Profilbild von LaCalaveraCatrina

LaCalaveraCatrina

Lesejury Star
offline

LaCalaveraCatrina ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit LaCalaveraCatrina über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.07.2022

Ein anderer Zustand der Dinge

Der Geruch von Wut
0

„Sie sind vielleicht in eine Situation hineingeraten, die sie so nicht beabsichtigt hatten, die ihnen einfach passiert sind, und jetzt wissen sie nicht, wie sie da wieder rauskommen.“

Nach dem Autounfall ...

„Sie sind vielleicht in eine Situation hineingeraten, die sie so nicht beabsichtigt hatten, die ihnen einfach passiert sind, und jetzt wissen sie nicht, wie sie da wieder rauskommen.“

Nach dem Autounfall und anschließendem Koma hat Alex nicht nur sichtbare Narben am Köper, der Schmerz sitzt viel tiefer. Trauer über den unbegreiflichen Verlust seines Vaters und Wut auf den Fahrer des Lastwagens. Die Rache an Moussa Mbaye ist seine Motivation, sich den Black Boys anzuschließen; einer rechtsradikale Gruppierung, die auch vor Gewaltdelikten nicht zurückschreckt. Sie sollen ihm helfen, den Unfallverursacher zu finden, um durch Selbstjustiz Gerechtigkeit walten zu lassen. Dabei ist Alex völlig egal, welche Hautfarbe Moussa Mbaye hat. Seine Rachepläne bringen ihn schließlich selbst in Gefahr. Auf der anderen Seite ist Alex liebende Mutter, die ihn braucht, auch wenn sie sich stark und gefestigt gibt, voller Dankbarkeit darüber, dass wenigstens ihr Sohn den Unfall überlebt hat.

In siebenundsechzig kurzen Kapitel schreibt der italienische Autor Gabriele Clima manchmal ein bisschen poetisch, aber vor allem leicht verständlich, eindrücklich und, dank viel wörtlicher Rede, lebendig auf Augenhöhe mit seinen Figuren. Dadurch, dass Alex seine Geschichte aus der eigenen Perspektive erzählt, ist man von Anfang an nah dran. Zu Beginn des Buches, muss Alex seine Prüfung bestehen, um in die Gruppe aufgenommen zu werden, dann erfährt man in folgenden Kapitel, wie es dazu kommen konnte und wie es weitergeht. Es war interessant, Alex dabei zu verfolgen, wie er auf eigene Faust nach Moussa Mbaye sucht, das Gefühl der Trauer gar nicht erst aufkommen lässt und durch seinen Freund Teo schließlich auf die Black Boys aufmerksam wird, neue Hoffnung auf den falschen Gründen schöpft und dann seine Aufgabe erfüllt, um in die Gruppe aufgenommen zu werden. „Was die Black Boys taten, war ihre Sache (…), mich interessierte nur eins, (…) wenn mir die Black Boys dabei helfen konnten, gut, was die sonst so machten, war mir egal.“ Es dürfte Jugendlichen leicht fallen, sich mit der Hauptfigur zu identifizieren. Alex verhält sich authentisch und durch ihn lässt sich nachvollziehen, wie Menschen empfänglich für Gruppierungen werden, dessen Gesinnung sie eigentlich nicht vertreten. Dadurch leistet das Buch einen wichtigen Beitrag und überzeugt mit spannenden Momenten und einer berührenden Form der Trauerbewältigung, bei der Alex Gespräche mit seinem verstorbenen Vater führt, als wäre er noch da. Das Ende ist wunderbar - nicht zu rührselig, überraschend und friedlich.

Eine lesenswerte Geschichte, mit vielen Denkanstößen zum Thema Trauerbewältigung, Rechtsextremismus und Selbstverantwortung, die zeigt wie mächtig starke Gefühle wie Wut sein können, und wie man dadurch in ernste Schwierigkeiten kommen kann. "Der Geruch von Wut" zeigt aber auch wie stark das Gefühl der Hoffnung und Liebe ist, das sich immer wieder in Erinnerungen an den Vater und dem Rückhalt der Mutter zeigt. Sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 29.07.2022

Besonders, skurril und hochwertig

Samson und Nadjeschda
0

„Jeder Mensch lebt inmitten von Verbrechern und Verbrechen, bemüht sich jedoch, sie nicht zu sehen, solange er nicht selbst zum Opfer wird.“

Der Diogenes Verlag konnte mir wieder einen Lesegenuss bescheren, ...

„Jeder Mensch lebt inmitten von Verbrechern und Verbrechen, bemüht sich jedoch, sie nicht zu sehen, solange er nicht selbst zum Opfer wird.“

Der Diogenes Verlag konnte mir wieder einen Lesegenuss bescheren, für den es sich lohnt, dranzubleiben.
Es ist eine schwierige Zeit, in der sich Hauptfigur Samson befindet, voller Entbehrungen und Risiken. Andrej Kurkow nimmt sich genügsam Zeit, seine Hauptfigur in die neuen Herausforderungen einzuführen und gibt interessante Einblicke, in die historischen Umbrüche nach der Russischen Revolution in der Ukraine. Dabei verteilt er geschickt Metaphern, die eine wahre Freunde sind. Es hat mir gefallen, wie die Atmosphäre eingefangen wurde und der Erzählstil, in einem angenehmen Niveau, durch die Geschichte führt. Es ist ein subtil spannender Krimi, der nach jedem Kapitel verführt, weiterzulesen. Nicht nur wegen dem hervorragendem Erzählstil, sondern auch, weil ich die Figuren mochte. Bis es zu Samson`s Dienstantritt bei der Miliz kommt, vergehen ein paar Seiten und es kommt zu ungewöhnlichen Ereignissen, die man gebannt verfolgt und die auf schicksalhafte Weise zum Ergebnis führen. Was mir besonders gefallen hat, ist diese Mischung aus Skurrilität und Ernsthaftigkeit, wenn ich an das anfängliche Unglück denke oder an Samsons übernatürliche Abhörwanze. Nadjeschda ist eine fleißige Frau, die entschieden handelt, und sich auf Samson wie eine haltgebende Kraft auswirkt. Sie hinterlässt Eindruck, obwohl sie am Rand agiert.

Ein wunderbar ungewöhnliches Buch und eine gescheite Mischung aus Liebesgeschichte, historischem Roman und Krimi, die planvoll und scharfsinnig an Fahrt aufnimmt.

Veröffentlicht am 23.07.2022

Historisches Abenteuer in London

Die versteckte Apotheke
0

„So langsam schien mir, als besäße jeder Mensch, jeder Ort eine unerzählte Geschichte mit längst vergessenen Wahrheiten, die dicht unter der Oberfläche schlummerten.“

Es geht in dieser Geschichte um ...

„So langsam schien mir, als besäße jeder Mensch, jeder Ort eine unerzählte Geschichte mit längst vergessenen Wahrheiten, die dicht unter der Oberfläche schlummerten.“

Es geht in dieser Geschichte um das vergessene Geheimnis zweier Frauen im 18. Jahrhundert, dass nun seinen schicksalhaften Weg in die Gegenwart findet. Die zwei unterschiedlichen Zeitstränge aus Vergangenheit und Gegenwart verlaufen mit interessanten Verbindungen zwischen der Apothekerin Nella, die vor 200 Jahren in London gezielt dabei half, Männer zu töten, und der 34-jährigen Caroline, die eine Auszeit in London verbringt und dabei einen richtungsweisenden Fund macht.

Erzählt wird die Story aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Jedes Kapitel endet mit einem kleinen Cliffhanger, was den Perspektivenwechsel spannend macht und das Lesetempo antreibst. Sarah Penner hat einen atmosphärisch, inspirierenden Roman geschrieben, mit unvollkommenen weiblichen Figuren, deren Schicksal berührt, und bei der die Liebe zur historischen Recherchearbeit spürbar ist. Sie nimmt Bezug auf den damaligen Aberglauben bzgl. magischer Elixiere und Geister und die hoffnungslose Gesellschaftssituation der Frauen, die in Gift die einzige Lösung sahen. Zusammen mit einer Prise Magie und Abenteuerlust ist ein fesselndes Werk mit starker Sogwirkung entstanden, das von Verrat und Rache erzählt, aber auch von Freundschaft, Hoffnung und Selbstverwirklichung. Mir hat der angenehme Schreistil gefallen, dass Andeutungen Raum für Spekulationen lassen und, bis auf einige kleine Ausnahmen, alles schlüssig ist. Ich habe mich wunderbar unterhalten gefühlt, habe mitgefiebert und die Story in kürzester Zeit verschlungen. Empfehlenswerte Lektüre für ein ruhiges Wochenende. Es ist auch spannend für alle, die sonst keine historischen Romane bevorzugen.

Veröffentlicht am 23.07.2022

Kluge Geschichte über Freundschaft und das Lügen

Feuerwanzen lügen nicht
0

In "Feuerwanzen lügen nicht" erzählt der hyperaktive Nityananda, genannt Nits, aus seiner Perspektive von seinem vielseitig begabten Freund Mischa und einem Umbruch in ihrer Freundschaft. Als Nits nämlich ...

In "Feuerwanzen lügen nicht" erzählt der hyperaktive Nityananda, genannt Nits, aus seiner Perspektive von seinem vielseitig begabten Freund Mischa und einem Umbruch in ihrer Freundschaft. Als Nits nämlich Mischa, der gern mit seiner „lupenreinen Logik“ aufwartet, beim Lügen ertappt, ist das nur der Anfang, der zu einer ereignisreichen Verkettung von Ereignissen und Wahrheiten führt.

„Das Leben ist nicht immer schlecht, aber meistens ungerecht.“

Es geht in dieser Geschichte um Bedürftigkeit und die Scham, die damit einhergeht. Die fehlenden Worte, die Sorgen und unfreiwilligen Lügen, die mehr sind, als ausgesprochene Unwahrheiten. Zu „träumen, wie es auch gewesen sein könnte“, davon erzählt Stefanie Höfler wunderbar unangestrengt und fühlt sich in ihre Charakter ein, die einem schnell ans Herz wachsen und in Erinnerung bleiben. Es geht auch um Liebe, Familie, Freundschaft und Veränderung. Nits behütetes Weltbild steht Kopf und beim Lesen erlebt man nicht nur, wie er damit umgeht, sondern wird auch von spannenden und anrührenden Momenten, mit Witz und Stil durch die Geschichte getragen. So gut, dass es nachdenklich macht, einen einfach nicht mehr loslässt. Das hat mir, neben den vielen Sprüchen und unterhaltsamen Dialogen, sehr gefallen. Die einundzwanzig künstlerischen Reimwerke am Anfang jeden Kapitels haben mich öfter zum Schmunzeln gebracht. Nits Vorliebe für Reime und Mischas Fakten über Tiere sind nur einige der Gründe, die beiden zu mögen.

Eine wunderbar runde Geschichte, mit einem herzerwärmenden Ende, für das sich Stefanie Höfler ausreichend Platz eingeräumt hat, was ich viel schöner fand, als einen abrupten Schluss. Nicht nur die interessanten Betrachtungsweisen und Charaktere machen das Buch so lesenswert, auch die unvorhersehbare Handlung sorgt für ein unterhaltsames Lesevergnügen mit angenehmen Tiefgang. Macht nachdenklich, sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 23.07.2022

Neue Wohlfühlgeschichten voller Einfallsreichtum

Grimm und Möhrchen – Frühling, Sommer, Herbst und Zesel
0

Der kleine Ein-bisschen-Esel-und-ein-bisschen-Zebra-Zesel ist zurück!
Wer schon die vorherigen Geschichten mit Möhrchen und dem zurückhaltendem Buchhändler Grimm mochte, wird sich über die neuen Geschichten ...

Der kleine Ein-bisschen-Esel-und-ein-bisschen-Zebra-Zesel ist zurück!
Wer schon die vorherigen Geschichten mit Möhrchen und dem zurückhaltendem Buchhändler Grimm mochte, wird sich über die neuen Geschichten sicher ebenso freuen, wie wir.

Als an einem regnerischen Tag ein kleiner Zesel namens Möhrchen in Grimms Bücherkiste stolpert, beginnt ein wunderbares Jahr, voller Abwechslung und Lebendigkeit. In vierzehn neuen Kapiteln geht es wieder durch alle Jahreszeiten, die von gemeinsamen Alltagsabenteuern erzählen - gewohnt fantasie- und humorvoll. Es sind unabhängige Geschichten, die sich perfekt zum abendlichen Vorlesen eignen und ein wohliges Einschlafgefühl verleihen. Besonders schön sind die sehr zahlreichen Illustrationen, die farblich harmonisch viele Situationen einfangen und den Text detailreich ergänzen.

Möhrchen liebt es, spielerisch neue Dinge auszuprobieren. Offen und neugierig kommt er auf ziemlich einfallsreiche Idee. Grimm lässt sich immer wieder gern darauf ein und bestärkt Möhrchen darin, Neues auszuprobieren. Sie feiern besonders kreativ Karneval, Grimm muntert den kranken Zesel durch eine tolle Idee auf, sie bekommen seltsamen Besuch in der Bücherkiste und spaßige Post aus Frankreich, die in einem großen Feuerwehrspektakel endet.

Fazit: Vierzehn herzerwärmende und toll illustrierte neue Geschichten zum Wohlfühlen, mit ganz viel Lesespaß und wertvollen Botschaften für kleine und große Lesemäuse. Grimm und Möhrchen sind einfach großartig und wir können das Buch sehr empfehlen.