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Veröffentlicht am 26.10.2016

Hab Mut und Vertrauen und lebe deine Träume

Unter dem Sternenhimmel
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Eigentlich hatte Noa die Hoffnung schon fast aufgegeben, als sie plötzlich doch die Chance erhält, ihren großen Traum vom eigenen Cafe zu verwirklichen. Es soll kein normales Cafe werden, sondern auch ...

Eigentlich hatte Noa die Hoffnung schon fast aufgegeben, als sie plötzlich doch die Chance erhält, ihren großen Traum vom eigenen Cafe zu verwirklichen. Es soll kein normales Cafe werden, sondern auch eine Bücherabteilung, ein Shop mit Dekoartikeln und eine Blumentheke sollen dabei sein. In einer alten Vorstadtvilla soll ihr Projekt nun Wirklichkeit werden. Chiara und Florian unterstützen sie bei der Umsetzung und vermitteln auch den Kontakt zu ihrem Freund Jonas, der als Schreiner die Möblierung und sonstige Holzarbeiten für Noa übernehmen kann. Mit „Noas Arche“, wie sie ihr Cafe nennt, hat die junge Frau nicht nur ihren Traum erfüllt, sondern zugleich auch eine Heimat gefunden. Jonas ist hingerissen von seiner neuen Geschäftspartnerin, aber dann geschieht so einiges, was ihn an Noa zweifeln lässt. Er fragt sich, wer sie wirklich ist und ob er ihr vertrauen kann. Noa wird von ihrer Vergangenheit eingeholt und läuft Gefahr, alles, was sie sich mühsam aufgebaut hat, wieder zu verlieren.

„Unter dem Sternenhimmel“ ist Elisabeth Büchles zweiter „Weihnachtsroman“. Schon im vergangenen Jahr ist „Unter dem Polarlicht“ erschienen, und die beiden Geschichten hängen auch in gewisser Weise lose zusammen. Man begegnet alten Bekannten aus dem ersten Roman wieder, nur ist die Rollenverteilung neu. Waren im ersten Band Chiara und Florian die Hauptpersonen, so dreht sich diesmal die Geschichte in erster Linie um Noa und Jonas. Es ist nicht zwingend erforderlich, die Bände in der chronologischen Reihenfolge zu lesen, denn jeder Roman kann auch jederzeit und ohne Verständnisprobleme für sich allein bestehen.

Wie schon erwähnt, diesmal geht es in der Hauptsache um Noa und Jonas. Die junge Frau ist ein eher zurückhaltender Typ und hat kein großes Selbstbewusstsein, was auf ihre schwierige Vergangenheit zurückzuführen ist, wie man nach und nach erfährt. Weiter möchte ich hier gar nicht auf ihre persönlichen Probleme eingehen, um nicht zu viel vorweg zu nehmen. Dieser Roman zeigt auf jeden Fall, was ein Mensch schaffen und erreichen kann, wenn er es will. Die Kulisse der Geschichte bildet zum großen Teil das schöne Cafe, dieser wundervoller Ort der Begegnungen. Es wird Noas Entwicklung beschrieben, mit all der Freude, die sie erlebt, aber auch mit den Rückschlägen, die sie einstecken muss. Jonas, völlig im Zwiespalt zwischen Faszination für die hinreißende Frau mit den roten Locken und Misstrauen ihr gegenüber, weiß nicht recht, wie er sich verhalten soll. Auch er macht eine wichtige Entwicklung durch, muss sich seinen Zweifeln stellen und alte Wunden heilen lassen.
Es ist ein Roman mit vielen Facetten, einerseits kurzweilig und unterhaltsam geschrieben, aber auch mit vielen tiefgründigen Momenten.
Es gibt einige berührende Szenen in der Geschichte, die mir zwischendurch immer wieder einfallen und mir wohl lange im Gedächtnis bleiben werden. Ohne die Hilfe von Freunden würde es die Protagonistin nicht schaffen, ihre Pläne und Träume umzusetzen, aber zum Glück begegnet sie immer wieder Menschen, die mit viel Lebensweisheit und Herzenswärme gesegnet sind und die ihr Vertrauen entgegenbringen.
Mich hat diese Geschichte nicht nur nachdenklich gemacht, sondern auch zu intensiven Gesprächen innerhalb der Familie und mit Freunden angeregt. Es ist ein Buch, das mich nachhaltig beschäftigt und das ich sicher mit etwas Abstand erneut lesen werde.
Es wäre natürlich keine richtige Weihnachtsgeschichte, wenn nicht auch eine gute Portion Romantik darin vorkäme, außerdem gibt es, wie bereits im Vorjahr wieder eine Besonderheit.
Im ersten Buch wurden wir in das Geheimnis der rot-weiß gestreiften Zuckerstangen eingeweiht, und in diesem Jahr dürfen wir erfahren, was es mit dem allerersten Adventskranz auf sich hat.
Den perfekten Abschluss zu diesem bezaubernden Weihnachtsroman bildet ein Rezept für „Roses Apfel-Zimt-Kuchen“, den die Gäste in Noas Cafe genießen durften. Das werde ich bestimmt ausprobieren und mir damit ein wenig von der wundervollen und heimeligen Atmosphäre dieses Cafes nach Hause holen.

Veröffentlicht am 22.10.2016

Die Null ist eine seltsame Zahl

Die Null ist eine seltsame Zahl
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Dieses wunderschön gestaltete Bilderbuch bringt schon den Kleinen ab drei Jahren die Welt der Zahlen nahe. Das geschieht auf spielerische Weise und durch liebevoll gestaltete Bilder; es sind Holzschnitte ...

Dieses wunderschön gestaltete Bilderbuch bringt schon den Kleinen ab drei Jahren die Welt der Zahlen nahe. Das geschieht auf spielerische Weise und durch liebevoll gestaltete Bilder; es sind Holzschnitte in warmen Farbtönen.
Die kleinen Betrachter lernen durch die Illustrationen verschiedene Tierkinder und ihre Eltern kennen. Da ist beispielsweise ein Elefantenkind mit seiner Mutter zu sehen. Es ist das einzige Elefantenbaby und steht somit für die Zahl 1. Gleichzeitig erfährt man einiges über dieses Tier.
Bei der Zahl 2 sind zwei Eisbärkinder mit ihrer Mama zu entdecken. Das geht so weiter, und um nur ein paar Beispiele zu nennen, so sind bei der Zahl 4 vier kleine Störche im Nest zu sehen, und bei der Zahl 8 können wir acht rosa Schweinchen bewundern. Immer gibt es zu den jeweiligen Tierkindern eine passende kleine Geschichte.
So lernen kleine Kinder die Zahlen 1 bis 10 kennen, dann geht es weiter mit den Mengen 50 und 100. Immer können die Kinder auch mitzählen, denn bei der Zahl 50 sind zum Beispiel auch wirklich 50 Tintenfischeier abgebildet, so dass sich die Kinder die beschriebene Menge auch plastisch vorstellen können. Zuletzt erfahren die Leser, was es mit der Null auf sich hat und was an dieser Zahl so seltsam bzw. so besonders ist.
Dieses Buch wächst mit. Sind bei den Dreijährigen wohl vor allem die vorderen Seiten mit den ersten Zahlen interessant, so können Sechsjährige die Zahlen viel besser erfassen und begreifen und werden sich auch für die 50 Tintenfischeier oder die 100 kleinen Seepferdchen interessieren. Durch immer wieder neues Betrachten und Lesen der Geschichte prägen sich die Zahlen ein, und so ganz nebenbei wird auch noch Wissen über verschiedene Tierarten vermittelt.

Schon die äußere Aufmachung des Buches und die künstlerische Gestaltung sind sehr schön. Die inneren Buchdeckel und die Vorsatzblätter sind mit bunten Zahlen dekoriert, die auf warm-gelbem Grund in verschiedenen Farben und Größen angeordnet sind, als würden sie tanzen. Der breite Leinenrücken mit schwarzem Druck unterstreicht die hochwertige Gestaltung.
Alles in allem ist hier ein kleiner Schatz für jedes Bücherregal entstanden, der nicht nur Kindern gefällt, sondern auch das Auge der erwachsenen Vorleser erfreut.

Veröffentlicht am 18.10.2016

Norwegen zum Ende des 19. Jahrhunderts - zwei starke Frauen und ihre berührende Geschichte

Das Geheimnis der Mittsommernacht
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Dieser Roman hat zwei große Handlungsstränge, die zum Teil nebeneinander her laufen, sich aber auch des öfteren kreuzen, denn es geht hier in der Hauptsache um das Schicksal zweier junger Frauen, die sich ...

Dieser Roman hat zwei große Handlungsstränge, die zum Teil nebeneinander her laufen, sich aber auch des öfteren kreuzen, denn es geht hier in der Hauptsache um das Schicksal zweier junger Frauen, die sich zufällig begegnen und sich anfreunden.

Da ist einmal die Deutsche Clara. Während eines Besuchs in Røros, der alten Heimat ihres Mannes, kommt dieser bei einem tragischen Unfall ums Leben. Sie ist nun auf sich allein gestellt und muss sehen, wie das Leben für sie und ihren kleinen Sohn weitergehen soll. Ihre Situation, die zuerst so hoffnungslos erscheint, klärt sich nach und nach, und der Kampf, für sich und ihren Sohn ein Auskommen und Anerkennung in diesem fremden Land zu finden, macht Clara stark.
Der zweite Handlungsfaden dreht sich um Sophie Svartstein, die Tochter eines der reichsten und mächtigsten Männer von Røros. Die junge Frau fühlt sich in den gesellschaftlichen Zwängen gefangen, die ihr durch ihre Stellung auferlegt werden. Ihre Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben bringt sie in so manche Zwickmühle.

Sophie und Clara begegnen sich in der örtlichen Bibliothek, und aus dem zufälligen Treffen wird eine innige Freundschaft, die auf tiefer Verbundenheit und vielen Gemeinsamkeiten beruht
Jedoch müssen beide ihren eigenen Weg finden und ihr Schicksal annehmen. Es gibt immer wieder Berührungspunkte, denn die beiden Frauen sind sich in einer Sache sehr ähnlich: sie haben ein großes Herz. Diese eigentlich lobenswerte und schöne Eigenschaft bringt jedoch beiden Frauen auch viel Kummer und Leid und beschert ihnen einige tragische Momente.
Dem im Klappentext erwähnten Geheimnis kommen sie jedoch nicht gemeinsam auf die Spur, denn beide haben ihre persönlichen Probleme und jede für sich ihr Päckchen zu tragen, und eigentlich ist es Clara, die in der Vergangenheit stöbert und der sich dadurch so manches Geheimnis offenbart.

Einige Aspekte dieses erwähnten Geheimnisses werden auch nur am Rande erwähnt und nicht weiter ausgeführt. Manches ist vorhersehbar, aber für mich hielt dieser Roman auch einige bewegende Momente und Überraschungen bereit. Das Schicksal dieser beiden starken Frauen hat mich stark berührt, und ich gestehe, dies ist mir schon lange nicht mehr passiert, dass mir bei einer Szene die Tränen in den Augen standen, aber hier war es so.
Zwei Frauen – zwei Geschichten, die zum Teil parallel verlaufen, sich auch in bestimmten Momenten treffen und dann doch wieder getrennte Wege gehen.
Ihre Erlebnisse sind eingebettet in einen Roman mit wundervollen Landschaftsbeschreibungen, vielen Erläuterungen zum damaligen Leben und zur politischen Situation in Norwegen. Man erfährt sehr viel über Sitten und Bräuche des Landes, aber auch über die Missstände, die es damals gab, über Standesdünkel, gesellschaftliche Zwänge und die Arroganz gesellschaftlichen Minderheiten gegenüber.

Der Schreibstil ist schön, lebendig und kurzweilig, die Schilderungen sind größtenteils sehr detailliert, und manches hätte ich nicht in dieser Ausführlichkeit gebraucht. Dafür gibt es wiederum für mein Empfinden in beiden Handlungssträngen ein paar offene Fädchen, die sich am Ende nicht verbinden. Aber Claras und auch Sofies Geschichte haben mich so mitgerissen und fasziniert, dass ich die kleinen Ungereimtheiten wohlwollend akzeptieren und sagen kann, dass mir der Roman insgesamt sehr gut gefallen hat.

Veröffentlicht am 15.10.2016

Großartiges Finale der wunderbaren Adelina-Reihe

Vergeltung im Münzhaus
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Köln 1408: Die Apothekerin Adelina Burka kommt dazu, als ein Toter im Haus des Münzwechslers Birboim gefunden wird. Der Mann ist ermordet worden, und wie sich herausstellt, ist es der Vater der Hebanne ...

Köln 1408: Die Apothekerin Adelina Burka kommt dazu, als ein Toter im Haus des Münzwechslers Birboim gefunden wird. Der Mann ist ermordet worden, und wie sich herausstellt, ist es der Vater der Hebanne Clara van Oeche. Der Knecht ihres Vaters beschuldigt die junge Frau, den Mord an Urs van Oeche verübt zu haben, um sich an ihm zu rächen, denn er hatte vor Jahren, als ihm die Schulden bis zum Hals standen, seine Tochter und seine Frau an ein Hurenhaus verpfändet. Clara kommt in den Kerkerturm. Van Oeches Knecht ruht nicht, sondern klagt Clara auch noch wegen eines zweiten Mordes an, den sie vor Jahren seiner Meinung nach ebenfalls begangen haben soll.
Adelinas Stieftochter Griet, die mit Clara gut befreundet ist, will der jungen Hebamme helfen, und ehe sich Adelina versieht, stecken sie und Griet mitten in den kriminalistischen Ermittlungen zu diesem Fall. Aufgrund ihrer tragischen Vergangenheit hält sich Griet nach Möglichkeit von den Männern fern. Sie hat beschlossen, niemals zu heiraten, sondern möchte eines Tages in ein Beginenhaus ziehen, in der Hoffnung, dort ihren Seelenfrieden zu finden. Um Clara zu helfen, muss sie über ihren Schatten springen und gezwungenermaßen mit Cristan Reese zusammenarbeiten. Cristan ist zweiter Hauptmann der Kölner Stadtsoldaten und Neffe des Gewaltrichters Georg Reese, welcher der Familie Burka freundschaftlich verbunden ist. In Kürze soll Cristan das Amt seines Onkels übernehmen und wird deshalb mit der Klärung des aktuellen Mordfalls betraut. Bei den gemeinsamen Bemühungen, Clara zu helfen und die Wahrheit herauszufinden, kommen sich Griet und Cristan gefährlich nahe...

Dies war nun also der sechste und voraussichtlich letzte Band von Petra Schiers Adelina-Reihe.
Über drei Jahre ist es her, dass ich den ersten Band „Tod im Beginenhaus“ gelesen habe. Mit Spannung habe ich Adelinas Entwicklung und ihr Leben verfolgt, habe Anteil an Freud und Leid der Protagonisten genommen. Im Lauf der Zeit, während ich einen Band nach dem anderen las und an den Geschicken der Familie Burka Anteil nahm, sind mir Adelina und ihre Lieben so vertraut wie alte Bekannte geworden.
In diesem Abschlussband hat sich der Schwerpunkt ein wenig von Adelina und Neklas Burka weg bewegt, denn diesmal steht Griet, Neklas' leibliche Tochter und Adelinas Stieftochter, im Mittelpunkt der Geschichte. Das verstörte Mädchen von damals ist inzwischen zu einer schönen jungen Frau herangewachsen. Allerdings kann sie die Schrecken der Vergangenheit nicht vergessen. Um Männer macht sie nach Möglichkeit einen großen Bogen, zu schwer lasten die Erlebnisse aus der Kindheit auf ihrer Seele.
Und dann kommt Cristan, ein Bild von einem Mann, von dem Griet sofort merkt, dass er ihr gefährlich werden kann. Aber er ist nicht nur attraktiv und respekteinflößend, sondern er hat auch eine sensible Seite, ist feinfühlig und liebevoll. Und er hat ein gefährliches Geheimnis. Wie er damit umgeht und ob es ihm gelingt, Griets Schutzwall um ihre Seele zu durchbrechen, dazu möchte ich gar nicht allzu viel schreiben, denn das muss man einfach selbst lesen. Die einfühlsam und wunderschön beschriebenen Szenen, die von der erst zaghaften Annäherung der Protagonisten erzählen, sind ein wahrer Lesegenuss.
Um diese zarte Liebesgeschichte,die viel Raum einnimmt, weil sie so vielschichtig und komplex ist, ranken sich mehrere Handlungsstränge, die natürlich ebenfalls Beachtung verdienen. Da ist zum einen Claras Schicksal. Was der jungen Hebamme widerfährt, ist schrecklich. Sie sitzt im Kerker und ist zweifach des Mordes angeklagt. Ihre Lage scheint hoffnungslos, wenn da nicht ihre guten Freunde wären, die sich um sie sorgen.

Auch in das normale Familienleben der Burkas wird der Leser wieder mit einbezogen und kann sich im Kreis dieser liebenswerten und klugen Menschen wohl fühlen. Hier muss man sagen, dass der „normale“ Alltag der Burkas immer ein wenig turbulent und aufregend ist. Die Familienmitglieder zeichnen sich alle durch ein hohes Maß an Toleranz und Mitgefühl aus, und sie können nicht wegsehen, wenn irgendwo ein Unrecht geschieht. Sie urteilen nicht vorschnell über ihre Mitmenschen, denn was Vorurteile und Engstirnigkeit auslösen können, das haben sie alle schon zur Genüge erlebt. Wer das Schicksal der Burkas schon länger verfolgt, wird hier auch einige alte Bekannte wieder treffen, manche davon mit einem unguten Gefühl. Um die Zusammenhänge in vollem Umfang erfassen zu können, ist es empfehlenswert, die sechs Bände in ihrer chronologischen Reihenfolge zu lesen, denn dann weiß man um die Vorgeschichten der einzelnen Charaktere. Aber auch wenn man die bisherigen Bände nicht gelesen hat, wird man keine Verständnisprobleme haben, denn es gibt immer wieder geschickte kleine Rückblicke zu früheren Ereignissen.
Petra Schier schreibt kurzweilig und doch gehaltvoll. Der Roman bietet gerade die richtige Mischung aus romantischen Szenen, Spannung und Alltagsleben im Mittelalter, gut aufbereitet mit vielen wissenswerten Details zum Leben der damaligen Zeit. Die plastischen und detaillierten Ausführungen lassen einen die Ereignisse fast hautnah miterleben.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschiede ich mich nun von der Familie Burka. Das lachende Auge ist für die vielen Stunden wunderbare Lesezeit, die ich mit den Romanen, insbesondere mit diesem wunderbaren letzten Band, verbringen konnte. Das weinende Auge ist dem Abschied geschuldet. Ob es ein endgültiger Abschied sein wird? Ich hoffe auf ein Wiedersehen mit den sympathischen Burkas. Um mit Adelinas Worten zu sprechen: „Warten wir es ab“

Veröffentlicht am 08.10.2016

Drei faszinierende Frauenschicksale im Ägypten zu viktorianischer Zeit

Im Land der goldenen Sonne
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Die 23-jährige Harriet Heron leidet unter schwerem Asthma. Das neblig-feuchte Londoner Klima mit dem Rauch der Fabriken ist Gift für die junge Frau. Um ihre Gesundheit wieder herzustellen, setzt sie bei ...

Die 23-jährige Harriet Heron leidet unter schwerem Asthma. Das neblig-feuchte Londoner Klima mit dem Rauch der Fabriken ist Gift für die junge Frau. Um ihre Gesundheit wieder herzustellen, setzt sie bei ihrem Arzt und ihrer Familie durch, dass sie in den Süden reisen darf. Ihre Mutter Louisa und ihre Tante Yael sollen sie begleiten. Voller Hoffnung brechen sie zu einer langen Reise nach Ägypten auf.
Unterwegs haben die drei Frauen mehrere schicksalhafte Begegnungen. Jede von ihnen kommt nach Ägypten, in dieses fremde, geheimnisvolle Land, mit anderen Empfindungen und Erwartungen, von denen sich einige so ganz anders erfüllen als gedacht.

Es ist keine spezielle Jahreszahl angegeben, aber es geht aus diversen Bemerkungen hervor, dass der Roman im viktorianischen Zeitalter spielt. In dieser beginnenden Zeit der Industrialisierung war die Luft über London geschwängert von giftigen Dünsten der Fabriken.
Die Reise der drei Frauen, ihre Ankunft in Ägypten, ihre Erlebnisse und Gefühle sowie das Land selbst, das alles ist sehr bildhaft und ausdrucksstark geschildert. Harriet, Louisa und Yael sind drei grundverschiedene Charaktere, wobei jede der drei Frauen als interessante Persönlichkeit dargestellt wird.
Harriets Gesundheitszustand bessert sich, und die junge Frau findet in Ägypten neuen Lebensmut und ihre persönliche Erfüllung, als sie die Möglichkeit erhält, bei historischen Ausgrabungen assistieren zu können. Über Louisa erfährt man einiges aus ihrer Vergangenheit. Da gab es Erfahrungen, die sie zeitlebens geprägt haben. Ihr Hang zum Spiritismus bringt sie zu so mancher irrtümlichen Einschätzung, und sie begeht fast einen verhängnisvollen Fehler.
Yael findet ihre Berufung in diesem fremden Land. Sie ist erfüllt von dem Wunsch, den armen und kranken Kindern Ägyptens zu helfen.

Dieser Roman entführt seine Leser in das rätselhafte Ägypten der damaligen Zeit. Es ist fesselnd, die Protagonistinnen auf ihrem Weg zu begleiten. Während ich Louisas Hang zur Dramatik und ihre Handlungsweise zwar mit Faszination wahrgenommen habe, aber nicht immer nachvollziehen konnte, ging mir Harriets Schicksal sehr nahe. Die junge Frau kämpft nicht nur um ihre Gesundheit, sondern daneben auch um ihr Lebensglück und ihre persönliche Freiheit, denn dies alles war ihr in London verwehrt, da sie dort weitgehend ans Bett gefesselt war.
Für Yael, die ich anfangs ein wenig wegen ihrer betulichen Art belächelt habe, empfand ich im weiteren Verlauf der Geschichte Bewunderung.
Der Ausgang des Romans hat mich mit gemischten Gefühlen zurück gelassen. Im Nachhinein konnte ich für vieles, das sich mir nicht sofort erschlossen hatte, Verständnis gewinnen. Einige Begebenheiten waren dramatisch und haben mich sehr berührt, denn das Schicksal geht zum Teil seltsame Wege, und es meint es nicht mit allen Beteiligten gut.
Mich hat dieser faszinierende Roman mitgerissen und bis zuletzt in Atem gehalten.