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Veröffentlicht am 15.09.2016

Intensiv und eindrücklich

Böse Lügen
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Die Furchen in ihrem Gesicht verschwinden, ihre Wangen wölben sich. Ist sie etwa tatsächlich im Begriff, mich anzulächeln?
"Ich bin vor Angst um dich halb wahnsinnig geworden", sage ich.
Doch kein Lächeln, ...

Die Furchen in ihrem Gesicht verschwinden, ihre Wangen wölben sich. Ist sie etwa tatsächlich im Begriff, mich anzulächeln?
"Ich bin vor Angst um dich halb wahnsinnig geworden", sage ich.
Doch kein Lächeln, jedenfalls noch nicht, vielleicht bloß die Erinnerung daran, dass so etwas früher einmal möglich war. "Ich war doch noch nicht mal vierundzwanzig Stunden eingebuchtet."
"Ich rede von den letzten drei Jahren."
Los, Catrin. Ein halbes Dutzend Schritte auf mich zu, mehr ist nicht nötig. Ich denke tatsächlich, dass sie genau das tun wird, als das Klirren zerberstenden Glases durch den Sturm dringt. Irgendjemand hat unten ein Fenster eingeschlagen.
Dann hören wir die Explosion.
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INHALT:
Catrin, Callum und Rachel leben auf den Falklands, einer Insel mit nur wenigen Einwohnern, und hatten früher einmal viel miteinander zu tun - bis ihnen eine Tragödie dazwischen kam. Nun besteht zwischen ihnen ein Verhältnis geprägt von Hass, Schuld und vergangener Liebe, das ihnen das Leben schwer macht. Als ein Kind verschwindet, das dritte in drei Jahren, ist die Insel in heller Aufregung, und auch Catrin, Rachel und Callum machen sich auf die Suche. Dabei decken sie nicht nur die Geheimnisse der Gemeinschaft auf, sondern auch die, die tief in ihnen schlummern, und so geraten bald alle drei ins Fadenkreuz der Ermittlungen...

MEINE MEINUNG:
Sharon Bolton ist eine Meisterin der intensiven und spannenden Thriller, was sie unter anderem immer wieder mit den Büchern ihrer "Lacey Flint"-Reihe unter Beweis stellt. "Böse Lügen" ist nun nach längerer Zeit mal wieder ein Einzelband, in dem sie sich die stürmische und kühle Kulisse einer Insel ausgesucht hat. Ihr Stil ist gewohnt großartig, voller wunderschöner wie auch bedrückender Beschreibungen, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, und dabei immer auf den Punkt genau. Unterteilt ist der Roman in drei Abschnitte, wobei der erste aus der Ich-Perspektive von Catrin, der zweite aus der von Callum und der dritte aus der von Rachel erzählt wird.

Catrin lernt man als eine bereits gebrochene Frau kennen, die über einen schlimmen Verlust vor drei Jahren nie hinweg gekommen ist. Sie wirkt teilweise etwas kalt und unnahbar, sogar skrupellos, was man aufgrund ihrer Vergangenheit aber verstehen kann - und gerade ihre sehr pragmatische Art macht sie so interessant. Callum ist ihr ehemaliger Liebhaber, ein großer, muskulöser Mann, der gerade dadurch umso mehr mit seiner sanften Güte überrascht. Seine posttraumatische Belastungsstörung nach seinem Einsatz als Soldat geben aber auch ihm Ecken und Kanten. Und Rachel, die als Letzte aus ihrer Sicht erzählt, und die man bis dahin als Monster wahrgenommen hat, zeigt einem noch einmal eine völlig neue Perspektive auf, die ziemlich überrascht. Es gibt teilweise ein paar viele Nebenfiguren, bei denen ich zwei Männer partout nicht auseinander halten konnte, der Rest ist aber wie die Protagonisten großartig charakterisiert. Vor allem die Polizistin Skye und Catrins Exmann Ben bestechen durch ihre gute Ausarbeitung.

Schon die Erzählweise, jede Hauptfigur einzeln über die Tage der Suche nach dem dritten verschwundenen Jungen berichten zu lassen, ist etwas Besonderes. So lernt man zum Beispiel Rachel zu einem Zeitpunkt kennen, zu dem man bereits vieles zu wissen glaubt, und wird so damit konfrontiert, einige dieser Schlüsse wieder über Bord werfen zu müssen. Die Atmosphäre ist unglaublich dicht, vor allem durch das tragische Ereignis in der Vergangenheit, aber auch durch Geschehnisse wie die Strandung von Walen an der Küste, die eine schwere Entscheidung nach sich zieht. Parallel zu den fortschreitenden Seiten wird es auch immer hitziger in der Gemeinde - die sich bald einen Verdächtigen sucht und eine regelrechte Hetzjagd veranstaltet, die niemanden unberührt lässt.

Obwohl schnell aufgelöst wird, was vor Jahren eigentlich zwischen Catrin, Callum und Rachel vorgefallen ist, wird es danach nicht weniger spannend. Es bleibt die Frage nach dem Entführer der verschwundenen Kinder, bei der sich die eigenen Vermutungen immer und immer wieder ändern. Viele Überraschungen und Wendungen sorgen dafür, dass es immer spannend bleibt, ohne dass die Ereignisse allerdings je ins Absurde abrutschen. Die Autorin hält grandios die Balance zwischen aufregenden Thriller-Elementen und der emotional bedrückenden Hintergrundgeschichte. Die plausible, unerwartete Auflösung stellt sehr zufrieden, ebenso wie der Ausgang für alle Beteiligten. Und die letzte schockierende Enthüllung ganz am Schluss lässt einen das Buch ganz bestimmt für lange Zeit nicht vergessen.

FAZIT:
"Böse Lügen" ist ein Thriller wie man ihn von Sharon Bolton erwartet: Die unterschiedlichen Figuren mit interessanten Motiven, die atemberaubende Kulisse und der intensive Stil lassen einem kaum Zeit zum Durchatmen, sodass man die Seiten nur so verschlingt. Aufregend, durchdacht und anders. Dafür gibt es 5 Punkte!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Besondere Figuren, großartiger Plot-Twist

Durchs Feuer
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"Es war schrecklich. Es war genial."
"Aber es war so gefährlich", sagte er. "Du hättest sterben können."
"Hast du es noch nicht rausgefunden?", fragte ihn Margot.
"Was?"
"Das große Geheimnis des Lebens. ...

"Es war schrecklich. Es war genial."
"Aber es war so gefährlich", sagte er. "Du hättest sterben können."
"Hast du es noch nicht rausgefunden?", fragte ihn Margot.
"Was?"
"Das große Geheimnis des Lebens. Wenn etwas nicht gefährlich ist, lohnt es sich kaum, es zu tun."
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INHALT:
Iris ist mit einer furchtbaren Familie geschlagen: Ihr Vater hat sie vor Jahren verlassen, ihre Mutter denkt nur ans Geld und ihr Stiefvater nur an sich selbst. Um ihre Gefühle verarbeiten zu können, zündelt sie gern und treibt sich mit ihrem besten Freund Thurston auf den Straßen herum. Bis ihre Mutter beschließt, dass sie wieder nach England zurückziehen und Iris' Vater besuchten sollten. Dieser liegt ihm Sterben und es wartet das große Geld. Nach anfänglicher Skepsis lässt sich Iris bald auf diesen fremden, aber irgendwie vertrauten Mann ein, der ihr die Augen öffnet über so manche Familiengeheimnisse...

MEINE MEINUNG:
Jenny Valentine schreibt sehr besondere Bücher für Jugendliche - von denen ich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, noch keines gelesen habe. Bisher, denn mit "Durchs Feuer" habe ich wohl einen sehr guten Anfang erwischt. Erzählt wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Iris, der man so sehr nah kommt. Der Stil ist wunderschön, manchmal rau, manchmal zärtlich und durchsetzt von mitreißenden Beschreibungen, die einen von der ersten Seite an fesseln.

Iris ist eine eigenwillige, spitzzüngige Hauptfigur, die man mit ihrer pyromanischen Ader nicht immer verstehen muss - deren Motive dafür man allerdings immer nachvollziehen kann. Ihr bester Freund Thurston ist noch skurriler als sie, mit verrückten Ideen und einer irren Sprunghaftigkeit, dem die Freundschaft aber dennoch extrem viel bedeutet. Und auch Iris' Vater, den sie nun erst richtig kennen lernt, schließt man mit seiner nachdenklichen, liebevollen Art schnell ins Herz. Dagegen präsentieren sich die Mutter und der Stiefvater als egoistische, niederträchtige Persönlichkeiten, denen man alles Schlechte wünscht. Dabei gelingt es der Autorin aber trotzdem auf verblüffende Weise, dass auch diese beiden niemals eindimensional wirken.

Natürlich hat die Geschichte nicht wirklich viele Überraschungen zu bieten - kurz vor dem Tod des Vaters trifft die Tochter auf ihn und sie versöhnen sich. Aber durch die Sprünge in die Vergangenheit, wenn Iris von ihrem Leben in den Staaten, von ihren Aktionen mit Thurston und ihren Bränden erzählt, kommen dennoch viele originelle Details hinzu, und der Wortwitz und die vielen Oneliner tun ihr Übriges. Das Ganze ist unfassbar unterhaltsam, geht aber auch in die Tiefe und stimmt nachdenklich über Leben und Tod, über Vergeben, Vergessen und Rache. Und nachdem der Roman 200 von 215 Seiten wenige Wendungen aufzubieten hatte, kommen diese dann am Ende mit einem schon im Klappentext angekündigten "wahren Paukenschlag" - so unerwartet und genial ausgedacht, dass der Schluss einen lange nicht mehr loslässt.

FAZIT:
"Durchs Feuer" mutet vom Inhalt her gar nicht mal so besonders an - aber Jenny Valentines großartiger Schreibstil und ihre klasse ausgearbeiteten Figuren lassen das Buch zu einem echten Lesevergnügen werden. Die große Überraschung am Ende setzt dem Ganzen nur die Krone auf. 5 Punkte!

Veröffentlicht am 09.07.2018

Zuckersüß und herzerwärmend

Nur drei Worte (Nur drei Worte – Love, Simon )
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I wonder how it's going for Blue. I wonder if Blue is feeling the same flutter in his stomach that I feel right now. Actually, he's probably feeling more than a flutter. He's probably so nauseated he can ...

I wonder how it's going for Blue. I wonder if Blue is feeling the same flutter in his stomach that I feel right now. Actually, he's probably feeling more than a flutter. He's probably so nauseated he can hardly choke the words out.
My Blue.
It's weird. I almost think I did this for him.
"What are you going to do?" Abby asks. "Are you going to tell people?"
I pause. "I don't know," I say. I haven't really thought about it. "I mean, eventually, yeah."
"Okay, well, I love you," she says.
She pokes me in the cheek. And then we go home.
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INHALT:
Simon ist schwul - aber bisher hat er davon niemandem erzählt. Niemandem bis auf Blue, mit dem er seit einigen Monaten Mails austauscht und mit dem er sich tief verbunden fühlt. Bis eben jene Mails einem Schulkameraden von ihm in die Hände fallen, der ihn damit erpresst. Nun muss Simon sich entscheiden: Geht er auf die Erpressungen ein und tut, was von ihm verlangt wird? Outet er sich? Er hat keine Ahnung, was letzteres für ihn und Blue bedeuten würde - und ob dieser überhaupt genauso wie Simon fühlt.

MEINE MEINUNG:
An Simon Spier und seinen Freunden kommt man seit zwei Jahren schon quasi nicht mehr vorbei - und jetzt, wo die Verfilmung im Kino läuft, sowieso nicht mehr. Und das ist gut so, denn eventuell entgeht einem ansonsten eine wunderbar liebenswerte, witzige und zuckersüße Geschichte rund um Freundschaft, die erste Liebe und das eigene Coming-Out. Erzählt wird "Simon vs. the Homo Sapiens Agenda" aus der Ich-Perspektive des Protagonisten, nur unterbrochen vom E-Mail-Austausch zwischen ihm und seiner Online-Bekanntschaft Blue. Und obwohl ich Brief- und Mail-Romane nicht mag, war das hier kein Problem.

Das liegt wahrscheinlich größtenteils an diesen wunderbar lebendigen und vielfältigen Figuren, die man sehr schnell ins Herz schließt. Allen voran natürlich Simon selbst, der auch großes Identifikationsptenzial für all jene bietet, die kein Coming-Out vor sich haben: Manchmal ist er, wie jeder Teenager, ein bisschen egoistisch, aber das gleichen sein Witz und Charme schnell wieder aus. Blue lernt der Leser erst einmal lange nur über seine Mails kennen, dafür entwickelt er aber schon hier einiges an Charakter. Bei den Nebenfiguren entfaltet sich jedoch das gesamte Potenzial: Der musikalisch-nachdenkliche Nick und die liebevolle Abby sind für die eher leichten Momente zuständig, während Leah mit ihrer eher zynischen Art dafür sorgt, dass Simon nach einigen Handlungen auch mal nachdenkt - kein Wunder also, dass gerade sie ein eigenes Buch erhalten hat.

Natürlich ist der ganze Roman ein bisschen kitschig und verarbeitet das Thema des Sich-Outens relativ leicht und mit einer Portion Zauber, den sicherlich in der Realität nicht jeder erlebt. Gleichzeitig zeigt er so aber auch, dass Homosexualität erstens selbstverständlich nichts Schlechtes ist, dass es zweitens Familien und Freunde gibt, die volle Akzeptanz zeigen und dass die erste Liebe drittens grundsätzlich etwas Wunderbares sein kann. Zudem spricht Becky Albertalli durchaus auch Mobbing und Missverständnisse an - es ist also nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Und nachdem man 300 Seiten mit Simon und Blue mitgefiebert hat und im Kopf durchgegangen ist, wer denn nun dieser geheimnisvolle Junge sein könnte, kann man am Ende gar nicht anders, als tief und glücklich zu seufzen. Was will man mehr von einem Buch?

FAZIT:
Nicht umsonst gelten die Bücher von Becky Albertalli seit einiger Zeit als das Nonplusultra der Jugend-Literatur. "Simon vs the Homo Sapiens Agenda" ist ein Buch, das schon einen Insider im Titel trägt und einem viele weitere auf den Weg gibt. Es ist witzig, herzerwärmend und ein bisschen kitschig - aber das hält sich im Rahmen. Ich freue mich jedenfalls auf das Spin-Off "Leah on the Offbeat". 4,5 Punkte!

Veröffentlicht am 31.05.2018

Übertrifft Band 1 noch

Zeitenfeuer
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"Warum sind wir hier?", fragte Flut. "Was sollen wir tun?"
"Bleibt einfach da stehen."
Das Geräusch war nun so laut, dass Persephone es spüren konnte wie das Kreischen eines Schleifsteins. Über ihnen begannen ...

"Warum sind wir hier?", fragte Flut. "Was sollen wir tun?"
"Bleibt einfach da stehen."
Das Geräusch war nun so laut, dass Persephone es spüren konnte wie das Kreischen eines Schleifsteins. Über ihnen begannen die Stalaktiten zu zittern und wie ein Windspiel zu klirren. Einer fiel herab und zersplitterte auf dem Pfad vor ihnen. Zwei weitere lösten sich und krachten mit solcher Wucht herab, dass Persephone und die anderen hastig zur Seite sprangen.
Dann explodierte der hintere Teil der Höhle.
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INHALT:
Die Menschen haben herausgefunden, dass die Fhrey, die sie immer als Götter verehrt haben, gar keine Götter sind - sie können es nicht sein, denn ein einfacher Mann hat einen von ihnen getötet. Nun plant Stammesführerin Persephone einen Aufstand, denn sie weiß aus sicherer Quelle, dass die Fhrey vorhaben, alle Menschen zu töten. Doch wie soll das gehen, in den Krieg zu ziehen gegen ein so viel stärkeres, mächtigeres Volk, das auch noch viel länger lebt? Das Ganze scheint aussichtslos, bis sie von den Dherg, einem anderen Volk, Waffen versprochen bekommen. Dafür müssen sie allerdings einen überaus gefährlichen Dämon besiegen...

MEINE MEINUNG:
Band 1 der Reihe um das "First Empire" konnte mich letztes Jahr mit seinen starken Frauenfiguren und den vielen originellen Ideen begeistern. Die Geschichte um den Kampf der Menschen gegen die Fhrey ist aber noch lange nicht vorbei, geht gerade erst in die zweite Runde. "Zeitenfeuer" knüpft nun also an den Vorgänger an und zwar relativ kurze Zeit später - trotzdem muss man sich erst einmal daran erinnern, was alles geschehen ist. Michael J. Sullivan bietet seinen Lesern aber nicht nur eine Zusammenfassung auf der eigenen Internetseite, sondern wiederholt wichtige Punkte auch noch einmal in der Geschichte und lässt diese ganz natürlich einfließen. Damit könnte man wohl sogar mit diesem Teil in die Reihe einsteigen - das macht aber natürlich nur halb so viel Spaß.

Erneut begleiten wir Persephone vom Dahl Rhen, eine mutige Frau, die alles für ihren Clan tun würde - aber auch alles, um die Zukunft der Menschen, also der sogenannten Rhunes, zu sichern. Sie hat selbstverständlich ihre unsicheren Momente und weiß nicht alles, aber sie versucht immer eine Möglichkeit zu finden und zeigt in ihrer Unabhängigkeit und ihrem unbändigen Willen zu kämpfen ihre ganze Stärke. Göttertöter Raithe hat in diesem Band eine etwas kleinere Rolle, muss sich erst einmal seiner eigenen Identität und seiner Rolle im Stamm bewusst werden, aber noch immer legt er eine unabänderliche Loyalität an den Tag. So verhält es sich auch mit vielen der Nebenfiguren, die einem schon zuvor ans Herz gewachsen sind und ihre Stellung nun festigen: Die kämpferische, spitzzüngige Moya etwa; die junge naturverbundene Suri; oder neu die drei Dherg, die sich ständig auf wunderbare Weise streiten. Die Kapitel aus der Sicht von Mawyndulë, fand ich zeitweilig sehr anstrengend, weil er nur wenig dazu lernt, allerdings tragen sie zum Ende hin ganz entschieden zum Fortgang der Geschichte bei.

Michael J. Sullivans Reihe ist, das schreibt er selbst, so aufgebaut, dass jeder Band eine abgeschlossene Geschichte enthält, es aber einige Fäden gibt, die sich durch alle Teile ziehen. Statt eines gefährlichen Bärs und Problemen innerhalb des Stamms, lernt man dieses Mal also das Volk der Dherg und einen schrecklichen Dämon kennen. Für einen High Fantasy-Roman wird dieses Mal aber relativ wenig gereist, wodurch das Spannungslevel konstant hoch gehalten wird - an welchem Ort auch immer man sich im Kapitel befindet, es brodeln Konflikte, es lauert Gefahr, und es drohen Kämpfe. Von diesen gibt es zur Genüge, allerdings immer wieder aufgelockert durch herrliche Wortgefechte, schlaue Pläne und die technischen Entwicklungen der Rhune Roan, die wir aaus der realen Welt natürlich schon kennen, die die Menschen im Buch aber in Sachen Wissen ungeahnt nach vorn katapultieren. Einige Charaktere, die im 1. Teil eine große Rolle gespielt haben, kamen mir dieses Mal ein wenig zu kurz, davon abgesehen war ich aber durchgehend gefesselt - besonders am Schluss, der noch einmal mit allen Qualitäten aufwartet, die sich zuvor angesammelt haben. Dem Lesevergnügen mit Band 3 steht damit nichts mehr im Wege.

FAZIT:
Wer genug von außerordentlich düsterer High Fantasy mit lauter grimmigen Gestalten hat, ist bei der "First Empire"-Saga genau richtig. Auch hier gibt es zwar Gefahren, Krieg und Tod - aber auch viele liebenswerte Figuren und einiges an Witz und Intelligenz. "Zeitenfeuer" übertrifft Band 1 sogar noch und macht richtig Lust auf den nächsten Teil. Für Fans des Genres ein Muss! 4,5 Punkte.

Veröffentlicht am 07.09.2017

Realistisch, gefühlvoll, fesselnd

Die gute Tochter
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Sie packte eine Handvoll Erde, dann noch eine, und machte immer weiter, bis sie ihren Bauchmuskeln eine letzte Anstrengung abverlangen und sich hochstemmen konnte.
Der plötzliche Schwall frischer Luft ...

Sie packte eine Handvoll Erde, dann noch eine, und machte immer weiter, bis sie ihren Bauchmuskeln eine letzte Anstrengung abverlangen und sich hochstemmen konnte.
Der plötzliche Schwall frischer Luft brachte Sam zum Würgen. Sie spuckte Blut und Erde aus. Ihr Haar war verfilzt. Sie betastete ihren Kopf. Ihr kleiner Finger glitt in ein winziges Loch. Der Knochen fühlte sich glatt an innerhalb der kreisrunden Öffnung. Dort war die Kugel eingedrungen. Sie hatten ihr in den Kopf geschossen.
Sie hatten ihr in den Kopf geschossen.
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INHALT:
28 Jahre ist es her, dass zwei Männer in der Küche von Familie Quinn standen, Mutter Gamma töteten und den Töchtern unaussprechliche Dinge antaten. Die ältere Schwester, Sam, flehte die junge Charlotte an zu fliehen - und das tat sie. Seitdem plagen sie Schuldgefühle, und wirklich aufgehört wegzulaufen hat sie nie. All die Schrecken ihrer Vergangenheit kommen wieder hoch, als sie zufällig die Erste am Schauplatz eines Amoklaufs ist. Täter und Waffe sind schnell identifiziert, aber es ist alles nicht so einfach, wie es den Anschein hat. Und so macht sich Charlie auf die Suche nach der Wahrheit, was es auch kostet.

MEINE MEINUNG:
Karin Slaughter ist sicherlich eine der bekanntesten Thriller-Autorinnen und doch ist ihr neuester Roman erst der zweite, den ich von ihr lese. In diesem Genre mag ich lieber Einzelbände - und genau solch einer ist "Die gute Tochter". Die Geschichte lebt vom atmosphärischen, ungeschönten und dialoglastigen Schreibstil, der nie langweilt, sondern im Gegenteil so sehr fesselt, dass es schwierig ist, sich von den Seiten zu lösen. Unterteilt ist das Buch in drei Teile, die perfekt aufeinander aufbauen, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass die vorangestellten Prologe des ersten und zweiten Teils besser getauscht worden wären - das hätte mehr Sinn ergeben.

Charlie ist eine ziemlich unperfekte Protagonistin, die gerade dadurch Identifikationspotenzial bietet: Impulsiv und mutig bahnt sich sich als Anwältin einen Weg durch eine von Männern dominierte Welt und fällt dabei nicht nur einmal auf die Nase. Sie ist so lebendig und glaubwürdig in ihren Ängsten und Zweifeln, dass man sie schnell ins Herz schließt. Zu ihrer Schwester Sam hatte sie immer ein eher schwieriges Verhältnis, weil diese ungleich rauer ist, mehr der Mutter ähnelt und doch genauso ein Kämpferherz in sich trägt wie auch Charlie - Reibungen vorprogrammiert. Großartig fand ich die gute Seele der Familie, Lenore, deren spannendste und überraschendste Eigenschaft erst spät enthüllt wird und die ich hier nicht bereits offenbaren will. Und weil auch die Nebencharaktere so lebendig gezeichnet sind, kommt es einem bald so vor, als würde man sie alle persönlich kennen.

Obwohl es eigentlich - vergleichsweise - überraschend wenig um die Tätersuche und auch um das Gerichtsverfahren geht, kommt nie Langeweile auf. Die Autorin hat ein fast schon unheimliches Gespür für realistische, oft schmerzhaft in die Tiefe gehende Dialoge und für menschliche Schicksale, die einem die Kehle zuschnüren. Es gelingt ihr fabelhaft, die Ängste über das Grauen der Vergangenheit mit dem Amoklauf in einer Grundschule zu verbinden, ohne dass dies konstruiert wirkt. Zwar konnte ich mir die Wahrheit hinter den Morden relativ früh denken und auch das Motiv war nicht schwer zu erraten - das ist der Spannung aber kaum abträglich. Der Showdown ist eventuell ein bisschen zu dramatisch, aber das hält sich noch in Grenzen - und mit dem letzten Kapitel wird dem Leser ein sehr guter und runder Abschluss geboten, der nach all dem Schrecken endlich Hoffnung verspricht.

FAZIT:
"Die gute Tochter" ist Karin Slaughters neuester Thriller und zugleich ein Einzelband, was ich sehr begrüße. Ihre Figuren sind so gut charakterisiert, dass es begeistert, und die Geschichte packt sowohl in den emotionalen als auch den brutalen Momenten. Ein Lesevergnügen, das keine Abstriche in Sachen Tiefe und Glaubwürdigkeit macht. 4,5 Punkte.