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Veröffentlicht am 14.07.2023

Ein toller neuer Fall für Commissario Grauner

In tiefen Seen
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Am Rande eines Waldes stehen Commissario Grauner und sein neapolitanischer Kollege Saltapepe vor der grausam zugerichteten Leiche eines Mannes. Im nahegelegenen Dorf hüllen sich die Bewohner in Schweigen. ...

Am Rande eines Waldes stehen Commissario Grauner und sein neapolitanischer Kollege Saltapepe vor der grausam zugerichteten Leiche eines Mannes. Im nahegelegenen Dorf hüllen sich die Bewohner in Schweigen. Niemand will den Toten, einen verarmten Maler, näher gekannt haben. Erst ein Kunstexperte liefert den entscheidenden Hinweis: Die Inszenierung der Leiche ist dem Gemälde Botticellis Venere nei boschi - Venus im Wald nachempfunden, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs als verschollen gilt. Während Saltapepe bis nach Florenz fährt, um mehr über die Geschichte des Gemäldes herauszufinden, ermittelt Grauner in den Tiefen eines Bergwerks. Als ein dunkles Grollen ertönt, ahnt er, dass er dieses Mal zu viel riskiert hat.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Dieser Band fängt mit einem Paukenschlag an! Ein grausamer Mord, grotesk inszeniert wie ein Gemälde, und ein Tal, das schweigt, bringen Commissario Grauner durch seine Ermittlungen in Gefahr. Die Kunstszene, die in Südtirol eher ein Schattendasein fristet, rückt ins Rampenlicht und mit ihr Verbrechen längst vergangener Tage. Wer den Schneeberg kennt, der das hinterste Passeiertal mit dem Ridnauntal verbindet, und auch das ein oder andere Museum besucht oder eine Bergwerkbesichtigung erleben durfte, kann sich hier im 8. Südtiroler Kriminalfall örtlich sehr gut zurechtfinden. Lenz Koppelstätter ist mit der Verbindung von Kunst und Geologie ein durchaus cleverer Schachzug gelungen, der die Ermittlungen in zwei interessanten Fachgebiete führt. Da passen die kurzen Kapitel mit wechselnden Schauplätzen und Handlungssträngen und die zeitliche Einteilung. Das Tempo ist durchwegs hoch und das Buch liest sich ausgenommen gut und schnell.
Anders als in den vorherigen Büchern scheint Commissario Grauner in diesem Fall eine eher zurückhaltende Rolle einzunehmen. Grauners Assistenten Ispettore Saltapepe und Silvia Tappeiner sowie Staatsanwalt Belli treten hingegen eindeutig in den Vordergrund. Wenngleich die Krimis bis jetzt auf Grauners Charakter zugeschnitten waren, hat das Trio die __ toll übernommen und überzeugt. Wie es mit dem Commissario weitergeht und ob sich das flippige Bauernhofprojekt von Grauners Tochter bald umsetzen lässt bleibt momentan noch offen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht: der 9. Fall erscheint im Januar 2024.

Fazit
Im bisher 8. Fall des Commissario Grauner und seinem Team geht es um Kunstschätze, die während des 2. Weltkrieges in den Südtiroler Bergen versteckt wurden. Nachdem Grauner mit seinen Ermittlungen in Gefahr gerät, übernehmen Ispettore Saltapepe mit seiner Kollegin Silvia Tappeiner und Staatsanwalt Belli die Aufklärung. Ein toller neuer Fall!

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Veröffentlicht am 11.07.2023

Gotthardtunnel - die Realisierung eines Jahrhundertprojektes

Bergleuchten
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„Bergleuchten" der Autorin Karin Seemayer erzählt von der 10 Jahre dauernden Realisierung des 17 km langen Gotthardtunnels, die 1872 unter der Leitung von Louis Favre in Angriff genommen wird. Das Vorhaben ...

„Bergleuchten" der Autorin Karin Seemayer erzählt von der 10 Jahre dauernden Realisierung des 17 km langen Gotthardtunnels, die 1872 unter der Leitung von Louis Favre in Angriff genommen wird. Das Vorhaben stößt nicht nur auf Zustimmung, sondern kritisch sehen die Fuhrunternehmen den Bau, die mit ihren Pferdekutschen für den Warenaustausch von Nord nach Süd über den Gotthardpass ein einträgliches Geschäft haben. Sie fürchten um ihre Existenz und proben den Widerstand. Doch kann der Fortschritt nicht aufgehalten werden und als erster entschließt sich der Fuhrunternehmer Franz Herger, für die Gotthardbahngesellschaft zu arbeiten.
Rund um das 10jährige Großereignis des Gotthardtunnelbaus erzählt Karin Seemayer eine ansprechende Geschichte, die sich an tatsächliche Ereignisse und Personen anlehnt. Symbolisch verbindet sie den Einschnitt in den Berg mit den Umbruch im Leben der eher verschlossenen Berglandschaft. Äußerst informativ und gut recherchiert ist die Schilderung der Planung und Realisierung des Jahrhundertwerkes und die Darstellung der schwierigen Lebensbedingungen der italienischen Arbeiter. Auch die gesellschaftlichen Veränderungen in dem 300 Seelendorf Göschenen, das innerhalb kürzester Zeit weit mehr als 1000 Einwohner zählen wird, ist authentisch getroffen. Der gute lineare Aufbau des Romans, die treffenden Landschafts- und Personenbeschreibungen, die Einblicke in das Leben in dem engen Tal mit seinen strengen Sitten und die Wandlung, die durch die Zuwanderung der Arbeiter einhergeht, machen die Geschichte attraktiv und spannend. Dass der Roman auch eine Liebesgeschichte mit genügend Dramatik bietet, ist für viele Leser sicher ein Schmankerl und rundet die Geschichte zudem emotiv ab.

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Veröffentlicht am 04.07.2023

Eine radikale Darstellung eines selbstzerstörerischen Psychogramms eines modernen Antihelden

Knut Hamsun: Hunger (Deutsche Ausgabe)
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Klappentext der Anaconda Ausgabe von 2023:
Es war in jener Zeit, als ich in Kristiania umherging und hungerte, in dieser seltsamen Stadt, die keiner verlässt, eher er von ihr gezeichnet worden ist ….
Mit ...

Klappentext der Anaconda Ausgabe von 2023:
Es war in jener Zeit, als ich in Kristiania umherging und hungerte, in dieser seltsamen Stadt, die keiner verlässt, eher er von ihr gezeichnet worden ist ….
Mit diesen Worten beginnt der große Roman des norwegischen Literaturnobelpreisträgers Knut Hamsun, mit dem ihm 1880 der Durchbruch gelang. Atemlos verfolgt der Leser, wie ein namenloser, erfolgloser Journalist und Schriftsteller durch Kristiania, das heutige Oslo, treibt und dabei mehr und mehr in Elend gerät. Obdachlos hungert, friert, fantasiert er durch die Straßen. Die Außenwelt, Scham und Stolz verstellen ihm den Weg in ein gesichertes Leben.
Hunger ist ein radikaler Roman und Meilenstein modernen Erzählens, der bis heute seine Leser zeichnet.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Lieblingsbücher sind Bücher, die einen finden. Das sind nicht unbedingt die besten oder Lesehighlights, sondern jene, die für einen geschrieben sind. Ich habe nur wenige Lieblingsbücher: Radetzkymarsch – Deutschstunde – Leinsee und ab nun auch Hunger.
Hamsun, sagt Roger Willemsen, kann etwas, was nur große Schriftsteller zustande bringen: Er hat die große Fähigkeit die Geschichte zu erzählen, die er nicht erzählt. So ist es in „Hunger: Er schreibt über den namenlosen Protagonisten und seine Schwierigkeiten, mit seinem Können Geld zu verdienen und in diese Erzählung schleicht sich eine zweite ein, mit dem Hunger in der Hauptrolle. Wie Hamsun die Veränderung des Protagonisten schonungslos offenlegt, sein Innerstes entblößt und die Anstrengungen, die der Protagonist unternimmt, um den damaligen gesellschaftlichen Regeln zu genügen, ist erschütternd. Der Protagonist verfällt in den Wahnwitz des Hungers, wird leer und schmerzfrei. Sein Wahnsinn wird ein Delirium der Schwäche und der Erschöpfung und die Sorge wahnsinnig zu werden, verstört ihn zutiefst. Zu der geistigen Auswirkung kommt die körperliche hinzu, die ihn entstellt, sodass die Leute auf der Straße bei seinem Anblick erschrecken.
Der Protagonist ist sich seiner Situation durchaus bewusst. Diese Selbstreflexion der Demütigung und Entehrung, die der verarmte Journalist erfährt, wird von Hamsun nicht expressiv erzählt, sondern aus den Zwischenräumen herausgearbeitet. Das macht die Größe aus und das ist das Radikale an Hamsuns Erzählkunst, mit welcher er die Moderne einläutet.
Hamsun gilt in Norwegen noch heute als größter Erzähler. Im deutschen Sprachraum hingegen ist er vergessen worden. Es wäre schön, wenn ich mit diesem Beitrag den einen oder anderen Literaturliebhabenden hiermit wieder auf ihn aufmerksam machen könnte.

Fazit
In seinem großen Roman „Hunger“ beschreibt Hamsun was es bedeutet, nichts zum Essen zu haben und was dieser Zustand mit dem namenlosen Protagonisten macht. Das Buch ist eine radikale Darstellung eines selbstzerstörerischen Psychogramms dieses modernen Antihelden.

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Veröffentlicht am 23.06.2023

Ein zauberhaftes Buch über den Tod und die Würde, damit umzugehen

Oben Erde, unten Himmel
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Suzu lebt in einer japanischen Großstadt nach dem Motto Leben und leben lassen. Intimitäten überfordern sie, selten gibt sie etwas von sich preis oder ist neugierig auf die Geheimnisse anderer. Als sie ...

Suzu lebt in einer japanischen Großstadt nach dem Motto Leben und leben lassen. Intimitäten überfordern sie, selten gibt sie etwas von sich preis oder ist neugierig auf die Geheimnisse anderer. Als sie ihre Stelle als Kellnerin in einer Familienrestaurantkette aufgrund fehlendem Liebreiz und Charme verliert, muss sie sich einen neuen Job suchen und findet sich bei einem Vorstellungstermin zusammen im Büro des Herr Sakais wieder. Dieser führt mit zwei Angestellten eine Firma, die sich auf Kodokushi spezialisiert hat.
Als Leichenfundortreiniger trägt Suzu nun mit ihrem Chef und ihren Kollegen Sorge dafür, dass aus Fundorten wieder Orte werden. Sie bringt sozusagen jemandes Dinge in Ordnung, die er selber, da er nun nicht mehr da ist, nicht tun kann.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Kudokushi, zu Deutsch in etwa „der einsame Tod“, ist in den Randbezirken Tokios Alltag und steht für das Sterben, das niemand bemerkt. Kudokushi ist ein düsteres und nicht rein japanisches Phänomen und eine Konsequenz der sozialen Vereinsamung. Milena Michiko Flašar hat darüber einen liebevollen, aufrichtigen Roman geschrieben, der durch seinen Optimismus und feinen Humor besticht.
Hätte Herr Sakai nicht relativ früh seinen Auftritt gehabt, mit seiner direkten herzlichen Art, aber auch mit der richtigen Strenge eines Firmeninhabers, der seine Mitarbeiter anfeuert, leitet und fördert – auch im privaten Umfeld, wäre ich wahrscheinlich nicht diesem besonderen Reiz des Buches erlegen, denn auf den ersten Seiten begleite ich Suzu, die ein recht einsames und düsteres Leben führt. Ihm spreche ich die tragende Rolle in diesem Roman zu, er trägt sein Herz auf dem rechten Fleck und ist imstande, Suzu und Takada, die beide wie in einer Blase eingekapselt und sozial isoliert leben, durch Mitgefühl sich gegenseitig und den Menschen zu öffnen. Unter seiner einfühlsamen und gleichzeitig strengen Führung verändern beide ihre Weltwahrnehmung, erkennen nicht nur die Würde des Menschen bis über seinen Tod hinaus, sondern den Wert zu Lebzeiten aufeinander zuzugehen und Interesse an dem Nächsten zu zeigen. Er lehrt sie eine Lebensschule, in der Respekt, Würde und Liebe zum eigenen Glück führen.
Wie die Journalistin Annemarie Stoltenberg in ihrem Beitrag auf NDR Kultur treffend formuliert, schreibt Milena Michiko Flašar mit Witz, Würde und Anmut.

Fazit
Mit ihrem Roman „Oben Erde, unten Himmel“ beschreibt Milena Michiko Flašar das Phänomen des einsamen Todes in einer der würdevollsten und liebevollsten Weise, die ich bis jetzt gelesen habe. Sie widmet sich diesem Thema mit Nonchalance und zaubert mit ihrem Optimismus und feinem Humor einen lebensbejahenden Roman.
Es geht darum, etwas für einen Toten zu tun, was man sonst nur für einen Lebenden tut.

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Veröffentlicht am 20.06.2023

Ein bezauberndes Kinderbuch und 2. Band mit Balsa, dem kleinen Kakapo

Der kleine Kakapo sucht die große Liebe
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Der kleine Kakapo Balsa ist in diesem zweiten Band groß geworden. Er wohnt immer noch als einziger Eulenpapagei auf dem Pako und obwohl ihn das zwar traurig stimmt, machte ihm dieser Umstand bis jetzt ...

Der kleine Kakapo Balsa ist in diesem zweiten Band groß geworden. Er wohnt immer noch als einziger Eulenpapagei auf dem Pako und obwohl ihn das zwar traurig stimmt, machte ihm dieser Umstand bis jetzt nicht so viel aus. Doch mit diesem Frühling kommen Veränderungen. Alle Freunde scheinen verrückt geworden zu sein und selbst Pikko streift nicht mehr mit ihm, sondern mit einem Kiwi-Mädchen durch die Nacht.
Da bietet ihm Pelikan Pinkus an, ihn auf den Tutoko zu fliegen, einen hohen Berg der direkt neben dem Pako liegt. Im Makori-Tal hat Pinkus eine Kolonie von Eulenpapageien entdeckt und möchte seinen kleinen Freund dorthin bringen. Was wird Balsa dort erwarten?

Meine persönlichen Leseeindrücke
Wie auch im ersten Buch „Der kleine grüne Kakapo“ muss man Balsa einfach gernhaben. Er ist einfach ein nettes, feines Kerlchen, dem ein liebevolles Miteinander, Fürsorge und Hilfsbereitschaft sehr wichtig sind.
Balsa war im Glück. Zum ersten Mal traf er auf andere Kakapos, und alle waren genau wie er!
Durch die geschickte und feinsinnige Erzählsprache wird dem kleinen Leser erklärt, welche Bedeutung der Frühling für die Tierwelt hat und wie das Paarungsverhalten der Eulenpapageien abläuft. Da muss der kleine Wissbegierige schon einiges aufmerksam lesen, denn wenngleich die Geschichte überaus gelungen ist, gibt es viel Text. Als Belohnung dafür gibt es wieder jede Menge Abenteuer und mit Fanny eine toughe Kakapodame.

Fazit
„Der kleine Kakapo sucht die große Liebe“ ist eine äußerst gelungene Fortsetzung des ersten Bandes „Der kleine grüne Kakapo“ und ein bezauberndes Kinderbuch. Die Abenteuer rund um den Frühling regen die Phantasie der kleinen Leser an und erklären, dass es in der Liebe nicht immer nur um Äußerlichkeiten geht. Das Buch eignet sich nicht nur zum Vorlesen, sondern ist auch für Grundschüler ab der 2. Klasse sehr geeignet.

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