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Veröffentlicht am 03.04.2024

Lesevergnügen ist anders...

Im Schatten des Blitzes
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“Im Schatten des Blitzes” ist der Auftaktband zu Brian McClellans neuer Serie “The Glass Immortals”. Übersetzt wurde es von Nicole Lischewski, herausgegeben von Cross Cult Entertainment - vielen Dank für ...

“Im Schatten des Blitzes” ist der Auftaktband zu Brian McClellans neuer Serie “The Glass Immortals”. Übersetzt wurde es von Nicole Lischewski, herausgegeben von Cross Cult Entertainment - vielen Dank für das Rezensionsexemplar! Beworben wird dieses neue Werk unter anderem mit grossen Worten und einer unbedingten Empfehlung von Brandon Sanderson. Und das war es tatsächlich auch, was mich auf das Buch aufmerksam gemacht hat. Die Erwartungen waren, gelinde gesagt, sehr hoch.

Demir Grappo, der Erbe der gleichnamigen Gildefamilie, wird durch den gewaltsamen Tod seiner Mutter aus seinem selbst auferlegten Exil gerissen. Zurück in der Hauptstadt Ossa sieht er sich genötigt, die geheimen Pläne der Verstorbenen weiter zu verfolgen. Denn diese allein können das kommende Chaos aufhalten, in welches das Reich zu stürzen droht. Denn der Zindersand - die Ressource, aus dem das magische Götterglas hergestellt wird - geht zur Neige. Während seine alte Freundin Kizzi Vorcien versucht, mehr über das frühzeitige Ableben der Grappo Matriarchin zu erfahren, muss Demir die Glasschmiedin Thessa finden. Aber da ist auch noch der Krieg, der die Sache nicht einfacher macht. Und dann wird es noch so richtig abgefahren…

Fangen wir mit dem “wunderbaren Weltenbau” an, wie Sanderson es ausdrückt. Ja, grundsätzlich gibt es hier einige interessante Elemente. So haben wir es mit einer geschlechts egalitären Gesellschaft zu tun, in der Sexualität kein Tabu ist und nicht heteronorm sein muss. Ausserdem wurde das Mittelalter erfrischenderweise überwunden, was es den Akteur:innen erlaubt, mit Schwarzpulver für grosse Knalleffekte zu sorgen. Ossa wird ausserdem von Gildefamilien regiert - Spionage und Intrigen inklusive. Und wirklich ziemlich originell: Magie ist eine handwerkliche Angelegenheit, die auf einer endlichen Ressource basiert. Leider haben sich diese vielversprechenden Elemente beim Lesen geweigert, sich zu einem Erlebnis zusammenzufügen. Das Setting ist für mich nicht zum Leben erwacht, ein- und abtauchen unmöglich.

Woran hat’s gelegen? Für mich ganz eindeutig: Am schrifthandwerklichen (Un)Vermögen des Autors. Zum einen betrifft das ganz banal den Schreibstil - der ist einfach so gar nicht meins. Und mir will keine bessere Beschreibung einfallen, als “plump” - in Form und Inhalt. Das fängt mit dem Infodumping an, ganz zu schweigen vom ständigen erklärenden Denken der Figuren und endet in leblos technischen Gedankengängen. Beschreibungen (vor allem von Magie und deren Wirkung) ähneln sich in ihrer nichtssagenden Einfallslosigkeit und irgendwann stach mir die Häufung des Wortes Glas schon fast schmerzhaft in den Augen. Der Schreibstil an sich finde ich vor allem langweilig und unschön. Letzteres dürfte wohl zu Teilen der Übersetzung geschuldet sein, während einige der wirklich behäbigen und unvorteilhaften Formulierungen dem Korrektorat anzulasten sind. Jedenfalls war es wahrlich kein Genuss zu lesen.

Eher fade waren auch die vier Perspektivfiguren Demir, Kizzie, Thessa und Idrian. Zum einen sind sie alle gleich geschrieben - keine Figur besitzt eine eigene Stimme oder Denkweise, nicht einmal eine besondere Einstellung. Keine Abwechslung. Als Leserin waren diese Figuren ausserdem eher langweilig, weil sie wie ein offenes Buch vor mir lagen. Ich wusste immer alles über sie. Keine Geheimnisse, keine Facetten, keine Überraschungen. Wenn die Figuren gerätselt haben, ob sie einer anderen vertrauen können, konnte ich nur müde gähnen - denn ich wusste es ja bereits. Auch Neuigkeiten, die jemand erfährt, waren für mich als Leserin nichts aufregendes. Wusste ich ja schon. Es gibt ausserdem kaum Konflikt zwischen den Perspektiven, jedenfalls keinen, der nicht fingiert wirkt.

Ganz allgemein war dieses Buch zu grossen Teilen sehr zäh und tendenziell langweilig zu lesen. Insgesamt war mir die Handlung zu konstruiert, um organisch zu wirken, die Geschichte zu fingiert und nüchtern, um mich zu packen und die Charaktere zu blass, um mich zu interessieren. Obwohl es einige Szenen gibt, die doch etwas Spannung haben aufkommen lassen, war der Payoff meistens irgendwie enttäuschend. Zum Schluss hin wurde die Sache dann etwas besser, weil dann doch das Tempo zugenommen hat und die Mordintrige spannende, wenn auch sehr abgefahrene Twists mit sich brachte. Das ist auch der Grund, weshalb ich durchaus zum zweiten Teil greifen möchte: Ich bin schon ziemlich gespannt, wohin diese neuen Wendungen noch führen. Die Aussicht, mich nochmals durch knapp 700 Seiten dieses Schreibstils zu arbeiten, reizt mich allerdings wenig. Vielleicht werde ich dafür also mal wieder zum englischen Original greifen.

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Veröffentlicht am 22.12.2023

Langweilig und hölzern

Magie der Pfeile
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Flin - genannt der Unsichtbare - ist ein Vogelfreier, der zusammen mit seiner Bande im Wald lebt. In Robin Hood Manier verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt, indem sie Händler:innen im Wald überfallen. ...

Flin - genannt der Unsichtbare - ist ein Vogelfreier, der zusammen mit seiner Bande im Wald lebt. In Robin Hood Manier verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt, indem sie Händler:innen im Wald überfallen. Aber natürlich nur ein wenig. Und so wirklich verletzten tun sie auch niemanden. Dafür teilen sie grosszügig mit den Dörflern am Waldrand. Bis es dem bösen Herzog eines Tages zu bunt wird - schliesslich stehen jetzt seine verräterischen Pläne auf dem Spiel. Da sein brutaler Kampfhund der Sache nicht Herr wird, setzt der Herzog nun seinen - vom eigenen Orden wegen seiner bösen Machenschaften ausgestossenen - Magier auf das Räuberpack an. Dabei geraten die aufbrausende Händlerin Triana und ihr Waldläufer aber zwischen die Fronten. Und ein paar Dörfler mischen auch noch irgendwie mit.


Grundsätzlich hätte das Konzept Potential. Jedenfalls die Charakterkonstellation. Denn die drei Bösen mögen sich eigentlich gar nicht. Die Händlerin ist zwar erst Freund mit dem Herzog, mag aber schon bald keine der Parteien mehr leiden. Und ein findiger Rebell im Wald erobert Leserherzen normalerweise im Sturm. Leider bleiben all diese aufgestellten Charaktere trotz einer eigenen Erzählperspektive farblos und seicht. Bei mir ist zu keinem eine emotionale Bindung entstanden, keine Identifikationsfigur hat sich mir angeboten. Es gibt weder Facetten noch Charakterentwicklung. Vielleicht liegt es auch teilweise an den vielen Perspektiven. Ich verbrachte mit niemandem genug Zeit, um mich emotional zu engagieren. Und wenn der Held mal Zeit im Rampenlicht verbringt, vergeudet er sie damit, über unwichtige Hintergrundgeschichten von Nebencharakteren zu schwadronieren. Oder mir Erklärungen seiner so sehr genialen Pläne zu liefern. Oder die Umgebung zu beschreiben.

Wenig hat mir auch der Schreibstil geholfen, mit der Geschichte oder den Charakteren warm zu werden. Wir bewegen uns hier im Bereich nüchtern und beschreibend. Nähe entsteht so nicht und die Sache wirkt etwas leblos und statisch. Stellenweise wird die Sprache dann auch hochtrabend und/oder altertümlich. Das liest sich - vor allem auch wegen der inkonsistenten Nutzung dieses Stilmittels - für mich eher hölzern.


Auch inhaltlich tröpfelt die Geschichte eher so vor sich hin. Die Finten der Bande sind entweder vorhersehbar oder ringen mir höchstens ein Augenrollen ab. Sie wirken oft umständlich konstruiert - wie der Plot im Allgemeinen. Die Figuren treffen oftmals - gelinde ausgedrückt - fragwürdige Entscheidungen, die schwer nachzuvollziehen sind. Eben weil Plot. Dieser folgt ganz offensichtlich dem Plan des Autors und entsteht nicht aus den Zwängen der Situation oder organisch aus den Figuren und ihren Persönlichkeiten heraus.


Im Grossen und Ganzen hat mich das Buch ziemlich gelangweilt. Das schliesst übrigens die Welt mit ein, die abgesehen von den ausgedachten Namen einfach nur ein sauber gewaschenes mitteleuropäisches Mittelalter ist. Mit etwas Dämonen und Waldmagie. Den Epilog habe ich mir dann nach der ersten Seite auch gespart, da es sich lediglich um einen Teaser für Band 2 handelt. Diesen werde ich mir auf jeden Fall nicht antun.

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Veröffentlicht am 03.11.2023

Eine YA Abenteuerromanze

Three Wishes - Überlebe um zu sterben
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Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks gewonnen. Gefreut habe ich mich auf ein märchenhaftes Abenteuer in einem ungewöhnlichen Setting - das alte Ägypten. Aus Gründen, die ich noch ...

Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks gewonnen. Gefreut habe ich mich auf ein märchenhaftes Abenteuer in einem ungewöhnlichen Setting - das alte Ägypten. Aus Gründen, die ich noch erörtern werde, habe ich das Buch nach Kapitel 10 abgebrochen (S.72 von 251).

Handlung und Hauptfiguren
Samira ist eine Dschinda. Als Kind musste sie mit ansehen, wie ihr ganzes Dorf ausgelöscht wurde, während nur sie und ihre Schwester überlebt haben. Ihrer Mutter konnte sie vor deren Tod noch versprechen, dass sie ihr Volk beschützen würde. Dafür muss sie aber durch die Duat, die Unterwelt reisen, um die Götter um Hilfe zu bitten. Dazu rekrutiert sie Kadir - einen misshandelten Tempelarbeiter/-sklaven, der dabei scheinbar wenig zu verlieren hat.

Samira erscheint mir als das typische tough Girl - allerdings mit einer leicht zu entfachenden romantischen Ader. Kadir soll Sympathie gewinnen, weil er misshandelt wird, es schweigend erträgt und trotzdem nett ist. Grundsätzlich funktioniert der Ansatz bei mir teilweise. Leider ist das dann aber alles, was man auf den ersten 72 Seiten von den beiden erfährt. Trotzdem die Geschichte abwechselnd aus Samiras und Kadirs Perspektive geschrieben ist - beide in Ich-Form. Für mich bleiben sie beide eindimensional und damit langweilig. Es gelingt mir nicht, mich in die Figuren einzufühlen (siehe Abschnitt Stil) oder Interesse an ihrem Schicksal zu entwickeln. Ihre Auseinandersetzung mit der Situation und mit sich selbst bleibt meiner Meinung nach oberflächlich.

Die beiden verlieben sich auch gleich von Beginn weg - so wird es jedenfalls erzählt. Die Chemie zwischen den Figuren ist für mich nicht spürbar. Die Liebesbeziehung und Gefühle wachsen für mich aus dem nichts heraus und die Ursachen bleiben vage. Es wird sehr schnell sehr intensiv und emotional - was mich völlig überrumpelt hat. Der romantische Kitsch ist leider auch nicht meins.

Auf der Flucht vor einem Mobb gelingt Samira und Kadir eine originelle Flucht. Dieses Ereignis hat mich noch einmal zwei Kapitel lesen lassen. Und vielleicht nimmt die Handlung noch irgendwo originelle Züge an - die Aussicht auf dieses Vielleicht konnte aber den Rest für mich nicht aufwiegen.



Stil

Für mich hat dieses Buch nicht viel märchenhaftes an sich.

Das hat für mich viel mit dem Erzählstil zu tun. Denn hier wird wirklich erzählt. Nur erzählt. Wenig gezeigt. Vieles ist eine Abfolge von Beschreibungen, die es mir nicht erlaubt, in das Erleben der Protagonisten einzutauchen. Selbst die Gefühle - eine analysierte Beschreibung. Das lässt bei mir als Leserin keine Emotionen aufkommen. Und keine emotionale Nähe zu den Figuren. Und das langweilt mich.

Weiter geht es mit der Sprache, die für mich sehr nach westlich moderner Jugendbuchsprache klingt. Das aussergewöhnliche Setting ist für mich nur als Kulisse wahrnehmbar, die zwar eine Rolle spielt, aber sich nicht zum Eintauchen anbietet. Das “westlich modern” erstreckt sich ausserdem auf die Charaktere, deren Stimmen, Gedanken und Motivationen. Eine young adult Abenteuerromanze auf einer Bühne des alten Ägyptens. Dafür wird ein Sprachbildklischee ums andere bemüht und ich fand wenig kreative Eigenkreationen.

Dazu kommt, dass die einzelnen Szenen für mich keinen (thematischen) Fokus haben. Zu jeder Zeit wird einfach alles wiedergegeben, was den beiden passiert, was sie sehen, denken und fühlen. Und so wird auch fröhlich von einem Thema zum anderen und gegebenenfalls wieder zurück gesprungen. Die Dialoge finde ich oft nichtssagend, manchmal gar hölzern oder überflüssig. Daran hat auch der Weggefährte nichts geändert, den die beiden in der Duat finden. Eher die Sache noch schlimmer gemacht - ich finde ihn weder witzig noch pfiffig.

Fazit
Leider hat dieses Buch meine Erwartungen enttäuscht und meinen Geschmack verfehlt. Märchenhaft fand ich weder die Sprache noch die Geschichte soweit ich sie gelesen habe. Dafür wurden unzählige Klischees und Tropes bedient, die bei mir viel Stöhnen und Augenrollen ausgelöst haben und mir, vermute ich, eine gute Ahnung vom Ausgang der Geschichte geben.

Zwei Sterne bekommt es der Fairness halber - denn ich habe die Geschichte ja nicht zuende gelesen.

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Veröffentlicht am 18.01.2024

Ein glücklicherweise kurzer Schrecken

Wir waren frei
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Wir waren frei” von Keah Rieger erzählt die Geschichte von Vinnie Chesterfield. Das sechzehnjährige Mädchen lebt auf Lex - einem künstlichen Kontinenten, der zwischen Südamerika und Neuseeland gepflanzt ...

Wir waren frei” von Keah Rieger erzählt die Geschichte von Vinnie Chesterfield. Das sechzehnjährige Mädchen lebt auf Lex - einem künstlichen Kontinenten, der zwischen Südamerika und Neuseeland gepflanzt wurde, als die Welt am Rande des Abgrunds stand. Dort sollten die wenigen Glücklichen Zuflucht finden vor Krieg und Klimawandel und vor grundsätzlich allem Bösen der alten Welt. Unter ihnen war der achtzehnjährige Paul, der in den Wirren der Zeit seine wirren Gedanken in einem Tagebuch festgehalten hat. Vinnie hingegen lebt 71 Jahre später und Lex ist inzwischen zu einem überfürsorglichen Staat geworden, der für seine Bürger alle Entscheidungen trifft. Und niemals falsch liegt. Auch die Partnerwahl legt Vinnie vertrauensvoll in dessen Hände. Bis sie ihren zukünftigen Ehemann trifft - und der so gar nicht dem entspricht, was sie sich immer erträumt und erhofft hat. Und als sie dann auch noch Pauls Tagebuch in die Finger bekommt, beschliesst Vinnie zu rebellieren.

Wo soll ich nur anfangen…?

Das Setting ist grundsätzlich nicht uninteressant. Ein künstlicher Kontinent als Rettungsschiff der Menschheit - lassen wir mal all die globalen klimatischen, politischen und logistischen Hürden, Konsequenzen etc ausser acht. Weil Jugendroman. Tun wir halt mal so, als ob…

Obwohl Paul zu Beginn von den “futuristischen” Strukturen schwärmt, ist in Vinnies Alltag davon wenig zu sehen. Ok, es gibt eine Magnetbahn. Ansonsten verlässt sich Lex aber auf den altmodischen Ackerbau, tätowierte Strichcodes, die zur Anwesenheitskontrolle gescannt werden (was ist aus den guten alten implantierten Chips geworden?), Erdöl als Energielieferant und überwacht seine Bürger mit einer Flut verpixelter Drohnenbilder. Weil Plot, weil Jugendbuch…?

Gesellschaftspolitisch lebt Lex nach dem Motto “Back to the 50s!” - Männer gehen arbeiten, Frauen gehören an den Herd. Und ausserdem gehören Letztere quasi Ersteren. Wie ein solches System sich aus einem Haufen Intellektueller der 30er Jahre des 21. Jahrhunderts entwickeln konnte, bleibt der Roman leider schlüssig zu erklären schuldig.

Zu Beginn der Geschichte ist Vinnie ein Kind ihrer Umstände und Erziehung - absolut staatshörig, folgsam und ihr ganzes Leben dreht sich um Hausarbeit und den Tag ihrer Hochzeit. Das macht sie glücklich. Als sie dem Auserwählten dann begegnet, bricht ihre Welt zusammen. Verständlich - ekelerregender hätte er nicht sein können. Vinnie geht sofort in Widerstand - auf ganzer Linie, mit aller Härte. Und verwendet dabei eloquent Konzepte wie Freiheit, Totalitärer Staat und Propaganda, als kenne sie diese schon ihr ganzes Leben. Wie Schuppen von den Augen fällt ihr, wie schrecklich das System ist, das sie zuvor noch nie in Frage gestellt hat. Und ich wünschte, ich könnte sagen, dass das Tagebuch sie dazu inspiriert. Dieser Eindruck entsteht allerdings nicht, da fast keine gedankliche Auseinandersetzung damit stattfindet und oft nicht einmal Parallelen zum Gelesenen bestehen. Ausserdem ist Paul über weite Strecken eher ein Systemmitläufer mit wenig Durchblick und noch weniger politischer Awareness und zugehörigem Vokabular.

Grundsätzlich passiert eher wenig und es gibt neben Vinnies Gedanken und verbalen Aufbegehren kaum Handlung. Bis sie sich dazu entschliesst, einen wirklich dummen Plan zu verfolgen, der jeglicher Logik entbehrt und noch dazu total unnötig ist. Das Ende ist nicht nur verstörend, sondern auch bar jeglicher thematischer Message. Es wirkt auf mich, als wären der Autorin hier einfach die Ideen ausgegangen.

“Wir waren frei” hat mich mit dem versprochenen Thema geködert: Freiheit vs Sicherheit. Wieviel Freiheit sind wir für unsere Sicherheit zu opfern bereit? Wieviel Sicherheit sind wir bereit für unsere Freiheit aufzugeben? Allerdings haben sich Setting, Figuren und Plot als äusserst fadenscheinig und unausgegoren entpuppt. Und ich konnte dem Buch auch thematisch nichts abgewinnen. Dazu waren all die jugendlichen Gedanken zu wirr und ziellos, die Charakterentwicklung zu willkürlich und haltlos. Das Beste, was ich über das Buch sagen kann: Es war immerhin kurz.

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