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Veröffentlicht am 22.09.2023

Das Mädchen und die Wildnis

Die weite Wildnis
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Lauren Groff: Die weite Wildnis
Englische Pioniere auf dem nordamerikanischen Kontinent, 17. Jahrhundert. Ein Mädchen läuft weg aus einer schrecklichen Situation. Nimmt einige wichtige Dinge mit sich ...

Lauren Groff: Die weite Wildnis
Englische Pioniere auf dem nordamerikanischen Kontinent, 17. Jahrhundert. Ein Mädchen läuft weg aus einer schrecklichen Situation. Nimmt einige wichtige Dinge mit sich (Beil, Trinkbecher, Sack, Decken, Handschuhe und Stiefel von einem toten Jungen). Rennt um ihr Leben, hört nicht auf zu rennen, versteckt sich in Felsspalten, hungert, findet Essen, isst alles Mögliche, vermeidet Menschen, wird mit Steinen beworfen, wird verfolgt. Versteckt sich in hinter einem Wasserfall, hungert, friert, ist krank, dem Sterben nahe. Überlebt und ….

Sie hat ständig Visionen von ihrem früheren Leben, von den Menschen, die ihr Böses antaten. Von den Menschen, die sie liebte, Bess, der Glasbläser, doch die sie verloren hat… Auf ihrer Flucht setzt sich sie mit Gott und ihren Visionen auseinander. Bietet sich einer Bärenmutter als Futter an, weil sie nicht mehr will, die Bärin verschmäht sie. Das Mädchen, die junge Frau, die reifer gewordene Frau, sie lebt einsam in der Wildnis, lernt mit ihr zu leben, überlebt, überlebt nicht…
Es ist ein ständiger Kampf. Sie ist klug, sie ist ein Kämpferin. Sie hat Fähigkeiten…

Ein Roman wie ein Gedicht – die Sätze fließen ineinander, in einer brutalen rauhen Sprache. Das Schicksal eines Mädchen, elternlos, Waise, Findelkind. Ausgebeutet, missbraucht, gedemütigt. Mitgerissen aus England in die Neue Welt. Die Fahrt auf dem Meer. In das Nordamerika des 17. Jahrhunderts. Siedler, die hungern, darben, verrohen. Kinder, die sterben, Männer, die sich nehmen, was sie nehmen wollen. Ist sie das Kind einer Käuflichen, ausgesetzt? War ihr Vater ein Seemann, denn auf dem Wasser fühlt sie sich wohl?
Vor kurzem las ich ‚Ich, Sperling‘, aus dem vierten Jahrhundert Europas. 13 Jahrhunderte später… In dem Buch Sperling ein männliches Kind, geraubt, verkauft, missbraucht. Im vorliegenden Buch ein weibliches Kind… Was hat sich geändert, was ist heute anders? Ist der Mensch die schlimmste Bestie auf Erden? (Bei so einem Roman wird man philosophisch...)

Die Autorin setzt mit dem Buch für das namenlose Mädchen, das viele Namen von anderen verpasst bekam (wie bei Ich, Sperling, ebenfalls ein namenloser Mensch, ein Ding…) ein Denkmal für die Namenlosen dieser Weltgeschichte… Unendliche Schicksale. Viele Schicksale.
Lauren Groff schreibt mitreißend, detailliert, es ist wie wenn man selbst auf dieser Flucht ist, vor wem, den anderen, sich selbst…Setzt sich mit ihr mit der Natur auseinander. Es braucht nicht viel, nur das Mädchen, die junge Frau. Die anderen sind Verfolger. Feinde? Manchmal schüttelte es mich vor Entsetzen. Und doch hätte ich mir gewünscht, dass die namenlose Flüchtende von den Menschen in Nordamerika, die ersten Bewohnern der Region, aufgenommen würde, ihr helfen, sie integrieren. Einerseits ja, denn sie legen, der Verückten, Essen in der Nähe ab. Andererseits wird sie mit Misstrauen beobachtet, denn leider hatte man schon schlechte Erfahrungen mit diesen Ankömmlingen gemacht…Ich hatte tatsächlich beim Lesen des Klappentextes erwartet, dass die Einheimischen ihr helfen, dass sie überlebt in Einklang mit der Natur. Kann man in der Natur überleben? Ist es - von mir gewollte - 'Edle Wilde' - Romantik?

Es ist ein Roman über das Menschsein überhaupt, über eine intelligente junge Frau mit Talenten und Fähigkeiten, die es schafft in der Wildnis zu überleben…
sie überlebt… doch, wie viel Einsamkeit kann ein Mensch ertragen, wie viel Bürde kann ein Mensch tragen, an wie vielen Erinnerungen geht man ein?

Ein gutes Buch, ein schwieriges Buch. Auf jeden Fall lesenswert!

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Veröffentlicht am 22.09.2023

Ein namenloser Mensch erzählt aus seinem Leben...

Ich, Sperling
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Ein namenloses Kind, ein Junge, krabbelt durch eine Küche, in der eine ebenso namenlose, aber wütende Köchin Fische zerlegt. Sie wirft dem Kind die Fischköpfe zu. Das Kind (geraubt? verkauft!) lebt in ...

Ein namenloses Kind, ein Junge, krabbelt durch eine Küche, in der eine ebenso namenlose, aber wütende Köchin Fische zerlegt. Sie wirft dem Kind die Fischköpfe zu. Das Kind (geraubt? verkauft!) lebt in einem Bordell. Ein brutaler Einstieg in den Roman, was soll diese Anfangsszene uns sagen? Nicht mehr als dass das Kind weit unter der Sklavin steht. Es ist ein Nichts. Der brutale Ex-Soldat Audo, Aufseher im Bordell, befiehlt der Köchin, den Jungen zu erziehen, zusammen mit einer Wölfin.

Der Roman ‚Ich, Sperling‘ spielt in der Antike, im Vierten Jahrhundert anno domini. Im spanischen Carthago Nova. Das römische Reich ist im Zerfallen. Die Christen dominieren mittlerweile mit ihrer Religion. Die alten Sitten verfallen, doch christliche Heuchlerei nimmt ebenfalls zu.
Der namenlose Junge wächst in dem römischen Bordell auf. In der Küche bei der Köchin, die nichts anderes als ‚Köchin‘ geheißen wird. Die gebildete Euterpes, eine der ‚Wölfinnen‘ genannten zwangsprostituierten Sklavinnen, nimmt sich mit der Köchin dem kleinen Jungen an. Beide Frauen lehren ihm die Welt… (zuerst im Bordell, dann in der Stadt…). Bereits als kleiner Junge kennt er nichts anderes als Arbeit und Schläge. Doch es kommt noch schlimmer, er muss ins Obergeschoss
(dort, wo die Frauen arbeiten, und muss als Lustknabe dienen). Euterpes erklärt ihm, dass Sklaven nichts anderes als ‚Dinge‘ sind, es gibt die ‚ dominus‘ und eben die ‚Dinge / die Sklaven und Sklavinnen‘. Der Junge erhält viele Namen, Puces (was einfach nur Junge heißt), Maus, Sperling, Kleiner, Antichous, und weitere. Er selbst nennt sich irgendwann Jakob.
Wissensbegierig und auf der Suche nach gefühlsmäßiger Annäherung an seine Wölfinnen, erlebt und erleidet er den engen Rahmen seiner Welt. Aus seiner Sicht beschrieben: Ich - der Sperling.

Der Roman ist harter Tobak. Nichts für zarte Gemüter. Aber wann war die Menschheit schon etwas für zarte Gemüter? Der Autor beschreibt seinen Roman aus der ersten Person Singular, der erzählende Sperling. Für Geschichtsinteressierte ein packender Stoff, interessant und gut recherchiert beschrieben.
Der Autor erklärt in seinen Anmerkungen, dass der Roman ein Fiktiver ist, er jedoch sein Wissen aus vielen wissenschaftlichen Büchern zusammengestellt hat (ein Anhang führt Bücher und Aufsätze auf). Dass diese Welt in der Antike (griechische, römische Antike) eine brutale Gesellschaft war ist belesenen Menschen bekannt – eine Sklavenhaltergesellschaft, in der wenige Herren (buchstäblich, denn auch ihre Frauen standen in der Hierarchie weit unter ihnen, danach kamen die Sklav:innen) das Sagen hatten. Auf die Vorstellungen der antiken Welt beruhen viele menschliche Errungenschaften der modernen Welt. Zum Glück demokratisiert, obwohl es weltweit immer noch Gesellschaften, Nationen, Kulturen gibt, wo der einzelne Mensch keinen Wert besitzt (Kanonenfutter, Organspender, Arbeitstier in ähnlicher Weise wie in der Antike, ohne Namen dieser boshaften Kulturen zu nennen). Es gibt auch heute noch Kulturen, wo Lesen restriktiv behandelt wird, wo das Internet eingeschränkt wird von den Herrschenden.

Es ist ein Roman, der nachdenklich macht über diese beschriebene Zeit, über unsere Zeit, über die Kulturen, in denen unsere ‚Freiheit‘ nicht gilt. Über eine Welt, in der acht Milliarden Menschen leben, von denen der größte Teil immer noch in einem fast Zustand wie in der, in dem Roman beschriebenen, Antike lebt. Zwar nicht unbedingt Sklave genannt, aber fast genauso rechtlos. Es erinnert an ‚Spartacus‘ und die Sklavenaufstände, es erinnert an Revolutionen, wo sich Menschen gegen die Unterdrücker gestellt haben…

Das bunte Umschlagsbild zeigt einen Vogel, ein Sperling (das Vögelchen, wie ihm von seiner geliebten Euterpes erklärt wird, das fliegen und hüpfen kann und sich daher aus der Hierarchie der Vögel etwas erheben kann). Dieses Beispiel führt den Jungen, den Mann dann durchs Leben… wird es zu schlimm fliegt er in Gedanken davon...Und doch erlebt der kleine Sperling auch schöne Momente. Das Umschlagsbild ist ein Bild aus Mosaiksteinchen zusammengesetzt, wie sie oft gefunden wurden an antiken Plätzen…

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Veröffentlicht am 09.08.2023

Snehild und das Runenamulett

Snehild - Die Seherin von Midgard
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Der Name allein: Snehild. Natürlich deutet das auf etwas Nordisches hin und alle, die nordische Sagen lieben, sind fasziniert. Ein 'muss' für Leserinnen, die das Nordische lieben.

Bereits mit dem Prolog ...

Der Name allein: Snehild. Natürlich deutet das auf etwas Nordisches hin und alle, die nordische Sagen lieben, sind fasziniert. Ein 'muss' für Leserinnen, die das Nordische lieben.

Bereits mit dem Prolog beginnt das Geheimnisvolle - der Überfall auf das Dorf, die werdende Mutter, die davonläuft, und die Geburt in der Schneehütte. Die Riesin, die Nornen, die dabei Paten stehen...
Himlinge (ein Wickingerdorf) - Snehild wächst hier auf, nachdem ihre Mutter Asdis
flüchten musste. Der Alltag ist geprägt von Bosheit, Intrigen, Eifersucht, Gewalt, doch auch von liebevoller Freundschaft. Durch die Mutter und ihrem Wissen der Magie steht Snehild letztendlich auch den Göttern nahe. Sie sammeln heilige Pflanzen und heilen.
Doch - wer ist Freund, wer ist Feind?

Im Alter von 12 Jahren muss Snehild fliehen, weil die Hohenpriesterin Ragnfrid sie den Göttern opfern will. Nun beginnt der intensive Teil der germanischen Mythologie (Reise durch die neun Welten). Völva (die neue Snehild) kehrt in das Dorf ihrer Jugend zurück - als Seherin.

Das offene Ende weist auf den nächsten Band der Reihe hin...
Das Umschlagsbild - wild, nordisch. Fantasievoll. Toll geschrieben, zieht von Beginn an in die Geschichte hinein. Spannend und liest sich rasant: Ein Ereignis folgt dem anderen... Der Klappentext hat mich natürlich gleich als Fan von 'Game of Thrones' und der 'Edda' eingekauft.
Hilfreich wäre jedoch ein Glossar mit den wichtigsten nordischen Begriffen und eine Übersicht über die Helden und Heldinnen der nordischen Sagen.

Autorin Anne-Marie Vedsø Olesen, Verlag Saga Edmont Fantasy, 450 Seiten (und mit 14 Euro recht günstig für den Umfang)

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Veröffentlicht am 09.08.2023

Russische Seele

Das Pferd im Brunnen
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‚Komm, Kleine, Süße, Zuckersüße...‘
Tanja mit ihrer Urenkelin, sie haben alle jung Kinder bekommen. Sie geht mit der Kleinen zu Nachbarinnen und das Kind tapst denen auf dem Rücken herum, gegen deren Schmerzen… ...

‚Komm, Kleine, Süße, Zuckersüße...‘
Tanja mit ihrer Urenkelin, sie haben alle jung Kinder bekommen. Sie geht mit der Kleinen zu Nachbarinnen und das Kind tapst denen auf dem Rücken herum, gegen deren Schmerzen… Wie praktisch. Alles war praktisch organisiert in der UdSSR, dem Land des Mangels. Man pflanzte selbst an. Man half sich wie es ging. Man hielt Hühner und züchtete die auch selbst. Ob wirklich ein Pferd in den Brunnen gefallen war, ist nicht sicher. Genauso wenig ob es wirklich ein Brunnen ist, was da mit viel Holz verrammelt liegt...
Die Erzählung berichtet von der heimlichen Taufe, von der Todestruhe der Urgroßmutter (in der ihr Todeshemd, die Schuhe und ein Kissen ruhen, wo sie alle Haare von ihr sammelte…in dem sie dann später Nina tatsächlich beerdigte...)

Ossip Mandelstam sagte, in Russland werde die Dichtung geachtet, weil die Literaten erschossen werden. So kann Valery Tscheplanowa froh sein, dass sie im Westen lebt. Und so kann sie von der schwermütigen russischen Seele erzählen… und eine jede, die auch Spuren dieser Seele in sich trägt, kann nachforschen, wie viel davon noch in ihr steckt…

Tanja, Nina, Lena (daneben noch so ein wenig Micha, Walja, Jura, Slawa der Einbeinige, die Kranken, die Nachbarinnen...). In kurzen Kapitel entrollt sich ein brutales Leben, geprägt von Kargheit, Schlangenstehen, Weggehen, Verlassen, Radieschensalat und diesem angeblichen Pferd in einem eventuellen Brunnen.
Man hilft sich gegenseitig, man hilft sich selbst. Das Leben ist kein Rosengarten, das Leben lässt nur die Starken überleben und Nina will stark sein. Ihr Kirschmündchen zieht sie an wie die Motten das Licht, doch dann wirft sie Nina wieder aus dem Haus. Sie ist brutal, aber sie überlebt...

Die russische Seele...(von der ich auch ein wenig in mir trage).

Das vor Freude, Farbe und Lebensgier strahlende Titelbild hat mich angezogen. Orange grün. Und auf den Titel war ich neugierig. Zum Glück nur 192 Seiten, sonst wäre ich depressiv geworden.

Die Autorin ist Schauspielerin, heißt es auf dem Klappentext. Die Sprache ist prosaisch, teilweise wie Gedichte.

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Veröffentlicht am 09.08.2023

Tür - Schlossgespenster

Zippel macht Zirkus
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Was für eine tolle Idee - Geschichten um zwei klitzekleine Türschlossgespenster. Schlossgespenster existieren ja so viele, aber Türschlossgespenster?

Frau Wilhelm, ganz oben unterm Dach, hat Quokel bei ...

Was für eine tolle Idee - Geschichten um zwei klitzekleine Türschlossgespenster. Schlossgespenster existieren ja so viele, aber Türschlossgespenster?

Frau Wilhelm, ganz oben unterm Dach, hat Quokel bei sich in Türschlössern wohnen. Und da ist noch Zippel. Paul von unten, der beide Schlossspenster gut kennt, verhindert mit Oma Wilhelm, dass sie entdeckt werden. Bei Frau Wilhelm steht so ein alter Schrank mit nur Schlössern drin. Wie praktisch für Schlossgespenster. Der quicklebendige Morgengeist Zippel flitzte durch die Regenrinne, hat alle Teelöffel geklaut und erst die Dusche von Paul bringt ihm von seinem Morgenlärm weg.
Allein der Einstieg ist so mitreißend. Doch dann folgen die Abenteuer mit dem Zirkus in Italien. Die Türschlossgespenster besuchen mit Paul und seiner Nachbarin den Zirkus Giacometti. Der Zirkus muss vor dem Zauberer Burlesconi gerettet werden.

Die Illustrationen von Axel Scheffler ergänzen die Geschichte von Alex Rühle einfach auf eine tolle Art. Dazu ein kunterbuntes Titelbild, was die Fantasie anregt. Und dann natürlich ‚Awachsanaquatsch‘ und ‚Abajetztmachendlich‘ und ‚Kanne ohni‘ und ‚Kanne mit‘. Auch die italienischen und österreichischen Wortfetzen passen zu der gesamten Geschichte. Doch am Besten setzt man sich mit dem Kind zusammen und erklärt dann diese ihm eher unbekannte Worte. Daraus lassen sich dann wieder eigene Wortspiele bilden… auch Fantasieanregend! Einfach ein herzallerliebstes Kinderbuch (und schon, wie es heißt, das dritte seiner Art).

"Zippel macht Zirkus", Alex Rühle / Autor, Axel Scheffler / Illustrator
dtv Verlag, 15 Kapitel, 136 Seiten

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