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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.02.2023

Wichtiges Thema, für mich zu eindimensional erzählt

Macht
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▪️Schwierig.
Objektiv hat der Roman alles, was mir sonst eigentlich gut gefällt. Intensive Introspektiv einer weiblichen Hauptfigur. Das Thema Macht und Machtverteilung.

▪️Trotzdem bin ich ...

▪️Schwierig.
Objektiv hat der Roman alles, was mir sonst eigentlich gut gefällt. Intensive Introspektiv einer weiblichen Hauptfigur. Das Thema Macht und Machtverteilung.

▪️Trotzdem bin ich nicht begeistert. Ich habe jetzt einige Zeit darüber nachgedacht, warum mich der Roman so kaltlässt und konnte den Grund nicht wirklich ausmachen. Vielleicht ist es die für mich fehlende Mehrdimensionalität? Die schriftstellerisch erzeugte Distanz? Emotional ist einfach nur wenig bei mir angekommen.

▪️Im Zentrum des Romans steht die Erzählperspektive der Ich-Erzählerin. Sie wurde vor einigen Jahre vergewaltigt und erfuhr durch diesen gewaltsamen Übergriff ein massives Gefühl von Machtlosigkeit. Mit der Geburt ihres ersten Kindes, ein Sohn, erfährt sie erneut ein Gefühl von Machtlosigkeit über ihren Körper und das eigentlich gut verdrängte Trauma wird erneut getriggert. Zudem trifft sie bei ihrer Arbeit als Pflegerin seit kurzem einen bekannten Filmstar, der der Vergewaltigung beschuldigt wurde, aber vor Gericht und zum Teil auch in der Gesellschaft freigesprochen wurde.
Sie selbst hatte damals nur wenigen von der Vergewaltigung erzählt und sie nicht zu Anzeige gebracht. Auch ihr Mann weiß davon nichts. Darüber zu sprechen oder nicht, ist in ihren Augen die wenige Macht, die ihr noch bleibt.

▪️Die Beschreibungen, mit welcher Zwanghaftigkeit die Erzählerin versucht die Kontrolle und Deutungshoheit über ihr Leben zu behalten, haben mir gut gefallen.
Interessant fand ich auch die letzte Diskussion mit ihrer Freundin Frances über die Konsequenzen eines Outings. Für die Künstlerin Niki de Saint Phalle, die erst 53 Jahre nach der Tat in ihrem Buch „Mon Secret“ die Worte „ich wurde vergewaltigt“ finden konnte, wird es wie zu einem zusätzlichen Attribut. Beeinflusst dieses Wissen unseren Blick auf ihre Werke? Und wenn ja, was wäre die Alternative?

▪️Darauf kann es nur eine Antwort geben: dass niemand vergewaltigt!
(Ich schreibe hier bewusst nicht,… „dass keine Vergewaltigungen passieren“, denn sie passieren nicht einfach so. Sie werden begangen).

Trotz des starken und wichtigen Themas kein Roman der mich emotional erreicht hat.

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Veröffentlicht am 02.02.2023

Lesenswert!

Die Perfektionen
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Ich las diesen schmalen Roman in einem Rutsch durch. Dieses subtile Porträt zweier Leben faszinierte mich unter anderem auch deshalb, weil es, oberflächlich gesehen, mit meinem Leben und sozialen ...

Ich las diesen schmalen Roman in einem Rutsch durch. Dieses subtile Porträt zweier Leben faszinierte mich unter anderem auch deshalb, weil es, oberflächlich gesehen, mit meinem Leben und sozialen Umfeld nicht viel gemein hat.
Theresia Enzenberger nennt diesen Roman auf dem Klappentext einen Berlinroman, lakonisch, satirisch, glänzend.

Damit ist klar, wo der Roman spielt: in Berlin, diesem pulsierenden, facettenreichen melting pot.
Latronico beginnt seinen Roman mit einer ausufernden detailreichen Beschreibung einer Wohnung, besser gesagt mit dem Bild einer Wohnung. Die Wohnung ist hip wie in hipster, voller shabby chic, gewollt unangestrengt lässig und mit den unvermeidlichen Monstera Pflanzen. Mein inneres Auge weiß genau wie diese Wohnung aussieht, auf hunderten Instagram Fotos und Lifestyle Magazinen sah es sie schon.
Es ist die Wohnung des nach Berlin gezogenen Pärchens Anna und Tom. Beide arbeiten selbständig als Graphik Designer, sie sind jung und das Leben ist unkompliziert und schön.
Diese Unkompliziertheit bringt schon in diesen ersten Berliner Jahren eine gewisse Unverbindlichkeit und Beliebigkeit mit sich, die sich auf Freundschaften, Arbeitsleben und Sexleben gleichermaßen ausdehnt. In Anna und Tom keimt eine Unzufriedenheit, die beide aber nicht greifen oder benennen können.

„Sie fürchteten zufrieden zu sein, weil sie sich zufriedengegeben hatten.“

Die perfekten Bilder, denen sich beide ohne Unterlass auf Social Media aussetzten, verstärkt das Gefühl von innerer Leere und Sinnlosigkeit, ohne dass sie es merken oder gar ändern könnten.

Als sich mit den Jahren Berlin verändert, gentrifizierter wird, und ihre Freunde in ihre jeweiligen Heimatländer zurückkehren oder eine Familie gründen, wächst in Anna und Tom die Sehnsucht nach einem neuen Aufbruch.

Ich habe den Begriff „Generationenporträt“ zu diesem Roman gelesen. Anna und Tom werden nicht als Individuen beschrieben, sondern sind Stellvertreterinnen für ein sehr kosmopolitisches urbanes Umfeld, in dem sicher nicht ihre ganze Generation zu Hause ist. Doch dieses innere Bild von dem perfekten Leben, das immer nur oberflächlich perfekt aussieht, sich aber nie perfekt anfühlt, steht universell für die Suche nach einem Leben mit Bedeutung und Sinnhaftigkeit, nach dem wir alle streben.

Mir hat Latronicos vielschichtiger und interpretationsoffene Roman sehr gut gefallen. Ich las ihn eher als beschreibend, denn als wertend. Latronico überlässt es mir als Leser
in ein persönliches Fazit zu ziehen oder aber auch nicht. Zu überlegen, ob ich selbst in den „Gefängnissen des Überflusses“ stecke.

Für mehr Buchvorstellungen besucht mich auf Instagram (@lustaufliteratur)!

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