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Veröffentlicht am 06.04.2022

Ein Buch, das Trost spenden kann

Was bleibt, ist Licht
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Am Anfang ist da nur Dunkelheit und Schmerz. Die tiefe Trauer nach dem Verlust eines Menschen, der einem nahe stand, ist überwältigend und man glaubt am Abgrund zu stehen. Nach und nach werden die Buchseiten ...

Am Anfang ist da nur Dunkelheit und Schmerz. Die tiefe Trauer nach dem Verlust eines Menschen, der einem nahe stand, ist überwältigend und man glaubt am Abgrund zu stehen. Nach und nach werden die Buchseiten erhellt, denn unterschiedliche Tiere tragen eine Kerze bei sich, welche die Gedanken erhellt und den Trauernden Kraft spendet.

Vorweg sei gesagt, dass ich dieses Buch auf keinen Fall wie den Großteil anderer Bücher behandle, die ich nach ihrem Inhalt und meiner persönlichen Meinung rezensiere und bewerte. Hier verarbeitet ein Mensch seine eigene Trauer und möchte anderen helfen, ihren Verlust zu verarbeiten. Jeder Mensch trauert anders und jeder hat andere Bewältigungsstrategien. Somit gibt es hier keine Wertung, sondern meine Hochachtung, dass es einem Menschen gelingt, seine eigenen Trauererfahrungen mit anderen zu teilen und sie dadurch zu unterstützen.

Dieses Buch soll also vor allem eines: Trost spenden. Und ich denke, dass Melanie Garanin hier eine wunderbare Idee umgesetzt hat, die ihr selbst und bestimmt auch anderen in ähnlichen Situationen helfen kann. Nachdem sie einen geliebten Menschen verlor, zeichnete sie für jeden Tag im Jahr ein Kerzentier, mit dem sie ihre Traurigkeit, Wut und Verzweiflung zu verarbeiten versucht. Das Besondere daran: jedes dieser illustrierten Tiere trägt eine Kerze bei sich, sodass das Licht nie verlischt und an immer andere Tiere weiter gegeben wird. So beginnt das Buch mit viel Dunkelheit, bevor es Seite für Seite durch die verschiedenen Kerzentiere erhellt wird. Diese tragen, halten und balancieren die Kerze auf ihre ganz eigene Art. Das Licht stellt die Liebe für den verstorbenen Menschen und den großen Verlust dar.

Beim Durchblättern des Buches erfasste mich eine große Welle an Emotionen. Ich finde die sehr persönlichen Zeichnungen einmalig und kraftspendend. Die kurzen Texte zu den einzelnen Bildern beschreiben die Gefühlszustände, die während des Trauerprozesses durchlebt werden. Betroffenen wird der Eindruck vermittelt, dass sie mit ihrem tiefen Kummer nicht allein sind und dass es sich lohnt, weiterzumachen, vor allem für den Menschen, den man so sehr vermisst und der hier, in diesem speziellen Beispiel, durch die Kerzentiere und das gespendete Licht weiterlebt.

Ein sehr emotionales Buch, das in schweren Zeiten viel Trost und Licht spenden kann.

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Veröffentlicht am 13.02.2022

Großartige Kinderbuchliteratur

Der Leuchtturmwärter und ich
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Es ist das Jahr 1926, als Allen Williams mit seiner Mutter auf einem Viermaster von New York nach Liverpool unterwegs ist und das Boot in einen schweren Sturm gerät und auf den Felsen vor Puffin Island ...

Es ist das Jahr 1926, als Allen Williams mit seiner Mutter auf einem Viermaster von New York nach Liverpool unterwegs ist und das Boot in einen schweren Sturm gerät und auf den Felsen vor Puffin Island zerschellt. Der Leuchtturmwärter Benjamin Postlewhaite beweist sich als Retter in der Not und bringt dreißig Frauen, Männer und Kindern sicher an Land. Darunter auch Allen und seiner Mutter. Noch Jahre später löst der Leuchtturmwärter bei Allen große Bewunderung aus, sodass er sich auf die Suche nach ihm begibt.

Ein Zeichnung, die ein Fünfjähriger noch viele Jahre später bei sich trägt und die ihn an ein prägendes Erlebnis erinnert, nämlich die Rettung vieler Menschen durch einen fremden, wortkargen Mann, führt den inzwischen jungen Erwachsenen Allen und den Leuchtturmwärter Benjamin zusammen. Es war eine stürmische Nacht auf See, als das Boot, indem sich dreißig Menschen, darunter Allen und seine Mutter befanden, kenterte. Die mutige und selbstlose Rettungstat des älteren Mannes beeindrucken den jungen Mann auch Jahre später sehr, sodass er versucht, diesen ausfindig zu machen. Ein Brief, den er ihm schreibt, wird nie beantwortet. In einem Zeitungsartikel stolpert er schließlich über einen Artikel der besagten Nacht. So begibt er sich folglich auf die Reise zum Leuchtturm von Benjamin Postlewaithe.

Sehr einfühlsam wird die Lebensgeschichte von Allen, die am Tag des Bootsunglücks beginnt als dieser fünf Jahre alt war, erzählt. Die Leser:innen erfahren, wie sich sein Leben anschließend entwickelt, wie unglücklich die Jahre bei den Großeltern verlaufen, die durchwachsenen Zeiten im Internat und schließlich der Wunsch, allein auf Reisen zu gehen. Angekommen bei Benjamin, dessen Leuchtturm mittlerweile stillgelegt ist, der aber noch immer dort wohnt, entsteht eine enge Freundschaft zwischen den beiden Männern, die Generationen trennen. Michael Morpurgo zeigt zwei eindrucksvolle Lebenswege auf, die von Furchtlosigkeit und Stärke zeugen. Verluste, Not und Kriegserfahrungen und letztendlich die tiefe Verbindung und den Ablösungsprozess von Mutter und Sohn schildert Morpurgo mit viel Ruhe.

Ein ausschlaggebender Punkt für mein Interesse an der Geschichte war vor allem, dass Benji Davies Illustrator ist. Ich bin ein großer Freund seiner Zeichnungen im maritimen Stil und fühle mich durch seine Bilder an die Küstenorte und Meere versetzt. Auch in diesem Fall sind die Schauplätze absolute Wohlfühlorte: das Meer, ein Leuchtturm und Küstenstädtchen. Da einzutauchen und abzuschalten fiel mir nicht schwer. Benji Davies hat mich wieder einmal mit seinem Können berühren können und Michael Morpurgo hat eine herzergreifende Geschichte erschaffen die durch seine mutigen Protagonisten und seine lebensbejahende Botschaft glänzt. Eines der schönsten Kinderbücher die ich kenne.

Eine berührende Geschichte von großer Stärke und bemerkenswertem Mut, ein beachtliches Beispiel für grandiose Kinderbuchliteratur.

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Veröffentlicht am 07.02.2022

Rasanter Thriller mit ungeahntem Ende

Seitensprung
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Der New Yorker Immobilienhändler Jack Harper befindet sich in einer Midlife-Crisis. Seine Ehe läuft seit vielen Jahren schlecht, im Beruf kommt er auf keinen grünen Zweig und bis auf seinen Sohn Jonah, ...

Der New Yorker Immobilienhändler Jack Harper befindet sich in einer Midlife-Crisis. Seine Ehe läuft seit vielen Jahren schlecht, im Beruf kommt er auf keinen grünen Zweig und bis auf seinen Sohn Jonah, den er über alles liebt, gibt es nicht viel in seinem Leben, dass ihn glücklich macht. Über eine diskrete Seitensprung-Website lernt er Sophie kennen und lässt sich auf eine Cyber-Affäre ein, die anschließend sein gesamtes Leben zu zerstören droht.

Auf Empfehlung seines langjährigen Bekannten Rob, von dem Jack selbst nicht viel hält, wird er auf eine Seitensprung-Website aufmerksam gemacht, die absolute Diskretion verspricht. Trotz Zweifeln und Skrupeln legt er sich einen Account an und schreibt kurze Zeit später mit Sophie Ward, die sich Fugitive Red nennt. Jack ist sofort angetan von seiner Gesprächspartnerin, schnell stellt er Gemeinsamkeiten fest und nach langer Zeit fühlt er sich wieder begehrenswert und interessant. Anfangs noch überzeugt davon, sich nie mit einer der Frauen von der Website treffen zu wollen, macht er sich auf den Weg zu Sophie, mit der er sich tatsächlich verabredet hat. Folgend sieht sich Jack Harper mit einer Situation konfrontiert, die sein gesamtes Leben durcheinander bringt.

Die Idee hinter diesem Thriller gefiel mir auf Anhieb gut. Eine unglückliche Ehe, ein Mann in einer tiefen Lebenskrise und die Faszination, sich über eine Dating-Website mehr Selbstwert zu verschaffen und sich dabei in eine noch tiefere Krise ungeahnten Ausmaßes zu stürzen. Jack Harper als Figur erweckt schnell Mitleid bei seinen Lesern. Gleichsam war für mich schwer nachvollziehbar, weswegen seine Frau Maria und er schon so lang an einer Ehe festhalten, die beide und vor allem ihren Sohn zu zerstören droht. Es ist fast typisch für Jack, sich jede noch so heikle und unschöne Situation schönzureden, sodass er kurzfristig davon überzeugt ist, das Richtige zu tun.

Zügig wird beim Lesen klar, warum es sich um einen Thriller handelt und hier setzt auch die große Klasse von Jason Starr als Schriftsteller an. Ein brisantes und vor allem tödliches Spiel, indem es schnell um viel mehr geht als nur um eine Online-Affäre. Ich konnte bis zum Ende mitfiebern, war oft überrascht von den Wendungen und muss vor allem das sensationelle Ende hervorheben, mit dem ich so nie gerechnet hätte. Es ist kein Geheimnis, dass ich die Titel aus dem Hause Diogenes sehr schätze und auch hier war ich wieder begeistert.

Ein ausgeklügelter und rasanter Thriller mit guten Charakteren, der bis zur letzten Seite unterhält.

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Veröffentlicht am 04.02.2022

Spannender Thriller

Wenn niemand nach dir sucht
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Es ist das Jahr 1966. Cleo Sherwood aus Baltimore wird seit acht Monaten vermisst. Außer ihrer Eltern und ihrer beiden Söhne interessiert sich jedoch niemand für ihr Verschwinden. Madeline Schwartz, die ...

Es ist das Jahr 1966. Cleo Sherwood aus Baltimore wird seit acht Monaten vermisst. Außer ihrer Eltern und ihrer beiden Söhne interessiert sich jedoch niemand für ihr Verschwinden. Madeline Schwartz, die bei einer ortsansässigen Zeitung tätig ist und endlich ihren Namen in einer Verfasserzeile lesen möchte, wittert eine große Story und versucht herauszufinden, was wirklich mit Cleo Sherwood passierte.

Vorherrschende Themen in diesem thrillerlastigen Roman sind der Alltagsrassismus in den Vereinigten Staaten der 1960er Jahre und die Emanzipationsbemühungen vieler Frauen. Als eine junge dunkelhäutige Frau im US-Bundesstaat Maryland spurlos verschwindet, ist das für Öffentlichkeit und Presse keine weiteren Bemühungen wert, den Fall aufzuklären. Madeline Schwartz, Mutter eines jugendlichen Sohnes und frisch von ihrem Ehemann getrennt, sucht eine neue Herausforderung in ihrem Leben. Sie möchte unabhängig sein und die Möglichkeit nutzen, sich sowohl privat als auch beruflich neu zu erfinden. So nimmt sie sich dem ungelösten Fall an und begibt sich damit häufig in große Schwierigkeiten.

Schon nach den ersten Kapiteln war ich von der Handlung und insbesondere seiner Figuren gefesselt. Sehr gut umgesetzt sind die Perspektivwechsel. Lippman schreibt den Hauptteil der Handlung in der dritten Person, während jedes zweite Kapitel aus der Sicht eines Charakters erzählt wird, der zuvor thematisiert wurde. So lernt die Leserschaft auch Nebenrollen kennen, die nicht immer von großer Relevanz für den weiteren Handlungsverlauf sind, aber einen außergewöhnlichen Erzählstil aufzeigen, der mich komplett mitnehmen konnte. Ich bin keine große Verfechterin von Kriminalromanen, fühlte mich hier mit dem Gesamtpaket aber durchweg wohl. Laura Lippman schafft eine interessante Story, die durch ihre Art zu schreiben und die sehr gut ausgearbeiteten Figuren wirkt.

Ich mochte auch das Setting sehr gerne, weil es in den 1960er Jahren spielt und sich mit den wichtigen Themen Rassismus und Rollenbild von Mann und Frau beschäftigt, die damals übermächtig waren. Die Autorin rückt diese zentralen Themen der Gesellschaft in den Mittelpunkt, um die herum sich ein wahrer Thriller entfaltet, der starke weibliche Persönlichkeiten schafft und den Finger in die Wunde legt. Mordermittlungen die geprägt sind von rassistischem und sexistischem Gedankengut werden ebenso deutlich gemacht wie ganz allgemein die mangelnde Gleichberechtigung der Geschlechter als auch von schwarz und weiß. Ein Buch, das mich konstant einfangen konnte.

Von Anfang bis Ende ein sehr gelungener Roman mit Thriller-Charakter, der spannungsgeladen ist und besonders durch seine interessanten Charaktere überzeugt.

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Veröffentlicht am 30.10.2021

Schmerzhaft, tragisch, wunderschön

Ein anderes Land
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​​​​​​​​​Der schwarze Jazz-Musiker Rufus aus dem New Yorker Stadtteil Harlem begeht Suizid. Aber warum? Lag es an der tragischen Liebe zu seiner weißen Ex-Freundin Leona? Seine Schwester Ida leidet unter ...

​​​​​​​​​Der schwarze Jazz-Musiker Rufus aus dem New Yorker Stadtteil Harlem begeht Suizid. Aber warum? Lag es an der tragischen Liebe zu seiner weißen Ex-Freundin Leona? Seine Schwester Ida leidet unter dem Tod ihres Bruders und sucht Antworten. Dabei muss sie sich auch ihrer eigenen Identität stellen und Wahrheiten erkennen, die neue Wunden aufzureißen drohen.

Es ist wunderbar, dass die Bücher von James Baldwin neu übersetzt wurden, dass sie auch bei neuen Leser:innen Anklang finden und das Interesse wecken. Wie schon in »Nach der Flut das Feuer« und »Giovannis Zimmer« gefällt mir auch hier die Übersetzung von Miriam Mandelkow sehr. »Ein anderes Land« ist ein bewegendes Buch über Alltagsrassismus, Identität, Homosexualität und schmerzhafte Liebe. Baldwins poetischer Schreibstil wird hier ganz besonders deutlich, seine Metaphern erzeugen Kopfkino und lassen in die Atmosphäre des Buches abtauchen.

New York in den 1950er Jahren: Eine kleine Gruppe junger Menschen begegnet sich regelmäßig, meist unter Einfluss von Alkohol, Drogen und Sex, im Nachtleben der Großstadt. Dabei haben sie eine Gemeinsamkeit, sie alle verzweifeln mehr oder weniger am Leben, hadern mit ihren Entscheidungen und ihrer Identität. Sie sind auf der Suche und wissen nicht wonach. Zu allererst wird das Leben von Rufus geschildert, einem schwarzen Jazz-Musiker, der auf einer Party die weiße Südstaatlerin Leona kennen lernt, mit der er eine Beziehung eingeht. Obwohl beide sich lieben, zerstören sie sich. Aggressionen und Gewalt bestimmen ihr gemeinsames Leben. Diese tragische Liebe mündet im Suizid von Rufus.

Seine Freunde haben teilweise unterschiedliche Sichtweisen über Rufus´Charakter und die Beziehung zu Leona. Aber sie alle eint die große Trauer um Rufus. Auf der Suche nach Antworten erfahren wir als Leser:innen mehr über die Figuren des Romans, die nun zu Hauptcharakteren werden. Das raue Setting unterstreicht die Verzweiflung der handelnden Personen. Eines der großen Themen ist der Rassismus in den Vereinigten Staaten. Rufus´ Schwester Ida, die mit dem Tod ihres Bruders hadert, empfindet großen Hass gegenüber Weißen, weil sie selbst viel Diskriminierung erfahren musste. Auch in der Beziehung mit Vivaldo äußert sich ihre Verwundbarkeit auf tragische Weise.

Weitere Charaktere scheitern an einem erfüllten Leben, weil sie ihren Platz darin verzweifelt zu finden versuchen. James Baldwins Sprachgewalt ist überwältigend, sein Gespür für menschliche Gefühle und Abgründe bemerkenswert. Die Unfähigkeit seiner Figuren zu lieben und der tiefe Wunsch nach Zugehörigkeit sind zentraler Bestandteil dieses Romans. Eine weitere wichtige Fürsprache Baldwins gegen den Rassismus und die Diskriminierung in der Welt.

Baldwin schrieb mit Ein anderes Land einen leidenschaftlichen und kraftvollen Roman, so schmerzhaft und tragisch, aber wunderschön geschrieben. Er zeigt auf, wie Menschen an Vorurteilen zerbrechen.

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