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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.04.2022

Blutiger März

Engel des Todes
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Die junge Republik ist in Aufruhr. Kapp hat durch einen Putsch in Berlin die Macht übernommen. Auch in Leipzig kommt es zu Gegendemonstrationen der Arbeiter, die in Straßenkämpfe ausarten. Die rechten ...

Die junge Republik ist in Aufruhr. Kapp hat durch einen Putsch in Berlin die Macht übernommen. Auch in Leipzig kommt es zu Gegendemonstrationen der Arbeiter, die in Straßenkämpfe ausarten. Die rechten Kräfte innerhalb der Ordnungsmächte nutzen ihre Chance, die Linken in ihre Schranken zu weisen.

Die kriegsähnlichen Ereignisse lösen bei Stainer erneut überwunden geglaubte Traumata aus. Und dies zu einem Zeitpunkt, in dem Stainer alle Sinne beisammen haben muss, um einen brutalen Mörder zu stellen. Jemand tötet auf bestialische Weise Mitglieder der Fliegerstaffel, der auch der Rote Baron angehörte. Stainer muss den Täter unbedingt finden, bevor es weitere Opfer gibt.

Mit diesem Krimi hat mich der Autor überrascht. Dieses Mal stehen die aufgeheizte Stimmung nach dem Putsch und die Person des Täters im Mittelpunkt und weniger die polizeiliche Ermittlungsarbeit.

Der Autor hat mich durch die aufgepeitschte, fiebrige Atmosphäre, die er treffend und erlebbar schildert, dennoch emotional gefangen genommen.

Ich habe mit Stainer gelitten, der erneut seine traumatischen Kriegserfahrungen durchlebt, was dazu führt, dass er sich immer wieder in der Vergangenheit verliert und sich nicht auf die aktuellen Ereignisse konzentriert.

Interessant fand ich die Einblicke in die Psyche des Mörders, die bei mir Mitleid für seine Person hervor riefen, weil ich ihn auch als Opfer begreifen konnte.

Mit Wut erfüllt hat mich das Verhalten der Ordnungskräfte, die sich aus mehreren Gruppierungen zusammensetzen. Anstatt die Situation zu deeskalieren, haben Teile von ihnen durch Schüsse auf die Demonstranten und übertriebene Gewalt unschuldige Opfer zu verantworten.

Eine Figur, die mich sehr berührt hat, ist der Oberstleutnant der Reichswehr von Herzberg. Er verkörpert für mich das Ideal eines verantwortungsvollen Militärs. Doch leider ist er der Rufer in der Wüste.

Am Ende löst Stainer den Fall, aber der Satz, die Gerechtigkeit hat gesiegt, will nicht recht passen.

Mich hat der Krimi sehr bewegt. Die Handlung war packend und hat mich mitgerissen. Was ich aber noch viel stärker empfunden habe, der Krimi ist in meinen Augen eine Anklage gegen den Krieg, der im Grunde die Ursache für all die sinnlose Gewalt ist.

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Veröffentlicht am 18.04.2022

Sehr guter cosy crime aus dem Saarland

Nur Bärbel backte besser
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Durch einen Sportunfall außer Gefecht gesetzt, kann Jupps Ehefrau Inge ihren hausfraulichen Pflichten nicht wie gewohnt nachkommen. Eine Putzfrau muss her und findet sich in der Person der Kroatin Ivana.

Auch ...

Durch einen Sportunfall außer Gefecht gesetzt, kann Jupps Ehefrau Inge ihren hausfraulichen Pflichten nicht wie gewohnt nachkommen. Eine Putzfrau muss her und findet sich in der Person der Kroatin Ivana.

Auch Oma Käthe ist von der neuen Perle angetan und plant ein gemeinsames Backimperium mit ihr. Die Hoffnungen verwehen wie Staub im Wind, denn Ivanas Leben findet ein jähes Ende durch einen Sturz vom Balkon.

Nun schlägt Jupps große Stunde. Unterstützt durch Jürgen, einen zugereisten Lehrer aus Saarbrücken, stürzt sich Jupp in die Ermittlungen. Ivanas Mitbewohner im Mietshaus scheint deren Ableben nicht all zu viel auszumachen und Jupp erfährt einiges über ihre dunklen Seiten. Plötzlich gibt es Mordmotive ohne Ende und Verdächtige wie Sand am Meer.

Endlich wieder ein Fall für die Familie Backes, der meine Erwartungen, die ich aufgrund vorangegangenem Lesevergnügen bei den Vorgängerbände gehegt habe, mehr als erfüllt hat.

Die Familie Backes bestehend aus den Eheleuten Jupp und Inge sowie Inges Mutter, Oma Käthe sind (fast) Menschen wie Du und ich. Inge ist die gute Fee zuhause, die sich um den Haushalt kümmert und dafür sorgt, dass sich Jupp und Oma Käthe nicht gegenseitig umbringen. Jupp kümmert sich um die Sicherheit der Dorfbewohner, hält seine Ehefrau auf Trab und träumt davon, dass Oma Käthe endlich auszieht. Oma Käthe träumt von einer Unternehmerkarriere und sexueller Erfüllung, was des öfteren den Haussegen in Schieflage bringt. Aber wenn es um die Lösung eines Falles geht, arbeiten alle zusammen.

Was mir jedes Mal wieder gut gefällt und mich zum Lachen bringt, sind die Klischees und Vorurteile, die der Autor treffsicher in die Handlung einfließen lässt. So ist es nur verständlich, dass Jupp den zugereisten Lehrer aus der Stadt, der natürlich Vegetarier ist, misstrauisch beäugt. Genauso humorvoll sind die Unterhaltungen, in denen die Gesprächspartner beharrlich aneinander vorbei reden.

Dennoch gleitet das Buch nicht in den Klamauk ab, denn die Krimihandlung ist wohl durchdacht und gipfelt dieses Mal in einem Showdown, bei dem ich echte Sorgen um Jupp und Inge hatte.

Nicht zu vergessen die wohl dosierte Dosis Lokalkolorit .

Man muss nicht unbedingt mit dem Buch nach England reisen, um einen ausgezeichneten cosy crime zu lesen. Das geht auch hervorragend im Saarland, wie der Autor mit seiner Reihe über die Familie Backes beweist.

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Veröffentlicht am 10.04.2022

Sprung in den Tod

Mordseefest
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Borkum im Sommer bedeutet Sonne, Meer, Lebensfreude und das alljährlich statt findende große Strandfest. Dieses Mal endet der Spaß für einen der Fallschirmspringer, die immer das Ende der Veranstaltung ...

Borkum im Sommer bedeutet Sonne, Meer, Lebensfreude und das alljährlich statt findende große Strandfest. Dieses Mal endet der Spaß für einen der Fallschirmspringer, die immer das Ende der Veranstaltung bilden, tödlich. Nach anfänglichem Entsetzen und Mitgefühl für die schwangere Witwe erhält das Bild des Toten dunkle Flecken.

Caro und Jan, die beiden Hobby- Detektive, müssen feststellen, dass es für den Mord einige Verdächtige gibt. Das Mordopfer war nicht der liebende Ehemann und allseits beliebte Sportsfreund wie gedacht. Bei den vielen möglichen Tätern ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Nur gut, dass Caro und Jan die richtigen Schlüsse ziehen.

Das ist bereits der 3. Fall für Caro und Jan und beide haben nichts von ihrer Neugierde und Spürsinn verloren. Der Fall ist recht verwirrend und es gibt reichlich Verdächtige und jede Menge Motive. Je mehr Caro über den Toten herausfindet, um um so mieser erscheint sein Charakter. Ein wenig ist es wie beim Häuten einer Zwiebel. Mir hat das viel Spaß bereitet, denn ich konnte mich an den Spekulationen wunderbar beteiligen. Ich habe einige Male auf das falsche Pferd gesetzt, weil es für die eindeutigen Beweise der Täterschaft eine logische und leider - aus meiner Sicht als Ermittler - harmlose Erklärung gab. Die Person des Täters hat mich dann doch ein wenig überrascht, einfach weil ich es ihm nicht zugetraut habe.

Besonders gelungen fand ich den Erzählstil der Autorin, die in Einschüben eine zurückliegende perfide Rachetat schildert, die für die aktuellen Ereignisse von Bedeutung ist. Daraus ergibt sich ein gelungener Stimmungswechsel zu der aktuellen , eher heiteren und lebhaften Atmosphäre.

Mich hat der Krimi sehr gut unterhalten. Ich fand ihn witzig und auch die Spannung kommt zu ihrem Recht, ohne mit schockierend blutigen oder grausamen Bildern aufzuwarten. Und nicht zu vergessen der besondere Charme Borkums, der sich in vielen Szenen widerspiegelt.

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Veröffentlicht am 27.03.2022

Ermittlungen auf schwierigem Terrain

Der blonde Hund
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Ein toter Journalist, der in der Spree schwimmt, wird zu Spiros neuem Fall. Die Ermittlungen sind äußerst delikat. Zum einen scheint das Opfer speziellen Vorlieben gefrönt zu haben. Zum anderen gehörte ...

Ein toter Journalist, der in der Spree schwimmt, wird zu Spiros neuem Fall. Die Ermittlungen sind äußerst delikat. Zum einen scheint das Opfer speziellen Vorlieben gefrönt zu haben. Zum anderen gehörte er zum engeren Kreis der aufstrebenden Nationalsozialisten und er hatte Kontakte zur besseren Gesellschaft . Spiro stößt auf eine Mauer aus Lügen und Schweigen. Seine beste Spur ist der Ausweis eines Jungen, der ein besonderes Verhältnis zum Toten hatte, der ihn "Canis" nannte.

Seine Nachforschungen führen Spiro nach Bayern, wo er mangels eigener Kompetenzen mit fragwürdigen Methoden weitere Informationen sammelt.

Inzwischen hat seine Freundin Nike ihr Interesse an Seancen und Astrologie entdeckt und macht dadurch die Bekanntschaft fragwürdiger Individuen, die ihr auch einen Ausflug in die Welt des Sado- Masochismus bescheren.

Dieses Mal führen Spiros Ermittlungen tief in den sich ausbreitenden braunen Sumpf und damit auch in die sogenannten besseren Kreise von Adel und Industrie. Ich fand es auf bizarre Weise faszinierend, wie alles, was dem Ruf schadet, von dieser Schicht schlichtweg geleugnet wird und mit welcher Arroganz man auf die vermeintlich weniger wertvollen Mitmenschen herabblickt. Und das unglaubliche ist, dass sie damit durchkommen.

Eine Welt, die mir völlig fremd ist, lerne ich durch Nike kennen. Seancen und Horoskope waren in den 20ziger Jahren sehr in Mode. Für mich bleibt es aber weiterhin nicht nachvollziehbar, wie man daran glauben kann.

Geschichtlich interessant waren nach meinem Empfinden die Einblicke in die Gemeinschaft der Artamanen, eines radikal-völkischen Vereins, der eine autarke Landwirtschaft anstrebte . In Mecklenburg- Vorpommern gibt es immer noch Gruppen, die diesen Gedanken anhängen.

Das Ende des Buches kam für mich unvermittelt. Ich musste mir erst bewusst machen, dass alle wichtigen Fragen geklärt waren und auch Gerechtigkeit geübt wurde, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinn.

Besonders gut gefallen hat mir der Erzählstil der Autorin, der sich packend liest und eine ordentlichen Portion Sarkasmus mitbringt.

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Veröffentlicht am 26.03.2022

Bunter Bilderbogen des Jahres 1923

Im Rausch des Aufruhrs
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Monat für Monat ruf der Autor wichtige, tragische sowie eher der Regenbogenpresse zugehörende Ereignisse in den Focus des Lesers.
Sich wiederholende Themen sind die Besetzung des Ruhrgebietes, die immer ...

Monat für Monat ruf der Autor wichtige, tragische sowie eher der Regenbogenpresse zugehörende Ereignisse in den Focus des Lesers.
Sich wiederholende Themen sind die Besetzung des Ruhrgebietes, die immer mehr Fahrt aufnehmende Inflation und die Agitation der Rechten. Zusammen ergeben die Nachrichtenschnipsel ein buntes und spannendes Bild des Jahres, das gut zu lesen ist.
Erschreckend fand ich die rasende Entwicklung der Inflation und ihre Folgen, die weder Arm noch Reich verschont hat. Wer zuvor ein scheinbar unermessliches Vermögen besaß, musste im Laufe des Jahres feststellen, dass er dafür mit Glück gerade noch einen Laib Brot erhält.
Als Gegensatz dazu fand ich die Ausflüge in die Welt der Künstler erheiternd und sie sind ein guter Gegenpol zu den düsteren Nachrichten.
Geradezu wütend haben mich die Berichte über die rechten Umtriebe gemacht. Schwarze Reichswehr, Organisation Consul oder der gescheiterte Putschversuch Hitlers - man hat sie gewähren lassen, milde belächelt oder versucht, sie für die eigenen Interessen einzuspannen und dabei immer unterschätzt.
Ebenfalls wie ein roter Faden gibt es das ganze Jahr hindurch judenfeindliche Übergriffe, die ihren Höhepunkt im November mit dem Pogrom im Berliner Scheunenviertel finden.
Besonders erwähnenswert sind die vielen Anekdoten zu kleinen und großen Berühmtheiten, die der Autor jeden Monat einstreut. Oft erheiternd, manchmal traurig haben sie mich überwiegend überrascht und lockern die Lektüre angenehm auf. Ein Beispiel hierfür ist Hemingways Ausflug in den Schwarzwald und kleine Episoden aus Gorkis Leben.
Für mich hilfreich war das letzte Kapitel "Was weiter geschah". Hier gibt der Autor kurze Informationen zu den Personen, die mir im Verlauf des Jahres begegnet sind. Viele der Künstler haben sich später umgebracht, was mich sehr bedrückt hat.
Das Buch gibt sehr gute und lebendige und dabei gut lesbare Eindrücke des Jahres 1923 wieder. Hilfreich ist in meinen Augen, wenn man sich mit der Zeit schon etwas beschäftigt hat, sonst kann es passieren, dass man bei der Fülle der Informationen und Namen etwas die Orientierung verliert.

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