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Veröffentlicht am 18.09.2020

Keine ganze Moral von der Geschicht'

Ein ganz alter Trick
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Pascal, Protagonist dieses Romans, lebt seit zwei Jahren im Internat, seitdem die Mutter einen neuen Partner hat, zu welchem Pascal aber keine besondere Beziehung unterhält, und ständig mit diesem auf ...

Pascal, Protagonist dieses Romans, lebt seit zwei Jahren im Internat, seitdem die Mutter einen neuen Partner hat, zu welchem Pascal aber keine besondere Beziehung unterhält, und ständig mit diesem auf Reisen ist. Pascal, der seinen Stiefvater nur mit männlichen Personalpronomen bezeichnet, lässt unterschwellig dabei durchklingen, dass er eine unbändige Wut verspürt; gegenüber der alten Ingelotte gibt er das auch freimütig zu; und es ist zu vermuten, dass er vor Allem dem Neuen seiner Mutter die Schuld an seiner Situation gibt. Die Sommerferien verbringt Pascal seither auf dem Internatsgelände; irgendwann wird erwähnt, dass er in den (im Vergleich kurzen) Herbstferien zwar zu seiner Mutter fährt, aber besonders erpicht scheint er nicht darauf zu sein. Generell ist Pascal auch kein großer Sympath: Im Allgemeinen gibt er sich eher passiv-aggressiv, im Internat ist er eher sowas wie der Schulclown, der mit seinen Streichen auch mal zu weit geht – weswegen er nun zur Strafe vier Wochen lang einige Stunden täglich in der Seniorenresidenz aushelfen soll. Dabei nimmt ihn Ingelotte, ursprüngliches Opfer seines letzten Streichs, prompt unter ihre Fittiche, wobei auch Ingelotte es eher faustdick hinter den Ohren hat und nun plant, mit Pascals Hilfe einen zurückgelassenen und nicht weiter benannten Schatz aus ihrem früheren Zuhause zu retten.
Das ist einerseits recht unterhaltsam und andererseits ist es schön zu erkennen, wie Pascal in Ingelotte und deren Enkel, der da auch gleich mit von der Partie ist und der zu den wenigen Verwandten Ingelottes zählt, auf die jene Wert legt; denn auch in deren Familie ist nicht alles Gold, was glänzt; nebst Talal, dem Hilfsarbeiter des Heims, der als Flüchtling ins Land gekommen ist, eine Art kleiner Ersatzfamilie findet, die fest zusammenhält. Das zu lesen hat wirklich Spaß gemacht und letztlich war die Geschichte so schnell zu Ende, dass man sich zudem nach dem Ende auch wünschte, man könne künftig noch mehr Erzählungen rund um dieses kleine Team lesen. Meiner Meinung nach schrie „Ein ganz alter Trick“ da definitiv danach, fortgesetzt zu werden.

Aber der Tenor, der hier herrschte, klang nicht immer nach etwas, das man Kindern unbedingt vermitteln wollte (Achtung, es folgen ein paar erklärende Spoiler): Pascals Streiche haben letztlich wenig Konsequenzen bzw. daraus, dass er Ingelottes Rollator im See versenkt hat, ergibt sich für ihn letztlich mehr Abenteuerlust und Spaß als dass er jemals eine Bestrafung erleiden oder zumindest wirklich Reue zeigen würde. Auch vor den Aufgaben, mit denen man ihn im Altenheim betraut hat, drückt er sich zumeist sehr geschickt; als er einen Zaun streichen soll, manipuliert er letztlich einen Senior und eine Seniorin, dass letztlich diese Beiden den Zaun streichen – und sich später noch bei ihm bedanken, weil sie darüber hinaus daraufhin zart miteinander angebändelt haben. Es ist zwar schön, dass er den beiden Alten da eine von diesen wohl gern erledigte Beschäftigung gegeben hat, aber dass er die Beiden nichtmals weiter während des Streichens unterstützt (wobei ja eigentlich sie ihm geholfen hätten), sondern sich abgesetzt hat, war dann doch etwas arg dreist.
Später ist Talal zunächst entsetzt, als man ihn um Mithilfe bei der „Schatzbergung“ (auf gut Deutsch: einen geplanten Einbruch in Ingelottes ehemaliges Zuhause) bittet, weil ihn nur schon das Wissen darum in die Bredouille bringen könnte, was eine potentielle Abschiebung angeht – er entscheidet sich dann zwar selbst, den Anderen doch zu helfen, aber ich war überrascht, dass da echt keiner sagte: „Nee, Talal, für dich steht hier echt zu viel auf dem Spiel. Halt dich hierbei lieber fern von uns.“

Grundsätzlich bietet „Ein ganz alter Trick“ also schon noch Diskussionsstoff an. Positiv aufgefallen ist mir übrigens, dass Ingelottes altes Zuhause nun von einem schwulen Pärchen bewohnt wird, ohne dass darum in der Geschichte noch ein großes Trara gemacht wird. Wenn man dazu nimmt, dass Pascal einen Stiefvater hat, mit dem er nicht klarkommt, und in Ingelottes Familie auch nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen herrscht, plus Talals Herkunft, ist schnell ersichtlich, dass „Ein ganz alter Trick“ eine alltägliche Personenkombi darstellt und sich nicht auf das altgewohnte „Vater, Mutter, zwei Kinder und alle sind glücklich“-Familienbild beschränkt. Das fand ich echt gut und wie gesagt, die Geschichte ruft in meinen Augen sehr nach einem nächsten Band (auch wenn sie in Sachen Schatzsuche durchaus abgeschlossen ist); ich würde mir für einen eventuellen Nachfolgeband aber definitiv etwas mehr Lerneffekt herbeiwünschen.


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 12.09.2020

Beeindruckend bedrückend

Kalmann
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Kalmann, Ich-Erzähler dieses Romans und laut eigener Aussage gemäß anderer Aussagen auf dem geistigen Niveau eines Erstklässlers geblieben, obschon er inzwischen tatsächlich eher Mitte als Anfang 30 ist, ...

Kalmann, Ich-Erzähler dieses Romans und laut eigener Aussage gemäß anderer Aussagen auf dem geistigen Niveau eines Erstklässlers geblieben, obschon er inzwischen tatsächlich eher Mitte als Anfang 30 ist, und im Verlauf des Romans von Kindern des Dorfes als „Downi“ verspottet, während seine definitive geistige Beeinträchtigung aber unklar bleibt, schwankt in seinem Status irgendwo zwischen „Dorftrottel“ und „wunderlicher Eigenbrötler“ – tatsächlich fantasiert er von einem Leben als „ganz normaler“ Erwachsener, er weiß, wie (das) Leben im Durchschnitt funktioniert, und ist zuweilen sehr verblüfft, dass es bei ihm irgendwie doch nicht so funktioniert, und das, obschon er doch jetzt bereits „alt“ ist bzw. so alt, dass selbst wenige Jahre jüngere, ehemalige MitschülerInnen inzwischen längst Nachwuchs im schulfähigen Alter haben, während er noch nie Sex gehabt hat. Er ist mitunter sehr schrullig, und auch bockig – oftmals erinnerte er mich an ein Kind in einer Trotzphase, nur dass Kalmann mir weitaus anstrengender erschien, wenn es eben auch das Kindliche war, das ihn als erzählende Hauptfigur letztlich sehr sympathisch machte, wobei er definitiv ein Protagonist ist, mit dem man sich erst anfreunden muss.

Mittig in der Erzählung hatte ich einen kurzen Durchhänger, da ich das Gefühl hatte, dass die Geschichte auf der Stelle trat, wobei sich hierin für mich auch die karge Ödnis der abgelegenen Szenerie widerspiegelte. Nachdem dieser eben kleine Durchhänger überwunden war, kam dafür mehr und mehr in mir ein Verdacht bezüglich der echten Umstände von Róberts Verschwinden auf, wobei dieser Verdacht am Schluss zum Teil bestätigt wurde, zum Teil aber doch verblüffend anders war, wobei mich insbesondere Letzteres sehr positiv überraschte, da es die vermeintliche, zumindest für mich, Vorhersehbarkeit eben völlig zunichtemachte.

Insgesamt hat mir „Kalmann“ sehr gut gefallen; ich bin froh, ihn während einiger bereits etwas herbstlich anmutenderer Spätsommertage gelesen zu haben: Für die große Hitzewelle wäre er mir vermutlich ein zu karger Begleiter gewesen und für eisige Wintertage würde mir die eher einsame (obschon Kalmann in seiner Sonderlichkeit auffallend gut im Dorf eingebunden ist) Stimmung im Buch wohl zu deprimierend gewesen sein. von daher kam diese Lektüre nun grad zum rechten Zeitpunkt für mich und „Kalmann“ zählt da definitiv zu meinen bisherigen Leselieblingen 2020.


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 15.08.2020

Manchmal muss man halt einfach am selben Strang ziehen

Der beste Notfall der Welt
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„Der beste Notfall der Welt“ ist ein sehr spannendes Kinderbuch, das mich vor Allem durch seine Authentizität bestochen hat: Ben, der nun also zwei Wochen lang mit in Gustavs Zimmer einquartiert ist, und ...

„Der beste Notfall der Welt“ ist ein sehr spannendes Kinderbuch, das mich vor Allem durch seine Authentizität bestochen hat: Ben, der nun also zwei Wochen lang mit in Gustavs Zimmer einquartiert ist, und Gustav sind sich also im besten Fall reichlich egal, oder in diesem Buch doch eher einfach grundsätzlich unsympathisch, ohne dass je ein Grund dafür angeführt wird. Sie mögen sich halt einfach nicht, basta. In der Geschichte ist da nun auch nicht plötzlich alles Friede, Freude, Eierkuchen, sondern die Jungs arrangieren sich zunächst einfach irgendwie miteinander und entwickeln allenfalls die ersten zarten Bande einer Freundschaft, als sie sich zusammen um die geheimnisvolle Maus, die auch gar nicht wie eine typische Maus aussieht, kümmern und in diesem Zusammenhang auch noch Bekanntschaft mit einem echten, im wahrsten Sinne des Wortes, Fabel-Wesen machen. „Der beste Notfall der Welt“ ist also zwar authentisch und glaubwürdig, hat aber dennoch einen fantastischen, märchenhaften Nebenstrang, der nicht aus dieser (Menschen)Welt zu sein scheint.

Ich habe zunächst überlegt, ob es dieses, mehr oder minder, Abenteuerbuch nicht ein wenig albern wirken lässt, dass sich die Maus schon sehr bald tatsächlich als ganz besondere Maus entpuppte, fand diesen Hauch von Magie letztlich aber ganz passend und fand es schließlich auch ein wenig schade, dass nicht mehr auf die Hintergründe der Maus und ihres Begleiters bzw. deren Welt eingegangen wurde: „Der beste Notfall der Welt“ ist zwar in sich abgeschlossen; für mich rief das Ende nun aber trotzdem nach einer Fortsetzung, in der die unbekannten Wesen näher beleuchtet werden würden.

Empfohlen wird das Buch nun ab 9 Jahren: Ich denke, das ist allgemein sehr passend. Die Geschichte ist doch ein wenig komplexer und auch umfassender; ich würde sie zwar durchaus den 6jährigen Zwillingen der Familie bereits vorlesen, aber zum Selberlesen finde ich den „besten Notfall der Welt“ grad für Erstleser einfach noch ein wenig zu fordernd und schwierig. Ich würde es da doch definitiv erst einem Kind zum eigenen Lesen vorlegen, wenn es bereits möglichst flüssig lesen kann – sonst könnte der Lesespaß, wie ich finde, doch noch etwas getrübt ausfallen.



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 12.05.2020

Ein spannendes Mysterium wird aufgedröselt.

Das Dorf der toten Seelen
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„Kind von…“ ist immer schwierig. Naja, fast immer. Im Falle von Joe Hill würde es mich beispielsweise nicht wundern, wenn jener es schafft, in Sachen Erfolg und Ruhm am Ende seines Lebens mit seinem Vater ...

„Kind von…“ ist immer schwierig. Naja, fast immer. Im Falle von Joe Hill würde es mich beispielsweise nicht wundern, wenn jener es schafft, in Sachen Erfolg und Ruhm am Ende seines Lebens mit seinem Vater gleichgezogen zu haben, und ganz allgemein scheinen die King-Kinder zu beweisen, dass Schreibtalent durchaus vererbbar ist.
In diesem Fall weiß ich gar nicht, wann ich dereinst ein Buch von Viveca Sten gelesen habe oder ob ich das überhaupt je getan habe? Ich meine ja, würde es aber nicht beschwören. Aber ein Blick auf Viveca Stens Bibliografie sowie ein Blick auf den Klappentext zum „Dorf der toten Seelen“ macht es relativ offensichtlich, dass Camilla Stens hier eher abseits der mütterlichen Genrepfade schreibt; die Kurzbeschreibung würde da viel eher Vergleiche mit John Ajvide Lindqvist anbieten, so dass „Tochter der Bestsellerautorin Viveca Sten“ da eher wie reines Namedropping anmutet. Aber; im Zweifel für den Angeklagten; vielleicht will/wollte man die verwandtschaftlichen Verhältnisse in diesem Fall auch nur deswegen nochmals ganz besonders hervorheben, damit zum Beispiel die Besucher potentieller Lesungen durch die immense Ähnlichkeit zu Viveca Sten nicht irritiert sind (entsprechend Joe Hills, der ganz offensichtlich unter Pseudonym schreibt und gemäß eigener Angaben anfangs für solche Anlässe sogar einen Schauspieler engagieren wollte, damit nur niemandem auffiele, dass Joe Hill Stephen King wie aus dem Gesicht geschnitten ist).
Nun gut, ich schätze John Ajvide Lindqvist als Autor sehr und da die Beschreibung nach etwas klingt, was auch er geschrieben haben könnte (weswegen ich „Das Dorf der toten Seelen“ übrigens überhaupt erst hatte lesen wollen), muss es jetzt jenen Vergleich über sich ergehen lassen – und ich sage es direkt: Bei John Ajvide Lindqvist wäre der Roman vermutlich doch noch deutlich ausschweifender geworden, aber im Allgemeinen hält dieses Werk von Camilla Sten dem Vergleich durchaus stand. Ich bin zwar nicht völlig hingerissen von der Geschichte, hoffe aber, dass Camilla Sten sich auch weiterhin in diesem Bereich paranormal anmutender Thriller bewegen wird, denn solch ein weiteres Buch von ihr würde ich definitiv gerne lesen wollen!

„Das Dorf der toten Seelen“ ist achronologisch erzählt; zwischen den Sequenzen, in denen Alice und ihr Team sich im seit Jahrzehnten unbewohnten Silvertjärn bewegen, um erste Filmaufnahmen zu machen und womöglich Hinweise auf den Verbleib der damaligen Dorfbewohner zu entdecken, gibt es immer wieder Szenen, in denen Briefe wiedergegeben sind, die vor Allem deren jüngere Schwester damals an die fortgezogene Großmutter Alices geschrieben hat, oder in denen ein Rückblick auf Alices Urgroßmutter in den Tagen vor dem Verschwinden der gesamten Dorfbevölkerung, von der lediglich ein Neugeborenes im Ort zurückgelassen worden war, geworfen wird. Da muss man sich grade zunächst ein wenig mehr konzentrieren, da dementsprechend auch in relativ kurzer Zeit vergleichsviele Namen fallen. Allerdings sind die Figuren prinzipiell eher sehr einzigartig charakterisiert, dass man ein entsprechendes Personenregister rasch im Kopf hat: Lediglich die beiden Männer in Alices Team fand ich relativ austauschbar.

Die Geschichte des Ortes ist sehr spannend; von Anfang an erleben Alice und ihre Mitstreiter immer wieder Momente, die sie an ihrem Verstand zweifeln lassen: Fast alle von ihnen glauben bald, im Ort doch noch wen gesehen zu haben (aber das nach 60 Jahren, in denen der Ort völlig verwittert und verwildert ist?!) oder hören Geräusche, die es innert der Geschichte fast schon wahrscheinlich wirken lassen, dass sich hier unterschiedliche Dimensionen überlappen. Alles scheint sehr mystisch zu sein – tatsächlich gibt es letztlich eine mehr oder minder irdische Erklärung für das plötzliche Verschwinden der Dorfbewohner, wobei ich mich mit der Auflösung insofern ein bisschen schwertat, dass mir ein bestimmter Aspekt (den ich nicht spoilern will) dann doch zu sehr Badass zu sein schien als dass er nach all den vergangenen Jahrzehnten noch eine solche Gefahr für ein paar Endzwanziger darstellen konnte. Das war dann wiederum doch fast schon übernatürlich. ;) Allerdings war das mein einziger Wehmutstropfen; ich habe nun das eBook gelesen und die gedruckte Ausgabe soll gar über 450 Seiten verfügen, was mir nun sehr viel vorkommt bzw. ich hätte darauf wetten mögen, dass dieser Roman in der Printfassung keine 300 Seiten lang wäre. Denn es war wirklich problemlos und sehr kurzweilig in einem Rutsch wegzulesen und ich wollte mich schon fast darüber beklagen, dass Camilla Sten ruhig auch etwas ausschweifender hätte werden können als die Geschichte so kurz zu fassen – aber angesichts von rund 450 Buchseiten bin ich da nun lieber doch ganz, ganz still.

Eine definitive Leseempfehlung aber alle, die etwas düsterere, mystischere, paranormalere… Erzählungen aus dem skandinavischen Bereich favorisieren, welche Psychothrill und Abenteuergeschichten kombinieren!

Veröffentlicht am 15.04.2020

Für die Ultra-RomantikerInnen unter den LeserInnen

Rendezvous in zehn Jahren
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Eigenschaften, die „Rendezvous in zehn Jahren“ einer –begeisterten- Leserschaft abverlangt: Romantik, eher exzessiv als dezent, und absolute Schicksalsgläubigkeit. Denn „Rendezvous in zehn Jahren“ ist ...

Eigenschaften, die „Rendezvous in zehn Jahren“ einer –begeisterten- Leserschaft abverlangt: Romantik, eher exzessiv als dezent, und absolute Schicksalsgläubigkeit. Denn „Rendezvous in zehn Jahren“ ist letztlich so überbordend romantisch; auch wenn die Geschichte sich redlichst bemüht, nicht allzu kitschig zu wirken; dass es hier einfach gar keine Zufälle gibt, die es nicht gibt. Es gibt hier wirklich unfassbar viele Szenen, in denen man denkt: „Klar, natürlich lauft ihr grade aneinander vorbei!... Klar, natürlich bist du nun die Person, die dies oder jenes tut!... Klar, natürlich unternehmt ihr gleichzeitig Dasselbe!...“, und in denen die Hauptfiguren einander tragischerweise doch immer wieder verfehlen, dass es dann doch völlig überzogen gewirkt haben würde, wäre der Roman noch länger gewesen. Aber ist man eben nicht mit einer überaus ausgeprägten romantischen Ader ausgestattet, wird einem „Rendezvous in zehn Jahren“ definitiv ohnehin völlig verklärt und konstruiert vorkommen; da stellt dieses Buch wirklich eher eine Art romantischer Alltagsflucht dar.

Eingangs habe ich allerdings selbst ein wenig mit der Lektüre gehadert, da mir die Geschichte auf den ersten paar Seiten viel zu hölzern erzählt war; und zwar so hölzern, dass ich das Lesen des Romans schon fast mit einem klaren „Nee, definitiv nicht meins; zu abgehackt und unecht wirkender Erzählstil“ im Kopf aufgeben wollte, aber kurz darauf wirkte es plötzlich so als habe sich Judith Pinnow erst warmschreiben müssen: Mit einem Mal las sich aber auch für mich alles flüssig.
Insgesamt ist „Rendezvous in zehn Jahren“, wie gesagt, eine romantische Alltagsflucht für mich gewesen; ich bin nicht hellauf begeistert, die Handlung hat mich nicht vollauf gefesselt, auch wenn es an mancher Stelle durchaus spannend war, zu rätseln, ob bis zum Wiedersehen von Ted und Amelie tatsächlich die ursprünglich verabredeten zehn Jahre vergehen würden. Ich würde auch Judith Pinnow nun nicht plötzlich zu meinen Lieblingsautorinnen erzählen und wenn ich es ganz recht bedenke, war „Rendezvous in zehn Jahren“ nun weniger großer Liebesroman für mich als kurzweilige Liebesschmonzette oder anders gesagt: ein ganz solider, nett zu lesender Groschenroman, zumal in meinen Augen auch die Figuren sehr an der Oberfläche blieben. So betrachtet bin ich letztlich auch gerne bereit, vier Sterne in der Gesamtwertung zu vergeben, auch wenn ich einer eventuellen Empfehlung doch recht zwiespältig gegenüberstehe: Zum Buch raten will ich hier definitiv ausschließlich Denjenigen, die vollauf von Romantik, Schicksal, Vorherbestimmung etc. überzeugt sind, denn das ist vermutlich exakt die Leserschaft, auf die „Rendezvous in zehn Jahren“ abzielt.



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via #NetGalleyDE, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]