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Veröffentlicht am 07.11.2019

Amüsant und solide

Cheers
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"Cheers – Feiern mit der Business Class" ist ein Kolumnen-Sammelband vom Schweizer Autoren Martin Suter. Das Buch wurde im November 2016 im Diogenes-Verlag veröffentlicht. Inhaltlich geht es um das Leben ...

"Cheers – Feiern mit der Business Class" ist ein Kolumnen-Sammelband vom Schweizer Autoren Martin Suter. Das Buch wurde im November 2016 im Diogenes-Verlag veröffentlicht. Inhaltlich geht es um das Leben eines modernen Geschäftsmannes, verpackt in 66 satirische Texte.

Firmenfeiern, Sektempfänge, Einladungen beim Chef und Affären im Büro. Kurz gesagt: der ganz normale Wahnsinn in der Geschäftsbranche. Die Geschichten können bis auf wenige Ausnahmen unabhängig voneinander gelesen werden. Thematisch geht es durchweg um das Leben in der Business Class. Viel Klatsch und Tratsch im Büro, häufige Geschäftsreisen und jede Menge Champagner bilden den Rahmen dieser amüsanten Lektüre von Martin Suter.

Überstunden sind in dieser Branche ebenso selbstverständlich wie Trinkfestigkeit und menschliche Distanz. Zumindest muss man dies glauben, wenn man Cheers – Feiern mit der Business Class gelesen hat. Und obwohl das Buch der Satire zugeordnet werden kann, so steckt doch viel Wahrheit in den häufig überspitzt dargestellten Geschichten. Die richtige Balance zwischen Menschlichkeit und Geschäftsdenken ist für die Protagonisten des Buches oft ein schmaler Grat. Und auch im realen Leben ist das im Geschäftsleben eine Herausforderung.

Die sich im Band befindlichen Kolumnen sind größtenteils schon in den Anfängen der 1990er Jahre erschienen. Die Weltwoche in Zürich und der Weltwoche-ABC-Verlag haben die Geschichten seinerzeit veröffentlicht. Weitere Texte hat der Diogenes-Verlag in seinen Business-Class-Bänden publiziert. Mir gefiel, dass die Kolumnen nahezu alle gleich lang sind. Selten umfasst eine Geschichte mehr als zwei Seiten, sodass es sich besonders unterwegs lohnt, das Buch zu lesen. Trotz der Kürze der einzelnen Erzählungen, gelingt es Suter doch, seinen Charakteren ausreichend Eigenschaften zukommen zu lassen, die ihnen Persönlichkeit verleihen, auch wenn die Geschichten selbst oberflächlich bleiben.

Schwierigkeiten hatte ich des Öfteren mit den Nachnamen der handelnden Personen. Das lag hauptsächlich daran, dass sie sich häufig ähnelten und ich deshalb durcheinander kam. Der bissige, raue Ton gefällt mir sehr gut und harmoniert mit den Handlungen. Das Beschriebene bedient sich bekannten Klischées und macht das Lesen sicherlich auch deshalb so amüsant. Nichts desto Trotz regen auch diese witzig anmutenden Erzählungen zum Nachdenken an und hinterlassen einen faden Beigeschmack, denn die Entmenschlichung in diesem Bereich ist keine Phrase.

Mich haben die Geschichten gut unterhalten und oft zum Schmunzeln gebracht. Spannung kann man in diesen Kolumnen weniger erwarten, mit Witz und Spott wird jedoch nicht gegeizt.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Tagebücher einer Ehe

Der Schlüssel
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Junichiro Tanizakis erotischer Tagebuchroman "Der Schlüssel" wurde erstmals 1956 veröffentlicht. Damals entging das Buch nur knapp einem Veröffentlichungsverbot, weil das provokante Werk in Japan auf heftige ...

Junichiro Tanizakis erotischer Tagebuchroman "Der Schlüssel" wurde erstmals 1956 veröffentlicht. Damals entging das Buch nur knapp einem Veröffentlichungsverbot, weil das provokante Werk in Japan auf heftige Gegenwehr stieß. Der Kein&Aber-Verlag hat den erfolgreichen Roman 2016 neu übersetzt. Vordergründig geht es um ein langjähriges japanisches Ehepaar auf der Suche nach der Erfüllung ihrer Obsessionen.

Ein japanisches Ehepaar in den Fünfziger Jahren: Er ist ein in die Jahre gekommener Literaturprofessor, der seine sinkende Potenz beklagt und seine Gattin für sexuell unersättlich hält. Sie ist einige Jahre jünger und möchte laut ihren Tagebuchaufzeichnungen ihrem Mann eine gute Ehefrau sein und ihre Pflichten erfüllen. Beide vertrauen ihre Intimitäten ausschließlich ihrem Tagebuch an.

Die Tagebücher sind es auch, welche den Rahmen der Geschichte bilden. Sowohl Frau als auch Mann nutzen diese, um ihre tiefsten Sehnsüchte niederzuschreiben. Dabei wird schnell klar, dass hinter den Aufzeichnungen wesentlich mehr steckt. Die Tagebücher werden zum manipulativen Instrument beider Eheleute. Beide behaupten von den Niederschriften des Anderes nichts zu wissen. Da dies aber (zumindest nicht in beiden Fällen) der Wahrheit entspricht, scheinen die sexuellen Entblößungen immer provokativer.

1956, dem Jahr der Veröffentlichung des Schlüssels löste dieses hitzige Debatten im Heimatland des Autoren Tanizaki aus. Darin ging es allen voran um den Vorwurf der Pornografie, welcher sich aufgrund der bis dahin bereits bekannten Themen Tanizakis aber auflöste. Der Autor machte bereits in seinen vorangegangen Büchern Sexualität, Unterwerfung und Dominanz zum Mittelpunkt seiner Geschichten, sodass der Roman dem bisherigen Stil Tanizakis nur gerecht wurde.

Aufgrund der frühen Nachkriegszeit war die Veröffentlichung des Romans für viele Japaner ein literarischer Skandal. Junichiro Tanizaki gelingt ein Katz-und-Maus-Spiel der besonderen Art. Immer im Mittelpunkt: die Obsessionen seiner Protagonisten. Verstörend und provozierend beschreibt er das Wechselspiel um sexuelle Macht und umschreibt spannend und literarisch ästhetisch die intimen Gedanken der Eheleute.

Schonungslos, abgründig und böse berichtet Tanizaki von der unbefriedigten Ehe zweier Menschen, die ausschließlich über ihre Tagebücher miteinander kommunizieren und am Ende die fatalen Folgen ihres Handelns zu spüren bekommen. Mich konnte die Story leider zu keiner Zeit packen. Die Idee ist interessant und zum Teil auch gut umgesetzt, im Großen und Ganzen bleibt es für mich aber eine Durchschnittsgeschichte.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Traueraufarbeitung

Der große schwarze Vogel
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"Der große schwarze Vogel" ist eine Geschichte von Stefanie Höfler aus dem Jahr 2018. Das Jugendbuch ist im Beltz-Verlag erschienen. In der Geschichte geht es um den vierzehnjährigen Ben, der, ganz unerwartet, ...

"Der große schwarze Vogel" ist eine Geschichte von Stefanie Höfler aus dem Jahr 2018. Das Jugendbuch ist im Beltz-Verlag erschienen. In der Geschichte geht es um den vierzehnjährigen Ben, der, ganz unerwartet, an einem strahlenden Oktobertag, seine Mutter verliert.

Ben hat einen jüngeren Bruder, Karl, der aber von allen nur Krümel genannt wird. Weil der Vater in ein tiefes Loch fällt, wohnen die Brüder zunächst bei Tante Gerda. Während Krümel immer wieder weg läuft, der Vater die Jazzmusik seiner verstorbenen Frau hört und sein bester Freund Janus nicht recht mit ihm umzugehen weiß, geht Bens Leben irgendwie weiter. Und trotz großem Verlust und tiefem Schmerz, geschieht plötzlich auch Schönes.

Die Aufmachung des Buches ist sehr farbenfroh gestaltet. Die Illustrationen zeigen Blätter verschiedener Bäume, die den Herbst ankündigen. So wird ein direkter Zusammenhang zum herbstlichen Tag hergestellt, an dem die Mutter stirbt und gleichzeitig auf ihre naturbezogene Persönlichkeit hingewiesen. Die Mutter liebte ausgiebige Waldspaziergänge und Pflanzen aller Art.

Höfler erzählt die Geschichte fast lautlos, geradezu distanziert. Sie lässt wenig Raum für große Emotionen, scheint ihren Leser schonen zu wollen. Die Kapitel wechseln zwischen der Woche, in welcher Bens Mutter stirbt und seinen Erinnerungen an sie. Jeder der Protagonisten scheint für sich zu trauern und jeder tut dies auf seine ganz persönliche Art. Obwohl die Thematik selbst tiefe Trauer und großen Schmerz verspricht, ist es die Hoffnung und das Leben selbst, die Ben an das Gute denken lassen. Trauerbewältigung aus eigenem Antrieb und nach eigenem Ermessen gelingt hier auf sehr stille Weise.

Es sind nicht ausschließlich die positiven Aspekte, die Ben bei dem Gedanken an seine Mutter verspürt. Er hat ganz genau ihre regelmäßigen, heftigen Wutausbrüche im Kopf, wenn er an sie denkt. Aber eben auch ihre Leidenschaft für Jazz-Musik und ihre tiefe Liebe für die Natur und ihre Familie, ihre roten Haare, die überall herum liegen und ihren großen Mund.

Zum Ende hin wird die Autorin etwas lauter, hält aber den ruhigen Ton. Für meinen Geschmack hätte die Erzählung mehr Tiefgang, mehr Emotionen vertragen können. Stefanie Höfler versucht den Tod eines nahen Angehörigen als Literaturthema für junge Menschen zu enttabuisieren, läuft aber Gefahr, aufgrund großer Distanz zur Trauer genau das zu verfehlen. Insgesamt ist es eine sehr schöne Geschichte, sofern diese Formulierung, in Anbetracht der Thematik erlaubt ist. Die Charaktere sind sympathisch, ihre Handlungen jedoch oft zu starr. Der leise Ton kann für betroffene Jugendliche aber durchaus der richtige sein.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Ein mittelmäßiger Kunstthriller

Das Atelier in Paris
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Der neue Roman "Das Atelier in Paris" vom französischen Autoren Guillaume Musso erschien im Frühjahr 2018 im Pendo-Verlag, welcher zum Hause Piper gehört. Musso hat mit seinem neuesten Buch einen echten ...

Der neue Roman "Das Atelier in Paris" vom französischen Autoren Guillaume Musso erschien im Frühjahr 2018 im Pendo-Verlag, welcher zum Hause Piper gehört. Musso hat mit seinem neuesten Buch einen echten Thriller geschaffen. Handelnde Personen sind die ehemalige Polizistin Madeline und der Schriftsteller Gaspard, die, aufgrund eines Buchungsfehlers, zur selben Zeit im Atelier eines verstorbenen Künstlers wohnen. Der Ort entpuppt sich als äußerst faszinierend und birgt dunkle Geheimnisse.

Madeline möchte nach einer schweren Lebenskrise wieder zu sich zu finden. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort entdeckt sie im Internet ein kleines Atelier am Ende einer Allee inmitten der französischen Hauptstadt. Sie ist sofort Feuer und Flamme, auch weil sie Verbindungen nach Paris besitzt. Ohne lange zu überlegen und obwohl das Atelier ihr Budget überschreitet, mietet sie es. Dort angekommen muss sie feststellen, dass es einen Irrtum bei der Buchung gab, denn der amerikanische Schriftsteller Gaspard hat das Atelier ebenfalls für sich entdeckt und möchte in aller Ruhe dort schreiben.

Der Ort hat für beide sofort etwas Magisches und so dauert es nicht lange, bis nach und nach die Geheimnisse um das Leben des Künstlers Sean Lorenz und seiner Muse und späteren Ehefrau Pénélopé aufgedeckt werden. Das, was sich Madeline und Gaspard offenbart, sind nicht nur die beeindruckenden Bilder des Verstorbenen, sondern vor allem auch seine dunkle Vergangenheit und ein grausames Schicksal. Beide begeben sich auf die Suche nach Erklärungen und stoßen auf tiefe Abgründe und werden vor allem mit eigenen Dämonen konfrontiert.

Gleich zu Beginn der Geschichte lässt sich der typische Musso erkennen. Der gewohnt fesselnde Schreibstil, vom Leben gebeutelte Charaktere und Frankreich als zentraler Ort des Geschehens. Auch in Das Atelier in Paris versteht es Musso, verschiedene Genres effektvoll miteinander zu kombinieren. Das frühere Leben der Charaktere ist auch hier wichtiges Element der Erzählung. Ich mag die Art und Weise, wie es Musso gelingt, seine Protagonisten sehr lebendig und menschlich darzustellen. Er verzichtet auf Heile-Welt-Attitüden und zeigt das Leben seiner Figuren in all seinen Facetten.

Ohne Frage bieten Handlung, Charaktere und Location jede Menge Potenzial. Guillaume Musso verliert sich meines Erachtens aber zu stark in Beschreibungen künstlerischen Equipments und geht dabei viel zu sehr ins Detail, sodass die Geschichte ab Mitte des Buches immer mehr an Reiz verliert. Die fürchterlichen Geschehnisse und die von Madeline und Gaspard ans Tageslicht beförderten Geheimnisse treten in den Hintergrund und der aufgebaute Spannungsbogen driftet in Langeweile ab. Ich lese seine Bücher immer mit großer Freude, auch, weil es Musso gelingt, Personen, Handlung und Nebenschauplätze miteinander zu vereinen und bis zum Schluss zu fesseln. Hier hatte ich mir einfach mehr erhofft.

Sehr untypisch für Musso ist auch, dass die Liebe sehr kurz kommt, was ich ihm in Anbetracht der wirklich guten Idee zu Das Atelier in Paris aber durchaus hätte verzeihen können. Am Ende ist es eine durchschnittliche Geschichte, die zwar anfangs fesselt und mit gut ausgearbeiteten Charakteren und einer interessanten Idee überzeugt, in der Umsetzung jedoch zu viele Schwächen aufweist.

Veröffentlicht am 02.11.2019

True-Crime

Sadie
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"Sadie – Stirbt sie, wird niemand die Wahrheit erfahren" ist ein Thriller der Kanadierin Courtney Summers. Veröffentlicht wurde dieser im Februar 2019 im Beltz-Verlag. Die Geschichte thematisiert den Mord ...

"Sadie – Stirbt sie, wird niemand die Wahrheit erfahren" ist ein Thriller der Kanadierin Courtney Summers. Veröffentlicht wurde dieser im Februar 2019 im Beltz-Verlag. Die Geschichte thematisiert den Mord an der kleinen Mattie und schildert wie sehr ihre Schwester Sadie darunter leidet und Rache nehmen will.

Sadie lebt in Cold Creek, einer kleinen Stadt in Colorado, USA. Das Stadtbild ist aufgrund des großen Wegzugs seiner Bewohner und der vielen leer stehenden Gebäude äußerst trostlos. Die Mutter von Sadie und Mattie, Claire, leidet seitdem die Kinder denken können unter Alkohol- und Drogenproblemen, weshalb May Beth, eine Art Ersazugroßmutter sich den Mädchen angenommen hat, nachdem die Mutter ihre Kinder von einem Tag auf den anderen verlässt. Nach dem Tod von Mattie und den ergebnislosen Polizeiermittlungen macht sich Sadie selbst auf die Suche nach dem Mörder ihrer Schwester. Der Journalist West McCray erstellt einen Podcast welcher Mattie und Sadie gewidmet ist und möchte bei der Aufklärung des Falls behilflich sein.

„Spannend, fesselnd und besser als eine Netflix-Serie“ – so wird der Thriller vom Tagesspiegel und einer Nutzerin der Buch-Community Vorablesen angepriesen. Auch mich hat das Buch aufgrund des Klappentextes sehr neugierig gemacht. Die Kapitel wechseln von Fließtext zu Podcast-Dialogen, was die Geschichte lebendig hält und den Nerv der Zeit trifft. Sadie ist neunzehn Jahre alt, hat lockige Jahre und stottert stark. Sie ist eine direkte, starke und eigenwillige junge Frau die den Tod ihrer kleinen Schwester nicht verkraftet hat und glaubt, im Stiefvater und ehemaligen Partner ihrer Mutter den Schuldigen zu finden. Deshalb begibt sie sich allein auf die Suche und gilt seitdem als verschwunden.

In seinem Podcast The Girls thematisiert Radiomoderator West MCray den Tod von Mattie und die Suche nach Sadie und möchte gleichsam den Fall aufklären. Dafür kontaktiert er Menschen, denen Sadie bei der Suche nach dem Mörder ihrer Schwester begegnet ist und versucht so, mehr über die junge Frau und ihren Plan herauszufinden. In den Gesprächen erfährt McCray mehr über die Kindheit von Mattie und Sadie, über die Vergangenheit der seit langem verschwundenen Mutter Claire und dem Aufwachsen der Mädchen bei May Beth.

Summers hat eine klare, kräftige und fesselnde Sprache, die dem Thriller seine Würze verleiht. Die abwechslungsreichen Abschnitte und die gut konstruierte Story tun ihr Übriges um den Leser in seinen Bann zu ziehen. Die Figuren werden für meine Begriffe nicht immer ausreichend klar charakterisiert, was mir besonders bei Mattie aufgefallen ist. Auch wenn diese nicht mehr am Leben ist, so spielt sie für die Geschichte eine doch tragende Rolle, weswegen eine intensivere Beschreibung zur Person der Geschichte sicher gut getan hätte.

Der Thriller hat mich immer wieder gefesselt und neugierig auf seine Aufklärung gemacht. Erstaunlicherweise werde ich aus dem Ende aber nicht schlau und so bleiben für mich persönlich zu viele Fragen offen. So ist Sadie – Stirbt sie, wird niemand die Wahrheit erfahren es eine solide Geschichte, die durch eine fesselnde Erzählweise, einen ansteigenden Spannungsaufbau und einen True-Crime-Podcast punkten kann, aber gegen Ende große Schwächen zeigt.