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Veröffentlicht am 08.02.2021

Größenwahn oder gar Wahnsinn?

DAVE - Österreichischer Buchpreis 2021
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Mit „DAVE“ hat Raphaela Edelbauer einen bemerkenswerten Roman über Künstliche Intelligenz geschaffen.

Kann man eine Maschine mit all dem aus-und aufrüsten, was den Menschen ausmacht? Es braucht Typen ...

Mit „DAVE“ hat Raphaela Edelbauer einen bemerkenswerten Roman über Künstliche Intelligenz geschaffen.

Kann man eine Maschine mit all dem aus-und aufrüsten, was den Menschen ausmacht? Es braucht Typen wie Syz, die absolut an das Funktionieren der Künstlichen Intelligenz glauben. Die alles andere hintanstellen, um diese Technik voranzubringen, all die menschlichen Eigenschaften hinein programmieren wollen. In einer Blase arbeiten er und Gleichgesinnte wie die Besessenen an der Erfüllung ihres großen Traums: DAVE. Ausgestattet mir allem, was das menschliche Bewusstsein ausmacht.

Am Besten sollte man unvoreingenommen an dieses Buch herangehen. Sich Stück für Stück vorwagen in diese Blase, diese so ganz eigene Welt. Die Erde – es gab eine fürchterliche Katastrophe, ist unbewohnbar - so wird es ihnen von klein auf eingetrichtert. Sie alle arbeiten und leben in einer riesigen Kapsel, einem Schutzwall, denn nur hier kann die Menschheit überleben. Die ganz unten verrichten niedrige Tätigkeiten, je weiter es nach oben geht, desto angesehener sind sie, desto wichtiger wird ihre Arbeit.

Zahlreiche Programmierer und Wissenschaftler haben ein gemeinsames Ziel: DAVE als die Künstliche Intelligenz schlechthin zu entwickeln. Es braucht nur KI, der Mensch an sich ist Nutznießer seiner Fähigkeiten. Denn der kann nie so viel Wissen, so viele Emotionen, Intelligenz in sich vereinen, wie DAVE das schafft. So das ehrgeizige Ziel.

Die Sprache ist gewöhnungsbedürftig, wenn es etwa um Menschenmaterial geht. Auch stolperte ich zu Anfang über so manche Fachbegriffe. Schnell habe ich mich trotz allem eingelesen, musste zwar ab und zu diese Begriffe nachschlagen, was aber dem Lesegenuss keinen Abbruch tat. Im Gegenteil. So konnte ich nah an dieser doch recht irrwitzigen Geschichte bleiben. Eine Parallelwelt tut sich auf. Sehr surreale, ja utopisch anmutende, überspitzt dargestellte Szenen lassen mich schon nachdenklich werden. Was vermag KI wirklich? Sollte KI alles übernehmen? In alle Belange eingreifen? Der bessere "Mensch" sein? Die Maschine ist alles: Kann man das Wesen eines Menschen in all seinen Facetten so programmieren, dass – einmal geschehen – diese sich immerfort weiterentwickelt?

Das Buch ist zugeklappt, diese Geschichte aber hallt nach. Gefühle, wilde Spekulationen, ja schon auch Unverständnis ob der Handlungsweise. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, meiner Gefühle. Ich bin tief drin, folge Syz, kann seine Aktionen verstehen und dann wieder so gar nicht. Kann man KI mit Logik begreifen? Auch wenn es unlogisch anmutet, bringt Raphaela Edelbauer ihren DAVE unterhaltsam zu Papier.

KI ist ja nicht unbedingt mein Thema, aber hier gelingt es Raphaela Edelbauer, dass ich mich mit einer gewissen Leichtigkeit mit diesem doch recht speziellen Fachgebiet beschäftige. Auch passt es thematisch gut in unsere vernetzte Welt.

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Veröffentlicht am 05.02.2021

Die dänische Neuentdeckung

Leichenblume
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Mit „Leichenblume“ hat Anne Mette Hancock den Auftakt einer Krimi-Reihe um die Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan und Kommissar Erik Schäfer vorgelegt – ausgezeichnet mit dem dänischen ...

Mit „Leichenblume“ hat Anne Mette Hancock den Auftakt einer Krimi-Reihe um die Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan und Kommissar Erik Schäfer vorgelegt – ausgezeichnet mit dem dänischen Krimi-Preis.

Die erfolgreiche Journalistin Heloise Kaldan hat den falschen Quellen vertraut, ihr Job steht auf der Kippe. Ausgerechnet jetzt erhält sie von Anna Kiel einen mysteriösen Brief. Diese hat vor Jahren einen angesehenen Anwalt brutal ermordet. Dass sie es war, die Christoffer Mossing getötet hat, steht außer Frage. Hat sie sich doch nach der Tat minutenlang ganz bewusst vor die Überwachungskamera gestellt - blutüberströmt! Oder trügt der Schein? Nachdem Heloise einen zweiten Brief von Anna erhält, wird diese hellhörig. Zunächst geht sie den Spuren alleine nach, aber bald schon weiß sie, dass es ohne Kommissar Schäfer, der damals ermittelte, nicht geht.

Ein gelungener Einstieg, aber danach zieht sich die Story in die Länge. Die Spannung ist großteils weg, es passiert viel und doch hatte ich das Gefühl, die Story kommt nicht recht vom Fleck. Was sich dann doch sehr viel später wieder in Richtung rasanter Thriller ändert. Anfangs sieht es „nur“ nach einem brutalen Mord aus, jedoch entpuppt sich dieser Fall als sehr viel mehr. Heloise ist nah dran an dieser Sache, sie wird von außen hineingezogen, kann gar nicht anders, als hier immer tiefer zu graben. Irgendwer beobachtet sie. Wer ist Nick? „Sorg dafür, dass Heloise nach Paris kommt!“ Mit Heloise bin ich bald sehr vertraut, ist sie doch die Hauptfigur. Hier ist mehr die Journalistin denn der Kommissar am ermitteln. Sie ist diejenige, die von Anna kontaktiert wird. Warum ausgerechnet sie? Was hat Heloise damit zu tun?

Ganz schön undurchsichtig, auch wenn ich als Drahtzieher, als Auslöser das ganze Buch über einen Verdacht hatte. Wer hat Christoffer Mossing getötet und warum? War es wirklich Anna? Puzzlestück für Stück dringt Heloise immer weiter vor und gerät selber in große Schwierigkeiten. Dreh- und Angelpunkt ist Anna. Ist sie die Mörderin? Seit Jahren auf der Flucht – warum jetzt und warum ausgerechnet eine Journalistin, die sie immer wieder kontaktiert?

Ein in Teilen fesselnder Thriller um eine Jahre zurückliegende Tat. Die Wahrheit will endlich ans Licht. Unterhaltsam, gut zu lesen, jedoch ist ein Vergleich mit Jo Nesbo (noch) unangemessen. „Narbenherz“ soll folgen – ich bin gerne dabei.

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Veröffentlicht am 01.02.2021

Eine Kindheit zwischen zwei Welten

Das achte Kind
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Hier lesen wir eine Autofiktion, wie Alem Grabovac über „Das achte Kind“ berichtet. Autobiographisch, verwoben in fiktionalen Handlungsebenen.

Eine Kindheit im Gastarbeitermilieu der etwas anderen ...

Hier lesen wir eine Autofiktion, wie Alem Grabovac über „Das achte Kind“ berichtet. Autobiographisch, verwoben in fiktionalen Handlungsebenen.

Eine Kindheit im Gastarbeitermilieu der etwas anderen Art. Alem Grabovac erzählt die Geschichte seiner Mutter Smilja und auch seine. Smilja wächst unter ärmsten Verhältnissen im Hinterland Kroatiens auf. Ihr Vater ein Säufer, der regelmäßig nicht nur seine Frau, sondern auch seine Kinder verprügelt. Smilja und ihr Schokoladenschwur: Eines Tages wird auch sie so wie ihre hochnäsigen Schulkameradinnen diesen süßen Traum genießen können. Stück für Stück. Nur weg von daheim - halbwegs erwachsen, findet sie in Würzburg Emir und bald schon kündigt sich Alem an. Aber wie soll sie arbeiten und ein Baby hüten? Denn auf Emir ist kein Verlass, er ist mehr mit sich und dem süßen Leben beschäftigt, gerät in extreme Schwierigkeiten und muss schließlich fliehen. Dank einer Freundin findet sie für Alem einen Platz bei der Familie Behrens und schweren Herzens lässt sie ihn wochentags hier, holt ihn nur an den Wochenenden zu sich. Die Männer in Smiljas Leben sind eine einzige Katastrophe. Zunächst Emir, der irgendwann verschwindet und dann Dusan, bei dem sie wieder gehörig daneben gegriffen hat. Auch er säuft, bestiehlt und verprügelt nicht nur sie.

Zwei Welten prallen aufeinander. Der Alltag in Alems „deutscher Familie“, in der er neben den sieben eigenen Kindern das achte, aber nicht minder geliebte Kind ist und die Wochenenden mit seiner Mutter. Viel sieht Alem in jungen Jahren, erlebt die bittere Armut in Kroatien und fühlt sich immer mehr zu seinen Pflegeeltern und deren Lebensstil hingezogen. Hier erfährt er Geborgenheit in einer warmherzigen Familie, kommt mit Pac-Man in Kontakt, hört die neuesten Hits von Madonna genauso wie Duran Duran und all die damals weltbekannten Musikstars. Mit Freunden überspielt er seine Musik mit dem Doppelkassettenrecorder. Ein unbeschwertes Leben hier bei Robert, dem unbelehrbaren Nazi und Marianne, dem ruhenden Pol. Dank dieser Familie kann und wird er seinen eigenen Weg finden.

Als längst Erwachsener mit Frau und Kind erfährt Alem, dass Emir - sein Vater - nicht wie von Smilja immer behauptet, bei einem Arbeitsunfall um Leben kam sondern erst vor kurzem gestorben ist. So macht er sich auf, das Grab seines Vaters zu suchen und zu besuchen.

Eine Reise durch die Kindheit, geprägt von Liebe und Geborgenheit einerseits und durchlitten von Gewalt und Lieblosigkeit auf der anderen Seite. Alem Grabovac erzählt ohne zu werten, so kann ich mir als Leser unvoreingenommen meine eigene Meinung bilden. Er erzählt von all den schönen und all den schlimmen Geschehnissen, die seine Kindheit und Jugend nachhaltig prägten. Ein Buch der leisen Töne, sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 28.01.2021

Vendetta in Wolkenstein

Das dunkle Dorf
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Es ist schon der sechste Fall für Commissario Grauner und sein Team. Für mich war es der Einstieg in diese Reihe aus Südtirol, bin aber gleich gut zurechtgekommen hier oben im beschaulichen Grödnertal.

Silvia ...

Es ist schon der sechste Fall für Commissario Grauner und sein Team. Für mich war es der Einstieg in diese Reihe aus Südtirol, bin aber gleich gut zurechtgekommen hier oben im beschaulichen Grödnertal.

Silvia Tappeiner - Grauners Assistentin – müht sich redlich ab, den Ispettore Saltapepe das Skifahren beizubringen. Ursprünglich in Neapel tätig, musste dieser ausgerechnet hier oben untertauchen, nachdem er den Mafiaboss Giorgio Garebani ins Gefängnis brachte. Er hat sich seinerzeit mit der Camorra angelegt und diese vergisst nie.

Gleich im Prolog geht es zur Sache: Hinteregger - seines Zeichens Feuerwehrmann, früher auch Jäger, des sonntags hilft er dem Pfarrer und Witwer ist er seit bald 15 Jahren – so einer sieht alles, hört alles und dann filmt er Ungeheuerliches!

Von da an - also ab der ersten Seite - hat mich „Das dunkle Dorf“ komplett in Beschlag genommen. Und viele Fragen aufgeworfen. Warum behält Hinteregger seine Beobachtungen für sich? Dem nicht genug, liegt in einem heruntergewirtschafteten Hotel ein Toter und dieser ist ausgerechnet der Dorfpolizist. Was ist hier los? Nicht lange kann Grauner mit seinen Leuten ermitteln, da schaltet sich die Staatsanwaltschaft ein und er ist außen vor. Er und Alba, seine Frau, haben derweil ganz andere Sorgen: Ihre gerade mal volljährige Tochter Sara ist seit Tagen verschwunden und beide suchen verzweifelt nach ihr. Zuviel ist hier passiert, als dass Grauner an einen Zufall glauben könnte.

Von so einigen zwielichtigen Gestalten lese ich, denen ich nicht über den Weg trauen würde. Diese 300 Krimi-Seiten waren sehr spannend zu lesen. Einmal angefangen, musste ich einfach wissen, ob und wie diese dramatischen Fälle miteinander zu tun haben. Die Idylle im beschaulichen Grödnertal scheint immer mehr zu verschwinden. Aus verschiedenen Blickwinkeln wird so nach und nach klar, wie sich doch so einiges zusammenfügt. Super gefallen haben mir die eingeflochtenen italienischen Wörter und Sätze, deren Erklärung gleich danach folgte. So konnte ich dem italienischen Lebensgefühl gut nachspüren. Der ganze Krimi war schnell gelesen, weil – weglegen konnte ich diese rasante Verbrecherjagd nicht.

Und - ab sofort bin ich Grauner-Fan. Diese „Vendetta im Herzen der verschneiten Dolomiten“ sind unterhaltend, dramatisch, fesselnd und sehr mitreißend zu lesen. Gerne mehr davon!

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Veröffentlicht am 14.01.2021

Liebe oder doch Hörigkeit?

Hingabe
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Tomas bekommt die Diagnose Krebs. Er, der reiche Bauer, lebt in einem spanischen Dorf, hat sich in seiner etwas grobschlächtigen Art gut eingerichtet. Wie jeden Tag sitzt er bei Alvaro und dann sieht er ...

Tomas bekommt die Diagnose Krebs. Er, der reiche Bauer, lebt in einem spanischen Dorf, hat sich in seiner etwas grobschlächtigen Art gut eingerichtet. Wie jeden Tag sitzt er bei Alvaro und dann sieht er sie – Suiza. Seine Männlichkeit kennt kein Pardon, er will sie jetzt und gleich, schleppt sie förmlich ab. Und sie, die vermeintliche Schweizerin, lässt alles mit sich geschehen. Willenlos sie, triebgesteuert er.

„Eine ungewöhnliche Liebe, die mit hemmungsloser Gier beginnt und in unendlicher Hingabe mündet“ - so wir dieser Roman beworben.

Ungewöhnlich ja und nein. Ja, weil diese Geschichte zwischen zwei Menschen abläuft, die sich gegenseitig magisch anziehen. Tomas ist der dominante Part, nimmt sich alles Recht der Welt heraus, sie zu besitzen. Suiza folgt ihm und es scheint, als ob sie keinen eigenen Willen hat, sie gibt sich ihm hin, bedingungslos. Es ist seine unbändige sexuelle Lust, die ihn immer wieder alles andere vergessen lässt. Sie verkörpert den unselbständigen, ängstlichen, sehr anhänglichen Typ, der sich aufgibt, um ein wenig Sicherheit zu bekommen. Aber ist dieses Verhalten wirklich so ungewöhnlich? Die Autorin hält unserer Gesellschaft einen Spiegel vor. Noch immer ist es der stärkere, potentere - egal welchen Geschlechts - der bestimmt, wo es lang geht. Um eines vermeintlichen Vorteils willen gibt sich so mancher auf, läuft ziel- und planlos hinterher und merkt gar nicht, wie er sein Leben verspielt. Lieber eine Beziehung in Abhängigkeit als alleine sein.

Hier sehen und begleiten wir einen Mann, der gegen seine Krankheit ankämpft. Hormongesteuert stellt er alles hintan, um diese Frau zu besitzen. Von Suiza, die eigentlich Französin ist und anders heißt, erfahren wir nicht so viel. Es sind eher Andeutungen, was sie alles Schreckliches in ihrem jungen Leben aushalten musste. Für mich ist diese „Hingabe“ eine sehr schön erzählte Episode im Leben zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Erotisch? Eher animalisch, triebhaft, sehr launisch und zuweilen liebevoll, aber auch sehr kindlich, unreif sogar.

Ich bin einerseits fasziniert von dem, was ich hier lese, aber zugleich abgestoßen. Es wird nicht alles auserzählt und doch weiß man als Leser genau, was gemeint ist, kann Tomas und Suiza folgen, auch wenn man ihre Handlungsweise nicht immer gut heißen mag, ja zuweilen verurteilt.

Dieser Roman ist anders als erwartet, er hat mich sofort gefesselt, immer weiterlesen lassen. Wer diese Mischung aus sexueller Gier und Leidenschaft, aus Fürsorge und Abhängigkeit mag, ist hier gut bedient.

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