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Veröffentlicht am 24.10.2017

Weiterhin mysteriös, aber auch mit einigen Antworten

Cainsville – Zeit der Schatten
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Ich hielt mich ein paar Schritte hinter ihm und bereitete mich auf den Anblick vor. Auf keinen Fall wollte ich vor seiner Nase zusammenzucken.
Er erreichte die Fahrerseite. Blieb stehen. Runzelte die ...

Ich hielt mich ein paar Schritte hinter ihm und bereitete mich auf den Anblick vor. Auf keinen Fall wollte ich vor seiner Nase zusammenzucken.
Er erreichte die Fahrerseite. Blieb stehen. Runzelte die Stirn. Hob die Sonnenbrille. Senkte sie wieder. Schaute mich an.
"Haben Sie...?" Seine Stimme verlor sich, und er schüttelte den Kopf. "Natürlich nicht."
Ich ging um den Wagen herum zu der Stelle gleich neben der Fahrertür, an der er sich aufgebaut hatte. Die Leiche...
Die Leiche war verschwunden.
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INHALT:
Seit die wohlhabende und angesehene Olivia Taylor-Jones erfahren hat, dass sie mit Nachnamen eigentlich Larsen heißt und die Tochter zweier berüchtigter Serienmörder ist, ist nichts mehr wie es war. Dass sie vor Kurzem herausgefunden hat, dass eines der ermordeten Pärchen nicht auf das Konto ihrer leiblichen Eltern geht, gibt ihr Hoffnung - aber wie wahrscheinlich ist es, dass sie auch die anderen Fälle aufklären kann? Als sie eines Tages die Leiche einer jungen Frau in ihrem Auto entdeckt, die kurz darauf wieder verschwunden ist, wird ihr klar, dass sie erneut in großer Gefahr schwebt. Und wieder ist sie auf die Hilfe ihres Anwalts Gabriel angewiesen, bei dem sie nie weiß, wann er sie erneut verraten wird...

MEINE MEINUNG:
Der erste Band aus Kelley Armstrongs "Cainsville"-Reihe hat richtig viel Spaß gemacht und auch "Zeit der Schatten" steht dem in nichts nach. Mysteriöse Vorkommnisse, geheimnisvolle Figuren und bedeutungsschwangere Omen sind große Bestandteile dieser Romane, die sich um das ehemalige High Society-Girl Olivia drehen, die nun auf der Suche nach der Wahrheit ist. Erzählt wird die Geschichte weiterhin aus ihrer Ich-Perspektive und ab und zu kommen auch ein paar Dorfbewohner zu Wort, diese Kapitel wurden hier aber gegenüber dem Vorgänger stark reduziert, was ich ein wenig schade fand. Der Schreibstil aber ist genauso fesselnd wie zuvor: Flüssig, allerdings nicht flapsig, und gespickt von sehr amüsanten und glaubwürdigen Dialogen.

Wer die Charaktere in Band 1 mochte, dem wird es hier genauso ergehen. Denn an dieser Front ändert sich kaum etwas, außer dass der junge Rocker Ricky nun einen offiziellen Part in der Dreiecks-Liebesgeschichte einnimmt, die allerdings bisher nur Indizien für Gefühle zwischen Gabriel und Olivia aufweist (was sehr erfrischend und gleichzeitig unendlich nervtötend ist). Die Bewohner Cainsvilles verhalten sich hier noch ungewöhnlicher als zuvor und es wird bald deutlich, dass diese nicht nur die friedfertigen älteren Personen sind, die sie vorgeben zu sein. Olivia trifft zwar immer noch ab und an dumme Entscheidungen, bietet aber mit ihrer sympathischen Dickköpfigkeit und ihrer Intelligenz auch starkes Identifikationspotenzial, sodass man sie gern bei den Nachforschungen begleitet.

"Zeit der Schatten" ist Band 2 von 5 und bietet damit erstmals auch ein paar Antworten - nicht viele und kryptische noch dazu, aber wir kommen dem Kernpunkt näher. Obwohl ein großer Gegenspieler fehlt und die Autorin sich teilweise ein wenig zu stark darauf konzentriert, die Romantik zu etablieren, lernt man auch bald, dass beides durchaus einen Zweck hat. Zwischenzeitlich war mir insbesondere das Hin und Her zwischen Olivia und Gabriel zu viel, aber davon abgesehen reißt der Roman auch dann mit, wenn es seitenlang nur Dialoge gibt. Action sollte man nicht unbedingt erwarten, aber die geheimnisvolle Atmosphäre fesselt dennoch. Nur der Schluss driftet an der ein oder anderen Stelle zu sehr ins Abstruse ab und die Auflösung konnte man sich bereits vorher denken. Das ändert aber nichts daran, dass erneut genug Fragen aufgeworfen wurden, um einem den Nachfolger so richtig schmackhaft zu machen.

FAZIT:
"Cainsville" ist eine Reihe der mysteriösen Geschehnisse und unterhaltsamen Gespräche - Überraschungen gibt es zwar einige, Action oder gar Kämpfe braucht man aber weiterhin nicht erwarten. Das ist jedoch nicht schlimm, denn Kelley Armstrong zieht mit Schreibstil und Charakteren total in den Bann. "Zeit der Schatten" bereitet auf Großes vor, das hoffentlich in Band 3 passiert. Gute 4 Punkte!

Veröffentlicht am 28.09.2017

Starke (Frauen-)Figuren und eine spannende Mörder-Suche

Der Lügenbaum
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Auf halbem Weg die nächste Klippe hinauf hing ein schwarzes Etwas über einem Baum. Es sah aus wie ein riesiges Hufeisen, dessen Enden nach unten wiesen, sodass das Glück herauslaufen konnte.
Es war eine ...

Auf halbem Weg die nächste Klippe hinauf hing ein schwarzes Etwas über einem Baum. Es sah aus wie ein riesiges Hufeisen, dessen Enden nach unten wiesen, sodass das Glück herauslaufen konnte.
Es war eine Silhouette, nichts weiter, aber Faith wusste auf den ersten Blick, was es war. Menschen halten immer Ausschau nach anderen Menschen, und menschliche Augen haben das Talent, eine menschliche Form sofort zu erkennen. Mit grausiger Klarheit wusste sie, dass das, was sie sah, zwei baumelnde Beine waren, zwei schlaffe, nach unten hängende Arme und ein gebogener Rücken.
Es war ein Mann, der da über dem Baum hing. Die kalte Luft schnitt wie ein Messer in Faiths Kehle, als sie zum Haus zurückrannte.
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INHALT:
Die 14-jährige Faith muss mit ihrer Familie überstürzt ihren Heimatort Kent verlassen und nun auf der kleinen, kalten Insel Vane leben. Ihr ist nicht klar, was der Grund für diese Veränderung ist, bis sie in all ihrer Neugier ein Gespräch belauscht und erfährt, dass ihrem Vater unterstellt wird, ein Betrüger zu sein, seine als Naturforscher entdecken Relikte und Fossilien gefälscht zu haben. Faith kann diesen Anschuldigungen keinen Glauben schenken, aber die Bevölkerung von Vane tut es umso mehr. Die Menschen beginnten, die Familie zu schneiden, ihr Hass entgegen zu bringen - bis ihr Vater eines Tages tot aufgefunden wird. Ein Unfall? Gar Selbstmord? Faith fallen Ungereimtheiten auf. Sie weiß, dass ihr Vater besessen war von einer Pflanze, dem sogenannten "Lügenbaum" - hat dieser etwas damit zu tun? Bald ist sie sich sicher, dass ihr Vater ermordet wurde, nur von wem und wie soll sie das beweisen?

MEINE MEINUNG:
"Der Lügenbaum" spielt irgendwann um das Jahr 1860, zu einer Zeit, die für uns heute vollkommen unverständlich ist: Frauen durften nicht zur Schule gehen, geschweige denn arbeiten, Männer hatten vollends das Sagen, Linkshänder zu sein galt als Krankheit und weibliche Nachkommen waren nichts wert. In dieser Welt wächst die Protagonistin auf und trotz dieser Umstände gelingt es Autorin Frances Hardinge ganz wunderbar, starke Frauen in einer ebenso starken Geschichte zu etablieren. Der Schreibstil passt zum 19. Jahrhundert, ist aber trotzdem nicht altbacken, sondern im Gegenteil fließend und ungeahnt wortgewaltig. Die ersten 150 Seiten weisen einige Längen auf, weil diese wie eine Einführung in das Familienleben und die Zeit wirken, danach jedoch zieht das Tempo rasant an.

Faith ist eine wunderbare Hauptfigur, die man gerne auf der Suche nach dem Mörder und auch auf der Suche nach sich selbst begleitet. Sie ist neugierig und intelligent, auch wenn die Männer ihr letzteres immer wieder ausreden wollen. Es kommt vor, dass sie in alte Muster zurückfällt und versucht, sich zu verstellen, aber letztendlich findet sie ihren Mut immer wieder und begeistert mit ihrer Schlagfertigkeit. Ihre Eltern sind Personen, die man über lange Zeit nicht leiden kann. Das ändert sich bei ihrem Vater, einem unnahbaren und arroganten Menschen, auch nicht, aber die Art ihre Mutter, aus so gut wie allem Profit schlagen zu wollen, erklärt sich damit, dass einer Frau damals kaum andere Waffen blieben. Die Nebenfiguren bestechen ebenso durch ihre Ambivalenz: Der junge Paul, ewig desinteressiert und doch unwirsch bereit, Faith zu helfen; der gutmütige Onkel Miles, der seine eigenen Pläne verfolgt; oder auch die Bedienstete Jeanne, die von Angst getrieben zu so manch gemeiner Tat fähig ist - man muss die Charaktere nicht mögen, aber überzeugen können sie allemal.

Nachdem das erste Drittel leider eher vor sich hin dümpelt und Faith nur wenige Fragen stellt und daher auch nur wenige Antworten bekommt, wird es auf den letzten knapp 300 Seiten richtig mitreißend. Auf wahnsinnig unterhaltsame und geniale Weise gelingt es Faith, Schrecken unter den Inselbewohnern zu erzeugen, um Hinweise auf das eigentliche Geschehen am Todestag ihres Vaters zu erhalten. Die Dialoge sind manchmal witzig in ihrer Skurrilität, manchmal erschreckend, wenn es um die geringe Wertschätzung von Frauen geht, und manchmal hochemotional in Familienangelegenheiten. Faiths Suche nach der Wahrheit kommt nicht ohne Schwierigkeiten und Rückschläge aus, aber der mysteriöse Lügenbaum, das einzige leicht phantastisch angehauchte Element des Buches, hilft ihr dabei - für eine Gegenleistung, die sich schon bald verselbstständigt. Sensibel und doch ehrlich werden hier die Themen Familie, Zusammenhalt, Verrat und Lügen miteinander verwoben, sodass sie ein großes Ganzes ergeben. Bis zum Ende bleibt es spannend, und die Auflösung ist so wenig offensichtlich, dass es zur ein oder anderen Überraschung kommt. Zurück bleibt man mit dem Eindruck, etwas gelernt zu haben - und das, ohne irgendwie belehrt zu werden.

FAZIT:
Frances Hardinge versteht es auf besondere Weise, ihre Leser in ihre originellen und faszinierenden Geschichten hinein zu ziehen. "Der Lügenbaum" hat anfangs ziemliche Längen, wird danach aber richtig, richtig gut - inklusive wichtiger Themen und einer spannenden Suche nach dem Mörder. Ich vergebe 4 sehr gute Punkte und rate zum Ausprobieren!

Veröffentlicht am 18.08.2017

Wirft viele moralische Fragen auf

Heartware
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Die Nacht neigte sich dem Ende zu. Sie kauerten auf dem Bett, und Wills Schluchzen ging in einen tiefen Schlafatem über. Eli aber blieb wach. Bis zu dem Augenblick hatte er das Gefühl gehabt, Will gleite ...

Die Nacht neigte sich dem Ende zu. Sie kauerten auf dem Bett, und Wills Schluchzen ging in einen tiefen Schlafatem über. Eli aber blieb wach. Bis zu dem Augenblick hatte er das Gefühl gehabt, Will gleite ihm davon. Auf eine unbegreifliche Weise war sie ihm fern gewesen. Jetzt schien sie wieder da zu sein, so unmittelbar wie ihr träumender Körper. Das, was sich nun fern anfühlte, war er selbst.
Der nächste Tag war ihr letzter bei Senora Pudin. Sie mieteten ein Auto, kauften eine Leiter, Drähte und Schraubenzieher, eine Tragetasche und Isoliermaterial. Bevor sie losfuhren, versteckten sie zwei Löffel zwischen Bettgestell und Matratze.
"Damit unsere Liebe an einem Ort zurückleibt", sagte sie.
Wie oft er später daran denken musste. Wie sehr sich ihre Aussage mit der Zeit verfinsterte, leuchtendem Silber gleich, das altert.
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INHALT:
Vor Jahren wurde Adam Eli von seiner großen Liebe Willenya Curuvija verraten. Er ist für sie ins Gefängnis gegangen und versucht nun, seine Vergangenheit und auch sie zu vergessen, aber es will ihm nicht recht gelingen. Dann erhält er eines Tages eine Mail, die ihn aus der Bahn wirft, denn sie dreht sich um Will. Er soll sie suchen, weil sie etwas so Wichtiges gestohlen hat, dass sie damit die gesamte Welt verändern könnte. Doch sie wird auch von anderen gesucht, die daruch zwangsläufig auch auf seine Spur kommen. Und bald befindet sich Eli auf der Flucht, nur in Begleitung der undurchschaubaren und eventuell gegen ihn arbeitenden Detektivin Mariel...

MEINE MEINUNG:
An Jenny-Mai Nuyens ganz frühe Fantasy-Werke denke ich gern zurück - auch wenn mich viele ihrer späteren Romane nicht mehr genauso mitreißen konnten. Mit "Heartware" wagt sie sich nun erstmals in das Genre der Thriller vor, was mir bei anderen Autoren oft gar nicht gefällt, hier aber wunderbar funktioniert. Die Themen rund um künstliche Intelligenzen, die Machenschaften der Wirtschaftsmächte und die Überwachung der Menschheit sind brandaktuell und werden erschreckend realistisch dargestellt, sodass sich schnell ein fulminanter Sog ergibt. Erzählt wird die Geschichte aus den Perspektiven von Adam Eli, seiner unfreiwilligen Begleiterin Mariel Marigny und Y, die viele andere Sichten unter sich vereint, was durchaus Sinn ergibt.

Keine der Figuren des Romans ist so richtig glücklich. Das beginnt schon mit Adam Eli, der nach all den Jahren noch immer seiner Jugendliebe Will nachtrauert und keinen Frieden mit sich, mit ihr und mit ihrer verlorenen Beziehung geschlossen hat. Er ist sehr intelligent und findet für fast alles eine Lösung, aber weil er sich so sehr in seine Sehnsucht verrennt, denkt er oftmals nicht klar - was ihn nicht unbedingt unsympathisch macht, ihn jedoch manchmal ein bisschen zu sehr leiden lässt. Will selbst taucht größtenteils in Rückblicken auf und ist ganz klar ein gebrochenes, zerbrechliches Mädchen, das viele Ecken und Kanten hat, die sie nicht unbedingt zu einem guten Menschen machen. Das ist aber auch nicht notwendig, denn gerade durch ihre Undurchschaubarkeit gewinnt sie an Intensität. Nebenfiguren wie die manipulative und kokette Marigny oder auch die düsteren, skrupellosen Agenten Beckblum, Nakamoto und Dussardier tragen dazu bei, ein Gewirr aus Fragen und verschiedenen Handlungsfäden aufzuwerfen, die kunstvoll verwoben werden.

Nuyen gelingt es, wichtige, spannende Fragen aufzuwerfen, ohne die Antworten darauf dem Leser vorwegzunehmen: Wie weit sollte man für die Liebe gehen? Was ist man bereit, auf dem Weg zum eigenen Ziel zu opfern? Und darf man über das Schicksal der Welt entscheiden? Technische Details über Aktienmärkte, Computer und Wirtschaft sind so gut und verständlich in die Handlung eingebaut, dass einem nichts entgeht - und trotzdem fügen sich die einzelnen Elemente erst zum Ende hin zu einem großen Ganzen zusammen. Zwischenzeitlich gibt es durchaus ein paar Längen, besonders im Mittelteil, der sich bei vielen Dialogen und nur wenig Handlungsfortschritt etwas zieht. Das jedoch machen die rasanten letzten 100 Seiten wieder wett. Die Charaktere und ihre Ambitionen sind kaum zu durchschauen, weshalb auch der Ausgang des Buches lange offen bleibt. Am Schluss wird nicht alles geklärt und nicht jeder findet seinen Seelenfrieden, was realistisch ist - aber die Hoffnung, dass es vielleicht, eines Tages, doch gut werden könnte, bleibt.

FAZIT:
"Heartware" ist ein größtenteils rasanter Thriller, der aber auch dramatische Züge besitzt und insbesondere von den intensiven, sehr ambivalenten Charakteren lebt. Zwischenzeitlich haben sich ein paar Längen eingeschlichen und das ein oder andere Mal wurde mir der Leidensdruck der Figuren zu groß, gefesselt war ich aber fast durchgehend. 4 Punkte.

Veröffentlicht am 18.07.2017

Düster und mysteriös

Dunkles Omen – Ein Cainsville-Thriller
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Die Namen werden Ihnen wahrscheinlich nichts sagen.

Na klar. Niemand, der im Mittleren Westen lebte, hatte je von Pamela und Todd Larsen gehört.

Eheleute. Serienmörder.

Ich war die Tochter zweier Soziopathen.

Voller ...

Die Namen werden Ihnen wahrscheinlich nichts sagen.

Na klar. Niemand, der im Mittleren Westen lebte, hatte je von Pamela und Todd Larsen gehört.

Eheleute. Serienmörder.

Ich war die Tochter zweier Soziopathen.

Voller Entsetzen starrte ich meinen Laptop an. Ja, ich wusste zwar, wer die Larsens waren, aber viel mehr auch nicht. Das sollte ich ändern.

Aber wozu?

Sie waren Mörder. Verurteilte Serienmörder. Wollte ich mich wirklich mit Details ihrer Taten herumquälen? Oder hoffte ich vielleicht, dass es gar nicht so schlimm war, wie ich gehört hatte?

Oh, sie haben nur sechs Leute umgebracht, nicht acht, wie ich gedacht hatte. Na, das ist ja dann gar nicht so schlimm.
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INHALT:
Olivia Taylor-Jones führt ein Leben, wie es besser nicht sein könnte: Sie ist schön, sie ist reich, sie ist beliebt und auf dem besten Wege, Ehefrau eines zukünftigen Senators zu werden. Bis sie eines Tages erfährt, dass sie adoptiert wurde - und ihre wahren Eltern das Serienkiller-Ehepaar Pamela und Todd Larsen ist. Zurückgewiesen von ihrer bisherigen Familie und zu stolz, deren Geld zu nehmen, sucht sie verzweifelt einen Job und landet dabei im kleinen Örtchen Cainsville. Cainsville, das viele Geheimnisse hütet, ebenso wie Gefahren. Und das irgendetwas mit der Geschichte ihrer Eltern zu tun zu haben scheint...

MEINE MEINUNG:
Kelley Armstrong ist vor allem für ihre Urban Fantasy Romane bekannt, von denen viele auch bei uns erschienen sind. Mit den Büchern rund um das Örtchen Cainsville wagt sie sich nun seit 2013 an die Mystery-Thriller heran, die vor allem den Thrill bieten, aber mit geheimnisvollen Vorkommnissen auch immer wieder auf Übernatürliches hindeuten. Erzählt werden alle vier im Original bisher erschienen Teile aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Olivia, was aber immer wieder durch kurze und oft sehr mysteriöse personale Kapitel anderer Figuren unterbrochen wird. Diese schaffen nicht nur eine ganz eigene Atmosphäre, sie geben oft auch schon Hinweise und Erklärungen, ohne jedoch zu viel vorweg zu nehmen.

Olivia ist entgegen des ersten Eindrucks, den man von dem reichen Mädchen aus gutem Hause hat, eine ziemlich toughe Protagonistin mit eigenem Willen und einem ziemlichen Dickkopf, wodurch sie einem schnell sympathisch wird. Der Anwalt Gabriel, der ihr nicht wirklich uneigennützig hilft, mehr über sich und ihre Familie herauszufinden, ist besonders zu Beginn ein ziemlicher Mistkerl, der aber nie verheimlicht, was er ist: Egoistisch und materialistisch. Dass auch er Gefühle hat, kann er jedoch nicht verheimlichen. Und auch die Nebenfiguren stehen den Hauptcharakteren in nichts nach: Ob nun die griesgrämige Vermieterin Olivias, ein freundliches Ehepaar, das deutlich mehr weiß als es sagt, oder die leibliche Mutter Pamela, bei der man sich wie Olivia nicht sicher sein kann, ob sie die Wahrheit sagt - sie alle lassen die Geschichte sehr lebendig werden und bestechen durch ihre glaubhafte Darstellung.

Mit Cainsville hat Kelley Armstrong einen ebenso beschaulichen und niedlichen wie geheimnisvollen und eventuell auch gefährlichen Ort geschaffen. Die Einwohner passen aufeinander auf und helfen sich gegenseitig, aber sie verbergen auch Dinge. Man weiß nie, woran man bei ihnen ist, was wunderbar zu der sowieso schon teilweise schaurigen Stimmung beiträgt. Olivia macht sich derweil mithilfe des Anwalts Gabriel auf eine lebensgefährliche Spurensuche: Denn mit dem Versuch, ihre leiblichen Eltern von den schrecklichen Morden zu entlasten, macht sie sich viele Feinde. Nicht nur die Presse ist hinter ihr her, auch fällt ihr auf dem Weg zur Wahrheit immer mal wieder eine Leiche vor die Füße. Und nicht nur das - die Omen, die sie sieht und die sie erst für Humbug hält, bewahrheiten sich immer öfter und machen nicht nur ihr Angst, sondern auch dem Leser. Zum Schluss wird das Ganze etwas zu abstrus, ist dafür aber auch sehr aufregend und hält sich gerade noch im Rahmen. Auf die Antworten, die uns in Band 2 erwarten, bin ich jedenfalls schon gespannt.

FAZIT:
"Dunkles Omen" ist der atmosphärische und schaurige erste Band der "Cainsville"-Reihe rund um den Versuch, vier Jahrzehnte zurückliegende Doppelmorde aufzuklären. Der Schreibstil ist fesselnd, die Geschichte originell und geheimnisvoll. Band 2, "Zeit der Schatten" erscheint im September auf Deutsch und verspricht neue Fragen und neue gruselige Ereignisse. Gute 4 Punkte!

Veröffentlicht am 12.07.2017

Gefühlvoll und realistisch

Nachtblumen
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Erneut schielte ich über meine Schulter und beobachtete Collin, der das Zeichnen wieder aufgenommen hatte. Ich erinnerte mich an jenes Gespräch auf der Aussichtsplattform, als er dachte, ich würde ihn ...

Erneut schielte ich über meine Schulter und beobachtete Collin, der das Zeichnen wieder aufgenommen hatte. Ich erinnerte mich an jenes Gespräch auf der Aussichtsplattform, als er dachte, ich würde ihn aushorchen und die erschlichenen Informationen im Anschluss an Vanessa weitertratschen. Er sprach davon, dass er eine glückliche Kindheit gehabt hätte, in der es ihm an nichts fehlte. Wenn das tatsächlich der Fall war, fragte ich mich, warum hatte er dann so große Ahnung vom Kämpfen?
Stille breitete sich zwischen uns aus, als wäre sie unser treuester Begleiter. Collin und ich waren nie allein, sie war immer dabei. Ich lauschte in die Ferne, hörte den Wind und das Meer und hinter mir das Flüstern von Collins Bleistiftmine auf dem Papier.
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INHALT:
Jana, die bisher in Heimen und betreutem Wohnen untergebracht war, erhält die Chance ihres Lebens: Sie darf auf Sylt eine Ausbildungsstelle in einem Architekturbüro antreten und dafür im Haus ihres Chefs unterkommen, gemeinsam mit vier weiteren jungen Menschen. Die Eingewöhnung fällt ihr schwer und ihre Ängste bestimmen auch ihr neues Leben. Erst langsam gelingt es ihr, sich zu öffnen und Vertrauen zu fassen. Und dann ist da noch der unnahbare Collin, der ihr Herz flattern lässt - sie aber nur selten an sich heranlässt. Jana muss entscheiden, ob sie alles riskiert, um ihm ihre Zuneigung zu zeigen, oder ob sie lieber auf sicherem Boden bleibt und ihn dadurch eventuell verliert...

MEINE MEINUNG:
Carina Bartsch hat mit ihrer Dilogie um Emely und Elyas vor zwei Jahren einen vollen Erfolg gelandet, von der mir insbesondere Band 2 sehr gut gefallen hat. Um "Nachtblumen" kam ich dementsprechend quasi nicht herum. Der einnehmende, gefühlvolle Stil und die Erzählung aus der Ich-Perspektive sind geblieben, ansonsten hat sich jedoch viel geändert: Die Geschichte ist deutlich ruhiger und geht mehr in die Tiefe. Gleichzeitig tritt die Handlung aber auch vor allem im ersten Drittel stark auf der Stelle und hätte teilweise wohl gekürzt werden können.

Jana ist mit ihrer ängstlichen und zurückhaltenden Art zu Beginn eine sehr anstrengende Protagonistin, vor allem, weil sie dazu neigt, Dinge in sich hineinzufressen. Anstatt auf die Leute, die ihr Vertrauen und Sicherheit bieten, zuzugehen, versteckt sie sich in ihrem Schneckenhaus und macht ihre eigenen Fortschritte immer wieder zunichte. Das erklärt sich zwar mit ihrer Geschichte, die in Therapiesitzungen und Gesprächen aufgedeckt wird, und sie macht eine stetige Entwicklung durch - diese geht aber so langsam vonstatten, dass es zwischenzeitlich frustriert. Love-Interest Collin ist nicht unbedingt der Traumprinz, den ich mir für Jana gewünscht hätte, denn mit seiner arg abweisenden und alle für dumm haltenden Art konnte ich wenig anfangen. Über die erste Hälfte spricht er kaum, gibt nichts von sich preis, weswegen es schwierig ist, ihn kennen zu lernen. Auch er hat eine schwerwiegende Vergangenheit und Fehler machen menschlich, aber ich konnte ihn nicht immer verstehen. Schade fand ich insbesondere jedoch, dass die Nebenfiguren so wenig Entwicklung erfahren bzw. diese eher im Hintergrund passiert, wodurch sie teilweise wie Beiwerk wirken.

Trotz der nur langsam voranschreitenden Handlungen und der kleinen Probleme, die ich also mit den Figuren hatte, war ich beinahe durchgehend gefesselt. Carina Bartsch hat so einen bildlichen und mitreißenden Stil, dass es schwierig ist, sich von ihren Worten loszureißen. Die Liebesgeschichte hat mich zwar nicht komplett überzeugen können, vor allem weil Jana Collin viel zu oft und viel zu viel nachläuft, ihre Emotionen habe ich aber dennoch immer nachempfinden können. Vor allem setzt sich die Autorin aber auf glaubwürdige und, ganz wichtig, sensible Weise mit Krankheit, Verlust und psychischen Problemen auseinander. Die Liebesgeschichte kommt ohne Kitsch, aber nicht ohne Schmerz aus, und für alle Charaktere ist es schwer, ihre alten Verhaltensweisen loszuwerden. Damit weiß der Roman bis zur letzten Seite zu fesseln und vor allem immer wieder zu berühren - besonders am Ende, das einen runden und schönen Abschluss bietet.

FAZIT:
Carina Bartschs neuer Roman "Nachtblumen" ist ganz anders als ihre erste Dilogie, und doch in Sachen Schreibstil und Spannung genauso wunderbar zu lesen. Zwischenzeitlich gibt es einige Längen und nicht immer kam ich mit den Charakteren klar - dennoch war ich fast durchgehend gefesselt und insbesondere vom realistischen Umgang mit familiären und psychischen Problemen berührt. 4 Punkte!