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Veröffentlicht am 03.03.2023

Ein Krimi für Krimimuffel

Der Holländer
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Eigentlich mag ich keine Krimis. Es nervt mich, dass sich immer alles um einen Mord und um den Tod dreht, dass die einzig spannende Figur meistens der Ermittler ist und dass man irgendwann in der zweiten ...

Eigentlich mag ich keine Krimis. Es nervt mich, dass sich immer alles um einen Mord und um den Tod dreht, dass die einzig spannende Figur meistens der Ermittler ist und dass man irgendwann in der zweiten Hälfte des Buches schon längst weiß, wer der Mörder ist. Zu vorhersehbar, zu konstruiert, ohne Vielfalt oder Überraschungen... Das bedeutet für mich Krimi.

Keine guten Voraussetzungen also für die Lektüre von Mathijs Deen Buch "Der Holländer". Aber wenn eine Rezension mit "eigentlich" beginnt, dann lässt sich natürlich erahnen, dass es mir mit diesem Buch anders ergangen ist - zum Glück!

Dass "Der Holländer" lesenswert ist, liegt vor allem an seinem Setting und an der Atmosphäre. Die Allgegenwart des Watts, diesem faszinierenden, gefährlichen und geheimnisumwobenen Ort, trägt ebenfalls dazu bei. Das Watt lässt Menschen spurlos verschwinden, verschluckt Beweise, erleichtert Verbrechen... Kein Wunder also, dass Figuren, die in der Literatur ins Watt gehen, gefühlt kaum je wieder zurückkehren (oder?).

So auch in "Der Holländer". Dort wird die Leiche eines Wattwanderers tot im deutsch-holländischen Grenzgebiet aufgefunden. Sein Partner hat die Wanderung überlebt, berichtet unklar von dem, was geschehen ist, leidet zunehmend unter Verwirrtheit und verwechselt Fiktion und Realität. Als sich die Beweise dafür mehren, dass der Wanderer keines ganz natürlichen Todes gestorben ist, begibt sich der rigorose Ermittler Liewe Cupido auf Spurensuche.

Krimifans wird "Der Holländer" sicher nicht enttäuschen. Und sogar Krimimuffel wie ich kommen auf ihre Kosten, dank der lebendigen Hintergründe, der rauen Nordseelandschaften, die der ganzen Geschichte Tiefe und Anmut verleihen. Wer also Unterhaltung sucht, findet sie mit Mathijs Deens Roman sicher.

Übersetzt von Andreas Ecke.

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Veröffentlicht am 16.02.2023

Gespenstische Romance

Dead Romantics
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Was, wenn der eigene Lektor plötzlich als Geist vor einem Auftauchen würde? Genau das passiert Florence. Sie ist Ghostwriterin für eine berühmte Autorin von Liebesromanen, doch findet einfach kein Ende ...

Was, wenn der eigene Lektor plötzlich als Geist vor einem Auftauchen würde? Genau das passiert Florence. Sie ist Ghostwriterin für eine berühmte Autorin von Liebesromanen, doch findet einfach kein Ende für ihr aktuelles Buchprojekt. Die eigenen Erfahrungen in Sachen Liebesleben haben zunehmend dazu geführt, dass sie nicht mehr an die große Liebe glaubt. Dann stirbt ihr Vater, Florence muss in den Ort ihrer Kindheit zurück, den sie so lange gemieden hat und nur kurz darauf erfährt sie, dass auch ihr Lektor Ben einen tragischen Unfall hatte. Als dieser immer öfter auftaucht, stellt sich die Frage: Wird Florence jemals wieder an die Liebe und ans Happy End glauben können?

Um eines vorwegzunehmen: “Dead Romantics” ist immer wieder kitschig, aber das ist nur die eine Seite des Romans. Die andere Seite ist unterhaltend und erfrischend. Immerhin ist der love interest ein Geist und die Protagonistin die einzige, die ihn sehen kann. Klar, das gab’s schon in der Literatur, eine ganz neue Idee ist es nicht (man denke an Marc Levys „Solange du da bist“). Aber trotzdem funktioniert es und auch wenn der Roman kleine Schwächen hat, so macht er letztlich doch Spaß zu lesen!

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Veröffentlicht am 12.02.2023

Ein solider SciFi-Roman

Equilon
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Eine Zukunft, in der viele Teile der Welt durch den Klimawandel nur schwer bewohnbar geworden sind. Doch der Algorithmus Equilon verspricht Gleichberechtigung und ein Leben in Wohlstand. Zumindest dann, ...

Eine Zukunft, in der viele Teile der Welt durch den Klimawandel nur schwer bewohnbar geworden sind. Doch der Algorithmus Equilon verspricht Gleichberechtigung und ein Leben in Wohlstand. Zumindest dann, wenn man den Score für die „Eine Milliarde“ knackt und nach New Valley, dem Zentrum des Fortschritts und Wohlstands, ziehen darf. So wie Jenna.
Dorian hingegen kann und will sich nicht hocharbeiten wie Jenna. Dennoch führt auch sein Weg auf abenteuerliche Weise nach New Valley. Und schließlich sind da noch die Rebellen, eine Gruppe von Menschen, die das System anprangern und es umstürzen wollen.

„Equilon“ ist ein solider SciFi-Roman. Er ist sicher nicht perfekt. Dafür laufen manche Erzählstränge und Szenen zu nahtlos ineinander über und wirken dann etwas konstruiert. Auch die Welt, die beschrieben wird, setzt sich teilweise erst relativ spät im Laufe der Geschichte zusammen. Es bleiben lange Zeit weiße Flecken bezüglich der Entstehung und dem „Funktionieren“ dieser Zukunft, was etwas irritiert.

Der Fokus liegt stattdessen sehr auf den Figuren und auf dem Element der Weltrettung. Das sorgt aber gleichzeitig dafür, dass der Roman nicht an Spannung verliert, stets ein ordentliches Tempo draufhat und im Großen und Ganzen gut unterhält. Und genau das erwartet man von einem guten SciFi-Roman schließlich auch.

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Veröffentlicht am 05.02.2023

Eindringlich und komplex

Macht
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Ein Foto im Innendeckel von Heidi Furres Roman "Macht" zeigt, wie die Künstlerin Niki de St Phalle auf eine Wand schießt. Diese berühmten "Schießbilder" von St Phalle sind Teil eines persönlichen Verarbeitungsprozesses ...

Ein Foto im Innendeckel von Heidi Furres Roman "Macht" zeigt, wie die Künstlerin Niki de St Phalle auf eine Wand schießt. Diese berühmten "Schießbilder" von St Phalle sind Teil eines persönlichen Verarbeitungsprozesses von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung.

Mit dem erlebten Trauma fertig zu werden, es zu verarbeiten, darum geht es in Furres Roman. Genau wie Niki de St Phalle verbirgt und unterdrückt die Protagonistin die erfahrene Vergewaltigung jahrelang. Sie heiratet und wird Mutter. Doch die Nähe und Verbindung zu ihrem eigenen Kind löst Ängste aus und lässt Unterdrücktes wieder an die Oberfläche dringen.

Alles in ihrem Alltag scheint sie an das Erlebte zu erinnern. Da ist der Schauspieler, dem sie auf ihrer Arbeit begegnet und dem vorgeworfen wird, dass er eine sexuelle Straftat begangen hat. Da ist die Angst in der Dunkelheit, auf einsamen Wegen, der Besuch beim Zahnarzt, die Angst davor, was ihre eigene Tochter eines Tages erleben konnte oder die Nachbarskinder...

Die Vergewaltigung nimmt einen immer größeren Raum in ihrem Leben ein. Und gleichzeitig kann sie das Wort nicht denken, geschweige denn aussprechen. Stattdessen bewahrt sie mit aller Macht den Schein. Ihr Äußeres ist ihr wichtig. Sie will nicht negativ auffallen, in keine Opferrolle gedrängt werden. Macht über die Fassade zu haben, bedeutet für sie, die Kontrolle über ihr Leben zu behalten.

Furres Roman fokussiert sich auf die Spuren, die eine Vergewaltigung in der Psyche des Opfers hinterlässt. Er zeichnet den jahrzehntelangen Kampf mit dem Trauma nach und stellt gleichzeitig die Frage nach Mutterschaft, Sexualität, Erwartungen und Macht.

"Macht" ist ein eindringlicher und komplexer Roman, der dem Thema der sexueller Gewalt in der Hinsicht gerecht wird, als dass er aus dem Innersten seiner Protagonistin erzählt. Zwischen Leser*in und Protagonistin steht keine Erzählstimme, die eine Distanz schafft. Die Protagonistin selbst wirkt daher zu jeder Zeit mit dem, was sie denkt und fühlt, glaubhaft und das ist sicherlich die Stärke dieses Buchs.

Weniger überzeugend ist jedoch das Ende, das sich vom Rest der Geschichte abhebt und etwas zu literarisch konstruiert wirkt. Auch manche Aspekte, die im Laufe des Romans aufgeworfen werden, finden keinen richtigen Abschluss. Das ist zwar bedauerlich, aber letztlich nicht schwerwiegend genug, um diesen Roman nicht zu empfehlen. Denn dafür ist sein Thema zu wichtig und die Umsetzung insgesamt, von den erwähnten Schwächen abgesehen, zu gelungen!

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Veröffentlicht am 22.10.2022

Das Schicksal einer mythischen Frauenfigur

Die Meerjungfrau von Black Conch
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Vor Hunderten von Jahren wurde Aycayia von den Frauen ihres Stammes wegen ihrer Schönheit verflucht. Fortan fristet sie ein einsames Leben als Meerjungfrau. Doch dann wird sie durch die Lieder des Fischers ...

Vor Hunderten von Jahren wurde Aycayia von den Frauen ihres Stammes wegen ihrer Schönheit verflucht. Fortan fristet sie ein einsames Leben als Meerjungfrau. Doch dann wird sie durch die Lieder des Fischers David zu dessen Boot gelockt und es entwickelt sich eine Freundschaft. Bis Aycayia während eines Fischerwettbewerbs von zwei Amerikanern gefangen wird. Doch David rettet Aycayia und versteckt sie bei sich Zuhause. Er ahnt nicht, dass weder der Fluch noch die Dorfbewohner die Meerfrau in Ruhe lassen werden.

Monique Roffey erzählt in “Die Meerjungfrau von Black Conch” ausgehend von der fantastischen Figur der Meerjungfrau von Kolonialismus und Unterdrückung. Black Conch, der Ort, an dem die Geschichte spielt, steht dabei stellvertretend für die Länder der Karibik und besonders für Trinidad und Tobago. Die Geschichte des Landes, die Besiedlung, die Ausrottung der Einwohner und die Inbesitznahme durch die Weißen werden im Laufe des Romans nachgezeichnet. Dies geschieht wie nebenbei, entfaltet sich parallel zur Hauptgeschichte und ist gerade deshalb so bemerkenswert.

Auf sprachlicher Ebene gelingt es Roffey diese Themen umzusetzen, das Schicksal der mythischen Figur mit der Geschichte und Gegenwart eines Landes zu verknüpfen. Doch schon vor Beginn der zweiten Hälfte des Romans schleichen sich Längen ein. Die Handlung staut sich dann, driftet in manchen Momenten gar ins Kitschige ab. Das ist schade, besonders nach dem starken Beginn und deshalb fällt diese Rezension insgesamt etwas weniger positiv aus als ich mir es selbst erhofft hatte. Alleine Gesine Schröders großartige Übersetzung hat ein uneingeschränktes Lob verdient.

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