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Veröffentlicht am 24.08.2021

Von Rio nach Kanada

Fahrtwind – Mit dem Klapprad von Rio bis nach Kanada
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„Kreditkarte, Reisepass, Handy“. Dann zählte ich sie erneut auf. Immer wieder. Wie oft ich das tue und vor allem wie lange, kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich, nein sogar sicherlich, bis ich aus der ...

„Kreditkarte, Reisepass, Handy“. Dann zählte ich sie erneut auf. Immer wieder. Wie oft ich das tue und vor allem wie lange, kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich, nein sogar sicherlich, bis ich aus der Tür laufen und sie hinter mir zuziehen werde. Vielleicht sollte ich die drei Sachen gleich in die Tasche stecken? Nein, lieber nicht. Denn ich weiß, dass ich sie sofort wieder hektisch suchen werde"… (Tolino S.7 und 8)

Mit diesen Worten beginnt das spannende Klapprad-Abenteuer Cem's.
Eigentlich ist Cem Ingenieur in der Automobilbranche, aber nach 14 Jahren hat er das Gefühl irgendwas verpasst zu haben oder will er immer so weiter machen?
Nach kurzer Vorbereitung ist es dann so weit:
Er beginnt sein Abenteuer in Rio de Janeiro, wo er von den gastfreundlichen Brasilianern sofort aufgenommen wird. Mit ihnen erlebt er unglaubliche Geschichten, feiert etwas unfreiwillig wilde Partys, die nicht immer gut enden und ist Zeuge eines Schusswechsels mitten auf der Strasse.

Nach vier Wochen reist er weiter, über Ecuador, Kolumbien, Shanghai, Nicaragua, Honduras, El Salvador, Guatemala, Mexico, Türkei, Amerika bis nach Kanada, wo seine abenteuerliche Reise endet.
(Habt ihr die zwei Fehler gefunden? Shanghai und Türkei? Wie passt das? Und überhaupt, fehlen da nicht Panama und Costa Rica? Genau - die fehlen, zwischendurch hat er nämlich das Flugzeug genommen.
Warum, verrate ich euch nicht. Das müsst ihr selber lesen.)

Cem beschreibt das Land, Leben und die Menschen, gibt uns Einblicke in die „Favelas“ (Elendsviertel), hat Pannen, wird überfallen, erlebt ein Erdbeben und wird krank. All das beschreibt er so wunderbar authentisch, dass man immer das Gefühl hat gerade dabei zu sein.

Freut euch auf die humorvolle, interessante und kuriose Geschichte von Cem.

Anmerkung 1:
Der ganz junge "Wenn Nicht Jetzt-Verlag" wurde im Anschluss einer 13-monatigen Wohnmobil-Tour an einem Lagerfeuer von Ramona und Uli gegründet. Es soll in ihren Büchern um „wirklich wichtige Dinge gehen; über Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, über Mut, Veränderung und das gute Leben.“


Anmerkung 2:
Auf Seite 128 (Tolino) beschwert sich Cem darüber, dass auf Cuba der „Gringo“ immer viel mehr zahlen musste als der Einheimische. Er nannte es Betrug. In Thailand, wo ich lebe, ist das genauso: Wir zahlen für Eintritte in Parks, Museen, Tempel ec. immer das 10-fache. Ich gehe einen Schritt weiter als Cem und nenne es sogar Rassismus.

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Veröffentlicht am 23.08.2021

Familienporträt

Wellenflug
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Das Cover sprach mich sofort an und ich wurde nicht enttäuscht:

Constanze Neumann erzählt die bewegenden Geschichten zweier Frauen in deren Zeit. Dabei hat Constanze Neumann reale Figuren und historische ...

Das Cover sprach mich sofort an und ich wurde nicht enttäuscht:

Constanze Neumann erzählt die bewegenden Geschichten zweier Frauen in deren Zeit. Dabei hat Constanze Neumann reale Figuren und historische Ereignisse mit fiktiven Handlungen ausgeschmückt.

Im ersten Teil geht es um Anna Reichenheim, sie hat jüdische Wurzeln und ihr einziges Besterben ist es, sich gut zu verheiraten, den Wohlstand zu erhalten, viele Kinder zu gebären und diese zu selbständigen Erwachsenen zu erziehen, die selber Verantwortung übernehmen können.
Doch ihr Erstgeborener Heinrich, der 1881 das Licht der Welt erblickt, macht ihr da ein Strich durch die Rechnung: Ein liebenswerter Junge, der aber nie ernst ist und sich kaum auf wichtige Dinge, wie Schule und Lernen konzentrieren kann, wächst zu einem Lebemann, Draufgänger und Spieler heran...

Im zweiten Teil erzählt Marie ihre Geschichte:
Marie kommt aus armen Verhältnissen und hat nicht mal einen Schlafplatz für die Nacht, als sie den reichen, jetzt erwachsenen Heinrich Reichenheim kennenlernt. Vertrieben von dessen Familie, bauen sie ein neues Leben in Amerika auf. Marie kann Heinrich zwar von seiner Spielsucht abhalten, leidet jedoch darunter, dass sie von seiner Familie nicht anerkannt wird.
Das Leben in Amerika läuft nicht so, wie sie es sich wünschen: ...
Und dann bricht in Deutschland der erste Weltkrieg aus und Heinrich hat die Hoffnung von seiner Familie rehabilitiert zu werden, wenn er für das Vaterland in den Krieg zieht...

Mir hat das Buch unglaublich gut gefallen!
Eine grosse Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 17.04.2024

Geruch nach Sonne und me(e/h)r

Treibgut
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TREIBGUT
Adrienne Brodeur

Die Familie Gardner besitzt ein kleines Haus am in Cape Cod. Abby und Ken sind dort aufgewachsen und waren einer der wenigen, die nicht nur für die Sommermonate kamen.
Jetzt ...

TREIBGUT
Adrienne Brodeur

Die Familie Gardner besitzt ein kleines Haus am in Cape Cod. Abby und Ken sind dort aufgewachsen und waren einer der wenigen, die nicht nur für die Sommermonate kamen.
Jetzt lebt Familienoberhaupt und Meeresbiologe Adam dort alleine. Seine Liebe des Lebens, die Künstlerin und Mutter seiner zwei Kinder starb bereits vor 40 Jahren. Er selbst wird bald seinen 70. Geburtstag feiern und da er auch an diesem Tag seine Pension antreten wird, ist es sein größter Wunsch seiner Nachwelt noch eine weitere Entdeckung zu hinterlassen. Zu diesem Zweck setzt er seine Medikamente ab, die seine bipolare Störung normalerweise eindämmen.

Sohn Ken ist ein Paradebeispiel für Amerikas glückliche Familie: Er ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, der eine politische Karriere anstrebt. Seine Frau ist ein Organisationstalent und übertrifft ihre Dinnerparties von Mal zu Mal. Ihre Eltern sind reich und unterstützen den Schwiegersohn gerne. Doch auch in dieser heilen Familie gibt es so einige Geheimnisse.

Abby ist Künstlerin und hat das Talent ihrer verstorbenen Mutter geerbt - leider jedoch nicht ihr Atelier. Das ganze Erbe ging an Sohn Ken, und so ist sie noch immer auf die Gnade ihres Bruders angewiesen. Ihre Beziehung zu Bruder Ken war einst sehr intensiv, bis der große Bruch kam. Ihr neuestes Bild stellt ein Trauma der Kindheit dar.

Und dann ist da noch eine Frau auf der Suche nach ihrem biologischen Vater, die andauernd im Dunstkreis der Familie Gardner auftaucht.

Adrienne Brodeur lässt all diese Familienmitglieder und andere Freunde nacheinander zu Worte kommen. Ganz langsam heizt sich die Stimmung auf, bis es am Geburtstag von Adam zu einem großen Eklat kommt.

Ein wirklich gutes Buch, das ich sehr gerne gelesen habe. Die gute Struktur des Buches hat mich über ein paar Klischees hinweggetragen.
4/ 5

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Veröffentlicht am 08.04.2024

Sehr guter Auftakt der Dilogoie!

Kaiserwald
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KAISERWALD
Anja Jonuleit

Allgäu 1998: Penelope ist 8 Jahre alt, als ihre Mutter spurlos verschwindet. Ihr Jeep wurde auf einer Autobahnraststätte gefunden. Ob sie Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, ...

KAISERWALD
Anja Jonuleit

Allgäu 1998: Penelope ist 8 Jahre alt, als ihre Mutter spurlos verschwindet. Ihr Jeep wurde auf einer Autobahnraststätte gefunden. Ob sie Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, ist nicht bekannt. Seit dem mysteriösen Verschwinden wächst Penelope bei ihren Großeltern auf, dabei gibt das junge Mädchen nie die Hoffnung auf, dass ihre Mutter eines Tages zurückkehren wird.

Riga 1997: Rebecca lehrt an dem deutschen Gymnasium Riga Kunst und Deutsch. Erst kürzlich war sie mit ihrem Mann Robert, der auch an der Schule lehrt, und der gemeinsamen Tochter Penelope nach Riga gezogen. Es ist ein neuer weiterer Versuch, ihre Ehe zu retten: Gerüchte hatten sich an der alten Schule verbreitet, dass Robert ein Verhältnis mit einer Schülerin hatte.
Als Georg von Prokhoff, Vater der sehr talentierten Schülerin Xenia, Rebecca Avancen macht, verliebt sie sich Hals über Kopf in diesen. Nicht wissend, dass es in seiner Familie einige Geheimnisse und Disharmonien gibt.

Berlin 2023: Mathilda lauert Falk von Prokhoff auf und fährt ihm mit voller Absicht in die Seite seines schwarzen Mercedes. Zu lange hatte sie versucht, ihn auf normalem Wege kennenzulernen. Jetzt muss sie härtere Geschütze auffahren.

Anja Jonuleits neuester Roman hat mehrere Erzählstränge auf unterschiedlichen Zeitebenen. Erst später führt sie diese geschickt zu einem großen Ganzen zusammen.

Seit ich das Buch „Rabenfrauen“ von Anja Jonuleit gelesen habe, bin ich ein ganz großer Fan dieser Autorin.
Der Schreibstil ist unglaublich flüssig und fesselnd; jedoch sollte man wissen, dass man einige Kapitel braucht, bis man sich eingelesen hat. Wer sich die Zeit nimmt, wird mit einer spannenden Geschichte belohnt.

Mir hat Kaiserwald der Auftakt einer Dilogie, die uns von Riga über Namibia bis ins Allgäu führt, sehr gut gefallen. Ich kann es kaum erwarten, bis der zweite Teil „Sonnenwende“ im Herbst 2024 erscheint.
4½/ 5

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Veröffentlicht am 03.04.2024

Ein faszinierender Roman!

Yellowface
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YELLOWFACE
Rebecca F. Kuang
👀
June Hayward ist zum ersten Mal in Athenas Wohnung zu Besuch, als Althena sich an einem Pfannkuchen verschluckt und vor ihren Augen stirbt.
Sie kannten sich seit Jahren, ...

YELLOWFACE
Rebecca F. Kuang
👀
June Hayward ist zum ersten Mal in Athenas Wohnung zu Besuch, als Althena sich an einem Pfannkuchen verschluckt und vor ihren Augen stirbt.
Sie kannten sich seit Jahren, waren aber nie beste Freundinnen, sondern trafen sich gelegentlich in Bars oder Cafés.
Zwischen ihnen stand der große Erfolg Athenas als Autorin und der Neid Junes. Während Junes Debütroman floppte, gewann Athena einen Buchpreis nach dem anderen, und erst heute Morgen hatte sie einen Vertrag bei Netflix für eine Buchverfilmung unterzeichnet.
Aus einem Impuls heraus und wohl wissend, dass Athena nie über ihre unfertigen Buchprojekte sprach, nimmt June ein gerade beendetes Manuskript, das neben der toten Athena auf dem Schreibtisch liegt, an sich. June gibt sich als dessen Autorin aus und redet sich ein, dass das Buch Aufmerksamkeit verdiene, damit die Arbeit Athenas nicht umsonst war. Dabei vergisst sie die „Kleinigkeiten“, nämlich den wahren Namen der wirklichen Autorin hinzuzufügen.
Wie weit June geht, damit der ganze Schwindel nicht auffliegt, müsst ihr selber lesen.

Was für ein faszinierender Roman (in einer wunderbaren Aufmachung)!
Ganz besonders gut gefiel mir der tiefe Eindruck in die Verlagswelt. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie heutzutage Autor:innen in den sozialen Medien den unterschiedlichsten Meinungen, Hetzkommentaren, Shitstorm, Diskussionen und Plagiat-Vorwürfen ausgesetzt sind. Außerdem war es mir neu, dass es sensuell Readers gibt, die über Texte lesen, um mögliche ethnische Gruppen und Kulturen zu schützen.
Des weiteren muss der Druck, der von den Verlagen und Agenten auf einzelne Autor:innen ausgeübt wird, bis endlich eine neue Buchidee vorliegt, immens hoch sein. Ja, die Verlage kommen in diesem Roman nicht unbedingt gut weg.

Folgende Diskussionen haben mich beschäftigt: Darf eine weiße Frau überhaupt ein Buch über eine andere ethnischen Gruppe, der sie selbst nicht angehört, verfassen?
Ist es diskriminierend oder sogar rassistisch, einer anderen Frau mit einer anderen Hautfarbe ein ehrlich gemeintes Kompliment über ihre Frisur zu machen?

Auch wenn mir unsere Protagonistin nicht sonderlich sympathisch war, haben mich zwei Drittel des Buches fasziniert.
Leider riss dann für mein Empfinden der Spannungsbogen im letzten Drittel ein wenig ab.
Dennoch: Ein sehr gutes Buch, das ich gerne gelesen habe und den wenigen letzten Lesern, die es noch nicht kennen, empfehle. 👀
4½/ 5

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