzt...

MEINE MEINUNG:
Gut geschriebene Klappentexte haben eine magische Wirkung auf mich: Obwohl Romantasy meistens nicht (mehr) mein Genre ist, versuche ich es bei tollen Ideen doch immer wieder, jedes Mal auf der Suche nach einer Perle. "Palace of Glass: Die Wächterin" klang nach einer eben solchen: Eine Welt, die mit den Schleppen und Outfits an "A Handmaid's Tale" erinnert und ebenso in einer Zukunft spielt, die in Sachen Gesellschaft wie das 19. Jahrhundert wirkt - solche Settings haben es mir einfach angetan. Leider macht das Buch aber genau damit relativ wenig und verstrickt sich lieber in den üblichen Klischees.

Protagonistin Rea ist, wie könnte es anders sein, natürlich mal wieder etwas ganz Besonderes. Sie ist eine Magdalena, die die Gedanken anderer durch Berührungen in Erfahrung bringen kann, was sie zu einer guten Untergrundkämpferin macht - aber nur ohne Handschuhe natürlich, was eigentlich verboten ist. Ihre Fähigkeiten sind eigentlich relativ interessant, nur hat sie ansonsten keinerlei Eigenschaften, die beeindrucken. Genauso verhält es sich auch mit Love-Interest Robin, dem Prinzen, der eine außerordentlich schwache Person ist und sich von Mutter und Vater alles vorschreiben lässt - unter anderem auch, Rea auszupeitschen, was diese aber gar nicht schlimm findet. Was ein Glück. Die Nebenfiguren wissen da schon ein wenig mehr zu überzeugen, insbesondere die geheimnisvolle und offene Comtess Ninon, aber da diese deutlich weniger Platz einnehmen als die Hauptfiguren, macht das nicht viel wett.

Während der Beginn mit Reas Geheimnis und ihrer Einführung in den Palast und ihre Arbeit noch ganz interessant ist, wird der Fantasyroman bald zu einer einfachen Liebesgeschichte. Rea und Robin schmachten sich gegenseitig an, wobei ich diese Anziehung so gar nicht nachvollziehen konnte - da ist keinerlei Chemie, erst recht nicht nach der Auspeitschung (nach der Rea ihre Schmerzen übrigens nur einfallen, wenn sie nicht gerade vom Prinzen berührt wird). Es werden immer wieder einige Dinge über Magdalenen erklärt und das Prinzip der Haut- und Seelengier, die diese Menschen nach Berührungen lechzen lässt, fand ich ich interessant. In diesem Zusammenhang taucht aber auch immer wieder eine "Kreatur" auf, die wohl Reas Wunsch nach Nähe ausdrücken soll, allerdings einfach permanent da ist und das auch in Momenten, in denen sie tatsächlich berührt wird. Ich bin hier nicht sicher, ob die Autorin eigentlich selbst weiß, was sie damit sagen möchte. Zum Schluss hin wird es wieder etwas spannender, dramatisch fast schon, aber die Geschichte hätte hier gut enden können. Band 2 und 3, in denen - geht man vom Klappentext aus - hauptsächlich die Liebesgeschichte künstlich verlängert wird, wären wohl prinzipiell keine Notwendigkeit gewesen.

FAZIT:
Das Romantasy-Genre ist überlaufen von Büchern, die irgendwie immer die gleiche Geschichte erzählen, und auch "Palace of Glass: Die Wächterin" bildet da leider keine Ausnahme. Blasse Figuren, eine langweilige Liebesgeschichte und wenig Spannung wissen nicht wirklich zu begeistern. 2 Punkte.

Veröffentlicht am 07.09.2017

Unfassbar nervtötende Charaktere

Kieselsommer
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Mats schüttelte sich. Er hatte keine Zeit, zu lange darüber nachzudenken. Es fiel ihm bemerkenswert schwer, seinen Körper zur Mitarbeit zu überreden. Aber wenn er jetzt nicht versuchte, ins Haus zu gelangen ...

Mats schüttelte sich. Er hatte keine Zeit, zu lange darüber nachzudenken. Es fiel ihm bemerkenswert schwer, seinen Körper zur Mitarbeit zu überreden. Aber wenn er jetzt nicht versuchte, ins Haus zu gelangen - wer wusste schon, wann sich die nächste Gelegenheit bieten würde? Also huschte er auf raschen Sohlen hinüber zur Veranda.
Wahrscheinlich hätte er überrascht sein sollen, als er den schmalen Spalt sah, wo die Tür nicht ganz ins Schloss geschoben worden war. Vielleicht auch erleichtert, ein zweites Mal so unverschämtes Glück zu haben. Aber nach dem Blick des Mädchens nur Sekunden zuvor gelang ihm nichts von beidem. Im Gegenteil, er war sich jetzt ganz sicher: Sie hatte ihn tatsächlich bemerkt.
Und sie hatte die Tür für ihn offen gelassen.
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INHALT:
Ella und Tilda sind seit drei Jahren beste Freundinnen und nun steht ihr erster gemeinsamer Urlaub an. Selten haben sich beide auf etwas so sehr gefreut wie auf diese zwei Wochen allein. Doch dann kommt alles anders: An ihrem ersten gemeinsamen Abend wünscht sich Ella, endlich ihrer großen Liebe zu begegnen - und am nächsten Tag treffen die beiden Mädchen auf Mats. Sofort besteht eine Verbindung zwischen ihm und Ella. Eine Verbindung, von der sich Tilda bald nach außen gedrängt fühlt. Das sollte doch ein Mädels-Urlaub werden? Beide Freundinnen versuchen, es einander recht zu machen, doch ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse kommen ihnen dabei immer wieder in die Quere...

MEINE MEINUNG:
Anika Beers Debüt vor fünf Jahren habe ich wahnsinnig gern gelesen und seitdem ihren Werdegang zumindest verfolgt. Mit "Kieselsommer" ist nun ein sommerlicher Jugendroman erschienen, der eine Geschichte rund um Freundschaft und die erste Liebe verspricht. Genau das wird auch geboten, allerdings gänzlich anders als ich das erwartet hatte. Der Konflikt zwischen den Mädchen wird zwar im Klappentext benannt, dass sich insbesondere die eine aber so absurd daneben benehmen würde, hätte ich nicht vermutet. Da macht auch der locker-leichte Schreibstil nicht viel wett, ebenso wenig wie der stetige Wechsel der Perspektive, durch den man zwar Einblick ins das Innenleben jeder der Figuren bekommt, der sie aber auch nicht sympathischer macht.

Tilda ist durchaus noch eine Protagonistin, mit der man sich einigermaßen identifizieren kann: Sie ist fröhlich, willensstark und würde so gut wie alles für ihre Freundin tun. Dass in ihr als drittes Rad am Wagen immer mal wieder Eifersucht aufkeimt, ist zu verstehen. Nicht zu verstehen ist Ellas unmögliches Verhalten. Dadurch, dass sie früher gemobbt wurde - was nie in mehr als einem Halbsatz erwähnt wird -, ist sie sehr unsicher und schüchtern, traut sich selbst nichts zu. Das ist aber keine Entschuldigung dafür, ihre beste Freundin, die ihr so sehr geholfen hat, einfach sofort links liegen zu lassen, sobald ein Kerl in ihrem Leben auftaucht. Sie heult ständig und wird unangebracht eifersüchtig in den unwahrscheinlichsten Momenten - mit diesem Mädchen konnte ich einfach gar nichts anfangen. Und auch Mats war mir nicht sonderlich sympathisch. Zwar versucht er den Freundinnen ab und zu ein wenig Freiraum zu geben, aber er drängt sich dennoch ungefragt zwischen sie und reißt alles an sich. Er scheint als charmant und witzig angelegt zu sein, kam bei mir aber nur als großspurig und selbstverliebt an.

Ich hasse Insta-Love und "Kieselsommer" ist das perfekte Beispiel dafür, warum. Ella lässt einfach, ohne nachzudenken, einen fremden Jungen in ihr Ferienhaus einsteigen, weil seine Zeichnungen sie so berührt haben - und nachdem sie sich zum ersten Mal getroffen haben, sind sie nicht mehr zu halten. Nach wenigen Seiten spricht Ella bereits davon, er sei der Eine und sie hätte immer auf ihn gewartet - wer soll denn das glauben? Natürlich verhält sich auch Tilda nicht ganz richtig, indem sie sich so intensiv gegen die Beziehung wehrt, aber es ist schließlich ihr Urlaub, nicht der von Mats und Ella. Das Verhalten der Figuren und die kitschige, nervtötende Liebesgeschichte haben mich über weite Strecken nur wütend gemacht. Natürlich entsteht aus dem Ganzen ein Lerneffekt - aber aufgrund der Kürze kommt auch dieser nicht wirklich beim Leser an, sodass ich am Ende nur enttäuscht zurückblieb.

FAZIT:
Auf der Suche nach einer sommerlich-leichten Geschichte über Freundschaft und die erste Liebe habe ich mit "Kieselsommer" leider daneben gegriffen. Während sich die Charaktere fast ausschließlich total schlecht benehmen, kam bei mir einfach keine Freude, kein Wohlgefühl auf. Hinzu kommt ein übler Fall von "Liebe auf den ersten Blick", der auch den Rest zunichte macht. Vielleicht eher für jüngere Leser geeignet. Sehr knappe 2 Punkte.

Veröffentlicht am 29.06.2017

Unnötig sexualisiert

Murder Park
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"Wir haben auch Erkenntnisse über Verätzungen am Kopf, am Gesicht, innerhalb der Mundhöhle..."
Paul setzte die Brille wieder auf. Sein Blick tastete sich zum neuen Bild auf der Anzeigetafel. Er fühlte, ...

"Wir haben auch Erkenntnisse über Verätzungen am Kopf, am Gesicht, innerhalb der Mundhöhle..."
Paul setzte die Brille wieder auf. Sein Blick tastete sich zum neuen Bild auf der Anzeigetafel. Er fühlte, wie sich sein Bauch nach innen wölbte.
"...wichtig gewesen zu sein, dass die Opfer noch lebten, deshalb das Adrenalin", fuhr die Frau fort. "Zugleich aber hatte er es offenbar darauf abgesehen, seine Opfer sozusagen dicht an die Grenze zum Tod heranführen. Zum einen mit den Verätzungen und Injektionen, zum anderen aber auch, indem er Flüssigkeiten aus Tierkadavern entnommen und ihnen verabreicht hat. Und dies offenbar aus keinem anderen Grund, als um sie...in gewisser Weise krank zu machen."
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INHALT:
Vor 20 Jahren sind im Vergnügungspark Zodiac Island drei junge, alleinerziehende Mütter getötet worden. Als Mörder wurde Jeff Bohner verhaftet und hingerichtet. Nun soll aus der Insel der Murder Park werden - voller Ausstellungsstücke früherer Serienkiller und verbunden mit einem Spiel rund um den mörderischen Nervenkitzel. Der Blogger Paul Greenblatt ist als einer von zwölf Pressevertretern zur ersten Runde des Spiels eingeladen. Doch als bereits nach kurzer Zeit Menschen zu sterben beginnen, scheint es sich in tödlichen Ernst zu verwandeln...

MEINE MEINUNG:
Jonas Winners letzten Roman, "Die Zelle", habe ich als intensiven, verstörenden und spannenden Thriller empfunden, der mich lange nicht losgelassen hat. "Murder Park" war dementsprechend natürlich ein Muss - und Geschichten, in denen nach und nach die Anzahl der Personen dezimiert wird, bergen oftmals ein besonderes Spannungspotenzial. Was allerdings nicht aus dem Klappentext hervorgeht, ist, dass der Murder Park sozusagen als Partnerbörse fungieren soll und der gesamte Inhalt daher sehr stark sexualisiert ist - so stark, dass es mir schon bald auf die Nerven ging. Was im letzten Roman noch eine Funktion hatte, wirkt hier nur noch wie ein Mittel zum Zweck.

Paul Greenblatt ist leider außerdem kein besonders sympathischer Protagonist. Er hat eine schwerwiegende Vergangenheit, die ihn verständlicherweise nicht loslässt, dennoch benimmt er sich anderen Personen gegenüber aber sehr seltsam. Gerade bei den Erlebnissen seiner Kindheit ist es verstörend, wie versessen er auf jede Intimität ist und in welch absurden Situationen er an Sex denkt. Die anderen Figuren besitzen dafür allerdings so gut wie gar keine Persönlichkeit und erscheinen regelrecht austauschbar. Es kam nicht selten vor, dass ich nicht mehr wusste, wer nun wer ist und welche Aufgabe wer übernimmt. Die Frauen scheinen sowieso mehr zum Zwecke der sexuellen Erregung dabei zu sein (und sie bieten sich auch bereitwillig an), die Männer sind dafür fast alle extrem aggressiv, was sehr eindimensional wirkt.

Nachdem der Roman relativ langsam beginnt und erst einmal die Ausgangssituation schafft, nimmt er nach circa 100 Seiten stark an Fahrt auf. Die Charaktere sterben wie die Fliegen, wobei allerdings weniger eine bedrohliche Atmosphäre geschaffen als eher ein Gefühl des Ekels hervorgerufen wird. Interessant sind die zwischengeschobenen Interviews mit jeder der Figuren, wobei es mir jedoch sehr unglaubwürdig erschien, wie bereitwillig diese ihre intimsten Geheimnisse offen legen - insbesondere auch hier wieder, was ihr Sexualleben angeht. Zum Ende hin ergeben einige vorherigen Details im Zuge der Auflösung durchaus Sinn, das Motiv des wahren Mörders auf der Insel ist aber eher an den Haaren herbeigezogen, da er sich durch seine Taten nur selbst in Gefahr bringt. Der Schluss ging mir viel zu schnell und hatte auch weniger mit Ermittlung und Hinweisen zu tun, als viel mehr mit Zufällen, sodass das Ganze nie wirklich realistisch wirkt.

FAZIT:
Wo der letzte Roman von Jonas Winner mich fesseln und schockieren konnte, hat mich "Murder Park" leider ziemlich enttäuscht. Die Geschichte ist viel zu stark und unnötig sexualisiert, und die Entwicklungen sind eher unrealistisch. Besonders zum Ende hin wurde es mir leider deutlich zu abstrus. Eher nicht mein Buch. 2 Punkte.

Veröffentlicht am 27.04.2017

Unlogisch und nervig

Boy Nobody
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Jacks Vater beugt sich vor und reicht mit eine Dose Cola.
Im selben Moment ramme ich ihm die Kulispitze in den Unterarm. Der winzige Zylinder entleert sich und sofort setzt die Wirkung des Gifts ein.
Jacks ...

Jacks Vater beugt sich vor und reicht mit eine Dose Cola.
Im selben Moment ramme ich ihm die Kulispitze in den Unterarm. Der winzige Zylinder entleert sich und sofort setzt die Wirkung des Gifts ein.
Jacks Vater sieht mich mit großen Augen an. Sein Mund zieht sich zusammen und formt ein W.
Vielleicht will er warum fragen.
Vielleicht aber auch was. Was machst du da?
Aber das Gift wirkt schnell. Wie schnell, das hängt vom Alter und der Konstitution des Opfers ab. Und da hat Jacks Vater schlechte Karten. Er ist nicht gerade der Fitteste.
Also wirkt es fast sofort. Schneller, als man warum oder was sagen kann.
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INHALT:
Er hat viele Namen, momentan nennt er sich Benjamin. Ausgebildet wurde er seit seinem 12. Lebensjahr für einen einzigen Job - den Job eines Killers. Er schleicht sich in Familien ein und schaltet im richtigen Moment eines der Mitglieder aus. Die Motive und Hintergründe für seine Taten kennt er nicht, er tut, was ihm gesagt wird. Doch bei seinem neusten Fall ist alles anders. Denn das Mädchen, dem er dabei begegnet, löst in ihm etwas absolut Ungeahntes aus...

MEINE MEINUNG:
Allen Zadoffs Jugend-Thriller "Boy Nobody" ist so beliebt und so erfolgreich, dass er 2014 mit Jaden Smith in der Hauptrolle verfilmt wird - und auch, wenn mir schleierhaft ist, warum nun ein Afro-Amerikaner den Benjamin geben wird, war mein Interesse geweckt. Und eigentlich beginnt der Roman auch sehr gut, mit der Szene eines Mordes nämlich, sodass man gleich in die Welt des Protagonisten hineingeworfen wird. Der Schreibstil ist kühl und distanziert, beschränkt sich auf wenige Beschreibungen. Dies ist anfangs passend und hat durchaus seine Berechtigung, ändert sich aber bis zum Ende nur minimal und fängt so irgendwann an zu nerven.

Benjamin wurde im jungen Alter von 12 Jahren für seinen Job als Soldat rekrutiert und mordet seitdem. Ein Gewissen besitzt er im Grunde nicht, da seine Arbeit für ihn Alltag ist und die Hintergründe ihn nicht zu interessieren haben. Dafür, dass er sich selbst als eiskalt sieht, ist er aber doch recht nachdenklich und stellt oft in den unmöglichsten Situationen große Überlegungen an, was nicht wirklich passen mochte. Sein Love Interest Sam ging mir dafür gehörig auf die Nerven. Bei den kleinsten Äußerungen, die ihr nicht passen, fährt sie fürchterlich aus der Haut, sie lässt keine andere Meinung gelten und spielt sich als Wundertäterin auf. Ihren Charakter konnte ich persönlich gar nicht leiden, weshalb ich Bens Begeisterung für sie nicht nachempfinden konnte. Die übrigen Charaktere bleiben häufig blass, der Bürgermeister von New York gefiel mir in seiner Art jedoch immerhin.

Das Problem von "Boy Nobody" ist eben einfach, dass die Hauptfigur zu jung für die Geschichte ist. Sicherlich, um sich in die Leben der Zielpersonen einschleichen zu können, sind hier jugendliche Freunde existenziell wichtig - aber das hätte man auch anders lösen können. Denn Benjamins Eskapaden erschienen mir in seinem Alter nicht glaubwürdig, und dass ihm nach zwei Jahren Ausbildung ohne offensichtliche Löschung der Erinnerung alles egal ist, was er davor je gelernt hat, halte ich doch für relativ unwahrscheinlich. Natürlich soll der Roman unterhalten, und das tut er bisweilen in den Action-Szenen auch, aber ich darf mir auch nicht veralbert vorkommen. Und das war bei mir des Öfteren der Fall. Denn Benjamin rühmt sich damit, schlau und gewitzt zu sein, erkennt aber die einfachsten Zusammenhänge nicht und kommt bis kurz vor Schluss nicht drauf, wer einer seiner Widersacher sein könnte, während ich ihm gerne eine Pfanne auf den Schädel hauen wollte, damit er zur Besinnung kommt.

Zudem passiert im ganzen Roman relativ wenig. Der Junge erhält seinen Auftrag, und versucht fortan 300 Seiten lang, diesen zu erfüllen, wird dabei jedoch von seinen - für den Leser nur durch seine mehrmalige Aussage, er sei dabei sich zu verlieben, ersichtlich - Gefühlen davon abgehalten. Gezogen wird das Buch immer wieder durch schier endloses Geplänkel und kitschige Gespräche, garniert von den Geheimnissen um Benjamins Eltern. Das Einzige, was mir wirklich gefiel, waren die innovativen Wege, auf denen er mit seinen Auftraggebern kommuniziert - durch eigens erstellte Apps etwa oder durch verschlüsselte Nachrichten. Ansonsten jedoch nimmt der Roman selten richtig Fahrt auf und der Protagonist wurde zumindest mir bis zum Ende nicht sympathisch. Der Schluss deutet auf weitere Bände zur Lösung der übrig gebliebenen Rätsel hin, diese sind mir ehrlich gesagt aber wirklich herzlich egal.

FAZIT:
"Boy Nobody" von Allen Zadoff ist, ich habe es geahnt, ein üblicher Verdächtiger unter den Jugend-Thrillern: Die Liebesgeschichte wird schrecklich ausgewalzt, kommt dabei aber beim Leser nicht an, die Umstände sind unlogisch und der eigentlich so schlaue Hauptcharakter kommt einfach nicht auf den grünen Zweig. Danke, nein! 2 Punkte von mir.

Veröffentlicht am 20.03.2017

Unlogisches Worldbuilding und gähnende Langeweile

Delirium
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Manchmal, wenn man Dinge einfach betrachtet, wenn man einfach still dasitzt und die Welt existieren lässt - dann, ich schwöre es, bleibt die Zeit manchmal für einen winzigen Augenblick stehen und die ...

Manchmal, wenn man Dinge einfach betrachtet, wenn man einfach still dasitzt und die Welt existieren lässt - dann, ich schwöre es, bleibt die Zeit manchmal für einen winzigen Augenblick stehen und die Welt hält in ihrer Drehung inne. Nur einen Augenblick lang. Und wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, in diesem Augenblick zu leben, würde man ewig leben.
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INHALT:
Die junge Lena lebt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der die Liebe als Krankheit identifiziert wurde und deren Heilung für das Land daher oberste Priorität hat. Kurz nach dem 18. Geburtstag erhalten alle Bürger einen Eingriff, der sie für das Gefühl unempfänglich macht. Auf diesen Eingriff fiebert Lena schon lange hin und in wenigen Wochen wird es so weit sein. Doch dann begegnet sie Alex - zum ersten Mal spricht sie bewusst mit einem Vertreter des anderen Geschlechts und trotz ihrer Angst muss sie sich eingestehen, dass er ihr gefällt. Sie scheint krank zu werden. Aber kann etwas, das sich so gut anfühlt, denn schlecht sein?

MEINE MEINUNG:

SCHREIBSTIL
Lauren Oliver hat einen sehr einnehmenden, angenehmen Stil, das hat sie schon in ihrem Debüt unter Beweis gestellt. Ihre Dialoge sind glaubwürdig und regen zum Nachdenken an, die Beschreibungen von Lenas Angst vor einer Ansteckung sind manchmal klar und nüchtern, manchmal poetisch und bedrückend. Wo sie jedoch auf Gefühle intensiv eingeht, fehlt der Rest, insbesondere Umgebung und dystopisches System werden einem kaum näher gebracht.

CHARAKTERE
Lena ist über weite Strecken eine überaus passive Protagonistin. Obwohl sie als Kind die Liebe einer Mutter erfahren durfte - etwas, das es seit dem Heilmittel nicht mehr gibt -, klammert sie sich verzweifelt an das System und fürchtet sich schon davor, überhaupt in eine andere Richtung zu denken. Sie sträubt sich intensiv gegen Regelverstöße und macht ihrer besten Freundin Hana, die sich ausprobieren will, immer wieder Vorwürfe. Da wirkt es sehr inkonsistent, dass sie bereits nach der zweiten Begegnung mit Alex alles über den Haufen wirft und mehr oder weniger ihren Charakter endet, regelrecht rebellisch wird. Es braucht also mal wieder einen Mann, damit die Frau über sich hinaus wächst. Na sowas! Alex ist durchaus ein netter Kerl: Einfühlsam und gefühlvoll weicht er vom Klischee des Bad Boys ab. Herzklopfen löst er aber keines aus.

STORY
Die Idee, dass die Liebe in der Zukunft als Krankheit und Wurzel allen Übels angesehen wird, folglich also geheilt werden muss, ist durchaus originell und interessant. Sie erfordert aber auch plausible Erklärungen, und an denen hakt es hier besonders. Dass die Menschen bei Einführung des Eingriffes in Scharen zu den Krankenhäuser geströmt sind, muss doch einen Auslöser haben - der nie genannt wird. Kein großes weltbewegendes Ereignis oder schreckliches Geschehnis, das auf das Gefühl zurückzuführen ist. Nur die Aussage: Die Liebe ist eine Krankheit. Ende, mehr Erklärungen gibt es nicht. Menschen werden getötet oder inhaftiert, wenn sie sich weigern oder fliehen, was keinerlei Sinn ergibt, wo die Krankheit doch gar nicht ansteckend ist - genauso benehmen sich jedoch alle. Die Bibel wurde umgeschrieben und der neuen Wahrheit angepasst und jeder glaubt dieser neuen Geschichte - wie lange muss die Veränderung dann her sein? Der Weltentwurf ist löchrig und voller Ungereimtheiten, weshalb er einfach nicht überzeugen kann.

UMSETZUNG
Besonders problematisch finde ich aber, dass nur angerissen wird, was für Konsequenzen eine so lieblose Erziehung haben muss, wie sie die Kinder hier erfahren. Durch Lenas junge Nichten, die sich beide nicht ihres Alters entsprechend verhalten - die eine zynisch und grausam, die andere stumm -, wird deutlich, dass so ein Leben Folgen hat. Trotzdem geht dieser Aspekt in dem großen Freiheitsgedanken unter. Selbstbestimmung ist wichtig, ja, aber sie ist hier die einzige treibende Kraft. Nicht einmal denkt Lena an ihre Nichten und was dieses Leben für sie bedeuten muss oder daran, die kleine Grace davor zu beschützen. Letztendlich ist das Ganze doch wieder nur die Suche nach der wahren Liebe, keinesfalls eine Gesellschaftskritik. Das ist schade, denn so bleibt das Ganze immer nur an der Oberfläche.

FAZIT:
Lauren Oliver ist eine überaus beliebte Autorin, aber mein Fall sind ihre Bücher wohl nicht. Nach ihrem Debüt hat mir der Auftakt ihrer Dystopien-Trilogie sogar noch weniger gefallen. "Delirium" ist mir nicht durchdacht und plausibel genug, es kommt über weite Teile keine Spannung und kein Verständnis für die Figuren auf, und auch Tiefe lässt es vermissen. Diese Reihe werde ich nicht weiterverfolgen. Knappe 2 Punkte.