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Veröffentlicht am 02.05.2024

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Die Kunst des Neuanfangs
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Nach dem sehr empfehlenswerten Buch „Das hatte ich so nicht bestellt" haben sich Sabrina Pfauth und Debora Kuder erneut mit vereinten Kräften ein Herzensprojekt herausgebracht. Während ihr erstes Thema ...

Nach dem sehr empfehlenswerten Buch „Das hatte ich so nicht bestellt" haben sich Sabrina Pfauth und Debora Kuder erneut mit vereinten Kräften ein Herzensprojekt herausgebracht. Während ihr erstes Thema die unvorhergesehenen Wendungen des Lebens waren, durch die vielleicht mancher Traum geplatzt ist, sich gewandelt oder Platz für einen anderen geschaffen hat, geht es diesmal um Neuanfänge. Um große und kleine, in jedem Fall lebensverändernde.

Schon das Vorwort macht große Lust darauf, in die Leben der interviewten Menschen hineinblicken zu dürfen. Zu sehen, wo man sich selbst gleich wiederfindet und bei welchen Erzählungen oder Thesen sich vielleicht (erst mal?) innerlich etwas sträubt.
Einige im Buch behandelte Facetten von Neuanfängen sind das Leben in der Fremde; das Sich-Selbst-Kennenlernen in außergewöhnlichen Herausforderungen; der Wert vom Alten für das Neue; der Umgang mit Dingen, die man nicht ändern kann; der Mut, etwas auszuprobieren oder vertrauensvoll den nächsten wichtigen Schritt zu wagen, sowie das Haltfinden im christlichen Glauben.

Zwölf ganz verschiedene Beiträge sind es, mal spannend-reportagenhaft, mal im Frage-Antwort-Stil, immer persönlich aus der Ich-Perspektive.
Ich war mit Familie Stolz auf ihrer neuen Wahlheimat Hawaii; hatte Tränen in den Augen, als Shaden Sabouni von ihren Flüchtlingserfahrungen berichtete; habe Neues über Storytelling, Weinbau, Unternehmensberatung und vieles andere mehr gelernt.

So nehme ich aus dem Gelesenen einiges für mich mit, unter anderem dies: Meine Lebenskapitel dürfen unterschiedliche Stimmungen haben, aber keinen zu hohen Leidensdruck. Man kann dem Unbekannten ins Gesicht sehen lernen und dann mehr wagen. Gefühle dürfen hinterfragt werden. Neuanfang kann und darf dauern.

In einem Satz:

„Die Kunst des Neuanfangs" ist eine inspirierende und motivierende Einladung, durch die Geschichten, wie Menschen auf ihrem Lebensweg neu starten wollten oder mussten, zu einer Bestandsaufnahme über die eigene Erfahrung, Haltung und Hoffnung des Neubeginnens zu kommen.

Veröffentlicht am 29.04.2024

Die komplexe, tragisch schöne Absurdität der Buchbranche

Yellowface
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Schon als ich erst wenige Seiten dieses Buchs gelesen hatte, habe ich entschieden, dass ich unbedingt mehr von der Autorin lesen möchte.
Rebecca F. Kuang schreibt bissig, pointiert und zwischen den Zeilen ...

Schon als ich erst wenige Seiten dieses Buchs gelesen hatte, habe ich entschieden, dass ich unbedingt mehr von der Autorin lesen möchte.
Rebecca F. Kuang schreibt bissig, pointiert und zwischen den Zeilen zutiefst hinterfragend und gesellschafts- bzw. in diesem Fall branchenkritisch.
Es gelingt ihr, mit June eine Protagonistin zu schaffen, die uns mit in den Abgrund zu reißen versucht, dem sie sich in ihrem Erfolgsstreben, ihrem Neid und ihrem falschen Spiel, das sie sich stets als gerecht zurechtbiegt, nicht nur unaufhaltsam nähert, sondern den sie in sich selbst erschafft.

Ich kann mir vorstellen, dass die eher unaufgeregte Handlung (im Grunde geht es nach einem morbide-skurrilen Vorfall einzig und allein um den Aufstieg und Fall einer äußerst schwierigen Autorin) einem weniger zusagt, wenn man sich nicht wirklich fürs Verlagswesen und den Buchmarkt interessiert. Tut man das aber, konfrontiert das Buch einen mit einem schonungslosen, zynischen und dennoch seltsamerweise nicht komplett desillusionierenden Blick hinter die Kulissen. Sichtbarkeit von Neuerscheinungen, Marketing, Literaturagenturen, Rezensenten, Lesungsevents, Vernetzung/Konkurrenz unter Schreibenden, die Online-Buchcommunity – alles wird von der Autorin satirisch seziert.
Doch auch universellere Themen finden ihren Weg in die Geschichte: kulturelle Aneigung und Cancel Culture, wie es in der Werbung für das Buch heißt, außerdem die Frage, wie Anerkennung für das eigene Schaffen und der Wunsch, sie (um jeden Preis?) zu erreichen, Kreative fehlleiten können oder wo die Grenzen einer Urheberschaft bzw. geistigen Eigentums verlaufen.

Für mich ein höchstspannendes, faszinierend umgesetzter Roman!

In einem Satz:

„Yellowface“ wagt etwas: eine schwierige Hauptfigur, in der man sich möglichst nicht wiederfinden will, und eine Menge Seitenhiebe (manchmal schon eher Frontalschläge) auf eine Branche, in der es trotz großer Leidenschaft, Kreativität und hohen Idealen allzu oft bedenklich zugeht.

Veröffentlicht am 28.03.2024

Die Geschichte eines Durchbruchs

Der Fluss der Erinnerung
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„Ich denke, immer wenn wir uns für eine gewisse Zeit an einem Ort verwurzeln – sei es eine Stadt, eine Beziehung oder eine Kneipe, in der jeder deinen Namen kennt –, dann wird er zu einem durchlässigen ...

„Ich denke, immer wenn wir uns für eine gewisse Zeit an einem Ort verwurzeln – sei es eine Stadt, eine Beziehung oder eine Kneipe, in der jeder deinen Namen kennt –, dann wird er zu einem durchlässigen Ort, an dem die heilsame Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist. Es sind Grenzräume, Brücken, Kreuzungen, Schwellen zwischen dem, was uns widerfahren ist, und dem, was noch kommen wird." (S. 127)

Dieses Buch ist etwas Besonderes und ich hoffe, dass der Autor noch weitere Romane schreiben wird. Es ist keins, das man verschlingt, sondern eins, das man langsam und tief auf sich wirken lässt und das einem viel mit auf den Weg (über bzw. durch den Fluss) gibt.

Heruntergebrochen auf die Kernthemen geht es um Glaube und Psychologie, um seelischen Schmerz und dessen Heilung, um Lebensgestaltung und ganz stark um Vergangenheitsbewältigung.
Mit Elijah begleiten wir einen Schriftsteller in einer tiefen Krise, die auch Folgen für sein kreatives Schaffen und sein eng damit verwobenes Glaubensleben hat. Seine Erzählstimme ist einnehmend und macht ihn nahbar.

Der Weg, den Elijah zu gehen hat, als er, am Tiefpunkt angekommen, in seine Heimat zurückkehrt, um sich seinen Prägungen und wunden Punkten zu stellen, ist spirituell und so ungewöhnlich, dass man sich wie er selbst darauf einlassen muss.
Dabei wäre eine Triggerwarnung vorn im Buch sicher eine gute Idee gewesen, denn es geht tiefer hinab in depressive Gefühle und Ängste bis hin zu Suizidgedanken, als man sonst vorab erwarten würde und mancher vielleicht verkraften kann.

Die Übersetzung des Buchs war sicher herausfordernd und ist wirklich gut gelungen. Zum Teil wird es sprachlich ein bisschen „schwülstig", was im Englischen trotz inhaltlich gleicher Wortwahl wahrscheinlich einfach anders klingt, das nimmt der Kraft der Geschichte aber nichts.

In einem Satz:

„Der Fluss der Erinnerung" ist die Geschichte eines Durchbruchs: Auch wenn man beim Lesen gemeinsam mit dem Protagonisten buchstäblich viel Schweres erarbeitet, erlebt man die Reise, die man mit ihm macht, am Ende als großen, nahezu überwältigenden Befreiungsschlag.

Veröffentlicht am 14.03.2024

Ein Hotel, das seinem Namen alle Ehre macht ...

Arctic Mirage
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Man hätte keinen passenderen Titel für dieses Buch wählen können. Es ist sowohl in seinem Setting als auch in seinem Ton arktisch kalt und durch und durch „mirage"; das gleichnamige Hotel macht seinem ...

Man hätte keinen passenderen Titel für dieses Buch wählen können. Es ist sowohl in seinem Setting als auch in seinem Ton arktisch kalt und durch und durch „mirage"; das gleichnamige Hotel macht seinem Namen alle Ehre: Alles hier scheint Illusion, Fata Morgana, Trugbild zu sein.
Daneben sind es vor allem Adjektive, die den Gesamteindruck treffend beschreiben: trostlos, lieblos, roh.
Das Arctic Mirage wird geradezu zum Sinnbild scheiternder Beziehungen und mangelnder Mitmenschlichkeit. Alles dreht sich um Abhängigkeiten, Machtspiele, Gewalt in verschiedenen Formen, soziale Ungerechtigkeit und um verzerrte Wahrnehmung. Doch man macht die Themen eher verschwommen unter der gefrorenen Oberfläche der Erzählung aus, als dass die Autorin einem gute Gedanken dazu mit auf den Weg geben würde. Der Schreibstil an sich ist unaufgeregt und, zumindest für mich, nicht sehr zugänglich.

Einigen Nebencharakteren wie insbesondere dem Arzt vor Ort und der jungen Dame vom Empfang (die letztlich für den vielleicht einzigen Hoffnungsschimmer im Buch sorgt) wird für den geringen Umfang des Buches überraschend viel Raum gegeben. Nicht immer erschließt sich dabei, warum erzählt wird, was erzählt wird. Und nicht alles ist wirklich interessant.
Die ebenfalls überraschend ausführlichen Rückblenden in Karos Vergangenheit haben mich dagegen mehr beschäftigt und einige wesentliche Dinge über die Protagonistin offenbart.

Die Auflösung wie im Werbetext des Verlags als „dunkles Geheimnis" zu betiteln, finde ich etwas unpassend. Am Ende gibt es eine kleine Enthüllung, die man vorhersehen könnte und die selbst, falls man das nicht tut, nicht wirklich einen großen Aha-Moment beschert.
Geschickt konzipiert ist allerdings, wie man das Grundthema zwischen Karo und Risto im Laufe des Leseprozesses immer stärker erahnt und schließlich Gewissheit darüber bekommt.
Zudem zweifelt man bis zum Schluss, ob sich das der Geschichte vorangestellte Ende bewahrheiten wird. Die letzte Szene im Buch ist sehr dynamisch und besonders „komponiert", lässt einen aber dennoch oder gerade deswegen mit dem beklommenen Gefühl zurück, das einen über das ganze Buch hinweg bereits begleitet hat.

In einem Satz:

Ich vergebe gute drei Sterne für „Arctic Mirage", weil es durchaus faszinierend ist und viel Spielraum für Interpretationen der Details bietet, es gleichzeitig aber kaum schafft, Emotionen auszulösen und mehr aufzubauen als eine stetige Untergrundspannung, die sich im zu Beginn platzierten Ende entlädt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.02.2024

Eine Einladung zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebens- und Glaubensweg

Meine Geschichte mit Gott, Gottes Geschichte mit mir
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Dem Äußeren nach habe ich dieses Buch für ein zeitloses, hochwertiges Journal für eine persönliche Bestandsaufnahme gehalten. Ist es im Grunde auch, obwohl ich den Eindruck habe, dass es vorwiegend ältere ...

Dem Äußeren nach habe ich dieses Buch für ein zeitloses, hochwertiges Journal für eine persönliche Bestandsaufnahme gehalten. Ist es im Grunde auch, obwohl ich den Eindruck habe, dass es vorwiegend ältere Menschen ansprechen möchte, die Rückschau halten und Lebenserfahrungen durchs Niederschreiben ggf. auch mit Angehörigen teilen wollen. Von den Kindern und Enkeln ist da im Vorwort die Rede. Allerdings heißt es dort auch: „Verändere die Fragen, bis sie zu dir passen." Somit sind also wohl auch alle anderen eingeladen.

Eine goldene Farbe im Innenteil sorgt für eine schöne und edel wirkende Gestaltung.
Die persönlichen Fragen drehen sich um Menschen, die einen begleitet haben / begleiten; prägende Texte (Bücher, Verse, ...); besondere Momente; Highlights und Krisenzeiten; Gemeindeleben; geplante und unvorhersehbare Veränderungen; Hoffnung (wer lebt sie einem vor, worin gründet sie sich, ...?); Gottesbegegnungen; Dinge, die man gerne schon früher gewusst hätte, und das eigene Vermächtnis.

Vor jeder Themenstation gibt es eine kleine Hinführung; ansonsten besteht der Inhalt durchgehend aus zu füllenden Seiten mit den Fragen am oberen Rand. Dabei finden neben den gesonderten Stationen zu gemeindlichen Erfahrungen und Erlebnissen mit Gott immer wieder auch Glaubensfragen Raum, z. B. rund um den eigenen Bezug zur Bibel.

Mein Eindruck aus dem Vorwort verstärkte sich leider hier und da. Bei der Frage z. B., was man seinen Kindern gern geschenkt und mitgegeben / nicht mitgegeben hätte, werden zwar in Klammern und kleiner Schrift immerhin auch Kinderlose bedacht, bei derselben Frage zum Ehepartner fehlt aber bspw. die Sensibilität, auch Unverheiratete einzubeziehen.

Ganz zum Schluss folgt mit „Der rote Faden" noch ein Fazit-Kapitel mit einigen abschließenden Fragen zum Schreib-/Eintragprozess.

Ich denke, dass das Buch ein tolles Produkt für Christen ist, denen autobiografisches Schreiben hilft, sich zu verorten und/oder mitzuteilen, was sie an Lebensweisheit gewonnen haben. Gleichzeitig ist der Platz für die zum Teil so großen Fragen knapp bemessen, und bei zu vielen Einlegeblättern lässt sich das Buch wahrscheinlich nicht mehr schließen. Vielleicht wäre eine Kartenbox mit passendem Notizbuch zielführender gewesen.

In einem Satz:

Das Buch inspiriert zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebens- und Glaubensweg und macht viele interessante Fragen zum Thema, die eine Orientierungshilfe zum Revue-passieren-Lassen und Nach-vorn-Blicken anbieten.