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Veröffentlicht am 07.11.2019

Wunderschön erzählt

Die Wahrheit über das Lügen
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"Die Wahrheit über das Lügen" von Benedict Wells ist eine Sammlung an Kurzgeschichten, die der Autor in den letzten zehn Jahren schrieb. Das Buch erschien 2018 im Diogenes-Verlag.

Den Hauptteil des Buches ...

"Die Wahrheit über das Lügen" von Benedict Wells ist eine Sammlung an Kurzgeschichten, die der Autor in den letzten zehn Jahren schrieb. Das Buch erschien 2018 im Diogenes-Verlag.

Den Hauptteil des Buches nimmt die Titelgeschichte Die Wahrheit über das Lügen ein, welche sich um einem erfolglosen Drehbuchautoren dreht, der per Zeitreise in das Jahr 1973 zurück reist und innerhalb von vier Jahren George Lucas die Idee zu Star Wars stiehlt. Alle Geschichten haben etwas Tragisches. Die Protagonisten sehen sich abgründigen Situationen ausgesetzt, die verzweifeln lassen, traurig machen und tief berühren.

Benedict Wells schafft es, seine Erzählungen mit großen Emotionen zu schmücken, ohne dabei kitschig zu sein. Jede Geschichte hat seinen eigenen Reiz und beim Lesen wird es nicht langweilig. Ob Wells dabei einen Einblick in sein eigenes Leben gibt, bleibt unklar, es ist jedoch nicht zu leugnen, dass dieser Eindruck entsteht. Ich mag seine Art zu schreiben, weil er ein Gespür für das Besondere hat. Er spielt mit Emotionen, aber lässt immer auch Raum für eigene Deutungen.

Der Autor bedient sich fantastischer Elemente, was neben Die Wahrheit über das Lügen auch Die Muse zeigt. Hier geht es um eine Schriftstellerin, der es an Ideen fehlt, bis ihr plötzlich eine Muse in Form eines blauhaarigen Mannes begegnet, der ihre Schreibblockade aufzulösen scheint. Wells entfacht die tiefe Sehnsucht nach Zufriedenheit und Glück in seinen Figuren. Hauptsächlich sind es männliche Charaktere um die sich Wells´ Geschichten drehen.

Was auffällt ist, dass der berufliche Erfolg maßgeblich der eigenen Zufriedenheit dient und dieser unbedingt angestrebt wird. In Die Wanderung, der ersten Geschichte des Buches, ist es ein Geschäftsmann, der kurz vor einem wichtigen Abschluss steht und seiner Rastlosigkeit nachgibt um einen Berg zu erklimmen. Immer im Blick hat er dabei, dass er rechtzeitig zum Geburtstag seines Sohnes zuhause sein möchte. Zurück von der Wanderung sieht er sich einem Trugschluss konfrontiert.

Der Geschichtenband ist Wells durchaus gelungen, leidiglich Ping Pong erinnerte viel zu sehr an die Schachnovelle von Stefan Zweig und konnte mich nicht begeistern. Nach dem Weglegen des Buches sind die Geschichten nicht vorbei. Das Echo hallt noch lange nach und das Erzählte regt zum Nachdenken an.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Edward Feathers ist zurück

Ein untadeliger Mann
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"Ein untadeliger Mann" ist ein Roman aus dem Jahr 2004, welcher zunächst 2015 vom Hanser-Verlag als Hardcover und später vom dtv-Verlag (2017) im Taschenbuchformat in Deutschland veröffentlicht wurde. ...

"Ein untadeliger Mann" ist ein Roman aus dem Jahr 2004, welcher zunächst 2015 vom Hanser-Verlag als Hardcover und später vom dtv-Verlag (2017) im Taschenbuchformat in Deutschland veröffentlicht wurde. Er ist Teil der Old-Filth-Trilogie, zu welcher auch Eine treue Frau (2016) und Letzte Freunde (2018) gehören. Inhaltlich geht es um das Leben des ehemaligen Anwalts Edward Feathers, der mittlerweile über achtzig Jahre alt ist und auf sein Leben zurück blickt.

Edward Feathers wird in den Zwanzigerjahren als Sohn britischer Eltern in Malaysia geboren. Kurz nach der Geburt stirbt seine Mutter, weswegen Edward von der Tochter seiner Amme großgezogen wird. Sein Vater dient dem Empire im Zweiten Weltkrieg, sodass Edward nie eine Beziehung zu ihm aufbauen kann. Während er seine ersten vier Lebensjahre umgeben von malaysischen Kindern verbringt und sich nur optisch von diesen unterscheidet, beschließt eine Missionarin, Edward in das Herkunftsland seiner Eltern zurück zu schicken.

Angekommen in Großbritannien ist Edward großen Schwierigkeiten ausgesetzt. Er stottert und hat Probleme, sich anzupassen. Seine leiblichen Tanten wollen sich Edward nicht annehmen, sodass er einige Jahre bei einer Pflegefamilie in Wales lebt, die nicht sonderlich gut ausgewählt ist. Anschließend kommt Edward auf eine Privatschule und findet dort einen sehr engen Freund und Kameraden in Pat Ingoldby. Es folgen die Zeit während des Zweiten Weltkrieges, die Erfahrungen auf einem Frachter nach Singapur, sowie das Leben Edwards zwischen Großbritannien und dem Fernen Osten. Nicht zu vergessen seine langjährige Ehefrau Betty und sein Beruf als erfolgreicher Anwalt.

Ein untadeliger Mann ist ähnlich meisterhaft geschrieben wie schon Eine treue Frau, welches ich zuvor gelesen habe. Jane Gardam gelingt auch mit diesem Roman ein besonderes Buch, welches durch seine feine Erzählweise besticht. Obwohl sie sich auf verschiedenen zeitlichen Ebenen bewegt, ist Gardam in der Lage eine direkte Verbindung des Erlebten zu schaffen, ohne zu verwirren. Sie gibt einen ausführlichen, beeindruckenden Einblick in die Kindheit, die Jugend und das Leben des erwachsenen Edward Feathers.

Die Figur des Edward gilt als elegant und anmutig, ein wahrer Gentleman eben. Auch in seinem hohen Alter ist er noch immer eine Erscheinung und hat eine Wirkung auf seine Mitmenschen, nicht zuletzt auf Frauen. Sein Markenzeichen, neben seiner Seidensocken und den polierten Schuhen, ist zweifelsohne sein Spitzname Old Filth (steht für Failed in London try Hongkong). Edward ist einem sympathisch. Das fordert seine Figur einfach heraus. Es fällt schwer, ihn nicht zu mögen.

Gnadenlos und doch subtil erzählt die britische Schriftstellerin Jane Gardam von Edward Feathers, der den Zweiten Weltkrieg miterlebt, von Verlustängsten geplagt ist und seine Identität sucht. Sie behandelt die Geschehnisse mit Ernsthaftigkeit und nimmt ihnen doch die Traurigkeit, ohne dabei unsensibel zu sein. Die dunklen Erfahrungen, die bösen Szenen und die undankbaren Zeiten in Edwards Kindheit werden von ihren psychologisch gut ausgeklügelten Erzählungen charmant überdeckt, jedoch nie bagatellisiert. Hier ist die großartige Übersetzung von Isabel Bogdan unbedingt hervorzuheben, welche die Leichtigkeit von Gardams Schreibstil auf realistische Weise vermittelt.

Die faszinierende Geschichte des einstigen Raj-Waisen Edward Feathers geht unter die Haut. Es scheint, als habe dieser Edward, genannt Eddie keine Schwächen. Nahezu makellos, nie die Kontrolle verlierend, bleibt er sich selbst treu. Seine Selbstbeherrschung ist kennzeichnend für die nach außen hin tadellose Persönlichkeit. Besonders aber die menschliche Seite ist es, die Feathers so liebenswert macht.

Der bekannten britischen Autorin gelingt auch mit Ein untadeliger Mann ein Meistwerk der Literatur. Klug, humorvoll und subtil erweckt sie ihre Figuren zum Leben und besticht durch ihre anspruchsvolle Erzählweise.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Ein Wohlfühlbuch erster Klasse

Eine treue Frau
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"Eine treue Frau" erschien 2016 im Rahmen der Old-Filth-Trilogie im Hause Hanser. Der Vorgänger wurde ein Jahr zuvor – unter dem Titel Ein untadeliger Mann- veröffentlicht. Jane Gardam beschreibt in beiden ...

"Eine treue Frau" erschien 2016 im Rahmen der Old-Filth-Trilogie im Hause Hanser. Der Vorgänger wurde ein Jahr zuvor – unter dem Titel Ein untadeliger Mann- veröffentlicht. Jane Gardam beschreibt in beiden Romanen das Leben vom erfolgreichen Anwalt Edward Feathers und seiner Ehefrau Elizabeth, genannt Betty. Wie die Titel schon verraten, erzählt Teil eins aus der Perspektive Edwards, während sich Teil zwei Betty´s Sichtweise zu Eigen macht.

Elizabeth, kurz Betty wächst im chinesischen Tianjin auf und fühlt sich dem Land so nahe, dass sie häufig vergisst, dass sie keine Chinesin ist. Die Kultur ist ihr seit Kindheitstagen vertraut. Diese Verbindung zum Fernen Osten teilt sie mit Edward Feathers, welcher in Hongkong als Anwalt arbeitet. Edward hält um die Hand von Betty an und nimmt ihr gleichsam das Versprechen ab, dass sie ihn nie verlassen dürfe. Obwohl Betty schnell weiß, dass ihre Verbindung zu Edward nie eine leidenschaftliche sein wird, verspricht sie ihm ewige Treue. Kurze Zeit später begegnet sie der Liebe ihres Lebens, wohl wissend, dass sie Edward versprechen musste, ihn nie zu verlassen.

Gardam gehört zu meinen Lieblingsautorinnen und hat mit dieser Trilogie wieder ihre unverwechselbare Erzählweise untermauert. Sobald eine Situation im Buch ihren Charakteren Raum für Emotionen bieten könnte, drosselt Gardam die sich bietende Gelegenheit für Sentimentalitäten. Eine treue Frau besticht durch Klugheit, Rationalität und Ironie. Das Spiel der Zeiten – Rückblenden und Gegenwart, sorgt leider ab und an für Verwirrung, da der Wechsel von Vergangenheit zum Hier und Jetzt nicht immer sofort ersichtlich scheint und Gardam hier ihre Kunstfertigkeit vermissen lässt.

Das Leid und die Sehnsucht der Figuren wird in jeder Zeile deutlich, ohne dass Gardam sich dazu dienlicher Klischées bedient. Ihr Roman kommt ganz ohne Dramatik aus und wahrt bis zum Schluss seine Haltung. Die Übersetzung von Isabel Bogdan ist zurückhaltend, fast diskret, sodass die Grundstimmung der Handlung und ihrer Charaktere nicht verfälscht wird. Den ersten Teil Ein untadeliger Mann habe ich bisher nicht gelesen, weshalb ich keinen direkten Vergleich anstellen kann. Mir gefiel Eine treue Frau äußerst gut. Ich fühlte mich zu keiner Zeit emotional von der Autorin beeinflusst, was hauptsächlich daran liegt, dass es ihr gelingt, ihre Figuren detailliert darzustellen, aber gleichzeitig deren Gesicht zu wahren.

Veröffentlicht am 02.11.2019

Ein Hundeleben

Nortons philosophische Memoiren
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"Nortons philosophische Memoiren" ist ein Roman von dem schwedischen Schriftsteller Håkan Nesser, der im Herbst 2018 im btb-Verlag im Hause Randomhouse ausschließlich als Hardcover veröffentlich wurde. ...

"Nortons philosophische Memoiren" ist ein Roman von dem schwedischen Schriftsteller Håkan Nesser, der im Herbst 2018 im btb-Verlag im Hause Randomhouse ausschließlich als Hardcover veröffentlich wurde. Die Geschichte erzählt von dem Hund des Autoren, Norton, welcher gleichzeitig auch der Erzähler des Buches ist. Norton ist während seines Hundelebens viel in der Welt herum gekommen und hat das ein oder andere Abenteuer erlebt. Dies sind seine Memoiren.

Norton ist elf Jahre lang der treue Begleiter des Autoren Håkan Nesser. Er liebt seine zweibeinigen Besitzer und ist ein wahrlich kluger Hund, der sich selbst als Philosoph und Pazifist bezeichnet. Gemeinsam machen sie Stockholm unsicher, erleben ausgiebige Spaziergänge im Central Park in New York und lieben Kensington Gardens in London. Norton ist ein glücklicher Hund, der sein Leben stets zu schätzen weiß und aus diesem lehrreiche Erkenntnisse zieht.

Håkan Nesser ist für seine Kriminalromane bekannt. Dieses Buch ist also etwas ganz Anderes als das, was man bisher von ihm kennt. Das Buch ist relativ kurz, es hat unter 100 Seiten, was der Geschichte aber keinen Abbruch tut. Die vielen Illustrationen sind ein echtes Highlight im Buch und untermalen das Leben des Hundes auf schöne Weise. Norton erzählt auf gekonnt amüsante Weise die Anekdoten seines Lebens, berichtet von den vielen Umzügen, die nicht immer leicht, aber doch ein großes Abenteuer für ihn darstellen. Seine Weisheiten bereichern das Leseerlebnis ungemein und regen zum Nachdenken an.

Genau wie auch bei uns Menschen gehört das Abschied nehmen auch bei Hunden zum natürlichen Lauf des Lebens. Als klar wird, das Norton sich verabschieden muss, konnte ich schwer an mich halten. Unweigerlich gehen die Aussagen von Norton unter die Haut und berühren das Herz.

Mit viel Humor, Charme und einer Prise Wehmut setzt Nesser seinem vierbeinigem Freund Norton ein Denkmal. Eine wunderbar erzählte Geschichte, von deren Sorte es viel mehr braucht!

Veröffentlicht am 02.11.2019

Musik und Liebe

Blinde Liebe
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"Blinde Liebe" ist ein Roman von William Boyd, erschienen im März 2019 im Kampa Verlag. Die Geschichte spielt im Zeitraum von 1894 – 1906 an verschiedenen Orten Europas und thematisiert die große Liebe ...

"Blinde Liebe" ist ein Roman von William Boyd, erschienen im März 2019 im Kampa Verlag. Die Geschichte spielt im Zeitraum von 1894 – 1906 an verschiedenen Orten Europas und thematisiert die große Liebe eines schottischen Klavierstimmers zu einer russischen Sopranistin und lässt die Leidenschaft für klassische Musik nicht zu kurz kommen.

Brodie Moncur stammt aus dem schottischen Edinburgh und ist eines von sechs Kindern eines herrschsüchtigen Vaters. Er hat das absolute Gehör und gilt unter den Klavierstimmern deshalb als wahres Ausnahmetalent. Brodie kehrt – nicht nur aus beruflichen Gründen – seiner schottischen Heimat den Rücken und lebt zunächst in Paris um sich dort einen Namen zu machen. Dort lernt er den bekannten Pianisten John Kilbarron kennen, eine schwierige Persönlichkeit. Durch ein gemeinsames berufliches Projekt profitieren beide voneinander und genießen zeitweise ein triumphales Leben in Sankt Petersburg.

Der wahre Hintergrund für seine begeisternde Arbeit mit dem Iren Kilbarron liegt aber weniger an seinem neu gewonnenen Luxus und des musikalischen Talents Kilbarrons, sondern viel mehr an der Geliebten des Klaviervirtuosen, Lika. Obwohl eine Liebe zwischen beiden unmöglich scheint, riskiert Brodie nicht zuletzt sein Leben, um mit Lika zusammen sein zu können. Dabei führt es ihn neben Russland und Frankreich auch nach Italien, Österreich und Indien.

Das Leben für Brodie ist verheißungsvoll und intensiv. Er lernt verschiedene Sprachen, ist erfolgreich in seiner Tätigkeit als Klavierstimmer und lässt sich von der unbequemen Persönlichkeit seines Vaters nicht einschüchtern. Zwischen Brodie und Lika bahnt sich bereits kurz nach dem ersten Aufeinandertreffen eine Liebesbeziehung an. Da Lika aber die Gefährtin von Brodies Geschäftspartner Kilbarron ist, müssen beide ihre Gefühle füreinander und ihre und Treffen geheim halten. Zu allem Überfluss ist da noch Malachi, der Bruder John Kilbarrons, der den Verliebten das Leben schwer macht und Brodies Tuberkulose, die er alsbald nur noch schwerlich in den Griff bekommt.

Ein einzelnes Leben bildet den Mittelpunkt dieser Geschichte. Das Leben eines jungen Mannes, der zwar nicht die besten Augen, dafür aber ein umso besser funktionierendes Gehör besitzt. Das Leben von Brodie Moncur; strebsam, ehrgeizig und liebeskrank. Der flüssige Schreibstil und die berührende, lebendige Erzählung machen den Roman zu einem kurzweiligen Erlebnis, auch wenn das Buch mit seinen über 500 Seiten keine knappe Lektüre ist. Die Charaktere hat Boyd aus meiner Sicht gebührend verkörpert und mitsamt dem Ende ein beeindruckendes Werk geschrieben.

Eine insgesamt sehr berührende Geschichte die große Momente birgt und in einer ereignisreichen Zeit spielt.