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Veröffentlicht am 05.07.2022

Schicksalsland

Morgan's Hall
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„Für ein tapferes Herz ist nichts unmöglich.“

„Morgan’s Hall – Schicksalsland“ ist der fünfte Band der Morgan-Saga von Emilia Flynn. Er erschien im Juni 2022 im Kampenwand Verlag. Die einzelnen Bände ...

„Für ein tapferes Herz ist nichts unmöglich.“

„Morgan’s Hall – Schicksalsland“ ist der fünfte Band der Morgan-Saga von Emilia Flynn. Er erschien im Juni 2022 im Kampenwand Verlag. Die einzelnen Bände der Reihe sollten nicht unabhängig voneinander oder in der falschen Reihenfolge gelesen werden, da sie sehr aufeinander aufbauen.

[Spoiler, wenn die vorherigen Bände noch unbekannt sind]

Endlich können James und Elizabeth gemeinsam die Morgan’s Company leiten und zusammenleben. Doch was so glücklich zu sein scheint, wird getrübt von dunklen Wolken, die am Horizont auftauchen und mit James‘ Noch-Ehefrau Olivia in Zusammenhang stehen. Können James und Liz ein weiteres Mal stark genug für ihre Liebe sein…?

Endlich beginnt ein Roman der Morgan’s-Hall-Reihe mal nicht mit unglaublich negativen Gedanken und Gefühlen, sondern mit viel Hoffnung und einer langersehnten glücklichen Entwicklung. James und Liz leiten endlich gemeinsam die Morgan’s Company und warten nur noch auf die Scheidung mit Olivia, um endlich offiziell ein Paar sein zu können.
Isabelle beginnt nach John’s Tod ebenfalls langsam ins Leben zurückzufinden, wobei sie sehr unerwartet eine neue und dennoch komplizierte Liebe findet.
Die vollkommen glücklich anmutende Zeit zieht jedoch schnell vorüber und erneut hängen Haussegen und Glück der Familie Morgan am seidenen Faden. Was jetzt negativ klingt, ist aber genau der Aspekt, der die Buchreihe von Emilia Flynn für mich so überzeugend und authentisch macht. Es gibt kein „Friede-Freude-Eierkuchen“ Happy End, sondern realistische Handlungsabläufe, echte Gefühle und hochemotionale Szenen. Hass, Liebe, Eifersucht, Freundschaft und Familienzusammenhalt wechseln sich ab und unterhalten den Leser von Seite zu Seite. Die Figuren überraschen einen jedes Mal wieder und immer, wenn man denkt, „dich mag ich“ oder „dich mag ich nicht“ geschieht etwas, das einen die gerade gebildete Meinung wieder überdenken lässt.
Tristan bekommt in diesem Teil der Reihe erstmals eine größere Rolle und ich bin überrascht, wie sehr er mir als Figur doch gefällt. Auch der Ausflug an einen neuen Handlungsort mit ihm belebt die Geschichte sehr. Ebenso gefallen haben mir die Abschnitte von Olivia, die nochmal ein ganz anderes Licht auf sie und ihre Familie werfen.
Die personale Erzählperspektive wechselt zwischen den verschiedenen Personen und gibt so einen guten Einblick in Gedanken und Gefühle der Figuren.
An Spannung mangelt es erneut nicht, es gibt Momente zum Lachen, zum Weinen und zum „an den Fingernägeln knabbern“. Zügiges Lesen ist also garantiert und wird durch einen flüssigen und mitreißenden Schreibstil zusätzlich unterstützt.
Der einzige, klitzekleine Wehmutstropfen für mich ist, dass mich die Handlung insgesamt nicht ganz so fesseln konnte wie in den vorherigen Bänden. Die immer wieder auftretenden Konflikte ähneln den bereits bekannten Streitigkeiten und eine gewisse „Gewöhnung“ an schockierende Ereignisse tritt ein. Langweilig wird es dadurch nicht, aber der Überraschungseffekt geht ein wenig verloren und die Spannungskurve flacht, im Vergleich zu den ersten Teilen einfach ein wenig ab. Nichtsdestotrotz macht es aber einfach Spaß die Geschichte der Familie Morgan weiterzulesen. Die offenbleibenden Handlungsstränge sowie der Cliffhanger am Ende lassen einen dann auch wünschen, direkt weiterlesen zu können…!
Gefallen haben mir zudem die im Roman aufgegriffenen historischen und politischen Themen, welche sehr gut in die Handlung eingewoben werden. Dadurch werden sie dem Leser anschaulich dargestellt, ohne sachlich oder belehrend zu wirken.

Mein Fazit: Alles in allem habe ich den Roman wieder unglaublich gern gelesen und freue mich riesig aufs Weiterlesen! Trotzdem konnte er mich insgesamt nicht zu 100 % packen, weshalb ich einen halben Stern abziehe und 4,5 von 5 Sternen vergebe!

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Veröffentlicht am 13.06.2022

Geister der Vergangenheit

Die Rückkehr zum Horizont
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„Sehnsucht ist eine Krankheit, die dir schlimmer zusetzt als das schwerste Fieber, denn sie zehrt an deiner Seele.“

„Die Rückkehr zum Horizont“ ist der zweite Band der „Die von Bahlow Saga“ von Alexandra ...

„Sehnsucht ist eine Krankheit, die dir schlimmer zusetzt als das schwerste Fieber, denn sie zehrt an deiner Seele.“

„Die Rückkehr zum Horizont“ ist der zweite Band der „Die von Bahlow Saga“ von Alexandra Fischer. Er erschien im Mai 2022 im Selfpublishing bei Books on Demand.
1924: Martha, Helene und ihre Familien leben seit einiger Zeit wieder in Deutschland. Allerdings ist das es auch in der Heimat nicht immer leicht und die Sehnsucht nach Samoa zum Teil groß, weshalb es gerade Martha und Siegfried zurückzieht. Auf Samoa angekommen übernehmen sie schließlich die ehemalige Plantage der Eltern und beginnen sich erneut ein Leben auf der Insel aufzubauen…
Doch wird es Martha und Helen gelingen, allen Widrigkeiten zum Trotz, die Familie auf Samoa zusammenzuhalten oder wird die Vergangenheit die Familie erneut einholen?

Weiter geht es mit den „von Bahlows“… Zuletzt mussten sie zurück nach Deutschland fliehen und den ersten Weltkrieg überstehen. Doch nun, 1924, beginnen Martha und Siegfried ungeduldig zu werden. Es zieht sie zurück nach Samoa, denn dort liegen Zukunft und Hoffnung vor ihnen. Lediglich Helene möchte keinesfalls zurück auf die Insel, die der Familie so viel Leid und Hass gebracht hat, doch durchsetzen kann sie sich nicht.
So geht es zurück nach Samoa, wo sie allerdings ebenfalls nicht gerade einfache Lebensbedingungen vorfinden. Die Neuseeländer, die seit dem ersten Weltkrieg auf der Insel regieren, haben nämlich nichts für die Deutschen übrig und stehen ihnen sehr argwöhnisch gegenüber. Außerdem brodelt es bei den Samoanern und die Stimmung auf der Insel ist mehr als angespannt…
Die Bahlow-Frauen haben sich verändert. Martha ist weniger egoistisch, sich aber dennoch irgendwie treu. Obwohl sie die Dinge mittlerweile sachlicher betrachten kann und auch die Gefühle der anderen mehr wahrnimmt, handelt sie so, wie sie es für richtig hält. Sie setzt ihren Willen meistens durch und durchdenkt die Konsequenzen nicht immer vollständig. Aber sie ist stark und pfeift auf Konventionen, womit sie auch Helene die notwendige Unterstützung geben kann. Diese hat sich ebenfalls stark verändert. Sie ist nicht mehr die stille Frau, die Anordnungen entgegennimmt. Nein, sie ist selbstbewusster, entscheidungsfähiger und stärker als früher. Obwohl sie große Angst vor den Geistern der Vergangenheit hat, stellt sie sich der neuen alten Heimat und kämpft für die Plantage und ihren Leben. Schließlich wird sie sogar glücklich und das hat sie sich einfach mehr als verdient!
Außerdem wird die nächste Generation der Familie erwachsen und mit steigendem Alter der Kinder, bilden sich leider auch Konflikte, die denen der Vergangenheit ähneln. Hass beginnt die Familie zu entzweien und birgt große Gefahren und Dramen…
Innerhalb kürzester Zeit hatte Alexandra Fischer es so auch diesmal geschafft, mich regelrecht in ihre Geschichte einzusaugen. Obwohl dieser Band der Buchreihe für mich insgesamt fröhlicher und hoffnungsvoller war als der erste Teil, bietet er viel Spannung, überraschende Wendungen, ein unerwartetes Wiedersehen und schockierende Ereignisse.
Historische Ereignisse werden gut in die Handlung eingewoben, damalige Lebensumstände sowie die Kultur und die Unterdrückung der Samoaner sehr gut dargestellt.
Durch den mitreißenden und flüssigen Schreibstil liest sich der Roman leicht und unkompliziert, die wechselnden Perspektiven vermitteln einen vielschichtigen und mehrdimensionalen Eindruck der Situationen und Ereignisse. Die Figuren sind authentisch und gut charakterisiert: Manche hasst man, manche mag man weniger, andere kann man plötzlich unerwartet gut leiden. Wie schon in Band 1 gab es für mich einen absoluten Hasscharakter, der mich schon wütend macht, wenn er bloß auf der Buchseite erwähnt wird. Gerade dies macht für mich aber diese Buchreihe aus und das Ausbleiben der „Friede-Freude-Eierkuchenstimmung“ und die extrem realistischen Darstellungen überzeugen mich vollständig.
Das Ende ist offen und lässt mich auf eine schnelle Fortsetzung hoffen…

Mein Fazit: Wieder einmal bin ich von der Geschichte von Alexandra Fischer begeistert. Mit ihrer Familiensaga schafft sie eine Welt, die gleichzeitig wunderschön und ebenso grausam ist. Ich bin fasziniert und schockiert, aber definitiv begeistert. Von mir gibt es für diesen Band 4,5 von 5 Sternen und eine klare Leseempfehlung für die Romanreihe!

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Veröffentlicht am 20.05.2022

Gefühle

Mehr, als du denkst
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„Ich verstehe gar nichts, doch jetzt lächelt Nik nur für mich, und in meiner Brust beginnt es zu kribbeln, als hätte sich dort ein ganzes Bienenvolk eingenistet.“

„Mehr, als du denkst“ ist ein Liebesroman ...

„Ich verstehe gar nichts, doch jetzt lächelt Nik nur für mich, und in meiner Brust beginnt es zu kribbeln, als hätte sich dort ein ganzes Bienenvolk eingenistet.“

„Mehr, als du denkst“ ist ein Liebesroman von Maja Overbeck. Er erschien im Mai 2022 im Kampenwand Verlag und ist in sich abgeschlossen.
Marie hat Geburtstag. Doch entgegen ihrer romantischen Vorstellung, mit ihrem Mann ein gemeinsames Wochenende zu zweit zu verbringen, hat dieser ein Wochenende im Kreis der Familie geplant. Als Überraschungsgast taucht dann auch noch Nik, ein alter Freund von Marie und Leo, auf und als ob das nicht alles schon genug wäre, muss Leo auch noch überstürzt wieder abreisen. Marie bleibt also mit ihren Gästen und vielen verwirrenden Gefühlen allein zurück…

Der Einstieg in Maja Overbecks neusten Roman gelingt dank einem lockeren und leichten Schreibstil sowie einer guten Prise Humor sehr einfach. Ich konnte mich sehr schnell in die Handlung einfinden und habe die Seiten dann auch nur so verschlungen.
Marie als Protagonistin wirkte auf mich zunächst sehr steif und irgendwie spießig, ein wenig unnahbar. Im Verlauf der Geschichte konnte ich mich dann aber immer besser mir ihr anfreunden und habe sie schließlich auch in mein Herz geschlossen. Gerade die Vergangenheits-Marie war mir sehr sympathisch. Sie ist eine Frau, die eigentlich weiß was sie will, gleichzeitig aber auch schnell aufgibt und sich häufig nicht durch Schwierigkeiten „durchbeißt“. An der Seite ihres Mannes Leo managt sie mittlerweile Familienleben und Alltag, hat aber ansonsten nichts, für was sie wirklich brennt. Leider hat auch die Liebe zu Leo in den letzten Jahren irgendwie nachgelassen und das Feuer ihrer Beziehung ist scheinbar erloschen. Vielmehr herrschen Missgunst und Streitigkeiten vor und die von Leo geplante Überraschungsfeier ist für Marie eher eine große Enttäuschung. Daher verwundert es natürlich auch nicht, dass der überraschend auftauchende Nik Maries Gefühle völlig durcheinander bringt…
Zunächst dachte ich, dass die Handlung wie ein klassischer Liebesroman verlaufen würde und malte mir sehr schnell aus, wie das Ende wohl aussehen würde. Dann überraschte mich die Handlung aber doch und überzeugte mit einer Bodenständigkeit und Authentizität, die mich wirklich begeistert hat! Die wirklich flüssige und zu Herzen gehende Geschichte kommt ohne große Dramen daher und das, obwohl sie so einige pikante Themen anschneidet. Alte Liebe, Fremdgehen, Trennung – doch alles ohne Überdramatisieren, ohne übertriebenen Streit oder gar Hass und dadurch mit einer wichtigen Botschaft: Wenn man über die Dinge spricht, an Freundschaften festhält, auf sein Herz hört und vielleicht noch verzeihen kann, dann kann einen das viel weiterbringen als Egoismus und Eifersucht.
Dies hat mir sehr gefallen, denn hiermit folgt Maja Overbeck keinesfalls den klassischen Verläufen vergleichbarerer Romane und erzählt eine besonnene, gefühlvolle und für mich authentische Liebesgeschichte, die mir sehr gefallen hat.
Durch zwei wechselnde, verschiedene Zeitebenen - damals und heute - lernt man die Figuren zu unterschiedlichen Lebensphasen kennen und versteht nach und nach, welche Gefühle der Einzelne mit sich herumträgt. Die Handlungen der Figuren sind durch die wechselnde personale Erzählperspektive gut nachvollziehbar dargestellt.
Die Geschichte in der Vergangenheit hat mir insgesamt ein wenig besser gefallen, insgesamt passiert hier aber auch irgendwie mehr und die Story ist, passend zum Alter der Figuren, auch irgendwie aufregender. Obwohl mir aber die Vergangenheit ein wenig besser gefallen hat, besticht gerade die Gegenwart durch die solide und unaufgeregte, dabei aber keinesfalls langweilige Handlung!
Etwas anstrengend fand ich die regelmäßig eingebauten englischen Begriffe –„What?!“ – die für mich, obwohl sie zum Handlungsort der Vergangenheit passen, irgendwie nicht in einen deutschen Roman gehören. Dieses Denglisch stört mich aber auch im normalen Sprachgebrauch und ist wohl einfach Geschmackssache.

Mein Fazit: Für mich ist „Mehr, als du denkst“ eine sehr besonnene, aber keinesfalls langweilige Liebesgeschichte! Der Roman lässt sich wunderbar lesen und ist sehr gefühlvoll, ohne dabei ins Klischee eines typischen Liebesromans zu verfallen. Ich habe den neusten Roman von Maja Overbeck sehr gerne gelesen und vergebe 4,5 von 5 Sternen!

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Veröffentlicht am 18.04.2022

Selbstständigkeit

Ursula und die Farben der Hoffnung
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„Ich möchte zeichnen, malen, irgendwas erschaffen. Ich will ich sein. So dunkelblau und rosenrot, wie ich nun mal bin.“

„Ursula und die Farben der Hoffnung“ ist der zweite Band der Familiensaga „Eine ...

„Ich möchte zeichnen, malen, irgendwas erschaffen. Ich will ich sein. So dunkelblau und rosenrot, wie ich nun mal bin.“

„Ursula und die Farben der Hoffnung“ ist der zweite Band der Familiensaga „Eine Familie in Berlin“. Er erschien im Februar 2022 im Aufbau Verlag und kann unabhängig von Band 1 gelesen werden. Sollte Band 1 aber ebenfalls gelesen werden wollen, würde ich empfehlen, die Reihenfolge einzuhalten, da man sich sonst selbst spoilert.
Ursula ist ein stilles und zurückhaltendes junges Mädchen. Schon immer interessiert sie sich mehr fürs Zeichnen als für andere Dinge, der Zeichenblock ist ihr ständiger Begleiter. Doch erst als sie Vera Dehmel, deren Künstlerfamilie und -freunde kennenlernt, beginnt sie eine entsprechende Ausbildung anzustreben. Doch der erste Weltkrieg steht bevor und eine schwierige Zeit für alle beginnt…

Nachdem ich den ersten Band der Buchreihe in weiten Teilen recht zäh und langatmig fand, hatte ich vor dem zweiten Teil natürlich ein wenig Respekt und war nicht sicher, ob er mir wirklich gefallen würde. Zum Glück stellte sich aber schnell heraus, dass ich diesmal viel besser in die Handlung einsteigen und mit Ursula mitfiebern konnte!
Ursula ist eine interessante junge Frau. Sie interessiert sich eigentlich nur für das Zeichnen und ist dabei dennoch offen und freundlich. Früh beginnt sie Standesdünkel und Gesellschaftsunterschiede zu hinterfragen und erkennt, dass es für weniger wohlhabende Menschen nicht immer leicht ist. Durch die Bekanntschaft und schließlich Freundschaft zu Vera Dehmel und ihrer Familie lernt sie dann auch andere Gesellschaftskreise kennen und merkt schnell, dass sie bei den „Künstlern“ zu Hause ist. Die etwas lockereren, aber vor allem moderneren Sitten sowie die politischen und künstlerischen Diskussionen liegen ihr sehr und bald fühlt sie sich bei den Dehmels Zuhause.
Durch die Dehmels wird Ursula auch darin bestärkt, eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule zu machen und einen künstlerischen Beruf auszuüben. Dies ist ein großer Wunsch von ihr, denn sie möchte nicht eines Tages mittellos dastehen, sondern ihr Leben selber ohne Mann finanzieren können.
Die Autorin greift mit diesem Thema die gesellschaftliche Entwicklung in Hinblick auf die Frauenbewegung auf und zeigt deutlich, dass eine Zeit begonnen hat, in der auch Frauen eigenständig sein können und wollen.
Doch auch der Liebe begegnet Ursula auf ihrem Weg, denn obwohl sie selbst eigentlich erst einmal nur ihre Ausbildung im Sinn hat, werben so einige Herren um sie. Ihr Herz gehört jedoch nur einem – Heinrich Dehmel – und dieser scheint unerreichbar. Als der erste Weltkrieg schließlich naht, bekennen die beiden aber ihre Gefühle und für Ursula beginnt eine Zeit der Angst und der Hoffnung…
Erneut finde ich, dass der Klappentext des Buches nicht ganz dem eigentlichen Inhalt entspricht. Für mich liegt der Fokus des Romans nicht, wie dort assoziiert, auf der Liebesgeschichte zwischen Ursula und Heinrich, sondern vielmehr auf Ursulas persönlicher Entwicklung. Wir begleiten sie zwischen den Jahren 1911 und 1917 und können beobachten, wie sich aus dem unbedarften Mädchen eine selbstbewusste Frau mit eigenen Wünschen und Zielen entwickelt. Außerdem treffen wir natürlich Paula Dehmel, die Protagonistin aus Band 1 wieder und begleiten auch sie ein weiteres Stück ihres Lebens.
Anders als bei Paulas Geschichte, die sich über mehrere Jahre zog, umfasst dieser Roman also nur sechs Jahre. Die kürzere Zeitspanne hat mir persönlich aber sehr gut gefallen, da man deutlich mehr über die Figuren erfährt und dichter an ihrem Leben dran ist. Die personale Erzählperspektive aus Ursulas Sicht vermittelt Gefühle und Gedanken der jungen Frau sehr gut. Anders als im vorherigen Band gibt es kaum Briefe oder Gedichte, die die Erzählung unterbrechen, was mir beim Lesen deutlich besser gefallen hat!
Ulrike Renks Schreibstil ist flüssig, die Beschreibungen bildgewaltig und die Charakterisierung der Figuren authentisch und interessant. Sie versteht es, individuelle Charakterzüge hervorzuheben und keine Person gleichförmig zu einer anderen darzustellen. Sehr gefallen hat mir zum Beispiel Ursulas Großmutter, die zunächst sehr konservativ wirkt und handelt, später dann aber mit einigen sehr überraschenden Ansichten und Entscheidungen überrascht.
Auch historische Ereignisse werden brillant in die Handlung eingewoben, sodass man noch einiges über die damalige Zeit lernen kann.

Mein Fazit: Ursulas Geschichte war für mich deutlich flüssiger, interessanter und damit leichter lesbar als der erste Band der Buchreihe. Ich mag sie als Person und finde ihre Entwicklung sowie ihre Ansichten spannend und gut dargestellt. Ich bin sehr gespannt, wie ihre Geschichte, die auf einer realen Figur basiert, weitergeht und vergebe für diesen Teil 4,5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 17.04.2022

Zwänge

Die Birken der Freiheit
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„Zwang hat noch selten dazu geführt, Menschen zu motivieren.“

„Die Birken der Freiheit“ ist ein historischer Roman von Christine Kabus. Er erschien im Februar 2022 im Aufbau Verlag und ist der zweite ...

„Zwang hat noch selten dazu geführt, Menschen zu motivieren.“

„Die Birken der Freiheit“ ist ein historischer Roman von Christine Kabus. Er erschien im Februar 2022 im Aufbau Verlag und ist der zweite Band der Estland-Saga der Autorin. Die Bücher können aber unabhängig voneinander gelesen werden.
1914: Luise reist als Zofe der adligen Wilhelmine von Deutschland nach Estland. Wilhelmine soll in Estland ihren seit langem versprochenen Ehemann heiraten, doch die Liebe verläuft nicht immer nach Plan und so kommt alles anders als gedacht und auch der drohende erste Weltkrieg vereinfacht die Lage nicht…
1989: Merike hat schon immer das Gefühl, dass sie im kommunistischen System deutlich mehr unter Beobachtung steht als andere. Warum? Das kann sie sich auch nicht recht erklären, aber nach der unbedachten Aussage ihres Vorarbeiters, keimt in ihr immer mehr der Verdacht auf, dass ihre Familie ein Geheimnis verbirgt…!

Der Roman von Christine Kabus beschäftigt sich historisch mit der Unabhängigkeit Estlands. Das Land wurde im Laufe der Geschichte zweimal eigenständig, beide Zeitebenen werden im Roman dargestellt. Die Zugehörigkeit zu Russland sowie der Kampf um die estländische Identität sind dabei derzeit so aktuell, wie die Autorin es sich beim Schreiben des Romans sicherlich kaum vorstellen konnte. Ich begann das Buch wenige Tage nach dem Kriegsanfang in der Ukraine und hatte an manchen Stellen durchaus unangenehme Gefühle, da ich immer wieder an die aktuelle Situation erinnert wurde und ich nicht ganz in die fiktive Geschichte abtauchen konnte. Entsprechend schwer fiel mir daher leider auch das Lesen, was dazu führte, dass ich zunächst sehr schwer in den Roman hineinkam. Die Handlung dreht sich dabei allerdings keinesfalls hauptsächlich um die „erzwungene Russifizierung“ Estlands, sondern vielmehr um die Familiengeschichten von Luise und Merike.
Die historischen Ereignisse fügen sich gut in die fiktive Handlung ein und runden diese ab. Die Geschichte spielt dabei auf zwei Zeitebenen und wechselt entsprechend zwischen den Figuren. Die Kapitel sind dabei stets mit Jahres- und Ortsangaben versehen, sodass man nicht durcheinanderkommt.
Beide Zeiten haben mir dabei sehr gut gefallen, der Schreibstil ist flüssig und leicht, die Figuren authentisch und sympathisch. Ich hatte tatsächlich keine wirkliche Lieblingsfigur und habe sowohl mit Luise als auch mit Merike mitgefiebert. Jede der beiden Frauen kämpft auf ihre Weise für ihre Zukunft und muss dabei so einigen Widerständen trotzen. Während Luise zunächst hauptsächlich mit gesellschaftlichen Zwängen kämpft, hat Merike es hauptsächlich mit den Widrigkeiten des kommunistischen Systems zu tun. Die Hintergründe werden hier in beiden Zeitebenen brillant dargestellt und wiedergegeben.
Die Verbindung von Luise und Merike habe ich bis zum Romanende kaum erahnen können und war schließlich sehr überrascht über die eingebauten Wendungen. Schneller erkannt hatte ich hingegen die Verbindung zum ersten Band der Buchreihe. Ich freue mich, hier eine Verknüpfung herstellen zu können, diese ist aber so minimal, dass man die Bücher definitiv unabhängig voneinander lesen kann!
Gefallen hat mir im Roman außerdem sehr, dass Gefühle und Hoffnungen gut und authentisch transportiert werden. Ich habe sehr mit den Figuren gelitten und zum Beispiel lange gehofft, der erste Weltkrieg möge ausbleiben, obwohl mir ja klar war, dass dies nicht geschehen würde…
Sehr gemocht habe ich zudem die Entwicklung Merikes. Diese wirkt zunächst wie eine junge Frau, die unbedingt ins kommunistische System passen möchte und darauf bedacht ist, bloß nicht anzuecken oder aufzufallen, kurzum ist sie eher schüchtern und zurückhaltend. Im Laufe der Geschichte jedoch erkennt sie, was es mit ihrer Familiengeschichte auf sich hat und traut sich schließlich, ihre eigenen Wünsche durchzusetzen und auch mal entgegen dem Willen anderer zu handeln oder zu ihrer Meinung zu stehen.

Mein Fazit: Insgesamt schreibt Christine Kabus erneut einen guten und unterhaltsamen historischen Roman. Ich kannte die meisten historischen Hintergründe bisher nicht und habe mich gefreut, etwas Neues zu lernen. Die Geschichte ist mitreißend und spannend und wurde für mich nur durch die dramatische Aktualität etwas zäh und schwierig zu lesen. Von mir gibt es aber dennoch 4,5 von 5 Sternen und ich freue mich auf weitere Bücher der Autorin!

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