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Veröffentlicht am 03.03.2023

Lose und vage

Ich. Sie. Die Frau
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„Ich. Sie. Die Frau“ geht den möglichen Versionen eines Lebens nach. Mal ist die Protagonistin mit einem Mann verheiratet, dann verliebt sie sich in eine Frau. Sie kann Affären und Geliebte haben, ist ...

„Ich. Sie. Die Frau“ geht den möglichen Versionen eines Lebens nach. Mal ist die Protagonistin mit einem Mann verheiratet, dann verliebt sie sich in eine Frau. Sie kann Affären und Geliebte haben, ist selbst Schriftstellerin oder die Figur im Roman ihrer eigenen Freundin.

Diese möglichen Varianten sind im Roman gleichwertig. Sie folgen nicht aufeinander, bedingen sich nicht, sondern stehen nebeneinander. Im Grunde besteht der Roman somit aus mehreren Geschichten, die selbstständig sind und denen es oft an Verbindungen fehlt. Als Leser wünscht man sich mehr Tiefe während man durch diese unterschiedlichen Leben geht und sie miteinander in Verbindung zu setzen versucht. Es hätte mehr roter Fäden bedurft, damit der Roman sein Potential hätte entfalten können. So wirkt alles äußerst lose und vage.

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Ermüdend und aufgesetzt

bitterer zucker
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“Zu behaupten, ich hätte mich niemals über das Leid meiner Mutter gefreut, wäre eine glatte Lüge.”

Mit diesem Satz beginnt Avni Doshis Debütroman “Bitterer Zucker”, der die Geschichte einer schwierigen ...

“Zu behaupten, ich hätte mich niemals über das Leid meiner Mutter gefreut, wäre eine glatte Lüge.”

Mit diesem Satz beginnt Avni Doshis Debütroman “Bitterer Zucker”, der die Geschichte einer schwierigen und von Konflikten getragenen Beziehung zwischen Mutter und Tochter erzählt. Das Verhältnis ist geprägt von Vorwürfen und von Erinnerungen an eine Vergangenheit, die für beide schmerzlich war. Nun, da die Mutter an Demenz erkrankt und pflegebedürftig ist, wird die Tochter mit ihren Erlebnissen aus der Kindheit und Jugend konfrontiert.

So vielversprechend der erste Satz auch klingen mag, so enttäuschend ist der gesamte Rest des Romans. Er verliert sich in einem ständigen Hin und Her, trifft keine Aussagen und schafft es nicht, seine Charaktere glaubwürdig darzustellen. Außerdem fühlt sich keine der zwischenmenschlichen Beziehungen nachvollziehbar und authentisch an. Alles wirkt künstlich, aufgesetzt, gezwungen.

Letztlich ist der Roman ermüdend und vermag es nicht, unter die Oberfläche dessen zu dringen, was er zu erzählen versucht. Er will den Anschein von psychologischer Tiefe erwecken, indem er zahlreiche literarische und gesellschaftliche en vogue-Themen einbaut, doch auch das ist zum Scheitern verurteilt.

Diese Geschichte einer Tochter, die sich um die demenzkranke Mutter kümmern muss, obwohl sie selbst in der Kindheit scheinbar vernachlässigt wurde, hätte eindrücklicher und einfühlsamer erzählt werden müssen. Leider ist das der Autorin nicht gelungen. Schade!

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Veröffentlicht am 15.03.2023

Roman mit Schwachstellen

Unterwasserflimmern
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Unterwasserflimmern erzählt die Geschichte einer jungen namenlosen Protagonistin, die ihren Partner mit anderen Männern betrügt. Sie fühlt sich gefangen in einem Leben, das von gesellschaftlichen Erwartungen ...

Unterwasserflimmern erzählt die Geschichte einer jungen namenlosen Protagonistin, die ihren Partner mit anderen Männern betrügt. Sie fühlt sich gefangen in einem Leben, das von gesellschaftlichen Erwartungen geprägt ist. Über ihren Kopf hinweg macht ihr Partner Zukunftspläne, kauft ein Grundstück und erwartet von ihr, dass sie schwanger wird. Dabei will sie noch keine so weitreichenden Entscheidungen treffen, will spontan sein und sich frei fühlen. Deshalb scheint die Flucht zunächst wie der einzige Ausweg.

Leider wird ihr Ausbrechen aus den Erwartungen und Konventionen im Laufe des Romans aber nicht vertieft. Stattdessen verliert sich die Erzählung und folgt einer Protagonistin, die sehr unreif, unentschlossen und fast schon kindisch wirkt. Ihr Verhalten ist geprägt von Verdrängung und Selbsttäuschung. Sie klammert sich an andere Menschen, macht sich abhängig von ihnen und hat Angst, selbstbestimmt zu leben. Außerdem versucht sie, ihrem Leben ausschließlich über die Sexualität Sinn und Bedeutung zu verleihen. Sie geht im Grunde mit (fast) jeder Nebenfigur in der Geschichte eine sexuelle Beziehung ein, was sie auf Dauer äußerst oberflächlich erscheinen lässt. Man könnte behaupten, dass es ihre Art der Freiheitssuche ist, aber letztlich verstrickt sie sich nur in Zweifeln, in Unentschlossenheit und in Ziellosigkeit. Einen Zustand der Freiheit und der Selbstsicherheit erlangt sie zu keinem Zeitpunkt.

Ehrlich gesagt, gefällt mir das Frauenbild, das dem Roman zugrunde liegt, überhaupt nicht. Schwache und abhängige weibliche Figuren hat es in der Literaturgeschichte zur Genüge gegeben. Ich hatte erwartet, dass der Roman den Leser mit einer weiblichen Figur konfrontiert, die sich auflehnt, die gesellschaftliche Erwartungen sprengt, die sich von den ihr angelegten Fesseln befreit und ihr Leben so lebt, wie sie es möchte. Der Höhepunkt meiner Enttäuschung war eine Vergewaltigungsfantasie der Protagonistin, die ich in keinster Weise nachvollziehen konnte und die auch im Bedeutungszusammenhang der Geschichte für mich keinen Sinn macht.

Diese Schwachstellen des Romans wiegen schwer. Gleichzeitig möchte ich aber betonen, dass die Autorin in einer flüssigen und klaren Sprache schreibt. Abgesehen von den vulgären Passagen, die meiner Ansicht nach den Erzählfluss hemmen, wie Einschnitte wirken und nichts zu der Geschichte beitragen, ist es mir leicht gefallen, mich mit der Sprache, dem Stil und dem Ton anzufreunden. Die erzählte Welt scheint durch die Klarheit und Direktheit der Sprache nah und greifbar.

Dieser Debütroman lässt hinter den Schwachstellen schriftstellerisches Talent erahnen und ich finde es schade, dass dieses durch die nicht sehr überzeugende Geschichte getrübt wird.

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Veröffentlicht am 24.07.2023

Enttäuschend

Cleopatra und Frankenstein
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Ein Treffen im Fahrstuhl an Silvester. Cleo lernt Frank kennen. Sie verlieben sich, heiraten. Der Roman geht all dem nach, was Einfluss auf eine Partnerschaft nehmen kann: Familientragödien, Freunde und ...

Ein Treffen im Fahrstuhl an Silvester. Cleo lernt Frank kennen. Sie verlieben sich, heiraten. Der Roman geht all dem nach, was Einfluss auf eine Partnerschaft nehmen kann: Familientragödien, Freunde und deren Probleme, Alkoholismus, Drogen, Depressionen, Einsamkeit, Treue und das sich Hingezogenfühlen zu anderen Personen.

Puh, also. Gerne würde ich mit etwas Positivem anfangen, aber leider überwiegen die negativen Eindrücke. Denn von Anfang an haben die Dialoge und Interaktionen zwischen den Figuren künstlich auf mich gewirkt. Unzählige Szenen waren melodramatisch, soapig. Der ständige Selbstinszenierungsdrang der Figuren hat total genervt! Nichts geht wirklich in die Tiefe, alles bleibt oberflächlich und Übertreibungen tragen dazu bei, dass eine Vielzahl der Handlungen nicht glaubwürdig wirkt. Die Beziehung zwischen Cleo und Frank, die im Mittelpunkt des Erzählten steht, ist außerdem ein ständiges, nicht nachvollziehbares und vor allem nerviges Hin und Her. Man will ihnen zuschreien: Trennt euch doch einfach! It's not that hard.

Das Buch wird als Porträt der Struggles von Millennials vermarktet und von Rezensenten mit den Werken von Sally Rooney verglichen. Weder bei Rooney noch hier finde ich mich als Millennial in irgendeiner Form wieder. Wenn das das Abbild von Millennials sein soll, dann ist entweder irgendwas an mir vorbeigegangen oder es ist einfach ein schlechtes Porträt.

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