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Veröffentlicht am 13.11.2019

3. Fall für die frankophile Kölner Ermittlerin Hannah Richter

Verhängnisvolle Provence (Hannah Richter 3)
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Bei einem ermordeten Mann in Köln wird der Ausweis einer Kosmetik-Firma gefunden, die ihren Sitz in der Provence in Südfrankreich hat, nahe des Städtchens Vaison-la-Romain. Schnell wird die Kommissarin ...

Bei einem ermordeten Mann in Köln wird der Ausweis einer Kosmetik-Firma gefunden, die ihren Sitz in der Provence in Südfrankreich hat, nahe des Städtchens Vaison-la-Romain. Schnell wird die Kommissarin Hannah Richter trotz Urlaubs hinzugezogen, denn sie spricht fließend französisch und kennt das Städtchen aus einem Austauschprogramm und aus früheren Fällen genau. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Serge macht sich Hannah auf nach Südfrankreich und beginnt vor Ort zu ermitteln, während ihr Kollege Michael in Köln den Fall bearbeitet. Schnell zieht der Fall immer größere Kreise, und es bleibt auch nicht bei einer Leiche. Hängen die Fälle zusammen?

Bereits der dritte Fall für die Kölner Ermittlerin Hannah Richter, die erneut in ihrem geliebten Südfrankreich ermitteln darf und dabei wieder einmal ihren Spürsinn beweist. In bewährter Manier mit lässigem, sehr eingängigem Schreibstil verknüpft die Autorin die Fälle, legt falsche Spuren und lässt mit ihren bildhaften Beschreibungen die französische Landschaft und Lebensart vor dem inneren Auge des Lesers entstehen. Ihre Charaktere sind liebevoll gezeichnet, vielschichtig und niemals einseitig schwarz-weiß, sondern authentisch und sympathisch. Auch wenn man die vorherigen Bände nicht gelesen hat, kommt man sehr gut in die Geschichte hinein, die Fälle sind in sich abgeschlossen. Dennoch ist es aus naheliegenden Gründen hilfreich sie zu kennen, denn Hannahs Privatleben nimmt einen recht großen Raum ein und wird in den Bänden kontinuierlich fortgeführt. Hannahs Faible für römische Geschichte und Altertümer tritt in diesem Band allerdings etwas in den Hintergrund, dafür gewinnt das Thema Beziehung – zu ihrem Lebensgefährten Serge, zu ihren Freunden in der Provence – eine immer größere Bedeutung und damit einhergehend auch die Frage nach Familienplanung und möglichem neuen Lebensmittelpunkt.

Formal wieder eingebettet in Pro- und Epilog wird die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei sich vorrangig die Hannahs und die ihres Kollegen in Köln abwechseln. Die beiden ermitteln parallel zueinander und örtlich voneinander getrennt und besonders die Einblicke in die Machenschaften der Pharmaindustrie sind spannend. Die Autorin legt hierbei einige falsche Fährten, und als mitermittelnder Leser war ich doch einigermaßen von der Auflösung überrascht. Schlussendlich fügt sich alles aufs Beste zusammen, wenn ich auch von einem Teil der Lösung nicht gänzlich überzeugt war, da dieser Aspekt nur „nebenbei“ abgehandelt und nicht näher erläutert wird und ich das in keinem Zusammenhang stehend und an den Haaren herbeigezogen fand. Dies tat aber dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Mit gefielen vor allem wieder die Beschreibungen der Provence, ihrer Menschen und deren Lebensart, die scheinbar doch ziemlich unterschiedlich zur deutschen ist. Doch mir schien, als würde Hannah, die anfangs eher spröde Deutsche, immer mehr dieser Lebensart zugeneigt, sie hat Beziehungen zu den Menschen aufgebaut und kommt auch mit den französischen Ermittlern klar. In einem jedoch ist sie sich treu geblieben, es ist wieder ihrer Hartnäckigkeit und ihrem Instinkt zu verdanken, dass die Fälle gelöst werden. Als „Beilage“ gibt es ein Glossar der französischen Begriffe, die verwendet werden (und das passiert oft!), eine Playlist und die INCI-Liste (für mich eher überflüssig, aber durchaus interessant) sowie Penelopes Zahnpastapulver-Rezept.

Fazit: Wieder ein sehr lesenswerter Band um die frankophile Kölner Ermittlerin, mit spannenden Fällen, tollen Charakteren und viel provencalischem Lokalkolorit. Eine sehr unterhaltsame Lektüre, die Lust auf Urlaub in der Provence und auf mehr Fälle von Hannah Richter macht. Auch für Einsteiger geeignet und für Fans sowieso ein Muss.

Veröffentlicht am 03.04.2019

Solider Schweden-Thriller mit tollen Charakteren

SCHWEIGEPFLICHT
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Die frischgebackene Anwältin Emelie Jansson arbeitet hart in der renommierten Wirtschaftskanzlei Leijon. Da wird sie überraschenderweise als Verteidigerin von Benjamin Emanuelsson angefordert. Dieser ist ...

Die frischgebackene Anwältin Emelie Jansson arbeitet hart in der renommierten Wirtschaftskanzlei Leijon. Da wird sie überraschenderweise als Verteidigerin von Benjamin Emanuelsson angefordert. Dieser ist des Mordes angeklagt, befindet sich in U-Haft und liegt im Koma. Das alles ist zwar rätselhaft, dennoch leckt Emelie Blut und übernimmt heimlich die Verteidigung, obwohl dies nach Kanzleirichtlinien verboten ist. Hilfe erhält sie von Teddy Maksumic, einen Mitarbeiter der Kanzlei und ehemaligen Kriminellen, der immer noch gute Kontakte zu gewissen Kreisen hat. Die beiden erkennen schnell, dass Benjamins Fall enge Verbindung hat zu dem länger zurückliegenden Fall Mats Emanuelsson, Bens Vater, der erst entführt, dann verhaftet wurde und sich später von einer Finnland-Fähre gestürzt hat und als tot gilt. Gemeinsam tauchen sie tief ein in höchst kriminelle Kreise, decken dunkle Machenschaften auf und geraten dabei in Lebensgefahr.

Bandenkriminalität, Verrat, Wirtschaftsbetrug auf höchstem Niveau, Schießereien, Tote und Verletzte, aber auch Freundschaft, Loyalität, Mut und Gerechtigkeitssinn – der Autor webt ein dichtes Netz und verknüpft Vergangenheit und Gegenwart und Menschen aufs Trefflichste miteinander. Entstanden ist ein solider, spannender und ziemlich rasanter Thriller, der immer mehr Fahrt aufnimmt, je weiter die Handlung voranschreitet. In Rückblenden und durch Einschübe erhält der Leser in wohl dosierten Häppchen Einblicke in den etwa drei Jahre zurückliegenden Fall von Mats Emanuelsson, an dem Teddy maßgeblich beteiligt war und der weitaus komplexer ist als angenommen, so komplex gar, dass er Entscheidungen und Taten in der Gegenwart direkt beeinflusst. Den Schreibstil fand ich etwas gewöhnungsbedürftig und nicht so leicht zu lesen. Der Autor wechselt an sich sehr gekonnt zwischen den einzelnen Perspektiven, man merkt deutlich, wenn zum Beispiel aus der Sicht Nikolas, Teddys Neffe und Kleinkrimineller, erzählt wird. Seine Sprache nervt auch mitunter so richtig. Alles in allem fand ich den Schreibstil nicht so eingängig, sondern phasenweise stakkatohaft, und wer Fäkalsprache mag, wird hier jedenfalls auch auf seine Kosten kommen. Die Story und die Charaktere machten das aber für mich wett.

Formal ist die Handlung in fünf Teile gegliedert, eingerahmt von Pro- und Epilog, und erstreckt sich in der Gegenwart über einen Zeitraum von Mai bis August. Mit dem Epilog hatte ich so meine Probleme, ich fand ihn unnötig und den Schluss daneben. Ich habe nichts gegen ein offenes Ende, aber dies machte leider keine Lust auf Mehr. Für mich war die Geschichte daher vor dem Prolog beendet. Die Charaktere fand ich sehr gelungen, alle sind in ihrer Persönlichkeit ausgereift und authentisch. Man erhält durch die verschiedenen Perspektiven sehr gute Einblicke in die Gedankenwelt der einzelnen Personen, und auch die sogenannten Nebenfiguren gehen nicht unter. Als Hauptagierende stechen natürlich besonders Emelie und Teddy hervor, sie sind vielschichtig und polarisieren teilweise ziemlich. Beide haben mir sehr gut gefallen, und auch wenn ich mitunter von ihren Aktionen geschockt war, konnte ich doch immer alles gut nachvollziehen. Emelie macht in meinen Augen die deutlichste Entwicklung durch. Hochintelligent, engagiert und verbissen, und doch ist sie anfangs doch sehr unsicher und unerfahren – wie denkt Teddy so schön: Sie weiß so wenig (Kapitel 15). Ihre erste Gerichtsverhandlung als Verteidigerin von Teddys Neffen Nikola meistert sich jedoch vortrefflich und sie gewinnt mehr und mehr an Format. Durch Benjamins Mandat und ihre Zusammenarbeit mit Teddy wird sie zunehmend selbstbewusster, sie erweist sich als mutig und erkennt, was sie im Leben wirklich will, nämlich im Gerichtssaal Menschen verteidigen, die ihre Hilfe brauchen. Das und überhaupt die Gerichtsszenen gefielen mir außerordentlich, das fand ich spannend und informativ. Auch Teddy ist ein sehr interessanter Charakter, er ist einerseits der geläuterte Ex-Knacki, andererseits bewegt er sich aber noch immer in diesen Kreisen und handelt auch nicht gesetzeskonform, sondern so, wie es seinem eigenen Gerechtigkeitssinn entspricht. Er ist aber dabei immer menschlich und empathisch, was ihn zu einem echten Sympathieträger im Buch macht. Es gibt sehr viele spannende Szenen, in denen er seinen Mut und seine Aufopferungsbereitschaft zeigt. Durch seine Interaktion mit den Ex-Kumpanen und auch durch seinen Neffen Nikola erhält der Leser recht tiefe Einblick in die Welt des organisierten Verbrechens, wie dort agiert und kommuniziert wird und wie die Beziehungen zueinander sind. Interessant ist zudem, dass man in Bezug auf Berufsethos und Loyalität meint in einer verkehrten Welt zu sein. Die vermeintlichen Kriminellen sind weitaus loyaler als Mitglieder der Polizei. Es gibt also kein starres „der Gute gegen den Bösen“.

Fazit: Guter Thriller mit starken Charakteren und komplexer Story, der, trotz manchmal anstrengendem Schreibstils, spannend und informativ ist. Von Emelie und Teddy möchte man durchaus mehr lesen. Für Fans des eher härteren Thrillers gut geeignet, jedoch nicht so der typische Schweden-Thriller mit düsterer Atmosphäre und kaputtem Ermittler, der die meist psychopathischen Verbrecher zur Strecke bringt. Hier verwischen die Grenzen zwischen gut und böse und nichts ist, wie es scheint. Die Handlung wird konsequent vorangetrieben und bleibt spannend mit zum Schluss.

Veröffentlicht am 04.02.2019

8. Fall für Marina und Phil und ein echter Gänsehaut-Thriller

Jetzt gehörst du mir (Ein Marina-Esposito-Thriller 8)
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Der 8. Fall für Marina Esposito und DI Phil Brennan: In und um Colchester, nordöstlich von London, werden kurz hintereinander drei Männerleichen gefunden, alle erhängt. Allen wurde die Tarotkarte des Gehängten ...

Der 8. Fall für Marina Esposito und DI Phil Brennan: In und um Colchester, nordöstlich von London, werden kurz hintereinander drei Männerleichen gefunden, alle erhängt. Allen wurde die Tarotkarte des Gehängten beigelegt mit Phil Brennans Namen darauf und alle sehen Phil sehr ähnlich. Phil soll nach Colchester reisen, um die dortigen Ermittler zu unterstützen. Er wird zwar von einem der Polizisten abgeholt, kommt aber nie in Colchester an. Marina Esposito ahnt Böses: Phil wurde entführt! Sie setzt alle Hebel in Bewegung um ihren Mann zu finden!

Die Autorin versteht es auch im 8. Fall des Ermittler-Duos meisterhaft, eine komplexe Geschichte zu konstruieren und die Spannung bis zum fulminanten Finale stetig zu steigern. Ihre dem Leser ans Herz gewachsenen Hauptfiguren sind einmal mehr aufs Intensivste persönlich betroffen und stecken tief drin in einem verstörenden Fall, der bis in Phils Vergangenheit reicht. Diesmal ermittelt Marina alleine, denn ihr Ehemann ist in die Fänge einer gefährlichen Psychopathin geraten, die zudem eine Meisterin der Verkleidung ist. Hilfe erhält sie von unerwarteter Seite: von ihrer Freundin Anni, die noch immer den Tod ihres Freundes verarbeitet, sowie der Polizistin Imani, die nach Colchester berufen wurde, um die dortigen Ermittlungen zu unterstützen.

Der vorliegende Band ist in bewährter Manier verfasst. Flüssig und fesselnd und teilweise sehr unter die Haut gehend beschreibt die Autorin die Geschehnisse, wobei sie tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten eindringt. Beeindruckend ist, wie sie sich in die unterschiedlichsten Personen hineinversetzen kann, Täter wie Opfer, Ermittler und Privatpersonen, aus deren Perspektive einzelne Handlungsstränge erzählt werden, und deren Motive und Handlungen sie plausibel macht, dabei immer einfühlsam auf die Persönlichkeit eingeht, Schwarzweiß-Malerei vermeidend. Ich finde überhaupt besonders den psychologischen Aspekt des Falles hochinteressant, bei aller Grausamkeit und schockierenden Details sind ihre Figuren komplexe Charaktere, die oftmals schwer traumatisiert sind, Entwicklungen durchmachen und auch mal falsche Entscheidungen treffen. Phils Erlebnisse und psychische Belastung in der Hand der Psychopathin machen Gänsehaut, trotzdem neigt man an manchen Stellen dazu, deren Intelligenz zu bewundern. Mitunter konnte ich allerdings Marinas Entscheidungen nicht nachvollziehen, zum Beispiel begibt sie sich ganz bewusst alleine zu einem psychisch labilen Zeugen, da war die „Falle“ schon vorprogrammiert. Dennoch ist man stark auf Marina fokussiert, dadurch dass Phil als Mitermittler wegfällt und selbst in Gefahr ist, hat Marina – und mit ihr der Leser – ein starkes persönliches Interesse an der Aufklärung des Falles. Auch wenn das eine oder andere Ereignis vorhersehbar ist, sind die Handlungsstränge aus Vergangenheit und Gegenwart auf das Feinste miteinander verwoben und fügen sich am Ende als großes Ganze wunderbar zusammen.

Fazit: Solider, sehr spannender Thriller, bei dem diesmal Marina als Ermittlerin im Vordergrund steht und ihre Brillanz trotz persönlicher Involviertheit einmal mehr unter Beweis stellt. Die Autorin hat nichts von ihrer Schreibkunst eingebüßt und beweist auch im 8. Fall ein Händchen für persönliche Abgründe und psychologische Finessen. Jeder Protagonist ist ein ausgereifter Charakter und wichtig für den Fortgang der Geschichte. Einsteigern empfehle ich das Lesen in chronologischer Reihenfolge – zu stark und zu häufig sind die Bezüge auf frühere Fälle. Und da auch Marinas und Phils persönliche gemeinsame Geschichte stark im Vordergrund steht, versteht man diese Bezüge und Verweise einfach besser, wenn man die Hintergründe aus vorherigen Bänden kennt. Alles in allem aber natürlich ein sehr lesenswertes Buch!

Veröffentlicht am 11.10.2018

Starker historischer Roman im Prag des Spätmittelalters

Alchimie einer Mordnacht
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Prag, 1599: Der junge Gelehrte Christian Stern ist gerade frisch aus Würzburg in der Stadt eingetroffen, um sich am Hof König Rudolfs II. einen Namen zu machen. Gleich am ersten Abend findet er – völlig ...

Prag, 1599: Der junge Gelehrte Christian Stern ist gerade frisch aus Würzburg in der Stadt eingetroffen, um sich am Hof König Rudolfs II. einen Namen zu machen. Gleich am ersten Abend findet er – völlig betrunken - die Leiche einer jungen Frau, brutal ermordet im Schnee liegend. Obwohl er es meldet, wird er kurz darauf verhaftet und von allen möglichen hohen Amtsträgern des Hofes befragt, bis er sogar den König selbst trifft. Es stellt sich heraus, dass die junge Frau die Tochter des Hofarztes sowieso die aktuelle Geliebte des Königs war. Dieser beauftragt Stern mit der Aufklärung des Verbrechens. Stern steht eine Zeit lang hoch in der Gunst des Königs und nimmt am Hofleben teil, in dessen Intrigen er bald fest verwoben ist, doch der Aufklärung des Falles kommt er keinen Deut näher. Es bleibt nicht bei einer Leiche, und bald kann er Freund und Feind nicht mehr voneinander unterscheiden…

Üppiges Sittengemälde des Prager Hofes im Spätmittelalter, an dem so mancher Höfling eben noch hoch in der Gunst stand, nur um umso tiefer zu fallen, an dem sich Allianzen und Grüppchen bildeten, die alle gegeneinander intrigierten und an dem so mancher schneller im Kerker oder in der Verbannung landete als er den Kopf drehen konnte. Der Autor versteht es hervorragend, diese Zeit aufleben zu lassen, dem etwas skurrilen, politisch jedoch passiven König eine Persönlichkeit zu geben und insgesamt die Beschreibungen der Charaktere und deren Umfeld authentisch wirken zu lassen. Dabei erhebt der Autor keinesfalls den Anspruch, immerzu historisch korrekt zu bleiben, wie er in seinem Nachwort erläutert. Caterina Strada zum Beispiel, die jahrelange Geliebte des Königs, war in Wahrheit im Jahr 1599 gerade einmal um die 20 Jahre alt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig, dabei durchaus gehoben, und aus der Sicht Christian Sterns erzählt, der rückblickend als alter Mann die Ereignisse erzählt. Dadurch lebt man sehr mit ihm mit, die Geschichte ist sehr stark auf ihn fokussiert. Mit ihm ist dem Autor auch wirklich eine Figur gelungen, die mit all ihren Stärken und Schwächen zutiefst menschlich und sympathisch ist.

Das Buch kommt im Übrigen sehr schön gebunden mit Lesezeichen daher, der Schutzumschlag ist sehr ansprechend, wenn auch das Cover nicht unbedingt spätmittelalterlich anmutet. Der zeitliche Rahmen bewegt sich nur über einen Zeitraum von Dezember 1599, der Ankunft Sterns, bis Januar 1600, seine Abreise, also nur höchstens zwei Monate. Als „historischen Kriminalroman“ würde ich das Ganze nicht bezeichnen, eher als historischen Roman mit kriminalistischen Elementen. Stern muss man zu Gute halten, dass er wirklich ins kalte Wasser geworfen und völlig überrollt wird, er füllt seine neue Rolle auch eher unzureichend aus. Er ermittelt nicht wirklich, sondern erhält Informationen eher zufällig und überraschend und Erkenntnisse treffen ihn erst spät. Am Ende werden die Morde zwar aufgelöst, das findet aber im Verborgen statt und hat nur Konsequenzen für ihn selbst. Stern ist durch und durch ein Kind seiner Zeit, dem schönen Leben und den Frauen zugetan, dabei aber sehr empathisch und intelligent. Der Fall beschäftigt ihn durchaus, aber nur aus dem Grund, weil er die Tote gefunden hat. Er ermittelt nicht im klassischen Sinn, sondern lässt sich treiben mit den Geschehnissen bei Hof, und manchmal überträgt sich das auch auf die Geschichte, die ein wenig dahinplätschert, bis sie gegen Ende wieder deutlich Fahrt aufnimmt. Von den Charakteren her ist es ein starkes Buch, wobei auch einige vermeintliche „Nebenfiguren“ hervorstechen. Über Malaspina zum Beispiel oder einige andere hätte ich gerne mehr erfahren. Übrigens finde ich den englischen Titel „Prague Nights“ etwas passender als den deutschen. Vieles findet eben in den mysteriösen Prager Nächten statt, wo graue Schatten lauern und Verbrechen geschehen. Die Konzentration erfolgt nicht so sehr auf „die eine Mordnacht“, sondern viel eher auf diese vielen bösartigen Spielchen und vermeintlichen Bündnisse und Zusammenhänge am Hof.

Fazit: Ein starker historischer Roman mit authentischen, gut herausgearbeiteten Personen. Wer einen richtig spannenden Krimi erwartet, ist hier leider falsch. Wer mehr über die historischen Hintergründe aus der Zeit Rudolfs II. erfahren möchte, wie zum Beispiel die Religionskriege oder die Ränke der Habsburger untereinander, ebenso. Politische und historische Ereignisse werden zwar erwähnt, spielen aber eine eher untergeordnete Rolle. Wer sich aber in ein farbenfrohes Sittengemälde voller Intrigen, Verbrechen, Lügen und falschen Freunden mit vielschichtiger Hauptfigur hineinversetzen möchte, wird hier fündig und erhält gute Unterhaltung in gehobenen Stil.

Veröffentlicht am 13.08.2018

Toskana-Krimi - Zweiter Fall für RA Robert Lichtenwald

In Schönheit sterben
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Robert Lichtenwald, erfolgreicher Anwalt aus München, hat nach einem kurzen Intermezzo seine Zelte in München endgültig abgebrochen um in seinem Ferienhaus in Morcone in der Toskana zu leben. Als seine ...

Robert Lichtenwald, erfolgreicher Anwalt aus München, hat nach einem kurzen Intermezzo seine Zelte in München endgültig abgebrochen um in seinem Ferienhaus in Morcone in der Toskana zu leben. Als seine gute Bekannte Giada, ihres Zeichens Journalistin, ihn bei einem mysteriösen Fall um Hilfe bittet, kann er nicht ablehnen. Giada recherchiert im Mordfall eines exzentrischen Kunstsammlers aus Rom, der im Besitz einer geheimnisvollen und sehr wertvollen Statue gewesen ist und die entwendet wurde. Die Recherche führt Robert zu Raubgräbern, in Geisterstädte der entlegensten Gegenden der Toskana und zu schillernden Persönlichkeiten der Römer Kunstszene. Das Auftauchen seiner von ihm getrennten Frau Stefanie verkompliziert sein Leben zusätzlich. Da verschwindet Giada, und Robert muss all seine Energie und Mut zusammennehmen um sie zu finden.

Zweiter Fall für den ehemaligen Rechtsanwalt und jetzigen Privatier Robert Lichtenwald, der eigentlich nur sein Leben in der Toskana genießen und über die Trennung seiner Frau Stefanie hinwegkommen will. Der Autor schreibt in gewohnt flüssiger Manier, mit dem Prolog baut er gleich gehörig Spannung auf und auch seine Beschreibungen von Landschaften und Figuren sind wieder sehr liebevoll und detailliert. Die Spannung flacht allerdings in den folgenden Kapiteln ab, es wird sehr viel Fokus auf die zwischenmenschlichen Beziehungen gelegt, die erotische Spannung zwischen Robert und „den Frauen“ wird sehr häufig thematisiert, und besonders als seine Ex Stefanie auftaucht, tritt der Kriminalfall doch sehr in den Hintergrund und rückt erst wieder in den Vordergrund, als Giada verschwindet. Ich hätte mir deutlich mehr Ermittlungsarbeit gewünscht, vor allem von meiner weiblichen Lieblingsfigur Donatella Lagana, wenn aber Recherchearbeit passiert, zumeist von Giada, ist dies aber auch immer spannend und sehr gut nachvollziehbar. Spannung tritt vor allem immer dann auf, wenn einem lieb gewonnene Figuren in Gefahr sind.

Der Fall selbst und seine Hintergründe werden so nach und nach offenbar, da der Leser im Gegensatz zu den Protagonisten allwissend ist, kommt er schneller auf die Zusammenhänge. Kriminalistisch fand ich es wenig komplex. Die Geschichte lebt vor allem von den Figuren, besonders Robert finde ich als Charakter vielfältig. Er wirkt immer als „kühler Deutscher“ zwischen all den heißblütigen Italienern, geht aber zunehmend aus sich heraus, und das Hauptaugenmerk liegt denn auch auf seinem Zustand und seinen Gefühlen. Er reflektiert sehr viel, ist ein Kümmerer und wie im ersten Band wird er eher widerwillig in den Fall verwickelt, er verbeißt sich nur Giada zuliebe darin. Mit den weiblichen Personen hatte ich einmal mehr so meine Probleme, bis auf Lagana waren sie mir nicht grundsätzlich sympathisch. Für meinen Geschmack wurde die Figur der Stefanie zu stark betont und ich konnte auch nicht nachvollziehen, wieso sie als Roberts Ex so ein starkes Interesse daran haben soll, Giada zu helfen. Giada ist mir zu impulsiv, und das Herumreiten auf ihren Hexenohrringen, die Gefahr vorhersagen, und die Betonung ihrer Schönheit auf jeder dritten Seite fand ich dann auch irgendwann einmal überflüssig, nichtsdestotrotz passt es zum Motiv und dem sehr passenden Buchtitel, und sie hat eine starke Persönlichkeit, ist mutig und intelligent. Eine gewisse Situationskomik und skurrile Figuren dürfen auch wieder nicht fehlen, das Ganze ist in sich stimmig und einfach gut zu lesen.

Fazit: Gelungener zweiter Fall für Robert Lichtenwald und seinen toskanischen Freunden, mit viel Lokalkolorit und liebevoll gezeichneten Figuren. Der Autor bleibt seiner Linie treu und besticht vor allem durch seine Landschaftsbeschreibungen und der detaillierten Sicht auf das Leben und die Menschen in der Region. Die Zusammenhänge ahnt man recht schnell, trotzdem ist es ein durchaus solider und spannender Krimi. Wer den ersten Band mochte, wird auch diesen verschlingen.

PS: Der Klappentext deutet das schreckliche Schicksal einer jungen Römerin namens Donatella Fortunata an – ich habe keine Figur dieses Namens finden können. Sehr rätselhaft….