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Veröffentlicht am 14.04.2019

(Nicht) Zu cool für diesen Fall?!

Running Girl
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Garvie ist 16 Jahre alt, wahnsinnig intelligent und nicht weniger faul, er gibt sich stets lässig und abgebrüht und sieht jegliches Verbot, etwas zu tun, wohl eher als Aufforderung, genau das zu tun: in ...

Garvie ist 16 Jahre alt, wahnsinnig intelligent und nicht weniger faul, er gibt sich stets lässig und abgebrüht und sieht jegliches Verbot, etwas zu tun, wohl eher als Aufforderung, genau das zu tun: in „Running Girl“ trifft er nun nahezu ständig auf den alsbald sehr von ihm genervten Polizisten Singh, den er ständig auf’s Neue reizt – während Singh eher Polizeidienst nach Vorschrift verrichtet, unterhält sich Garvie eher mal so ganz nebenbei ein wenig mit den Menschen aus Chloes und seinem Umfeld, und scheint Singh dabei immer einen Schritt voraus zu sein: Die Kurzbeschreibung und eine eingangs gelesene Leseprobe hatten mich einen eindeutigeren Detektivroman, mehr Whodunnit, erwarten lassen; ich habe Garvie allerdings eher als etwas distanzloseren und absolut neugierigen Charakter empfunden, der sich eben weniger bei einer „Detektivehre“ gepackt sah als von reiner Neugier erfüllt war, und womöglich der Polizei ganz schadenfroh zudem eine lange Nase ziehen wollte.
Als Jugendkrimi fand ich diesen Roman nun recht gelungen, sehe ihn aber eher als Einstieg in das weite Feld der Spannungsliteratur, wenn auch nicht als Allzeitklassiker: „Running Girl“ ist nun ein eigenständig lesbarer Reihenauftakt und ich mit meinen Mitte 30 kann mir zwar gut vorstellen, den nächsten Band demnächst auch noch irgendwann einmal zu lesen, aber für mich steht jener Titel nun nicht ganz weit oben auf meiner Leseliste. Den stufe ich im Voraus schonmal unter „lässig weglesen: besser als langweilen“ ein.

Was ich schade fand, ist, dass man doch keinen echten Einblick in Garvie und auch keine der anderen Figuren enthält; ich empfand den Roman da doch als sehr oberflächlich; irgendwie bleib mir alles zu sehr „außen und draußen“; ich war letztlich selbst auch mehr neugierig als gespannt auf die Auflösung; zudem wird sogar Chloe ausnahmslos derart beschrieben, dass mich als Leser ihr Tod eher überhaupt nicht berührt hat. Auch da hatte ich aufgrund der Betonung, dass sich beim Opfer um eine Ex-Freundin Garvies handelte, klar mehr Emotion erwartet. Insgesamt hätte ich mir die Figuren einfach deutlich intensiver beschrieben vorgestellt.

Im Großen und Ganzen, von diesen paar wenigen Abstrichen abgesehen, habe ich „Running Girl“ aber eben doch sehr gerne gelesen, wie gesagt: in meinen Augen ein durchaus gelungener Jugendkrimi, der spezifisch eine Leserschaft ab 14 ansprechen könnte. Oder nee, auch schon ab 12. So mit 12, 13 würde ich Garvie wahrscheinlich als den Inbegriff der Coolness empfunden haben. ;)


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 02.07.2018

Wenn wir je wieder Freunde sein können...

Wenn wir wieder leben
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[Vorab: Ein Rezensionsexemplar war mir im Vorfeld der Veröffentlichung unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Wanda lebt im Jahre 1963 als 19jährige Studentin in Berlin, gemeinsam mit Mutter, Schwestern ...

[Vorab: Ein Rezensionsexemplar war mir im Vorfeld der Veröffentlichung unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Wanda lebt im Jahre 1963 als 19jährige Studentin in Berlin, gemeinsam mit Mutter, Schwestern und Tante, als ein Kommilitone jüdischer Abstammung erklärt, er könne keine Freundschaften mit Gleichaltrigen schließen, solange er nicht wisse, ob deren Eltern, Großeltern… nicht Diejenigen waren, die seine Verwandten im 2. Weltkrieg ermordeten. Es sei Pflicht ihrer jungen Generation, zu fragen: „Was habt ihr zwischen 1933 und 1945 gemacht?“ und sich nicht abspeisen zu lassen. Wanda fragt nach, stößt auf Ablehnung und Entsetzen, beharrt aber darauf wissen zu wollen, was war, was dazu führte, dass sie nun in diesem familiären Frauenhaushalt lebt…
Parallel zu Wandas „Grabungen“ in ihrer Familienhistorie wird die Geschichte von Gundi ab Anbeginn der letzten 1920er Jahre erzählt, die zusammen mit ihrer Schwester Lore und den Freunden Erik und Julius mühsam eine musikalische Karriere startet, die letztlich Fahrt aufnimmt, als die Gruppe von Nazis höheren Ranges für sich entdeckt wird…

Die Liebe zwischen Gundi und Tadek, die in der Kurzbeschreibung doch recht auffällig herausgestellt wird, ist letztlich nur ein Nebenschauplatz, der relativ schnell zum Romanende hin abgehandelt wird und war, entgegen meiner Erwartungen, kein zentrales Thema der Erzählung, die sich eher auf Gundis Verhalten während der Zeit des Nationalsozialismus konzentriert. An einigen Stellen wird hier, selbst von Gundi, kommuniziert, dass sie nicht die Hellste sei: Das war sie definitiv wirklich nicht, und ich fand sie eine recht ärgerliche Figur.
Ich bin mir aber unsicher, ob ich die Geschichte nicht zuweilen auch einfach deswegen anstrengend und zermürbend fand, weil wir heutzutage ja ganz genau um den Holocaust wissen und es umso mehr nervte, wenn Gundi mal wieder beteuerte, nein, die verschwundenen Juden könnten doch nicht umgebracht worden sein; man könnte ohnehin niemand verhaften, der kein Verbrechen begangen hätte und nein, nein… Ich empfand sie zuweilen als so ignorant, so in ihrer eigenen Luftblase lebend, dass ich es teils unglaubwürdig fand, wie sie von der Deportation bedrohte Personen in ihrem Umfeld doch noch schützte, was allerdings eh nicht aus Menschlichkeit, Solidarität oder Widerstand heraus geschah, sondern vielmehr aus dem Egoismus, dass sie beispielsweise auf das polnische Kindermädchen nicht verzichten wollte. Ich mochte Gundi in ihrer Ignoranz nicht, die auch wenn sie gefragt wurde, was sie denn denke, was da los sei, nur bekundete, für Politik interessiere sie sich nicht. Gundi war der Proto-Typ des „Aber wir wussten doch von nichts; wie hätten wir das denn auch nur erahnen können?“-Mensch, den ich in diesem Fall besonders schlimm fand, da Gundi offensichtlich tatsächlich so blind war oder auch nur blind sein wollte.
So makaber das nun klingt: Mit der Machtergreifung Hitlers wurde die Geschichte aber zugleich „lebendiger“; den Anfang der alten Geschichte fand ich doch sehr langweilig und halt auch vor Allem langwierig. Gundi war ein fröhliches, verwöhntes Mädchen, von dem nichts erwartet wurde und das auch nicht viel mehr machte als auf die Eingebung zu dem einen Lied zu warten, was den Durchbruch ihrer kleinen Band bedeuten sollte. Dabei tat sie nach außen hin zwar sehr bemüht, versprach ihren Kollegen ständig DAS Lied, aber wirklich daran zu arbeiten schien sie nie. Eingangs passierte da nichts außer den Träumen und der Zuversicht, dass das mit der Musik schon werden würde, während ihre Bandkollegen teils noch wirklich sehr hart für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten ohne dass die in jener Hinsicht privilegierte Gundi sich deswegen je schlecht gefühlt hätte. Es war halt so… Für sie war es so, wie es war, und es blieb auch immer so, wie es nunmal just war… Sie fügte sich ein, reflektierte weder sich noch ihr Verhalten, blieb kritiklos und einfach nur abwartend.
Letztlich hoffte ich, dass ihre Beziehung zu Tadek, dem die Gegenwart vollauf bewusst war, ihr quasi den Kopf waschen würde, dass sie doch noch Stellung beziehen würde, aus ihrer Luftblase ausbrechen… Ich muss zugeben, dass mich das Ende der historischen Erzählung doch noch ein wenig überrascht hat; ich hätte dieses Familiengeheimnis hinter Wandas Biografie so nicht erwartet, bin aber auch uneins mit mir selbst, ob da nicht einfach die Resignation gewonnen hatte…

„Wenn wir wieder leben“ ist in jedem Fall ein sehr fordernder Roman; für mich klar lesens- und auch empfehlenswert. Aber der 1920er-Beginn war mir doch ein wenig zu langwierig, weswegen ich einen Stern abziehe; da ging die Handlung nur eher zäh voran. Charlotte Roth bezeichnet „Wenn wir wieder leben“ im Nachwort als ihren persönlichsten Roman und ich lese ihre Bücher wirklich gerne und auch wenn dies der bislang persönlichste Roman gewesen sein mag: Ihr bestes Werk war es für mich dennoch nicht.

Veröffentlicht am 25.01.2018

Drei in Eins...

N.N., Band 10, Fjällbacka-Serie
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Als ich „Die Eishexe“ (bei NetGalleyDE) als Rezensionsexemplar anfragte, war ich einem Irrtum aufgesessen: Ich war mir sicher, bereits zwei Romane der Autorin gelesen zu haben, die mich zwar nicht völlig ...

Als ich „Die Eishexe“ (bei NetGalleyDE) als Rezensionsexemplar anfragte, war ich einem Irrtum aufgesessen: Ich war mir sicher, bereits zwei Romane der Autorin gelesen zu haben, die mich zwar nicht völlig vom Hockergerissen hatten, wobei die Kurzbeschreibung der „Eishexe“ auf mich nun aber so spannend wirkte, dass ich unbedingt noch einen Versuch wagen wollte. Kaum war das eBook auf meinem Kindle, löste auch schon das Autorenfoto Verwunderung bei mir aus: Die Autorin, die ich im Kopf hatte, sah doch ganz anders aus und vor Allem auch deutlich älter. Es folgte die Erkenntnis, dass ich von Camilla Läckberg doch noch nie ein Buch gelesen hatte, sondern sie mit einer ganz anderen Autorin verwechselt hatte. So ging ich also doch völlig vorurteilsfrei und bis dahin läckberg-unerfahren an die Lektüre.
Dass es sich hier gar um den 10. Band einer Reihe handelte, ist mir auch erst bewusst geworden, als ich das eBook längst auf dem Kindle vorliegen hatte: Verständnisschwierigkeiten hatte ich da zwar nicht; ich habe die berufliche und familiäre Ermittlersituation/-konstellation schnell überblickt, aber ein klitzekleines schales Gefühl blieb halt doch: Nach der „Eishexe“ bin ich nun auch überzeugt davon, mir die weiteren Teile der Reihe auch noch vorzunehmen; „Die Eishexe“ gefiel mir doch ganz gut.

Dass „Die Eishexe“ von drei Zeitsträngen erzählt, stellte mich vor kaum Probleme: Da habe ich nie den Überblick verloren. Etwas schwerer tat ich mich da mit der Masse an Figuren, die teils gleich geballt auf einen zustürmten. Vor Allem die Jugendlichen aus der Jetzt-Erzählung habe ich anfangs ständig miteinander verwechselt, ehe jeder von ihnen etwas mehr Profil bekam. Allzu geballt fand ich auch die diversen Problematiken rund um Mobbing, Ausgrenzung, Vorurteilen, Fremdenhass… die für mich schon fast so wirkten, als habe die Autorin irgendwann mal eine Wette abgeschlossen, in einem Roman möglichst viele aktuelle Probleme (ob nun soziale, gesellschaftliche oder politische) unterzubringen. Da hätte ich es schöner gefunden, wäre auf mindestens einer (symbolischen) Hochzeit weniger getanzt worden, denn „in echt“ wurde hier ohnehin auch noch geehelicht. Grundsätzlich mochte ich den Kriminalfall ja sehr, aber das Drumherum fand ich an so mancher Stelle doch viel zu überzogen.

Ferner weiß ich nicht, wer „alle“ aus der Buchbeschreibung sein sollen, die plötzlich von der Eishexe reden. Irgendwie ist diese Gesprächsthematik im Heute völlig an mir vorbeigegangen; ich habe mich eher gefragt, was der historische Zeitstrang überhaupt in diesem Buch verloren hatte und habe gar keinen Zusammenhang zu den Fällen der neueren Zeit gesehen. Ganz zum Schluss wird da zwar eine Verbindung hergestellt, aber ich fand das sehr konstruiert. Die Erzählung von anno dazumal war für mich eher wie eine Bonusgeschichte im Roman, die ich aber sehr mochte. Als historischen Einzelroman mit eben dieser Thematik würde ich das auch ganz gerne gelesen haben. Da ist die Buchbeschreibung meiner Meinung nach völlig falsch: Angesichts deren zweiten Abschnitts habe ich später sogar noch kurz überlegt, ob ich irgendwie eine falsche Version des Romans erhalten hätte, aber offensichtlich ist anderen Lesern doch auch aufgefallen, dass die ominöse „Legende der Eishexe“ während der Ermittlungen doch gar nicht zur Sprache kam.

Dafür, dass vorher alles immer so aufgebauscht und höchstdramatisch war und in der Gegenwart alles auch noch auf einen sehr heftigen showdown zulief, fand ich es auch schon fast enttäuschend, was genau hinter dem Verschwinden der beiden kleinen Mädchen in den letzten 30 Jahren steckte: Da war die Auflösung mitunter das am Wenigsten „Böse“ im Roman. Bzw. es hätte durchaus böser und hinterhältiger wirken können, wenn diese beiden Fällen vor dem ganzen Drumherum, grad bzgl. der gegenwärtigen Jugendlichen, nicht so ins Hintertreffen geraten wären. Der Inhalt hätte vermutlich auch für drei Einzelgeschichten gereicht (1. die Eishexen-Legende, 2. die Fälle der verschwundenen Mädchen, 3. das Drama um die Jugendlichen); so war das schon sehr durchgewurschtelt.

Generell mochte ich alle drei Geschichten, der Schreibstil sagte mir auch zu und wie gesagt: Ich bin nun deutlich an der gesamten Reihe interessiert und darum vergebe ich letztlich auch vier Sterne, obschon dieses „3 in 1“-Romanding „Die Eishexe“ für mich eigentlich zu einem Drei-Sterne-Roman machte, denn weniger ist halt manchmal mehr und hier wäre weniger in meinen Augen auch schon mehr als ausreichend gewesen. Der vierte Stern begründet sich da nu wirklich ausschließlich im geweckten Interesse und mir zusagendem Schreibstil. Empfehlen würde ich „Die Eishexe“ vor Allem Denen, die es eben doch gerne verschachtelter mögen, aber insbesondere ebenfalls Reihen-Fremden sonst wohl eher zu anderen Krimis raten.

Veröffentlicht am 02.10.2017

Gesine, du nervtest!

Wildeule
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Ich war dereinst mit dem zweiten Gesine-Cordes-Krimi „Fuchskind“ in diese Serie eingestiegen und habe sehr gerne zugegriffen, als sich mir nun die Möglichkeit eröffnete, vom dritten Band „Wildeule“ ebenfalls ...

Ich war dereinst mit dem zweiten Gesine-Cordes-Krimi „Fuchskind“ in diese Serie eingestiegen und habe sehr gerne zugegriffen, als sich mir nun die Möglichkeit eröffnete, vom dritten Band „Wildeule“ ebenfalls ein Rezensionsexemplar zu erhalten – und nach absolvierter Lektüre eröffnet sich mir da ein kleines „Problem“. Denn „Fuchskind“ hatte ich bereits sehr angetan mit fünf Sternen versehen und vom Kriminalfall her fand ich „Wildeule“ nun sogar etwas besser; der war in diesem Fall sehr down to earth und ein wenig mehr gen whodunnit ausgerichtet. In der Hinsicht würde ich „Wildeule“ jetzt sogar einen Stern mehr als „Fuchskind“ zugestehen; in diesem Band war nun auch die persönliche Vergangenheit der Gesine Cordes nicht so überpräsent, sondern sie definitiv mehr in der Gegenwart befindlich. Obschon mir „Wildeule“ eigentlich einen Tick mehr zusagte als „Fuchskind“, werde ich für den dritten Band jedoch nicht mehr als vier Sterne vergeben – denn empfand ich Gesine Cordes mit ihren Ecken und Kanten zuletzt noch überaus authentisch und original bis originell, nervte mich ihre Art dieses Mal doch sehr; da war mir die Darstellung der Hauptfigur in diesem Fall irgendwie zu überzogen und nahm mir dadurch auch ein wenig Freude am eben sehr bodenständigen Kriminalfall.
Erschien sie mir in „Fuchskind“ eher ehemalige Polizistin und immer noch sehr neugierige und forsche Friedhofsgärtnerin zu sein, war sie für mich in „Wildeule“ viel zu sehr verhinderte und entsprechend uneinsichtige Ex-Kripobeamtin. Ja, auch dieser Fall schien im persönlichen Umfeld von Gesine Cordes zu kreisen; ihr engster Vertrauter Hannes zählt zumindest schnell zu den dringend Tatverdächtigen und natürlich ist es verständlich, dass sich die Ex-Kommissarin da für ihren Freund einsetzt, aber: Ich fand es mitunter erschreckend, wie sehr die jetzige Ermittlungschefin sie da gewähren ließ und sogar mit ihr mauschelte. Stellenweise äußerte Gesine Cordes gar schmollende Beschwerden, dass sie nicht einbezogen wurde und ich erwartete einfach, dass man ihr nun einmal klar Grenzen aufzeigen würde und ihr mal ganz klipp und klar mitteilen würde, dass sie eben NICHT mehr bei der Kripo arbeiten würde und man ihr da keine Rechenschaft mehr schuldig sei. Selbst mich als Leserin hat sie da genervt und ich habe mir einfach nicht vorstellen können, dass die Ermittler sich nicht von ihrem ständigen Auftauchen, Nachhaken, Dazwischenfunken gestört gefühlt haben sollten. Generell schrie Gesine Cordes für mich hier eigentlich nur nach ihrem alten Job; hätte sie sich etwas mehr zurückgenommen und wäre den Polizisten nicht immer nur mit relativ fordernden Erwartungen entgegengetreten, würde ich „Wildeule“ nun auch eben mindestens so hoch wie „Fuchskind“ eingestuft haben, aber ich fand die Hauptfigur in dieser Geschichte halt so extrem ärgerlich – als klassischer Krimi kann ich die erzählte Geschichte aber dennoch empfehlen und mein Ärger über die Über-/Eingriffigkeit der Protagonistin ist hier definitiv mein einziger Kritikpunkt.

Veröffentlicht am 26.09.2017

Die Verantwortung und die Schuld, der er sich nie wird entziehen können...

Drei Tage und ein Leben
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"Drei Tage und ein Leben" war mein erstes Buch Lemaitres und wird definitiv bereits nicht mein letztes gewesen sein, obschon ich die in diesem Roman erzählte Geschichte mitunter doch auch ein wenig ermüdend ...

"Drei Tage und ein Leben" war mein erstes Buch Lemaitres und wird definitiv bereits nicht mein letztes gewesen sein, obschon ich die in diesem Roman erzählte Geschichte mitunter doch auch ein wenig ermüdend fand, denn hauptsächlich drehte sich die Handlung doch so im Kreis wie Antoines Gedanken um seine Schuld kreisten und die gesamte Erzählung teils unerträglich wirken ließen. Während Antoine mit seiner Tat hadert, Angst vor dem "Gefasstwerden" hat, fragt man sich als Leser beständig, wie Antoine "besser" hätte agieren können und wie (und ob überhaupt) das alles doch eventuell anders hätte ausgehen können.
Die Tötung des kleinen Rémi wirkt zunächst eher wie ein Unfall, allenfalls Totschlag im Affekt; ich rechnete halb damit, dass Antoine doch noch zusammenbrechen und um Hilfe ersuchen würde; unfassbarerweise versteckt er die Leiche und wirkt dabei weniger traumatisiert als klar überlegend und taktisch handelnd. Noch weniger zu fassen blieb es letztlich für mich, dass Antoine letztlich, klar: "Drei Tage und ein Leben", sein Leben rund um dieses Geheimnis aufgebaut hat. Bis zuletzt rechnete ich mit einem psychischen Zusammenbruch Antoines, mit einem herausbrechenden Geständnis, denn wie lange kann man eine solche Schuld ganz alleine mit sich tragen?

"Drei Tage und ein Leben" zeigt letztlich sehr eindrücklich, inwiefern man letztlich noch ein normales Leben führen kann, inwiefern man glücklich werden kann, inwiefern diese Tat die Zukunft (nicht) beeinflusst ... zur Tragödie trägt da sicherlich bei, dass Antoine mit 12 Jahren zum Täter wurde, ein eher unauffälliger Junge, so ziemlich der Prototyp des "netten Nachbarssohn", der während eines kurzen Moments die Kontrolle verloren hat und der nie durch wilde Prügeleien aufgefallen wäre, dem aber hier schon ein Schlag ausreicht, um ein Leben auszulöschen. Somit könnte Antoine quasi jedes Kind sein.
Ebenso könnte Beauval jeder Ort sein: Nach Rémis Verschwinden entspinnen sich bald die ersten Gerüchte, Verdächtigungen werden sowohl offen als auch hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen; jeder meint irgendetwas zu wissen und ist sich da auch ganz sicher, was die gesamte Geschichte für den Leser, der ja weiß, was tatsächlich mit Rémi geschehen ist, nur noch grausiger werden lässt, da die Gemeinde teils kurz vor Lynchjustiz zu stehen scheint.

Ich habe "Drei Tage und ein Leben" sehr gerne gelesen, wobei man das "sehr gerne" durchaus unter Vorbehalt sehen sollte, denn letztlich war dieser Roman doch eine sehr bedrückende Lektüre, zumal die Geschichte auch beständig Hoffnungslosigkeit durchschimmern lässt; da ist es schon eher ein Depri-Buch und ganz definitiv ist dies keine Gute-Laune-Lektüre. Der traurig-tragische Inhalt hallt nach und wer sich aufmacht, dieses Buch zu lesen, dem sollte bewusst sein, dass er sich damit auch auf sehr viel Traurigkeit und Einsamkeit einlässt.