Profilbild von Magnolia

Magnolia

Lesejury Star
offline

Magnolia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magnolia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.01.2021

Eine Familiengeschichte in unsicheren Zeiten

Hannah und Ludwig
1

Rafael Seligmann erzählt mit „Hannah und Ludwig – Heimatlos in Tel Aviv“ ein dunkles Stück deutsch-jüdischer Geschichte, es ist der zweite Teil seiner ergreifenden Familiensaga. Ein in vielen Facetten ...

Rafael Seligmann erzählt mit „Hannah und Ludwig – Heimatlos in Tel Aviv“ ein dunkles Stück deutsch-jüdischer Geschichte, es ist der zweite Teil seiner ergreifenden Familiensaga. Ein in vielen Facetten gelebtes Leben, das vom Nationalsozialismus und seinem Judenhass in weiten Teilen geprägt war.

Ludwig und Heinrich Seligmann, die zwei ungleichen Brüder, fliehen 1933 aus Deutschland. In Tel Aviv angekommen, suchen und finden sie Arbeit, holen später ihre Eltern und den jüngeren Bruder nach. Irgendwann muss auch Thea, ihre Schwester einsehen, dass es in Deutschland zu gefährlich für sie, die Jüdin, ist. Rafael Seligmann lässt seinen Vater Ludwig die sehr bewegende Familiengeschichte erzählen. Mit viel Fleiß und fachlichem Können arbeitet sich Ludwig von ganz unten zum Prokuristen hoch. Er ist immer für seine Familie da, kauft für seine Eltern einen Hof, damit sie sich hier in Palästina einigermaßen heimisch fühlen können. Er lässt sich nie unterkriegen, scheut sich auch nie, Neues auf die Beine zu stellen. Als er Hannah kennenlernt, ist es um ihn geschehen. Sogleich weiß er: Die oder keine. Erst als sie seinem Vater begegnet, lässt auch sie es geschehen. Im Gegensatz zu Ludwig, der die Ehrlichkeit in Person ist, ist seine Hanni viel mehr die gewiefte Geschäftsfrau. Jedoch lässt sie ihn immer wieder spüren, dass sie nicht vorbehaltlos hinter ihm steht.

Auch im noch jungen Staate Israel kehrt nicht der erhoffte Friede ein. Ludwig würde gerne wieder zurückkehren in seine alte Heimat, Hannah jedoch kann den Deutschen ihren Judenhass nicht verzeihen. Gesundheitliche Probleme lassen sie umdenken, das Klima hier ist für sie Gift: „Verweht! Wir gehen zurück in die alte Heimat, Ludwig. Deutschland ist jetzt unsere Zukunft.“

Eine schreckliche Zeit, von der uns Rafael Seligmann erzählt. Ungeschönt und doch sehr liebevoll verrät er uns Lesern ein wenig von ihrem Dasein als Familie, er fühlt sich immer für die Seinen verantwortlich. Man spürt, wie nah sie sich sind.

Ein sehr berührendes Buch, eine faszinierende Familiengeschichte – vom Leben, Arbeiten, füreinander da sein. Vom Streiten und vom Lieben, sich verstehen und entzweien. Das wirkliche Leben – so wie es ist, so wie es war. Er nimmt uns mit in die Zeit des Nationalsozialismus, eine für Juden tödliche Zeit. Und doch ist es ein lebensbejahendes Buch. Seine Leichtigkeit spürt man beim Lesen, ohne die allzu bittere Realität auszublenden.

Eine Familiengeschichte, die nachdenklich macht. Unter all den lesenswerten Büchern ist dieses hier eine ganz besondere Perle.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.01.2021

Spannend und äußerst mysteriös

Der Mädchenwald
1

Die 13jährige Elissa bestreitet ein Jugendschachturnier, gehört zu den Besten. Sie hat was im Auto vergessen, will es holen und wird entführt. Als sie erwacht, ist alles dunkel. Wo ist sie? Sie ...

Die 13jährige Elissa bestreitet ein Jugendschachturnier, gehört zu den Besten. Sie hat was im Auto vergessen, will es holen und wird entführt. Als sie erwacht, ist alles dunkel. Wo ist sie? Sie tastet sich voran und merkt, dass sie angekettet ist. Ihren sehr begrenzten Raum unterteilt sie gedanklich in Schachfelder, um sich so einigermaßen zu orientieren. Als Elijah sie in ihrem Kellerverließ entdeckt, hofft sie auf Rettung. Sie nennen sich Hänsel und Gretel, draußen ist der Mädchenwald. Währenddessen bangt Elissas Mutter Lena um sie und hofft, dass die Polizistin Mairead MacCullah ihre Tochter unbeschadet wiederfindet.

Der Beginn ist schon mal unheimlich. Der Junge, der die andere Gretel nicht mehr findet. Mutter und Vater und die Befragung auf der Polizeiwache – alles ist von Anfang an äußerst mysteriös. Aus verschiedenen Perspektiven bekommt der Leser Einblicke ins Geschehen. Da ist Elissa, das Entführungsopfer: Sie ist sehr clever, denkt dank ihres Schachspiels sehr analytisch. Aus Elijahs Handlungsweise wird man nicht so recht schlau, da schwingt immer wieder sehr viel Ungewissheit mit. Einerseits ist er der unbedarfte 12jährige, dann wieder zweifelt man, ob es ihn wirklich gibt. Ein sehr perfides, ja teuflisches Spiel, welches der Autor mit seiner Leserschaft hier treibt. Lange habe ich gerätselt, immer wieder in eine Richtung geblickt, um dann doch wieder zu zweifeln. Es ist nichts, wie es scheint, es gibt immer wieder überraschende Wendungen.

Es war wenig Privates, aber genau dieses sehr Private um die Kommissarin war zu viel. Diese sehr eigenwillige Story neben der Story passt so gar nicht hinein. So, als ob mit Gewalt ein Nebenschauplatz aufgemacht werden müsste. Hier gilt die Devise: Weniger ist mehr.

Gerne bin ich Sam Lloyd ins Unterholz gefolgt. Ja, er hat mich wieder zurück gebracht. Nicht zerkratzt, nicht verletzt, aber zutiefst nachdenklich, ja geschockt. Eine seltsame Stimmung breitet sich in mir aus. Thriller lese ich immer wieder gerne und so manches Mal meine ich, die Story schon so ähnlich gelesen zu haben. „Der Mädchenwald“ hat eine ganz andere Qualität, ist so ganz eigen.

Ein richtig gut erzählter Gänsehautthriller, so lasse mich gerne in die Irre führen. Nicht alltäglich, sehr zu empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.12.2020

Bewegende Familiengeschichte

Erinnerungen aus Glas
1

Sie sind vier Freunde, es ist Sommer - Josie, Samuel, Klaas und Eliese verbringen eine unbeschwerte Zeit. Jahre später begegnen sich Elise und Josie unter ganz anderen Umständen wieder. Wir sind ...

Sie sind vier Freunde, es ist Sommer - Josie, Samuel, Klaas und Eliese verbringen eine unbeschwerte Zeit. Jahre später begegnen sich Elise und Josie unter ganz anderen Umständen wieder. Wir sind in Amsterdam im Jahre 1942. Die Deportierung der Juden schreitet voran, auch hier in den Niederlanden sind sie nicht mehr sicher. Eliese – sie trägt den gelben Judenstern – hilft den Nazis bei deren Verbrechen. Dabei muss sie Hein, ihren kleinen Sohn, immer gut versteckt halten. Ihr Arbeitsplatz ist ein zur Sammelstelle für Juden umfunktioniertes Theater und gegenüber, im Kinderheim, ist Josie als Betreuerin tätig. Beide riskieren alles, um wenigstens einige Kinder zu retten.

Ava Drake reist 75 Jahre später in ihrer Funktion als Direktorin der Kingston-Stiftung nach Uganda, um die Existenz einer Kaffeeplantage mit angeschlossenem Kinderheim - betrieben von Landon West - zu überprüfen, dessen Schwester einen Förderantrag stellte. Ava taucht immer mehr in die Vergangenheit der Familie Kingston ein und kommt hinter die allzu dunkle Familiengeschichte.

Bis ich in dieser Geschichte ankam, brauchte es einige Zeit, da diese Sprünge zwischen dem Gestern und dem Heute doch sehr abrupt sind. Wie diese zwei Handlungsstränge zusammenlaufen, was sie miteinander zu tun haben, war zunächst nicht so ganz klar. Auch kam mir die Person Ava anfangs fremd, ja steril vor. Je weiter ich jedoch las, desto mehr gefielen mir beide Erzählstränge, jede auf ihre Art. Damals, im Widerstand genauso wie Jahrzehnte später bei der Aufdeckung eines streng gehüteten Familiengeheimnisses.

Sehr eindringlich schildert Melanie Dobson die Not der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus im besetzten Holland. Mutige, uneigennützige Helfer gab es hier genauso wie überall, ebenso wie die andere Seite, die der Denunzianten und eigennützig agierenden. Und dann Avas Suche nach der Wahrheit hinter der glitzernden Fassade. Eine steinige Suche, begleitet mit sehr viel Unverständnis seitens der Familienangehörigen. Warum diese so mauern, wird so nach und nach und gut verständlich klar. Die Charaktere sind glaubhaft und gut nachvollziehbar dargestellt. Es geht um Nächstenliebe und Gerechtigkeit, aber genauso um Hass, Neid und Habgier.

Es ist ein sehr emotionales, ein aufwühlendes Buch, das ich sehr gerne weiterempfehle.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.12.2020

Ein hochbrisanter Thriller

CO2 - Welt ohne Morgen
2

Der Klimawandel - ein Thema, das uns alle beschäftigen sollte. Wir haben die Welt von unseren Kindern nur geborgt, aber in welchem Zustand geben wir sie weiter? Unsere Kids demonstrieren, setzen sich in ...

Der Klimawandel - ein Thema, das uns alle beschäftigen sollte. Wir haben die Welt von unseren Kindern nur geborgt, aber in welchem Zustand geben wir sie weiter? Unsere Kids demonstrieren, setzen sich in ihrer ganzen Lebensweise für eine saubere, lebenswertere Umwelt ein. Zwölf Kinder aus zwölf Nationen bewerben sich für ein Klima-Camp, das in Australien stattfindet. Die hier Auserwählten sind hocherfreut, aber es läuft ganz anders: Kaum angekommen, werden sie entführt, um die Weltgemeinschaft damit zu erpressen, vorgegebene Klimaziele zu erreichen. Wenn nicht, stirbt ein Kind – jede Woche eins, vor laufender Kamera.

Der Prolog lässt schon böses ahnen: Hannah in einer engen Kabine, rundum verglast, der Countdown läuft… Es bleibt das ganze Buch über äußerst spannend und nervenaufreibend. Ein Wettlauf mit der äußerst begrenzten Zeit beginnt. Wohin wurden die Kinder verschleppt? Jede Kleinigkeit sauge ich auf, wie z. B. den Hinweis auf den Weißbauch-Fregattvogel, der einen sehr begrenzten Lebensraum hat. Ausgerechnet sehr aktive, umweltbewusste Kids werden für Zwecke missbraucht, die nichts mehr mit Klimaretten zu tun haben. Diese Hintermänner sind schlichtweg Kriminelle. „Sie“ stilisieren sich als Gutmenschen, dabei legen sie ein menschenverachtendes, selbstherrliches Gebaren an den Tag. Was da alles außerhalb des Camps passiert, lässt die Vermutung auf gut organisierte Kreise zu. Wer denen im Weg steht, hat verspielt.

Ich bin durch die Seiten gedüst, die Story hat mich nicht mehr losgelassen, ja mich entsetzt zurückgelassen, habe immer wieder gemeint, gehofft, dass die Kinder, die Jugendlichen gefunden werden und es für die meisten rechtzeitig sein wird - für diese Tomorrow-Kids, die „nur“ die Umwelt, ihre Zukunft retten wollen. Wie sich diese komplexe Story aus den vielen einzelnen Strängen dann doch noch zusammenfügt, war eine rasante Reise über Ländergrenzen hinweg. Interessant fand ich auch die Vorblenden ins Jahr 2040.

Gefallen hat mir erstens das ganze Buch und zweitens der Ausflug ins Jahr 2040. Das Ende war für mich dann doch zu sehr konstruiert, das ist der Wermutstropfen an der ansonsten guten Story. Ein aktuelles Thema, ein brisanter Thriller, der zum Nachdenken anregt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Handlung
Veröffentlicht am 01.12.2020

Wahn oder Wahnsinn

Wachzustand
1

„Wachzustand leuchtet die blinden Flecken der Leistungsgesellschaft aus: Spannungsliteratur, die verblüfft, wachrüttelt und anregt, die eigene Wahrnehmung von Wirklichkeit und Sinn zu hinterfragen.“

Beklemmend ...

„Wachzustand leuchtet die blinden Flecken der Leistungsgesellschaft aus: Spannungsliteratur, die verblüfft, wachrüttelt und anregt, die eigene Wahrnehmung von Wirklichkeit und Sinn zu hinterfragen.“

Beklemmend geht es los. Er irrt im Flughafengelände herum, hat einen Millionen-Deal in der Tasche und gerät immer tiefer hinab. Mysteriös, nicht fassbar, unheimlich. Was will er? Wo will er hin? Da bin ich gleich mal irritiert und mittendrin. Cut: Unter Hypnose kommt Felix Bernau im Wald zu sich. Wo soll er hin? Er setzt sich in den nächsten Zug – Endstation Hamburg. Mit 30.000 € in der Tasche sucht er sich ein Zimmer, sucht er sich eine Psychologin. Auch hier ist alles surreal, nicht greifbar. Momentan nicht vorstellbar, wohin die Story sich entwickelt.

Elisabeth Kern, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie wird ermordet aufgefunden, Renate Popescu ermittelt. Sie hat so gut wie nichts in der Hand, muss sich alles mühsam erarbeiten und hat die Vermutung, dass hier ein Serienmörder am Werk war.
Total verwirrt konnte mir keinen Reim auf diesen rätselhaften Typen im Flughafen machen. Er taucht immer mal wieder auf, auch dieser seltsame Bernau, den ich so gar nicht fassen konnte. Sehr geschickt gemacht. Es dauert lange, bis man die Zusammenhänge sieht. Was mir ein wenig gefehlt hat, ist die Polizeiarbeit, sie kam definitiv zu kurz. Auch die Rückschlüsse auf einen Serienmörder konnte ich nicht nachvollziehen. Hier passte vieles nicht zusammen, war für mich nicht schlüssig.

Zum Teil zu langatmige Beschreibungen einer Situation, eines Sachverhaltes, hätten besser abgekürzt werden sollen. Dem Lesefluss hätte es gut getan, so manches zu komprimieren. Das allzu Ausführliche liest sich zuweilen wissenschaftlich, mit erhobenem Zeigefinger, zu langatmig.

Gut gemacht, gut gemeint, aber in Teilen überfrachtet. Es werden zu viele Nebenschauplätze aufgemacht, die – jeder für sich – durchaus Potenzial haben. Der oder die eigentlichen Fälle werden dadurch auf weiten Stecken zur Nebensache.

Mehr Psycho denn Thriller, Thriller eher am Rande. Liest sich jedoch in weiten Teilen trotzdem gut.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere