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Veröffentlicht am 07.09.2021

Enttäuschend

Der Panzer des Hummers
1

Puh, wo anfangen? Vielleicht mit dem Klappentext, der so ziemlich gar nichts von dem hält, was er verspricht. Oder dem Titel, welchen die Autorin mit dem Schmerz des Hummers beim Entwachsen aus seinem ...

Puh, wo anfangen? Vielleicht mit dem Klappentext, der so ziemlich gar nichts von dem hält, was er verspricht. Oder dem Titel, welchen die Autorin mit dem Schmerz des Hummers beim Entwachsen aus seinem Panzer erklärt. Der Klappentext spricht in dem Sinne vom "Wagnis, alte Hüllen anzustrengen und Veränderungen zuzulassen". Das große Aber meinerseits: um irgendeine Form des Entwachsens, einem Wachstumsschmerz oder gar einem Wagnis, sich von der Vergangenheit loszulösen, geht es im Roman eigentlich gar nicht.

Es geht vordergründig um drei Geschwister, die sich schon lange auseinandergelebt haben und jetzt jeder dem nicht zufriedenstellenden Alltag des Erwachsenenlebens nachgehen. Ein zweiter Erzählstrang befasst sich mit der toten Mutter an der Schwelle des Jenseits zur Welt. Ein Dritter Strang wiederum erzählt den Alltag jener 'Seherin', welche den Geist der Mutter aus dem Jenseits gerufen hat (oder woher auch immer) und deren Tochter - eine aufstrebende ASMR-Youtuberin.
Ein buntes Mosaik an Themen wird hier also durcheinandergemixt, aber alles nur bruchstückhaft abgehandelt. Die Leben der drei Geschwister verbinden sich zudem nicht mal, sondern laufen eigentlich nur parallel zueinander ab - der Fokus des Romans liegt halt wirklich auf dem Alltag aller Beteiligten.

Ich habe das Buch vor zwei Tagen beendet, und ja, ich habe schon wieder so ziemlich alles vergessen, was passiert ist. Das liegt zum Teil daran, dass der Roman auf Momenten des täglichen Lebens aufgebaut ist und fragmentarisch ohne einen Roten Faden daherläuft. Das liegt aber auch daran, dass alle Personen für mich unzugänglich waren (unsympathisch, Handeln nicht nachvollziehbar, langweilig konstruiert). Kurz: sie blieben mir allesamt Fremde. Was mich außerdem echt gestört hat war die Unterbrechung des Leseflusses durch einige eingestreute, explizite Sätze, bei denen ich nur die Augen verdrehen konnte. Diese sprachlichen Einwürfe (oder besser: sprachlichen Ausfälle) hatten weder etwas mit der Handlung zu tun, noch haben sie zur restlichen Sprache des Romans gepasst.

Leider ist es damit doch ein recht unspektakuläres Buch geblieben, in dem eigentlich nicht wirklich viel mehr passiert als der normale Alltagstrott - aber ob man darüber ein Buch schreiben muss? Ich habe zwischendurch immer wieder das verbindende Etwas gesucht, irgendetwas Greifbares, auf was das Buch zuläuft. Das Ende stand dann aber nochmal irgendwie 'neben' der Handlung, es hätte auch genauso gut einfach weggelassen werden können. Letztendlich war das letzt Kapitel komplett überflüssig und hat nochmal mehr Verwirrung gestiftet als das Buch sowieso schon.

Lange Rede kurzer Sinn: der Klappentext hat falsche Erwartungen geschürt, mir haben Konflikt, Spannung, ein Aufeinanderzugehen der Geschwister gefehlt - doch sie lebten alle in ihren eigenen Welten und hangeln sich so durch ihren Alltag. Ein Buch ohne viel Handlung, aber voller Schnipsel sozusagen. "Der Panzer des Hummers" lässt mich etwas ratlos zurück, und ich wüsste leider nichts, was ich irgendwie positiv hervorheben könnte, es ist mir schon nach zwei Tagen komplett aus dem Gedächtnis entschwunden. Keine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 30.04.2021

Enttäuschend

Dein ist das Reich
0

Kurz gesagt, ich mag das Buch nicht. Bei mir die Sprache verhagelt, beziehungsweise der Umgang mit dieser. Denn Sprache ist Macht, und das wissen wir bereits alle. Fans der "so würde früher halt gesprochen"-These ...

Kurz gesagt, ich mag das Buch nicht. Bei mir die Sprache verhagelt, beziehungsweise der Umgang mit dieser. Denn Sprache ist Macht, und das wissen wir bereits alle. Fans der "so würde früher halt gesprochen"-These dürfen jetzt aufschreien. Aber mal ernsthaft, wir sind mittlerweile im Jahre 2021 angekommen und da gehört sich sowas einfach nicht.

Ich will der Autorin auch gar nichts Böses unterstellen, aber es war einfach schrecklich geschrieben. Triggerwarnung unter anderem in Sachen Rassismus, Antifeminismus, Verherrlichung des Kolonialismus wären hier durchaus angebracht. Und ja, die sonstige literarische Qualität hat mich auch nicht angesprochen, deswegen habe ichs nach der Hälfte abgebrochen. Schade, schade, es ist ein interessantes Thema, das leider so selten behandelt wird. Aber leider so unreflektiert bearbeitet, es hat bei mir Bauchschmerzen ausgelöst. So ein Thema wie kolonialistische Herrschaft darf nicht unkommentiert stehen gelassen werden und muss feinfühliger bearbeitet werden.
Wenn es stimmt, dass die Autorin hier im Buch ihre kolonialistische Familiengeschichte verarbeitet, hätte ich mir zumindest im Vor- oder Nachwort einen kritischen Standpunkt der Autorin gewünscht. Einfach because.
Über den Kolonialismus literarisch zu schrieben ist erst einmal eine gute Sache, aber nicht so wie im hiesigen Buch dargestellt. Rassismus heutzutage wird weit diskutiert, und das ist gut und muss noch viel weiter so geschehen. Das Buch ist aber ein Schritt zurück in die falsche Richtung. Auch Täter-Opfer-Umkehr ist so ein Ding: der arme Missionar auf Papua Neuguinea, der seine (Zwangs-)Verlobte in Bayern zurücklassen musste und fortan unter Sehnsucht leidet. Wer ein Buch über Missionare mit Helfersyndrom lesen möchte, go for it. Aber man kann auch anders über den Kolonialismus schreiben, ohne ständig Machtherarchien zu betonen, sich rassistischer, veralteter Klischees zu bedienen, ständig das N-Wort und die Exotik der Indigenen zu betonen - die by the way zu faul zum arbeiten und zu dumm zum selbstständigen Denken sind.
Gerade ein solches Thema fordert Sensibilität, Kontext und Reflexion und keine lapidare und herablassende Herangehensweise aus (post-)kolonialistischer Sicht - der Ton macht die Musik.

Ich bin mir sicher, dass in dem Buch eine Menge Arbeit steckt, doch meine Erwartungen hat es nicht erfüllt.

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