Profilbild von Lesefee2305

Lesefee2305

Lesejury Star
offline

Lesefee2305 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Lesefee2305 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.08.2020

Großartiger Debütroman

Morgan's Hall
0

„Heimat ist da, wo das Herz ist“

„Morgan´s Hall“ ist ein historischer Roman von Emilia Flynn und gleichzeitig ihr Debütroman und der erste Band der gleichlautenden Romanreihe „Morgan´s Hall“.
Ein Herrenhaus ...

„Heimat ist da, wo das Herz ist“

„Morgan´s Hall“ ist ein historischer Roman von Emilia Flynn und gleichzeitig ihr Debütroman und der erste Band der gleichlautenden Romanreihe „Morgan´s Hall“.
Ein Herrenhaus fernab der Zivilisation, ein Ort, zum Träumen schön… So jedenfalls sieht es die Familie Morgan. Johns Vater hat dieses traumhafte Fleckchen Erde entdeckt, als seine Wahlheimat auserkoren und den Familienbetrieb dort aufgebaut. Etwas Schöneres als hier zu leben, kann es eigentlich nicht geben. Doch wird dies auch die Halbjüdin Isabelle erkennen, nachdem John sie, gemeinsam mit seinem Freund Dickie, in Wien vor den Nazis gerettet und gegen ihren Willen als seine Verlobte nach Woodwall bringt?

„Morgan’s Hall“ ist der Debütroman der Autorin Emilia Flynn und war daher natürlich auch der erste Roman, den ich von ihr lesen durfte. 😊 Sie nimmt den Leser mit in ein Europa vor dem zweiten Weltkrieg und in ein Amerika der 1940er Jahre. Dabei greift sie, neben der Haupthandlung über die Familie Morgan, geschickt kleinere und größere historische Aspekte mit auf, ohne diese dabei zu sehr in den Vordergrund zu rücken. So sind die Judenverfolgung, der Nationalsozialismus, der zweite Weltkrieg, aber auch die Rolle der Frau in dieser Zeit Themen, die angeschnitten werden. Der Leser kann dann entscheiden, ob er sich weiter mit diesen Themen beschäftigen möchte oder nicht. Diese Verbindung zwischen Fiktion und Realität hat mir sehr gut gefallen.

Nachdem John und Dickie die Halbjüdin Isabelle nach der Machtübernahme durch Hitler in Wien kennen und lieben gelernt haben, entschließt sich John, Isabelle als seine Verlobte mit nach Morgan´s Hall zu nehmen. Auch gegen ihren ausdrücklichen Willen, schließlich muss sie aus Österreich fliehen und John hat sich in sie verliebt... Dass Isabelles Gefühle eine andere Sprache sprechen und sie sich in Dickie verliebt hat, spielt für John dabei keine Rolle. Er bricht also wegen einer Frau mit seinem besten Freund und bringt Isabelle nach Morgan’s Hall…
John wird zu Beginn des Romans als freundlicher und eher gut- beziehungsweise langmütiger junger Mann beschrieben. Sein Freund Dickie hingegen als charismatisch, sympathisch, draufgängerisch und typischer Frauenschwarm. Auf der gemeinsamen Reise scheinen sich die Charaktereigenschaften der beiden langsam zu verändern. Dickie möchte Wien aus Angst vor den Nationalsozialisten schnellstmöglich verlassen, während John unbedingt Isabelle kennenlernen möchte. Auch die Rettung Isabelles ist alleine Johns Idee. Er setzt dieses Vorhaben alleine, entschlossen und ohne Rücksicht auf Verluste durch und offenbart damit eine Seite an sich, die ich so nicht erwartet hätte.
Dickie hingegen lässt sich von seinem Freund unterbuttern und schafft es nicht, für Isabelle zu kämpfen. Er macht ihr zwar Hoffnung, überlässt sie aber letztlich ihrem Schicksal, auch mit diesem Handeln hätte ich nicht gerechnet.
Isabelle Charakter ist ebenso vielfältig. In Wien die taffe, schöne und irgendwie mutige Sängerin mit sonnigem Gemüt und freundlichem Auftreten, wandelt sie sich mehr und mehr in eine unzufriedene, griesgrämige und boshafte Frau. Ihre Lebensumstände sind nicht so, wie sie es sich gewünscht hat und doch hat mich auch diese Entwicklung überrascht.
Die Autorin zeichnet die Figuren aber dennoch oder gerade wegen dieser überraschenden Wesenszüge sehr authentisch. Gedanken und Gefühle werden durch die personale Erzählweise sehr gut vermittelt.
Emilia Flynn beschönigt das Leben nicht und stellt ein realistisches Bild einer mächtigen Familie dar. Nach Außen ist das Auftreten klar: alles funktioniert, alle verstehen sich, innerhalb der eigenen vier Wände sieht es aber ganz anders aus. Dies hat mir so gut gefallen! Endlich mal ein Roman, in dem nicht alles „rosa und in Plüsch“ ist. Gefühle sind nicht geradlinig, lassen sich nicht erzwingen und manchmal entstehen eben Differenzen, Hass und Sorgen. Das Leben besteht nicht nur aus Liebe und Einigkeit. Nicht immer kann es ein Happy End geben… Aus diesem Grund hat mir dann das Ende des Romans auch nicht ganz so gut gefallen, die Handlung erreicht hier nochmal einen Wendepunkt, welchen ich nun wieder überhaupt nicht erwartet hatte. Vor allem hatte ich ihn mir nicht gewünscht… Ich hätte mir einen anderen Ausgang gewünscht, der, wie der Rest des Romans, nicht in die üblichen Klischees hineinpasst. Trotzdem macht mich der darauffolgende Cliffhanger überaus neugierig und ich freue mich sehr auf Band 2!

Mein Fazit: Ein Roman mit historischem Hintergrund, mit einer großen Prise Lebenserfahrung und Realität. Eine Familiensaga, die das Leben nicht verklärt und zeigt, dass nicht immer alles „Friede, Freude, Eierkuchen“ sein kann. Ein Roman über die Liebe, über Freundschaft, Familienbande, Intrigen und Hass.
Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen für diesen großartigen Debütroman von Emilia Flynn! Einen halben Stern ziehe ich ab, da ich mir das Ende anders gewünscht hätte. Ich freue mich aber riesig auf Band 2, denn der riesige Cliffhanger verlangt einfach nach mehr. <3

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.05.2020

Weiterleben

Zwei in einem Herzen
0

„Es ging nie darum, über Freddie Hunter hinwegzukommen. […] Es gibt keinen praktischen Trauerplan. […] Vielmehr muss man herausfinden, wie man weiterlebt […].“

„Zwei in einem Herzen“ ist ein Roman von ...

„Es ging nie darum, über Freddie Hunter hinwegzukommen. […] Es gibt keinen praktischen Trauerplan. […] Vielmehr muss man herausfinden, wie man weiterlebt […].“

„Zwei in einem Herzen“ ist ein Roman von Josie Silver, übersetzt von Babette Schröder. Er erschien am 11.05.2020 als Taschenbuch im Heyne Verlag und ist in sich abgeschlossen.
Nach dem tragischen Unfalltod ihres verlobten Freddie steht Lydia vor dem Scherbenhaufen ihres gemeinsamen Lebens. Wie soll sie ohne Freddie weiterleben und wie jemals wieder glücklich sein? Eigentlich ausgeschlossen, weshalb ihr die Flucht in ihre Traumwelt, in der Freddie noch lebt, herzlich willkommen ist. Doch wird Lydia mit der Traumwelt dauerhaft glücklich werden können oder gibt es für sie einen anderen Weg zurück ins Leben…?

Josie Silvers Roman „Zwei in einem Herzen“ ist kein Roman, in dem es um die verlorene Liebe und die neue / alte Liebe zu seinem besten Freund geht. Jedenfalls nicht nur. Ausgehend vom Klappentext hatte ich erwartet, dass der Hauptkonflikt die aufkommenden Gefühle zu Lydias und Freddies bestem Freund Jonah sein würden. Dies ist allerdings eher nicht der Fall. Vielmehr beschreibt der Roman den Weg, den Lydia beschreitet, um ihre Trauer zu bewältigen. Mit viel Witz und Humor, aber auch tiefgehenden Gefühlen und Gedanken begleiten wir Lydia auf einem langen und steinigen Weg der Trauer und der Trauerbewältigung.
Anschaulich wird dabei beschrieben, dass jeder seinen eigenen Weg für die Trauer finden muss, dass es kein Patentrezept gegen die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen gibt und dass einfach jeder Mensch anders ist. Ebenso wird deutlich, dass man zwar selbst seinen Weg gehen muss, dass man aber Hilfe und Unterstützung annehmen darf, wenn man sie braucht.
Lydias Familie und Freunde übernehmen diesen Part im Roman sehr gut und sind dabei unglaublich einfühlsam, obwohl sie ebenso trauern und keine Ahnung haben, was falsch und was richtig ist.
Lydia selbst war mir von Anfang an sehr sympathisch. Sie ist, ebenso wie die anderen Figuren, authentisch dargestellt und eine liebenswerte junge Frau. Während sie im realen Leben nach Freddies Tod kaum noch Freude empfinden kann und einfach nur noch am Leben teilnimmt, ohne es selbst zu planen, taucht sie nachts in eine Traumwelt ab. In dieser lebt Freddie noch und die Zeit vergeht, als ob der Unfall nie geschehen wäre. Doch während sich viele Dinge zwischen Traum und Realität gleichen, gibt es doch gravierende Unterschiede, die vielleicht der Preis für ein glückliches Leben mit Freddie sind. Denn während einer lebt, muss ein anderer gehen. Diese Moral ist uns wohl allen bekannt und wird schließlich auch Lydia bewusst.
Im Laufe der Zeit erkennt sie zudem, dass sie sich nach Freddies Tot weiterentwickelt hat. Aus einer Frau, die eher im Schatten ihres Partners gelebt hat und vieles akzeptiert hat, was ihr eigentlich wehtat, wurde durch die Herausforderung des Alleinseins eine Frau, die stark und mutig ist. Sie hat es geschafft weiterzuleben und sich ein Leben aufzubauen, auf das sie stolz ist.
Dies hat mir sehr gut gefallen und ist ein Zeichen für jeden, der ähnliches durchlebt oder aus anderen Gründen an seinem Leben zweifelt. Man muss das eigene Leben anerkennen als das, was es ist. Es ist unser Leben und es will gelebt werden. Es ist keine Alternative. Es ist eine Chance und zwar die beste, die wir haben.
Die Erzählperspektive als Ich-Erzählung von Lydia war für den Roman sehr gut gewählt. Eindeutig wird, wie Lydia denkt und fühlt und was sie erlebt. Besonders gefallen haben mir dabei die Passagen, in denen sie sich selbst reflektiert und über Dinge nachdenkt. Durch diesen Schreibstil bekommt auch der Leser Erkenntnisse, die er sonst möglicherweise übersehen hätte. In diesem Licht betrachtet ist das Romanende ideal gewählt und auch die Parallelwelt, die mich zunächst massiv gestört und irritiert hat, ergibt rückblickend Sinn.
Obwohl das Thema des Romans anders war als von mir erwartet und mich häufig an vergleichbare Bücher wie „P.S. Ich liebe dich“ erinnerte, bin ich letztendlich vom Roman überzeugt. Mit viel Gefühl, aber auch viel Humor beschreibt Josie Silver Lydias Weg aus der Trauer und gibt dem Leser viele wichtige Botschaften mit auf den Weg. Der mitreißende und leichte Schreibstil regt zum Weiterlesen und Abtauchen in die Geschichte ein.

Mein Fazit: Die kontroversen Diskussionen und auch negativen Buchmeinungen zu „Zwei in einem Herzen“ kann ich nachvollziehen, teile sie aber nicht. Wenn man sich auf die Geschichte einlässt und in sie eintaucht, kann man sie lieben und verstehen. Die anfängliche Irritation wird durch viel Gefühl und eine grandiose Erzählweise wettgemacht und hat mich letztendlich überzeugt, ein leicht geänderter Klappentext würde eine bessere Vorstellung vom Inhalt geben und eine andere Erwartung wecken. Ich ziehe lediglich einen halben Stern ab, sodass es von mir 4,5 von 5 Sternen gibt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.02.2020

Zwischen Liebe und Realität

Licht in den Wolken
0

„Selbst als Krüppel wäre Emil noch in der Lage, die Linie fortzusetzen. […] So aber habe ich nur eine nutzlose Tochter.“

"Licht in den Wolken" ist der zweite Band der "Berlin-Trilogie" von Iny Lorentz.
Rieke ...

„Selbst als Krüppel wäre Emil noch in der Lage, die Linie fortzusetzen. […] So aber habe ich nur eine nutzlose Tochter.“

"Licht in den Wolken" ist der zweite Band der "Berlin-Trilogie" von Iny Lorentz.
Rieke stammt aus einer verarmten adligen Familie. Während ihr Vater und ihr älterer Bruder beim Militär sind, wird Rieke durch die Gnade einer entfernten Verwandten auf ein Internat geschickt, in dem junge Frauen lernen, wie sie einen Haushalt zu führen haben. Dort lernt sie dann auch ihre beste Freundin Gunda kennen, die sie mit Freuden in ihre eigene Familie aufnimmt, in der Rieke schließlich mehr Zeit verbringt als in ihrer eigenen.
Je näher das Schulende kommt, desto klarer wird Rieke, dass ihr keine leichte Zukunft bevor steht. Als ihr Vater dann im Krieg schwer verwundet wird, ist sie auf die Hilfe der Familie Hartung und deren Sohn Theo angewiesen.
Aus einem Missverständnis heraus, zieht Theo schließlich in den Krieg, bevor ihm oder Rieke die Gefühle zueinander klar werden. Können die beiden nun überhaupt eine gemeinsame Zukunft haben?

Der zweite Band der „Berlin-Trilogie“ führt die Geschichte der Familie Hartung in einer wunderschönen Weise weiter. Während in diesem Band zwar Rieke von Gantzow die Hauptrolle spielt, bleibt die Familie Hartung ein wichtiger Teil der Handlung. Hierbei hat mir besonders gut gefallen, dass alle Figuren aus Band 1 erneut auftauchen und ihr Lebensweg weiter gezeichnet und beschrieben wird.
Auf Schloss Steben und in Berlin wächst die nächste Generation heran. Während die Kinder der Familie Hartung in einem wohlbehüteten und liebevollen Haushalt aufwachsen können, muss Rieke seit ihrer Geburt gegen den Unmut ihres Vaters ankämpfen. Für diesen hat die Frau keinen großen Wert und ein zweiter Sohn wäre ihm lieb gewesen, während er die Tochter nur als unnötigen Ballast ansieht und ihr eigentlich nie die Liebe zugestanden hat, die sie verdient hätte. Trotzdem ist aus Rieke eine junge Frau geworden, die ihren Kopf einzusetzen weiß, die aber ebenso weiß, wie sie ihre Emotionen in Zaum hält. Dies ist etwas, was Gunda von Hartung nur schwer gelingt, doch gemeinsam beginnen sie sich im Internat durchzuringen. Während Gunda eine recht unkomplizierte Kindheit und Jugend erlebt, spielt für Rieke immer die Sorge mit, sich bei der Familie ihrer Freundin „durchfüttern“ zu lassen und Almosen anzunehmen. Dies ist der Familie Hartung klar, weshalb sie auf liebevolle Art und Weise versuchen das junge Mädchen in ihre Familie aufzunehmen. Als schließlich Riekes Vater eine schwere Kriegsverletzung erleidet ist daher ebenso klar, dass sie von dort Unterstützung erhalten wird…
An der jungen Rieke wird deutlich, dass die Frau im 19. Jahrhundert noch keine leichte Stellung im Leben hatte. Während Söhne hochgeachtet waren, war dies bei Töchtern lange nicht überall der Fall und häufig wurden sie als eher notwendiges Übel erachtet, das schnellstmöglich verheiratet werden sollte. So ergeht es schließlich auch Rieke, der nicht viel übrig bleibt, als die Hochzeit hinzunehmen oder aus der Situation zu fliehen. Ihre eigenen Gefühle spielen dabei keine Rolle, denn der Mann, der sie interessierte, hat sie sehr verletzt und eine Chance auf eine gemeinsame Zukunft gibt es nicht…
Rieke ist eine starke und authentische Protagonistin. Ihre Denkweise und Handeln haben mir sehr gut gefallen und an vielen Stellen sehr imponiert. Manchmal stehen ihr zwar ihr Stolz und ihr Eigenwille im Weg, insgesamt hat sie aber ihr Herz am rechten Fleck und sie möchte niemandem zur Last fallen, da sie zuhause nie wirkliche Liebe erfahren hat…
Der Roman ist leicht lesbar und in einem flüssigen Schreibstil geschrieben, weder die Spannung noch der historische Hintergrund kommen zu kurz. Die historischen Informationen werden in die Handlung eingewoben und am Schluss des Romans noch gesondert erläutert, was mir sehr gut gefallen hat.
Mir hat das Lesen sehr viel Spaß gemacht und die etwa 650 Seiten des Buches waren innerhalb eines Tages gelesen. Als einzigen Kritikpunkt habe ich anzumerken, dass die Inhaltsangabe auf mehr Dramatik hinsichtlich der Beziehung zwischen Theo und Rieke hindeutet, als am Ende dargestellt wird. Für mich ist es kein historischer Roman, indem es um Theo und Rieke geht, sondern ein Roman, der die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die es im Leben nicht unbedingt leicht hatte.

Mein Fazit: „Licht in den Wolken“ ist ein klassischer historischer Roman, der für mich unglaublich schön und leicht lesbar war. Dazu erzählt er eine tolle Geschichte mit einer starken und mutigen Protagonistin vor der Kulisse Berlins im 19. Jahrhundert. Historische Fakten werden mundgerecht eingeflochten und wirken dabei nicht erdrückend. Ich ziehe lediglich einen halben Stern ab, da ich anhand der Inhaltsangabe einen anderen Buchschwerpunkt erwartet hatte. Letztlich gibt es daher 4,5 von 5 Sternen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.01.2020

Großartiger historischer Roman vor wunderschöner Kulisse

Die Sterne über Venedig
0

La Famiglia
„Eines ist gewiss. Eine Schwester zu verlieren ist eines der schlimmsten Dinge im Leben.“
„Die Sterne über Venedig“ ist ein historischer Roman von Anja Saskia Beyer. Er erschien im Oktober ...

La Famiglia
„Eines ist gewiss. Eine Schwester zu verlieren ist eines der schlimmsten Dinge im Leben.“
„Die Sterne über Venedig“ ist ein historischer Roman von Anja Saskia Beyer. Er erschien im Oktober 2019 im Tinte und Feder Verlag von Amazon Publishing.
Plötzlich ist in Nicolas Leben nichts mehr so, wie es einmal war. Ihr Mann Frank hat sie für eine andere Frau verlassen und auch ihre Schwester Cati hat sich, scheinbar grundlos, von ihr abgewandt. Als dann allerdings auch noch ihre Großmutter in Venedig erkrankt, sind die Schwestern gezwungen, sich zumindest oberflächlich miteinander zu vertragen, denn weitere Probleme würden ihrer Großmutter nur unnötig zusetzen und „La Famiglia“ ist nun einmal das, was zählt. Warum dieses der Großmutter allerdings so wichtig ist, können die Schwestern nicht erahnen, bis ihre Nonna plötzlich beginnt von der Vergangenheit zu berichten…

„Die Sterne über Venedig“ war der erste Roman, den ich von Anja Saskia Beyer gelesen habe und ich muss sagen, er hat mich wirklich überzeugt. Die Autorin schafft es, Gegenwart und Vergangenheit durch die Erzählung der Großmutter sehr gut miteinander zu verknüpfen. Die Wechsel der Zeiten sind durch entsprechende Kapitelüberschriften gut nachvollziehbar.
Die Vergangenheit von Nicolas Großmutter ist geprägt vom 2. Weltenkrieg, während dem sie als junges Mädchen bestehen musste. Während der Zeit, in der wir Miranda begleitet wird ihre eigene Entwicklung vom Kind zur erwachsenen Frau deutlich. Zunächst noch recht unbedarft und mit eher kindlichen Gedanken und Sorgen über Männer, Krieg und weitere „alltägliche“ Dinge. Später dann sehr schnell eine starke und mutige Frau, die sich niemals hat unterkriegen lassen und für ihre Werte und Vorstellungen eingetreten ist.
Durch Mirandas Erzählung wird der zweite Weltkrieg aus einer Perspektive beleuchtet, die für mich völlig neu, dabei aber unglaublich interessant war. Die Rolle der Frau, die damals noch als unbedeutend galt und nur wenig beachtet wurde, gewann zu dieser Zeit an Bedeutung und viele Frauen waren aktiv im Widerstand tätig. Die historischen Fakten werden gut in den Roman eingearbeitet und dargestellt, treten dabei aber nicht zu sehr in den Vordergrund, sondern sind stets gut in die Handlung eingebettet und werden durch glückliche Momente und Erfahrungen der Protagonisten aufgelockert.
Weniger gut gefallen hat mir die teilweise einseitige und etwas zu verallgemeinerte Darstellung der deutschen Wehrmachtssoldaten. Während die Widerstandskämpfer und die Bürger Venedigs relativ objektiv dargestellt werden und Miranda jeden mit Respekt und vorurteilsfrei behandelt, stecken „die Deutschen“ für Miranda voller Vorurteile und eine Denkweise, die ohne diese negativen Grundansichten auskommt, ist nicht möglich. Dieses hat mir weniger gut gefallen, da Miranda eigentlich eine schlaue und intelligente junge Frau ist, die sich nicht von Hass und Vorurteilen blenden lassen sollte.
Dies ist aber im Grunde das Einzige, das ich zu meckern habe, denn insgesamt ist „Die Sterne über Venedig“ ein wunderbarer historischer Roman, der die zwei Zeitebenen großartig miteinander verknüpft und dabei neben der Familiengeschichte von Nicola und Cati auch mehrere ernste Themen wie die Judenverfolgung und den Nationalsozialismus behandelt.
Er ließ sich einfach und unkompliziert lesen und vermittelt nebenbei trotzdem ernste Denkansätze und greift Themen auf, mit denen wir uns heute leider wieder viel zu sehr auseinandersetzen müssen. Wir dürfen einfach nicht vergessen, was damals passiert ist und welches Unrecht Juden und vielen anderen Menschen zu dieser Zeit angetan wurde. Nie wieder darf ein solcher Hass die Menschen kontrollieren, nur sind wir auch Heute häufig nicht weit davon entfernt. Der Roman vermittelt daher eine unglaublich wichtige und (leider) wieder sehr aktuelle Botschaft. Jeder kann etwas tun und sich für seine Werte einsetzen. Wegschauen ist keine Option.
Ich vergebe daher 4,5 von 5 Sternen für einen Roman mit einem wichtigen und sehr gut ausgearbeiteten Thema!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.10.2019

Manchmal muss man die Wolken beiseiteschieben

Das Leben ist auch nur eine Wolke
0

„Seit ich dich kenne, fühle ich mich zum ersten Mal geerdet und gleichzeitig schwebt mein Herz über den Wolken.“

„Das Leben ist auch nur eine Wolke“ ist ein Liebesroman von Kristina Moninger. Er erscheint ...

„Seit ich dich kenne, fühle ich mich zum ersten Mal geerdet und gleichzeitig schwebt mein Herz über den Wolken.“

„Das Leben ist auch nur eine Wolke“ ist ein Liebesroman von Kristina Moninger. Er erscheint am 12. November 2019 im Tinte und Feder Verlag von Amazon Publishing und ist in sich abgeschlossen.

Als Moritz sich nach 9 Jahren Beziehung von Dalia trennt, bricht für diese eine Welt zusammen. Dass Glück nicht für immer bleibt, hat Dalia bereits früh in ihrem Leben lernen müssen, umso mehr hasst sie Veränderungen… Was soll sie nur ohne Moritz tun und wie kann sie weitermachen? Ein Leben ohne ihn ist für Dalia nur schwer vorstellbar. Ausgerechnet jetzt taucht auch noch ihre Flughafenbekanntschaft Max wieder auf und als neuer Mitbewohner, der ursprünglich dafür gedacht war, Moritz eifersüchtig zu machen, löst er in Dalia plötzlich mehr aus als freundschaftliche Gefühle. Doch soll sie sich in eine Beziehung auf Zeit stürzen und das Glück für eine Zeitlang borgen oder sollte sie die Sache direkt beenden, wo doch klar ist, dass Max bald in die Staaten ziehen wird?

„Das Leben ist auch nur eine Wolke“ ist der zweite Roman, den ich von Kristina Moninger gelesen habe. Wie schon in „Alles, was wir liebten“ ist die Protagonistin Dalia alles andere als perfekt. Sie beendet ungern Dinge, daher muss sie sich auch mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten, denn auch ihr Studium hat sie natürlich nicht beendet. Durch diese unschöne Eigenschaft wirkt sie teilweise unselbstständig und irgendwie leicht unfähig für sich selbst zu sorgen. Dies täuscht aber, denn letztendlich hat sie eben ihr Päckchen zu tragen, wie viele andere Menschen auch. Sie bewältigt ihre Vergangenheit auf ihre Art und Weise und gerade ihre Unperfektheit macht sie unglaublich authentisch und sympathisch. Auch ist sie eigentlich eine starke Frau, nur sie selbst bemerkt dies einfach nicht. Auch nachdem Moritz bei ihr ausgezogen ist, klammert sie sich an dem Gedanken fest, dass er zurückkommen wird. Da sie die gemeinsame Wohnung nicht alleine finanzieren kann und ihn zudem mit einem neuen Mitbewohner eifersüchtig machen möchte, beginnt sie nach einem solchen zu suchen. Die Suche gestaltet sich dann aber als schwieriger als gedacht und als plötzlich Dalias flüchtige Bekanntschaft vom Flughafen auftaucht, scheint es, als hätte der Himmel ihn gesandt. Nicht nur hilft Max ihr sofort die anderen unliebsamen Bewerber zu vertreiben, nein er schafft es wie bereits am Flughafen, Dalia ein gutes Gefühl zu geben und sie lächeln zu lassen.

Max ist im Grunde das genaue Gegenteil von Dalia. Er neigt nicht dazu Dinge liegen zu lassen, sondern packt sie an und beendet sie dann auch gründlich, wie er selbst sagt. Insgesamt ist Max ein fröhlicher und ebenfalls sehr sympathischer Zeitgenosse. Er ist charmant und bringt Dalia und auch mich als Leserin immer wieder zum Schmunzeln. Durch seine umgängliche und lockere Art macht er es Dalia leicht ihn als Mitbewohner zu akzeptieren, er schafft es sogar, dass sie sich an das von ihm regelmäßig angerichtete Chaos gewöhnt.

Langsam aber sicher beginnen die beiden Gefühle füreinander zu entwickeln, die sie eigentlich nicht zulassen wollen, denn feststeht: Max wird bald in die USA ziehen, außerdem lässt er sich nicht gern auf Beziehungen ein und hütet ein Geheimnis, das schwer auf ihm lastet. Trotzdem ist Dalia von Anfang an auf eine gewisse Art von Max begeistert und auch er kann sie sehr schnell einschätzen und durchschauen.

Die Art, wie er mit ihr umgeht lässt einem das Herz aufgehen. Er ermöglicht ihr Dinge und zwingt sie zu Veränderungen oder gibt ihr zumindest sanfte Hilfestellungen, die Dalia aus ihrer Komfortzone bringen und sie beginnen kann ihre Vergangenheit zu verarbeiten. Schnell schaffen sie miteinander eine Freundschaftsebene, die tiefer geht und die Gefühle aufkommen lässt, die einfach nur wunderschön sind.

Im Laufe des Romans findet eine Entwicklung von Dalia statt. Das „Gewohnheitstier“ schafft es langsam aus seiner Komfortzone heraus und beginnt nach vorne zu sehen. Sie wird mutiger und selbstbewusster, beginnt Dinge zu beenden und ihre Vergangenheit zu überwinden. Hierbei ist Max ihr eine große Hilfe, denn erst durch sie lernt sie neue Perspektiven kennen, kann langsam zurück in ihr Leben finden und ihre Dämonen vertreiben. Außerdem lernt sie von ihm, dass sie keinen „Rettungsanker“ braucht, sondern sich auf sich selbst verlassen kann. Diese Aussage und Ansicht hat mir sehr gut gefallen, denn ich finde es sehr wichtig, dass man sich selber nicht von anderen abhängig macht und sich einen Partner nicht sucht, weil man alleine nicht zurechtkommt, sondern weil man gerne mit ihm zusammen sein möchte.

Schwierigkeiten hatte ich zu Beginn nur mit Dalias Bruder, der ein bisschen seltsam und mysteriös wird. Erst als im Laufe der Handlung klar wird, was genau es mit ihm auf sich hat, wurde mir Situation klar. Ich hatte zwar vorher schon Vermutungen angestellt, war aber streckenweise trotzdem etwas irritiert.

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive Dalias geschrieben, was das Nachvollziehen ihrer Gefühle sehr erleichtert und einen direkten Einblick in ihre Gedanken ermöglicht. Max‘ Gefühle werden dadurch zwar nicht ganz so klar, der Eindruck reicht aber, um ein rundes und stimmiges Gesamtbild der Gefühlslage beider Protagonisten zu bekommen. Zudem weicht der Erzählstil damit von anderen vergleichbaren Liebesromanen ab, in denen die Ich-Perspektive häufig zwischen den Protagonisten wechselt, was mir gut gefallen hat.

Insgesamt ist es der Autorin gelungen, einen gefühlvollen und witzigen Liebesroman zu schreiben, in dem aber auch ernste Themen und eine gute Portion Tiefgang nicht fehlen. Dalia zeigt eindeutig, dass man nicht perfekt sein muss, um ein unglaublich toller Mensch sein kann. Schicksalsschläge in der Vergangenheit dürfen einen nicht auffressen und man muss irgendwann beginnen loszulassen und nach vorne zu sehen. Auch die Gesellschaft sollte versuchen mit gewissen Situationen sensibler umzugehen und alte Wunden nicht durch unbedachtes Reden wieder aufzureißen.

Durch Max lernen wir, dass nun mal jeder Fehler macht, die er bis aufs tiefste bereut. Trotzdem muss man sein Leben weiterleben und das beste aus der Vergangenheit machen. Manchmal muss man mutig sein und Dinge anpacken, manchmal muss man sich auch fallen lassen und das Glück zulassen. Ich bewundere es, wie Kristina Moninger es schafft in einen Roman so viele nachdenklich stimmende Themen eingeflochten, ohne dass sie zu schwer oder dominant werden. Viele Aspekte regen zum weiteren nachdenken an und trotzdem liest sich die Geschichte flüssig und leicht. Auch eine gewisse Portion Spannung bleibt nicht auf der Strecke und Schreibstil und Erzählweise sind einfach unglaublich harmonisch. Die Wortwahl ist sehr bildlich und dadurch einfach wunderschön. Den Titel des Buches greift Kristina Moninger im Roman mehrfach auf und die Bedeutung der Wolke gefällt mir unglaublich gut. Besonders gelungen und witzig finde ich auch die immer wiederkehrende Anspielung auf die Geschichten von Wilhelm Buschs „Max und Moritz“.

Gefallen hat mir zudem, dass Dalias beste Freundin Jüdin ist. Viel zu selten lesen wir in zeitgenössischer Literatur davon, dass jemand dem jüdischen Glauben angehört. Wenn es um dieses Thema geht, wird es in der Regel begleitet vom Nationalsozialismus und den dort begangenen Verbrechen. Weniger geschickt fand ich in diesem Zusammenhang allerdings das aufgegriffene Klischee, nach dem Juden „große Nasen“ hätten, so wie auch die von Yael.

Mein Fazit: „Das Leben ist auch nur eine Wolke“ ist ein emotionaler und wunderschön geschriebener Liebesroman aus der Feder von Kristina Moninger. Die Charaktere sind liebevoll gestaltet und von Anfang an hochsympathisch, die Handlung ist weder kitschig, noch oberflächlich, sondern genau richtig dosiert zwischen großen Gefühlen und einer guten Prise Tiefgang. Ich habe ihn sehr gerne gelesen und vergebe 4,5 von 5 Sternen. Den halben ziehe ich ab, da ich zu Beginn des Romans leicht irritiert ob des seltsamen Verhaltens von Dalias Bruder war und ich das eingestreute Klischee über Juden ein wenig unglücklich gewählt finde.